Läuft die Abmahnmaschine schon?
Was Deutschland von anderen europäischen Ländern unterscheidet, ist u. a. die Möglichkeit, auch ohne selbst wirklich betroffen zu sein, abmahnen zu können. Geht man davon aus, dass ein Kunde oder der Nutzer einer Website sich geschädigt fühlt, kann er sich mit Bezug auf die DSGVO nun juristisch einfacher wehren. Das ist gut so und erschwert den unseriösen Sitebetreibern ihr Handwerk. Nicht selten werden solche Negativ-Beispiele ja verwendet, um eine ganze Branche in Verruf zu bringen. Wovor viele Unternehmen mit Websites aber Angst haben, sind die berüchtigten Abmahnanwälte, die zum Teil wohl mit eigenen Crawlern nach Verstößen auf Websites suchen und anschließend eine Abmahnung dafür produzieren. Das Ziel ist klar – für einen einfachen und ggf. automatisch erstellten Brief einige Hundert Euro Gebühren zu verlangen. Unterwirft sich ein Unternehmen der Abmahnung und verstößt in Zukunft wissentlich oder unwissentlich erneut gegen den zu unterlassenden Sachverhalt, wird es dann mit oft mehreren Tausend Euro so richtig teuer – oder lukrativ, je nach Perspektive. Diese Angst nahmen einige Politiker auch wahr und es gab den Vorstoß, solche Abmahnungen zunächst für ein Jahr auszusetzen. Dies scheiterte allerdings am Widerstand der SPD. Für den juristischen Laien mag das durchaus kurios wirken: Da gibt es eine Regelung (jeder darf abmahnen) und man will sie einfach aussetzen, nachdem klar wurde, dass sie politisch gesehen einige Unruhe bei Unternehmen produziert. Man fragt sich, ob das Abmahnen nun in Ordnung ist, wenn man es mal eben so aussetzen kann. In den sozialen Medien schmunzelt man derzeit darüber, dass es kein Wunder ist, dass Anwälte durch immer komplizierter und schwammig formulierte Verordnungen immer mehr Arbeit bekommen. Schließlich sind viele Politiker Juristen und die Branche verdient nicht zuletzt durch die DSGVO erheblich. Ob dies tatsächlich die Triebfeder bei einigen Abgeordneten ist oder die Unfähigkeit, klare Regelungen zu formulieren, man fachlich vom Verständnis her überfordert ist oder es gar ganz andere Motivationstreiber gibt, bleibt offen. Vielen Diskutanten im Web erscheint offenbar eine Mischung der ersten drei Vermutungen zumindest plausibel.
Wie groß ist die Gefahr von Abmahnungen nun tatsächlich? Wahrscheinlich deutlich geringer, als die meisten vermuten, so die Meinung vieler Juristen. Die sind sich nämlich noch gar nicht sicher, ob aufgrund der DSGVO überhaupt legitim abgemahnt werden kann, weil dieses Instrument der Abmahnung zum Wettbewerbsrecht gehört. Man setzt es ein, um zu verhindern, dass sich ein Wettbewerber durch nicht legales Verhalten (z. B. falsche Preisauszeichnungen, irreführende Werbung etc.) einen Vorteil verschafft. Wer also abmahnt (Anwälte, Verbände, Verbraucherzentralen etc.), muss sich nach aktueller Rechtsauffassung auf Gegenreaktionen einrichten, sofern der Abgemahnte einen versierten Anwalt einschaltet, statt einfach zu zahlen. Denn eine unberechtigte Abmahnung kann selbst einen Wettbewerbsverstoß darstellen und den Abmahnenden umgekehrt vor Gericht bringen – mit allen finanziellen Folgen.
Umgekehrt gab es bereits einige spektakuläre Abmahnungen, die sich auf die DSGVO stützen. So berichtet heise online (http://einfach.st/heise1), dass der durch frühere Abmahnungen bereits bekannte Anwalt Gereon Sandhage einen Online-Händler wegen eines nicht SSL-verschlüsselten Formulars für einen Mandanten auf Schadensersatz über 8.500 € bzw. 12.500 € abmahnte. Die Argumentation geht dahin, dass die ungeschützte Übertragung der Daten seines Mandanten diesem persönliches Leid zugefügt habe, und bezieht sich auf eine seiner Meinung nach drastische Missachtung der DSGVO-Vorschriften. Die DSGVO sieht tatsächlich die Geltendmachung von Schadensersatz bei Verstößen vor. Ob die Höhe gerechtfertigt erscheint, wird von Juristen durchaus bezweifelt. Aber wer in seinen Formularen noch immer keine Verschlüsselung einsetzt, sollte dies vielleicht als Weckruf betrachten, mit Kundendaten sorgsamer umzugehen.