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Editorial

Ist der Analogstandort Deutschland jetzt DSG-KO?

Nur einen Buchstaben der neuen Datenschutzgrundverordnung DSGVO muss man austauschen, um das Gefühl vieler Unternehmen auszudrücken, das sie in den letzten Wochen empfanden.

Ehrenamtliche Vorstände gemeinnütziger Vereine legten ihr Amt nieder, Websites freiwilliger Feuerwehren gingen vom Netz und beim Austausch von Visitenkarten muss man sich jetzt gegenseitig eine mehrseitige Datenschutzerklärung aushändigen. Für ein nicht SSL-gesichertes Formular verlangt ein Augenoptiker über zehntausend Euro Schadensersatz. Patienten werden in Krankenhäusern wieder nach Hause geschickt, weil der behandelnde Hausarzt sich mit dem Hinweis auf die DSGVO weigert, Daten aus der Krankenakte zu faxen. Frisörbetriebe geben ihren Kunden Tarnnamen wie „Cinderella”, weil sie Klarnamen nicht mehr in ihren Kalender schreiben dürfen – am Telefon lässt sich die dazu nötige Datenschutzerklärung nicht übermitteln. Hochschulen haben den einzig stabilen Kontakt (Mail) zu ihren Absolventen verloren, weil die Daten gelöscht werden mussten. Auch hier: Die betroffenen Empfänger wollen das gar nicht, es ist auch deren Schaden. Der Verordnung ist das egal.

Krass? Ja, sicher. Ob es noch schlimmer geht? Keine Ahnung. Mir reichte jedenfalls das schon, was ich bei der Recherche zu unserem Titelbeitrag herausfand. Muss und sollte man den Datenschutz ernster nehmen als bisher? Ja, ganz sicher! Ob eine derartige Verordnung hilft, die praktisch für jeden gespeicherten Wert, der als personenbezogen gelten könnte, von jedem wirtschaftlich Handelnden verlangt, dass er von jedem für jedes Datum eine Erlaubnis einholen, ihn detailliert aufklären, auf Bedarf kostenlos Auskunft geben und eine prozessdokumentierte Löschung durchführen muss? Jeder noch so kleine Fehler kann richtig teuer werden. Und der gelegenheitsselbstständige Besenbinder wird dem gleichen Regelwerk unterworfen wie Siemens oder SAP. Mit dem einen Unterschied, dass dieser sich keine Armee von eigenen Anwälten leisten kann – oft noch nicht mal einen fremden. Er muss auch gar niemanden aktiv schädigen. Er kann noch so zufriedene, ihn liebende Kunden haben. Vor einer Abmahnung Dritter, die indirekt unter dem Schirmchen der DSGVO segeln, ist er trotzdem nie sicher. Und dass er nicht weiß, was ein „Wordpress Plug-in” ist, hilft ihm auch nicht. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht - ein alter Rechtsgrundsatz. Nur der entstand zu einer Zeit, wo Rechtsanwälte von der Komplexität, der Schwammigkeit und teilweisen Praxisferne von Verordnungen und Gesetzen noch nicht überfordert wurden wie jetzt zu Teil. Wer soll das alles noch verstehen? Wer hat die Zeit und das Geld, sich die Ergüsse regelwütiger EU-Politiker tagesaktuell auf den Schirm zu holen?

Digitalisierung first? Oder Papierkram first, wenn es nach dem Gesetzgeber geht? Wie erging es Ihrem Unternehmen vor und nach der Umstellung? Finden Sie die Regeln und die Bestrafungsmöglichkeiten angemessen? Hält es Sie vor weiteren Digitalisierungen ab oder fahren Sie diese sogar gerade wieder zurück?

Schreiben Sie mir doch unter chefredaktion@websitebosting.com – ich freue mich auf Ihre Mail!