Aktuell sorgt eine Entscheidung des Landgerichts Berlin für viel Aufsehen in der Social-Media-Szene. Betroffen ist die Bloggerin Vreni Frost. Verkürzt dargestellt hat das Gericht der Bloggerin unerlaubte Schleichwerbung durch Setzen von Taggings auf Instagram unterstellt. Der Aufruhr in der Szene ist groß. Wieder einmal wird Juristen vorgeworfen, das Internet nicht verstanden zu haben. Der Artikel geht der Frage nach, ob im vorliegenden Fall an diesen Vorwürfen etwas dran ist.
Sind Taggings auf Instagram verbotene Schleichwerbung?
A. Der Sachverhalt
Beklagte im vorliegenden Fall ist die Modebloggerin Vreni Frost, die seit mehr als neun Jahren zuerst in ihrem Blog Neverever und später dann auch auf Instagram über Lifestyle & Co. berichtet.
Inhaltlich ging es um drei Bilder, die Frost auf Instagram gepostet hatte. Auf den Bildern hatte sie Marken direkt im Bild getaggt. Diese Beiträge waren nicht als Werbung gekennzeichnet, weil keine der getaggten Marken die Bloggerin bezahlt hatte. Trotzdem sprach der Verband Sozialer Wettbewerb eine entsprechende Abmahnung wegen Schleichwerbung aus.
Als Frost sich weigerte, ging die Angelegenheit vor Gericht. Die Bloggerin verlor. Kampflos will Frost nicht aufgeben, sondern kündigte bereits Berufung zum Kammergericht Berlin an.
B. Die Begründung des LG Berlin
Vreni Frost hatte u. a. den kommerziellen Charakter der relevanten Inhalte bestritten und gemeint, sie verfolge damit keine kommerziellen Zwecke. Sie konnte sogar durch entsprechende Belege nachweisen, dass einzelne Produkte (z. B. ein Sweatshirt oder eine Bauchtasche), die Gegenstand der Nachricht waren, von ihr selbst erworben und nicht von dritter Seite aus gesponsert wurden.
Trotz dieses Vortrags verurteilte das Gericht die Bloggerin.
Denn die Beklagte habe im geschäftlichen Verkehr gehandelt und sei somit entsprechend kennzeichnungspflichtig, so das LG Berlin.
Von einem privaten Handeln könne keine Rede sein, so die Richter weiter. Der Account der Beklagten weise mehr als 50.000 Follower auf. Auch habe sie selbst in einem Interview die Aussage getätigt, dass das Einzige, was man auf ihrem Blog nicht lese, private Bereiche seien, die sie nicht ins Internet tragen möchte.
Ein weiterer Umstand sei, dass die Beklagte – wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt habe – eine Projektmanagerin beschäftige und ihre Geschäftsanschrift in den Räumen einer Werbeagentur unterhalte. Es handle sich bei der Beklagten somit mitnichten um eine Privatperson, die ihre persönlichen Vorlieben im Internet veröffentliche.
Es bestünde auch eine Kennzeichnungspflicht, auch wenn die Beklagte im konkreten Fall keine unmittelbaren Vorteile von den erwähnten Herstellern erhalten habe:
„Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung vom 11.10.2017 – Az.: 5 W 221/17 ausgeführt, dass jedenfalls derjenige, der in seinem Instagram-Auftritt Produkte präsentiert und dabei Links zu Internetauftritten der betreffenden Unternehmen setzt und dafür Entgelte oder sonstige Vorteile wie beispielsweise Rabatte oder Zugaben erhält, sei es auch nur durch kostenlose Übersendung der präsentierten Produkte, geschäftlich zur Förderung fremden Wettbewerbs handelt.
Zwar lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin als Gegenleistung für alle streitgegenständlichen Verlinkungen Entgelte oder konkrete Vorteile von den Unternehmen erhalten hat.
Vielmehr hat sie bezüglich mehrerer Artikel […] durch Vorlage von Rechnungen glaubhaft gemacht, dass sie diese Produkte auf eigene Kosten erworben hat. Dies führt aber nicht dazu, im vorliegenden Fall eine geschäftliche Handlung der Antragsgegnerin zur Förderung fremden Wettbewerbs zu verneinen."
Und dann erklärt das Gericht, warum es eine Absatzförderung annimmt:
„Die Art der Präsentation der Waren und der Verlinkung auf die Instagram-Auftritte der jeweiligen Unternehmen dienen objektiv der Förderung des Absatzes der […] genannten Unternehmen und damit deren kommerziellen Zwecken."
Die Follower werden durch die Verlinkung auf den Instagram-Account der Unternehmen weitergeleitet. Dort können sie nicht nur das von der Antragsgegnerin gezeigte Produkt, sondern zahlreiche Waren aus dem gesamten Shop der jeweiligen Unternehmen betrachten.
Die Antragsgegnerin ermöglicht es diesen Unternehmen, einem interessierten Publikum ihre Produkte zu präsentieren und – was zum Teil in den Instagram-Accounts der Unternehmen oder mit diesen verlinkten Internetauftritte auch geschieht – ihre Waren zu Kauf anzubieten.
Die Kammer geht […] davon aus, dass nicht nur ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Handeln der Antragsgegnerin und der Absatzförderung besteht, sondern dass die Antragsgegnerin auch das Ziel hat, die geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte zu beeinflussen; eine Wettbewerbsförderungsabsicht ist nicht erforderlich […]."
C. Die juristische Würdigung
Die Entscheidung des LG Berlin entspricht der geltenden Rechtslage und berücksichtigt insbesondere die Vorgaben des KG Berlin aus einer früheren Entscheidung. Anders als vielfach behauptet, verkennen die Juristen keineswegs die Technik des Internets, sondern begründen ihre Ansicht mit vertretbaren und nachvollziehen Gründen.
Das aktuelle Urteil erntet – wie dargestellt – in der Influencer-Welt harsche Kritik, jedoch zu Unrecht.
Die zahlreichen negativen Kommentare basieren auf der fehlerhaften Annahme, dass umgangssprachlich nur klassische Werbung unter die Kennzeichnungspflicht fällt. Dies ist aber gerade nicht der Fall.
Ansatzpunkt ist vielmehr der Begriff der geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG:
„Geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt."
Es dürfte kaum zu bestreiten sein, dass der Auftritt von Vreni Frost als geschäftliche Handlung anzusehen ist, da sie damit Einnahmen erzielt und sogar eine Projektmanagerin beschäftigt.
Es stellte sich dem Gericht somit nur noch die Frage, ob eben die konkreten Postings kennzeichnungspflichtig waren. Rechtsgrundlage ist dabei § 5a Abs. 6 UWG:
„Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."
Genau dies bejaht das LG Berlin anhand der konkreten Ausgestaltung der Darstellung auf der Webseite:
„Die Follower werden durch die Verlinkung auf den Instagram-Account der Unternehmen weitergeleitet. Dort können sie nicht nur das von der Antragsgegnerin gezeigte Produkt, sondern zahlreiche Waren aus dem gesamten Shop der jeweiligen Unternehmen betrachten. Die Antragsgegnerin ermöglicht es diesen Unternehmen, einem interessierten Publikum ihre Produkte zu präsentieren und – was zum Teil in den Instagram-Accounts der Unternehmen oder mit diesen verlinkten Internetauftritte auch geschieht – ihre Waren zu Kauf anzubieten. […]
Die Verlinkung auf die Instagram-Accounts der Unternehmen spricht dagegen, dass sie – wie sie behauptet – nur eventuellen Nachfragen von Followern nach der Herkunft der Sachen auf ihren Fotos vorgreifen will. Hierzu wäre eine Verlinkung, noch dazu auf den gesamten Shop, nicht erforderlich."
Anders als in den vielen aktuellen Kommentaren zu der gerichtlichen Entscheidung behauptet, ist die Konsequenz der Entscheidung nicht, dass nun sämtliche Postings gekennzeichnet werden müssen.
Redaktionelle Inhalte oder bloße Meinungsbekundungen bedürfen weiterhin keiner Hinweise.
Verlinkt jedoch ein Social Influencer umfangreich die von ihm erwähnten Produkte mit den Herstellerseiten und befinden sich dort auch noch die entsprechenden Online-Shops, dann ist im Zweifel von einer Kennzeichnungspflicht auszugehen.
Das aktuelle Urteil zeigt, dass trotz zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen in der letzten Zeit immer noch große Unklarheit bzw. Unwissenheit bei den Medienschaffenden aus dem Social-Media-Bereich in puncto Kennzeichnungspflicht von kommerziellen Postings besteht.
Ein Fall der Schleichwerbung kann also auch dann vorliegen, wenn eine Webseite verlinkt wird oder ein Instagram-Tagging verwendet wird, ohne dass der Verlinkende unmittelbar eine Vergütung hierfür erhält.