WeChat – The Miracle App

China ist mit 1,38 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt und unterscheidet sich schon allein aufgrund seiner Größe in vielen Dingen von Europa. Als chinesischer Smartphone-Besitzer kommt man um die Wunder-App WeChat nicht herum.

Die App ist allgegenwärtig und hat mittlerweile die symbolische Marke von einer Milliarde Nutzern durchbrochen. Das verkündete der Chef der WeChat-Mutter Tencent, Pony Ma, kürzlich am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking.

Tencent ist hier in Europa weniger bekannt, gehört aber zu den größten Internetunternehmen der Welt und ist laut eigenen Angaben der profitabelste Internetkonzern Asiens.

In erster Linie ist WeChat eine App, die in den entsprechenden Stores zum Download bereitsteht, wobei „App“ eine Untertreibung ist. WeChat ist eine riesige Plattform, eine Wunder-App, die unglaublich viele Aufgaben des täglichen Lebens mit einem Klick löst.

Was kann WeChat?

WeChat ist ein Messenger und beinhaltet die Funktionen von WhatsApp, Skype und einem QR-Code-Scanner. Es gibt Einzelchats, Gruppenchats, Telefonieren mit und ohne Video.

Dann ist es auch ein soziales Netzwerk (WeChat Moments), in dem man Nachrichten, Videos und Bilder postet, liket, sharet und kommentiert – vergleichbar mit Facebook, Instagram und Snapchat.

Official Accounts sind für Firmen, Medien und Behörden. Diese übernehmen Funktionen von normalen Webseiten und E-Mail-Diensten. Unternehmen haben zudem die Möglichkeit, Werbung zu schalten. Es gibt ein vielfältiges Angebot an Werbeformaten, bei denen die Zielgruppe nach Aufenthaltsort, Interessen, Alter, Geschlecht, Gerät und Provider bestimmt werden kann.

Ein weiterer wichtiger Teil ist WeChat Wallet – die Bezahlfunktionen von WeChat. Vergleichbar mit PayPal ersetzt WeChat Wallet Bargeld, Kredit- und EC-Karten.

Zudem bietet die App auch noch verschiedene Dienstleistungen an, beispielsweise, um Taxis zu bestellen, Hotelbuchungen vorzunehmen oder sich Essen liefern zu lassen.

Zu guter Letzt beinhaltet WeChat auch noch sogenannte „Mini-Programme“. Das sind Apps in der App, die von Drittanbietern zur Verfügung gestellt werden, vergleichbar mit einem App-Download im Google-Play- oder App-Store.

Die App ist aus dem Alltag der Chinesen nicht mehr wegzudenken und erledigt fast alles: Nachrichten verschicken, Telefonieren mit und ohne Bild, Kinokarten, Taxifahrten oder Zugtickets buchen, Arzttermine vereinbaren, Anträge bei Behörden stellen und Rechnungen aller Art bezahlen. WeChat beinhaltet all diese Funktionen und ist schnell und einfach zu bedienen.

Official Accounts für Firmen, Medien und Behörden

Firmen, Medien und Behörden haben die Möglichkeit, „Official Accounts“ auf WeChat zu nutzen. So gibt es für Unternehmen verschiedene Account-Varianten: den Subscription-Account oder den Service-Account. Je nach Zielsetzung bieten die Account-Typen verschiedene Vorteile.

Der Subscription-Account ist für diejenigen die bessere Wahl, die mit Content-Marketing mehr Follower generieren möchten. Firmen haben mit diesem Account die Möglichkeit, ihren Followern einmal täglich eine Nachricht/einen Post zu schicken. Eine regelmäßige Präsenz erhöht die Markenbekanntheit. Neben den Push-Nachrichten empfiehlt es sich, Chatbots (automatisierte Antworten) zu nutzen und ausführliche Unternehmensinformationen bereitzustellen.

Für diejenigen, die die umfassenden WeChat-Funktionen nutzen möchten, empfiehlt sich ein Service-Account. Nur mit ihm lässt sich ein CRM (Customer Relationship Management) anschließen oder Verkäufe direkt über einen WeChat-Shop abwickeln. Auch für die Nutzung des WeChat-Bezahlsystems in einem Geschäft ist ein Service-Account Voraussetzung. Gepostet werden kann allerdings nur einmal in der Woche.

Ein Upgrade vom Subscription-Account zum Service-Account ist jederzeit möglich.

Account-Eröffnung mit Sitz in China

Die offizielle Registrierung ist aufwendig und setzt eine Niederlassung in China voraus. So müssen in einem mehrstufigen Prozess verschiedene Firmendokumente – wie beispielsweise eine chinesische Geschäftslizenz – eingereicht werden. Zudem muss ein rechtlich Verantwortlicher mit chinesischem Bankkonto und Pass angegeben werden. Die Verifizierung der Dokumente kostet rund 50 € und nimmt ein paar Tage Zeit in Anspruch. 

Account-Eröffnung ohne Sitz in China

Unternehmen, die keinen Sitz in China haben, hatten bis vor Kurzen kaum eine legale oder risikofreie Möglichkeit, WeChat zu nutzen. Das hat sich nun aber geändert. Auch Tencent möchte von der Internationalisierung profitieren und bietet Unternehmen nun eine Möglichkeit, mit WeChat zu arbeiten.

Dafür benötigt man ein Whitelisting durch Tencent. Voraussetzung dafür ist ein Account-Name, eine Firmenbeschreibung, eine Branchenangabe und ein Mindestbudget von 20.000 Euro für Werbeanzeigen mit entsprechender Mediaplanung. Das Budget muss für die Bewerbung der ersten Kampagnen eingesetzt werden und dient zur Bekanntmachung des Accounts. Nach dem Whitelisting folgt die Account-Registrierung mit verschiedenen Firmendokumenten. Die gesamte Prozedur ist aufwendig und dauert bis zu zwei Monate.

Vorteil ist, dass die Rechte an dem Account zu 100 % beim Unternehmen liegen und nicht bei chinesischen Agenturen oder Partnern. Auch wenn der Weg aufwendig und mit einer gewissen Investition verbunden ist, so ist es derzeit die einzige seriöse Möglichkeit für Unternehmen ohne Sitz in China. 

Bezahlen mit WeChat Wallet

Während man sich in Deutschland noch vorsichtig an das Thema „Bezahlen mit dem Smartphone“ herantastet und vor allem Sicherheitsaspekte diskutiert, hat mobiles Bezahlen in China längst das Bargeld und die EC- bzw. Kreditkarten ersetzt.

Egal ob im Restaurant, auf einem Markt oder in einer Behörde – in China ist das Bezahlen mit WeChat Wallet oder Alipay mittlerweile nahezu überall möglich. Das Prozedere ist einfach: Nach Öffnung der App muss nur der bereitgestellte QR-Code gescannt und der zu bezahlende Betrag eingetippt werden. Binnen Sekunden ist das Geld auf das entsprechende Konto transferiert. Nie war das Bezahlen einfacher und so haben WeChat Wallet und Alipay das klassische Portemonnaie ersetzt.

Während wir hier in Europa viele Minuten mit IBAN oder BIC beschäftigt sind, scannen die Menschen in China einfach QR-Codes. So hat Peking beispielsweise schon 2015 eingeführt, dass Wasser-, Strom- und Gasrechnungen mit dem Smartphone bezahlt werden können. Auch das Austauschen von Wechselgeld oder das Mitführen einer Brieftasche sind überflüssig. Ein Smartphone reicht völlig aus.

Wer mit WeChat Wallet bezahlen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er zahlt ein Guthaben auf sein Konto ein oder er verknüpft sein Konto mit der Bankkarte, ähnlich wie hierzulande PayPal. Beide Wege sind schnell und unkompliziert.

Dasselbe gilt für Unternehmer, die WeChat Wallet oder Alipay anbieten möchten. Beide Anbieter erheben nur sehr geringe Gebühren für ihr mobiles Bezahlsystem und so hat es sich flächendeckend durchgesetzt.

Beide mobile Bezahlsysteme sind auch international auf dem Vormarsch. So entstehen immer mehr Kooperationen mit internationalen Finanzdienstleistern und die Anzahl an Unternehmen, bei denen man mit WeChat oder Alipay bezahlen kann, steigt stetig. Selbst in einigen Läden im Münchner Flughafen wird das Bezahlen mit WeChat seit November 2017 akzeptiert.

Die Eintrittskarte QR-Code

Die Tür zu WeChat ist der QR-Code. Bei der Erstellung eines privaten oder öffentlichen Profils erhält man seinen persönlichen QR-Code. Dieser ist wie eine Visitenkarte und dient dazu, den Account oder die Kontaktdaten zu finden.

Der QR-Code hat einen hohen Wiedererkennungswert und man findet ihn im chinesischen Alltag überall. Zum einen sind da die QR-Codes für das mobile Bezahlsystem WeChat Wallet, zum anderen aber auch viele QR-Codes für weiterführende Informationen oder Dienstleistungen.

Um mehr Fans für seinen Account zu generieren, empfiehlt es sich, ihn auf möglichst vielfältige Weise zu verteilen. In folgende Beispiele lässt sich der QR-Code gut integrieren:

• Messestände, Veranstaltungen, Roll-ups
• Anzeigen, Broschüren, Magazine
• Firmen-Dokumente, E-Mail-Signatur, Visitenkarten
• Give-aways, Geschenke
• Webseite, Online-Anzeigen, Videos
• Firmengebäude, Servicecenter, Shop
• Produkte, Maschinen

Auch Gewinnspiele, Produktproben oder interaktive Mitmach-Aktionen sind zu empfehlen. Diese verbinden die Online- und Offline-Welt und bieten potenziellen Kunden einen besonderen Anreiz, Fan des Accounts zu werden. Denkbar sind auch monetäre Anreize wie Rabattaktionen oder Gutscheine.

Ziel ist es, möglichst viele passende Fans des Accounts zu bekommen. Der gescannte QR-Code bringt die User direkt auf den Account und macht sie hoffentlich zu Fans.

Post-Länge und Gestaltung

Wer einen erfolgreichen Official Account betreiben will, sollte regelmäßig posten. Die Posts sollten aus verschiedenen redaktionellen Inhalten bestehen, beispielsweise zur eigenen Firma, den angebotenen Produkten und Dienstleistungen oder zu Events und Aktionen. Mit einem Service-Account darf einmal in der Woche gepostet werden, mit einem Subscription-Account einmal täglich.

Ziel ist es, dass Follower die Posts in den „Moments“ (vergleichbar mit dem Facebook Feed) teilen und liken. Das erhöht automatisch die Reichweite und führt im besten Fall zu neuen Followern.

Während ein Facebook-Post aus einem kurzen Text mit Bild/Video oder Link besteht, beinhaltet ein WeChat-Post viel mehr Text und Bild bzw. Videomaterial. So besteht ein Haupt-Post aus bis zu acht Unterbeiträgen und bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

Für die Gestaltung der Beiträge empfiehlt es sich, auf ein Layout-Tool zurückzugreifen:
Xiumi: xiumi.us
Tutorial: http://r.xiumi.us/board/v5/2a5va/6103106

Insgesamt erfordert ein WeChat-Post mehr Aufwand als ein Facebook-Post. Es bedarf mehr Text und mehr grafischer Gestaltung. Die Posts bieten einen hohen Informationsgehalt und lassen sich sehr gut gestalten.

Bildwelt

Die chinesischen Bildwelten unterscheiden sich komplett von den europäischen und deutschen Kampagnen und lassen sich nicht einfach auf den europäischen Markt übertragen. Jeder Post und jede Kampagne muss extra auf den Markt angepasst werden.

Die Bildwelten sind schrill, bunt und auch kitschig. Wer die Bildwelten besser verstehen möchte und auf der Suche nach Inspiration ist, für den ist dieser Blog richtig: https://walkthechat.com/blog/. Hier findet man verschiedene Beispiele zu erfolgreichen Kampagnen in China.

Mini-Programme

Mini-Programme sind Apps in der App. Das heißt, externe Anbieter integrieren ihre Anwendungen in die WeChat-Plattform und der User muss die App nicht verlassen, um die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Die Mini-Programme müssen nicht heruntergeladen oder installiert werden, sie sind direkt in WeChat integriert. Das hat zur Folge, dass die Mini-Programme nicht so komplex und flexibel sind wie „normale“ Apps. Im Gegenzug bieten sie aber eine unglaublich gute Nutzererfahrung, da sie einfach, schnell und unkompliziert sind.

Laut WeChat gibt es mittlerweile 580.000 Mini-Programme von Drittanbietern. Selbst das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit ist gerade dabei, über seine Schnittstelle amtliche Ausweisdokumente durch WeChat zu ersetzen. Das macht das ständige Tragen von Ausweispapieren überflüssig. Ein Smartphone reicht völlig aus.

Mini-Programme bieten Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, den Usern einen Mehrwert zu schaffen. Beispiele sind E-Commerce-Shops oder Spiele. Aber auch andere Anwendungen zur Steigerung der Markenbekanntheit oder für das Kundenmanagement sind möglich.

Für Mini-Programme muss WXML und WXSS verwendet werden. Beides ähnelt HTML und bietet den Vorteil, dass es geräteneutral für Android und IOS einsetzbar ist. Weitere Details finden Sie beispielsweise unter: https://github.com/apelegri/wechat-miniprogram-wiki.

Die Programmierung eines Mini-Programms ist mit Sicherheit aufwendig und zeitintensiv. Viele Mini-Programme bieten Kunden aber einen entscheidenden Mehrwert und sorgen so für den Erfolg des Accounts.

Privat = Beruf und offline = online

Eine Besonderheit aus europäischer Sicht ist, dass es bei WeChat keine Trennung von privat und beruflich oder online und offline gibt.

Auf der einen Seite schreibt man mit dem Ehemann (P2P) und gehört einer Gruppe mit Freunden (Group Chats) an. Auf der anderen Seite kommuniziert man mit dem Arbeitgeber oder dem Kunden (Business). Die gesamte private und berufliche Kommunikation läuft über denselben Messenger. 

Gleichzeitig findet auch die Kommunikation mit Behörden, Schulen oder Firmen über WeChat statt. Anstelle von klassischen E-Mails oder Telefonanrufen nutzt man die App. So erhält man beispielsweise Vertretungspläne der Kinder, staatliche Dokumente und Produktinformationen und Dienstleistungen von Unternehmen.

Online und offline verschmelzen miteinander. Man steht offline an der Supermarktkasse und bezahlt online. Man ordert online ein Taxi, um dann offline einzusteigen. Die Besonderheit dabei ist, dass diese Möglichkeiten alle binnen Sekunden in einer App bereitgestellt werden. Kein aufwendiges „Hin-und-her-Switchen“, keine zeitraubenden Registrierungen, keine endlosen IBAN-Nummern. WeChat bietet mit einem Online-Klick zahlreiche Dienstleistungen, die das Offline-Leben erleichtern.

WeChat ist zusammengefasst eine „Rundum-Sorglos“-App und hebt die Trennung von offline und online und auch die Trennung von Beruf und privat auf. Die App begleitet die Menschen in China in ihrem täglichen Leben und macht vieles „mit einem Klick“ verfügbar.

Eine Plattform mit viel Marketing-Potenzial

WeChat ist eine Miracle App. Sie kombiniert die Vorteile vieler verschiedener Anwendungen auf einer Plattform und bereichert so das Leben der Nutzer. Für Unternehmen ist das Portal vielfältig einsetzbar. So eignet es sich generell für die Marketing-Kommunikation, die Pflege und Verwaltung von Kundenbeziehung, den Kundensupport und den Aufbau der Markenbekanntheit.