Ein Relaunch bietet optisch und technologisch immer Chancen und sollte möglichst effizient genutzt werden. Doch was, wenn das bestehende System schon gut optimiert ist? Dann muss man es auf den nächsten Level bringen! Zum Beispiel mit einer Umstellung auf HTTP/2 und einer umfangreichen Speed-Optimierung. Wie man dies am besten angeht und wo Fehlerquellen lauern, schauen wir uns am Fall von Tattoolos.com in diesem Artikel an.
Relaunch, HTTP/2 und Pagespeed
Bei einem schlecht geplanten und durchgeführten Relaunch besteht immer das Risiko, kurz- bzw. mittelfristig einen Großteil der rankenden Keywords zu verlieren. Schon das Einrichten korrekter und vollständiger Weiterleitungen stellt bei komplexeren Seitenstrukturen eine große Aufgabe dar und wird oft nicht sauber umgesetzt. So kann es dazu kommen, dass die Website von einem Tag auf den anderen deutlich weniger Traffic über die organische Suche erhält.
Was sind eigentlich gute Gründe für einen Relaunch – wann lohnt sich der Aufwand und wann kann man das Risiko, das ein Relaunch mit sich bringt, tragen? Die Frage kursiert immer mal wieder in Foren und führt oft zu kontroversen Diskussionen. Die hier gemachten Erfahrungen müssen also nicht auf jede Website übertragbar sein, jeder Relaunch will gut abgewogen werden. In den meisten Fällen sind laufende Optimierungen an bestehenden Systemen die wirtschaftlich bessere Entscheidung und zudem aus SEO-Sicht deutlich weniger gefährlich.
Tattoolos.com ist schon einige Jahre in SEO-Betreuung und entsprechend gut optimiert. Mit dem CMS „WordPress“ war hier eine Flexibilität gegeben, die viele Anpassungen erlaubte und voll ausgeschöpft wurde. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Speed-Zahlen bereits vor dem Relaunch gut waren (Abb. 1 und Abb. 2).
Dennoch stand hier, aufgrund von nicht zeitgemäßem Design, Usability-Problemen und recht komplex verbautem Code (Spaghetticode), ein Relaunch an.
Im Zuge des Relaunches sollte in erster Linie eine Umstellung des Designs mit einer besseren Usability erfolgen, aber auch die Themen Speed und Mobile spielten in den Entscheidungen zum Design eine wichtige Rolle. Daher wurde auch beschlossen, mit dem Relaunch auf HTTP/2 umzustellen.
Aber was ist eigentlich HTTP/2?
Das Übertragungsprotokoll HTTP sorgt dafür, dass Client (Browser) und Server miteinander kommunizieren können, indem der Server Datenpakete an den Client versendet. Dieses Übertragungsprotokoll wurde aufgrund steigender Anforderungen 1999 überarbeitet und daraus folgend der Standard HTTP/1.1 eingeführt. Doch auch dieser ist heutzutage nicht mehr ausreichend, weswegen sich HTTP/2 langsam als Nachfolger etabliert. Dieses Protokoll wurde unter anderem von Google, damals noch unter dem Namen SPDY (Speedy), mitentwickelt und wird bereits von den meisten Browsern unterstützt (Abb. 3).
Das heißt natürlich nicht, dass eine Umstellung in jedem Fall einfach ist – sie sollte immer direkt mit dem Hoster oder dem entsprechenden Admin geklärt werden. Nicht alle Apache-Versionen (ab Version 2.4.17) unterstützen HTTP/2 und eine Umstellung kann hier deutlich aufwendiger werden und lange Downtimes (Seite offline) verursachen. Wird statt Apache NGINX (ab Version 1.9.5) eingesetzt, muss zusätzlich ein Proxy verwendet werden.
Darüber hinaus unterstützen einige Browser HTTP/2 nur, wenn auch ein SSL-Zertifikat (HTTPS) verwendet wird. Daher ist es empfehlenswert, dies entweder im Zuge der Umstellung oder vorab zu installieren. Im besten Fall jedoch läuft die Seite auf einem einigermaßen aktuellen Apache-Server, sodass der Hoster die Umstellung selbst vornehmen kann.
Wenn die Verantwortlichkeit bei einem System-Administrator liegt, kann dieser ebenfalls die Installation vornehmen: Hierzu muss das Modul auf dem Apache-Server mit „a2enmod http2“ aktiviert werden und in der .conf-Datei mit dem Befehl "Protocols h2 h2c http/1.1" angegeben werden.
Fallback-Varianten nicht vergessen!
Da ältere Browserversionen HTTP/2 noch nicht unterstützen, empfiehlt es sich, einen Plan B in der Schublade zu haben. In diesem Fall ist dieser Plan B eine Fallback-Variante auf HTTP/1.1. So werden Nutzer, die mit einem alten Browser die Seiten aufrufen, auf die HTTP/1.1-Variante zurückgestuft und können die Seite normal nutzen. Das sollte in jedem Fall mit dem verantwortlichen Serverbetreiber geklärt sein, denn auch der Google-Bot hat teilweise noch Probleme.
Was bringt die Umstellung auf HTTP/2?
HTTP/2 verbessert die Ladezeiten einer Website insofern, als die Datenpakete nicht nacheinander, sondern zeitgleich geladen werden (Multiplexing). Die Informationen werden hierzu komprimiert in Binärcode ausgeliefert. Die Hoffnung, welche mit einer Verbesserung der Ladezeiten einhergeht, ist natürlich, dass sich auch die Rankings verbessern und die Conversion-Rate steigt. Dennoch sollte im Hinterkopf behalten werden: Ein neues Design kann durch mehr JavaScript und Bilder auch „schwerer“ werden als die alte Version, sodass sich nicht unbedingt eine Verbesserung einstellt.
So sieht es aktuell auch bei Tattoolos.com aus (Abb. 4) – die Verbesserung könnte noch größer sein, wenn das Design das Thema Speed noch stärker berücksichtigen würde.
Dennoch sind die Veränderungen groß: Von über sieben Sekunden sind wir auf drei Sekunden Ladezeit gesunken (Abb. 5). Ruft ein Besucher die Website auf, ist der sichtbare Bereich innerhalb eines Wimpernschlags geladen. Gleiches gilt auch für den Aufruf über Mobilgeräte.
Diese Tests haben wir nicht nur für die Startseite gemacht, sondern für jeden Template-Typ, überall mit großen Verbesserungen. Die Veränderung im „Google PageSpeed Insights“ ist hingegen eher gering (Abb. 6), hat für uns allerdings auch kaum Aussagekraft.
Dennoch hat das neue Design natürlich auch einiges mehr an Volumen, passt besser in die heutige Zeit und verspricht schon einige Tage nach dem Relaunch eine verbesserte Conversion-Rate. Auch das Crawling durch Google hat sich verbessert: Es werden mehr Seiten in weniger Zeit gecrawlt (Abb. 7).
Weitere Potenziale für Tattoolos.com bieten aktuell die Reduktion des JavaScript, der Fonts (Caching) und ein wenig auch im CSS.
Fazit – lohnt sich die Umstellung?
Insgesamt war die Seite für die Umstellung auf HTTP/2 nur eine Stunde offline – der Vorgang ist somit auch außerhalb eines Relaunches für viele Webseiten sinnvoll! Die Umstellung lässt sich in den meisten Fällen problemlos und oft sogar direkt durch den Hoster durchführen. Der Effekt auf die Ladezeiten ist auf dem Niveau, welches bei Tattoolos.com vorlag, immens: Trotz guter Grundlage wurden die Ladezeiten hier halbiert! Erste Effekte der Nutzersignale sind bereits zu spüren: Die Absprungrate ist gesunken und die Buchungen über die Website steigen.
Das Fazit insgesamt ist also mehr als positiv – die Prognose auch: HTTP/2 wird sich 2018 weiter als neuer Standard etablieren. Zu einer frühzeitigen Umstellung kann Webmastern daher nur geraten werden.