Die TactixX, Deutschlands größte Affiliate- und Display-Marketing-Konferenz, fand auch dieses Jahr wieder in München statt. Mit rund 500 Teilnehmenden aus allen Bereichen der Affiliate-Branche war die Konferenz ein voller Erfolg. In diesem Artikel wirft der Affiliate-Experte Markus Kellermann einen Blick auf die Highlights und Erkenntnisse der Veranstaltung.
TactixX 2023
Ein Rückblick auf die Zukunft des Affiliate- und Display-Marketings
Die Zukunft des digitalen Marketings: plattformbasierte Lösungen und „magische“ Technologien
Die Eröffnungs-Keynote wurde von Achim Schlosser, European netID Foundation, gehalten. Sein Vortrag „Decoding the Future of Digital Marketing“ gab einen Ausblick auf die Zukunft des digitalen Marketings. Schlosser stellte die Frage, ob sich wirklich so viel im digitalen Marketing ändert, und gab einen Ausblick auf die Rolle von Plattformen, 1st-Party-Daten-basierten Lösungen und scheinbar „magischen“ Technologien.
Die „magischen“ Technologien, die Schlosser erwähnte, beinhalten Messbarkeit, Adressierbarkeit, Zielgruppen und Safety/Compliance in Bezug auf Endgeräte und DSGVO. Er sprach auch über die Bausteine einer erfolgreichen Strategie, darunter Einwilligungen, Nutzertransparenz, Skalierbarkeit und Betroffenenrechte.
Er stellte folgende Beispiele für 1st-Party-Daten-basierte Modelle vor:
- Privacy-Sandbox: Cross-Site-Attribution
- Clean-Room: Re-Targeting (Simplified)
- Identity Resolution/Graphs (Simplified)
Ausgangspunkt für jedes Use-Case sind kompatible Daten. Wichtig ist, sich vorab die Frage zu stellen, wie die Daten verarbeitet werden und wie man diese nutzen kann.
Digital Advertising in der Post-Cookie-Ära
Alwin Viereck von United Internet Media widmete sich in seinem Vortrag dem Thema „Digital Advertising in der Post-Cookie-Ära“. Er betonte, dass die Abschaffung von 3rd Party Cookies bis Oktober 2024 bedeutende Veränderungen mit sich bringt und Werbetreibende dazu zwingt, ihre Strategien anzupassen.
Besonders einschneidend wird die Abschaffung von 3rd Party Cookies sein, die bis Oktober 2024 auch im Chrome-Browser nicht mehr unterstützt werden.
Ein zentraler Fokus in der Post-Cookie-Ära liegt auf der Bewältigung der Herausforderungen durch Multi-Devices. Bereits im Jahr 2016 überholte der mobile Traffic den Desktop-Verkehr, während dies in Deutschland erst Ende 2022 geschah. Werbetreibende müssen daher heute verstärkt darauf achten, ihre Zielgruppe über verschiedene Geräte hinweg effektiv zu erreichen.
„Ein zentraler Fokus in der Post-Cookie-Ära liegt auf der Bewältigung der Herausforderungen durch Multi-Devices.“
Um die Wirksamkeit von Werbekampagnen auch ohne Cookies zu gewährleisten, ist es unerlässlich, alternative Adressability-Lösungen zu finden.
Insgesamt erfordert die Post-Cookie-Ära im Digital Advertising ein Umdenken und eine Anpassung der Werbestrategien. Die Vermeidung von Datenmissbrauch und eine verantwortungsvolle Nutzung von Kundendaten sind von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen und gleichzeitig relevante Werbeerlebnisse zu bieten. Die Suche nach zukunftsfähigen Adressability-Lösungen wird für Werbetreibende zu einem Schlüsselfaktor, um in dieser neuen Ära erfolgreich zu sein.
Alexander (Sascha) Mai von der Condor Flugdienst GmbH sprach über die Notwendigkeit eines Wandels im Verhältnis von Advertisern und Publishern. Er betonte die Herausforderung, Mitarbeitende zu finden, die Kundendaten gezielt einsetzen können, um die Werbung erfolgreich zu steuern.
Parallel dazu begegnen Werbetreibende einer wachsenden Ad-Avoidance seitens der Konsumenten, die Werbung immer häufiger meiden. Dies erfordert von Unternehmen eine stärkere Anpassung ihrer Strategien, um relevante und nicht aufdringliche Werbeinhalte zu liefern.
„Werbetreibende begegnen einer wachsenden Ad-Avoidance seitens der Konsumenten, die Werbung immer häufiger meiden.“
Weitere wichtige Aspekte sind das Verständnis und die Nutzung von Daten. Unternehmen müssen lernen, die zur Verfügung stehenden Daten sinnvoll zu analysieren und zu interpretieren, um effektive Werbemaßnahmen zu entwickeln und Zielgruppen besser anzusprechen.
Trotz des wachsenden Drucks wegen Effizienz und Einsatz neuer Technologien darf die Nachhaltigkeit nicht vernachlässigt werden. So ist für 90 % der CEO das Thema Nachhaltigkeit genauso wichtig wie die Digitalisierung.
Insgesamt sind die Herausforderungen in der Werbewelt vielfältig, von der technologischen Weiterentwicklung bis hin zur ethischen Verantwortung. Condor möchte sich jeglichen Herausforderungen stellen und ist offen für neue Partnerschaften und Modelle. Sei es ein Rollentausch in der Werbelandschaft oder auch Barterdeals etc. – hier ist Condor offen für neue Möglichkeiten.
Markus Kellermann von xpose360 GmbH hielt einen Vortrag über die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) im Affiliate-Marketing. Er zeigte auf, wie KI bereits in der Affiliate-Branche genutzt wird und wie sie den Arbeitsalltag von Affiliates verändert. Kellermann betonte, dass KI nicht der Feind ist, sondern genutzt werden kann, um Zeit und Kosten zu sparen und Umsätze zu steigern.
„KI ist nicht der Feind, sondern kann genutzt werden, um Zeit und Kosten zu sparen und Umsätze zu steigern.“
Im Rahmen des Vortrags wurde eine umfassende Diskussion über die vielfältigen Anwendungen der generativen künstlichen Intelligenz geführt. Die Bandbreite reicht von Text-to-Speach-Technologien, wie sie von Elevenlabs genutzt werden, bis hin zu Text-to-Image-Anwendungen, wie sie von Midjourney oder DALL-E demonstriert wurden. Die Zukunft könnte sogar holografische Darstellungen von Konzerten und Vorträgen sehen, eine spannende Perspektive, die durch die Fortschritte in der KI ermöglicht wird.
Die transformative Kraft der KI wurde hervorgehoben, wobei Sascha Lobo zitiert wurde, der ChatGPT als das „iPhone der künstlichen Intelligenz“ bezeichnete. Amy Webb, eine renommierte Futuristin, wurde ebenfalls erwähnt, die voraussagte, dass die KI das Ende des Internets, wie wir es heute kennen, einläuten wird.
„KI wird das Ende des Internets, wie wir es heute kennen, einläuten.“
Auch eine Umfrage bestätigt, dass KI einen immer wichtigeren Bestandteil im Affiliate-Marketing ausmacht:
- 42 % behaupten, dass sich die KI fest etablieren wird.
- 58 % der Affiliate-Branche nutzen KI-Tools bereits.
- 53 % der Affiliate-Unternehmen wollen zukünftig mehr Geld in KI investieren.
- 90 % glauben, einen Wettbewerbsvorteil durch die Nutzung von KI zu haben.
Die weltweiten Investitionen in KI-Technologien sind zudem auf einem beeindruckenden Wachstumspfad mit Prognosen, die auf jährliche Investitionen von 300 Milliarden US-Dollar bis 2026 hindeuten. Parallel dazu explodiert die Anzahl der wissenschaftlichen Arbeiten zu KI mit über 2.000 neuen Publikationen, die täglich veröffentlicht werden.
Der Vortrag präsentierte auch konkrete Beispiele für die Anwendung von KI im Affiliate-Marketing, darunter Predictive Analytics, die Empfehlung passender Publisher und Werbeplätze sowie die Bekämpfung von Ad Fraud. Große Unternehmen wie TikTok, Google und Meta setzen KI ein, um Werbeinhalte zu generieren und Kampagnen zu optimieren.
Abschließend wurden den Zuhörenden einige Ratschläge gegeben, darunter die Teilnahme an einem kostenlosen KI-Grundlagenkurs von Google, das Abonnieren des Newsletters von AINauten und das Lesen des Buchs „Wie Maschinen lernen“. Es wurde betont, dass die Beschäftigung mit Prompt Engineering und der Aufbau einer eigenen Datenbank für Prompts im Unternehmen von entscheidender Bedeutung sei. Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass ChatGPT auf Daten von 2021 basiert und dass Plug-ins, wie KeyMate oder Web Requests, verwendet werden sollten, um aktuelle Ergebnisse zu erhalten. Als Alternative – und ohne die Notwendigkeit von Plug-ins – empfiehlt Markus Kellermann, Google Bard zu nutzen.
Fünf Jahre DSGVO – Lernkurve und Ausblick im Affiliate-Marketing
Martin Erlewein von der Kanzlei Erlewein berichtete in seinem Vortrag, wie das Online-Marketing durch das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung im Jahr 2018 aufgemischt wurde.
Die DSGVO enthält Bestimmungen, um personenbezogene Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen zu verarbeiten. Somit dient die DSGVO der Vereinheitlichung des Datenschutzrechts. Erlewein erörtert, wie manche Punkte zunächst schlimmer als erwartet aussahen und manches ganz anders kam als zuvor überlegt, da sich auch erst Gerichte und Behörden mit dem Thema befassen mussten.
In seinem Vortrag ging er darauf ein, wie das Affiliate-Marketing auf den zunehmenden Erkenntnisgewinn reagiert hat und welche Verunsicherungen drohen. Dabei ging er auf einige Beispiele ein, zum Beispiel den Fall Planet49. Dabei ging es um ein Verfahren, bei dem die Beklagte 2013 ein Online-Gewinnspiel veranstaltete, bei dem die Teilnehmenden aufgefordert wurden, eine Einwilligung zum Cookie-Setzen sowie eine Werbeeinwilligung zu erteilen. Damit gestatteten sie der Veranstalterin, eine Auswertung ihres Surfverhaltens auf Websites von Werbepartnern durchzuführen. Auch einen Datenschutzaktivisten aus Wien erwähnte er in seinem Vortrag, der sich mit der genauen Farbe des Zustimmungsbuttons bzw. Ablehnen von Cookies beschäftigt.
Als wichtige Themen der Zukunft sieht er PIMPS, E-Privacy, KI und Datenschutz an.
Retail Media – wo stehen wir heute?
Uwe Roschmann von der Omnicom Media Group präsentierte in seinem Vortrag zum Thema Retail Media die Differenzierung zwischen „Instore“ (im Laden) und „On-Site“ (online). Ein ideales Szenario beinhaltet das „Cross Channel Tracking“, um Kunden nahtlos zwischen den Kanälen zu verfolgen.
Die Digitalisierung schreitet voran, und auch im Einzelhandel werden immer mehr digitale Platzierungsmöglichkeiten geschaffen.
Laut Uwe Roschmann sollte Retail Instore Media im Marketing-Mix mehr Beachtung finden, da es im gesamten Online-Marketing-Mix einige Challenges zu bewältigen gilt. Dazu zählen beispielsweise die Ermittlung von Cost-per-Sale (CPS), die nationale Reichweite und die Aufmerksamkeit der Zielgruppe.
Retail Media ist seiner Meinung nach sogar effektiver als „Addressable TV“- und „Digital Out of Home“-Werbung. Der Erfolg ist teilweise auch auf die Cookie-Krise zurückzuführen, die traditionelle Online-Werbung weiterhin beeinträchtigt. „Retail Instore Media“ bietet eine breite Reichweite und ein präziseres Targeting.
Einige große Einzelhandelsunternehmen wie eBay, Walmart und Target steigen bereits in diesen Bereich ein. Allerdings gibt es noch Herausforderungen zu bewältigen, darunter die Definition von KPIs, geschlossene Plattformen („Walled Gardens“) und das dahinterstehende Data Ownership.
Ad Fraud Status quo 2023
Jana Krahforst von fraud0 GmbH sprach in einem Workshop über das aktuelle Problem von Ad Fraud und wie Advertiser botgenerierten Traffic erkennen und sich dagegen schützen können. Sie betonte die Wichtigkeit von KI-basierten Ad-Fraud-Softwarelösungen zur Erkennung von Betrug.
Die Grenze zwischen Echtem und Fake wird zukünftig immer schwieriger zu erkennen sein. Sowohl Meta als auch TikTok stehen vor massiven Problemen durch Fake Accounts. Besonders schädlich sind die sogenannten „Bad Bots“. Beispiele hierfür sind Sniper Bots, welche beispielsweise bei PlayStation-Releases oder limitierten Sneaker-Verkäufen zu Problemen führen.
Jährlich entsteht durch diese Machenschaften ein Schaden von 100 Milliarden Dollar. Die künstliche Intelligenz wird das Problem von Fake Sites noch weiter verschärfen, da sie als Multiplikator wirkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, nutzt fraud0 bereits eine KI-basierte Ad-Fraud-Software. Diese analysiert Parameterdifferenzen und Auffälligkeiten, um Betrug zu erkennen.
Paneldiskussion: künstliche Intelligenz und Machine Learning im Affiliate-Marketing
Zum Abschluss der Tactixx folgte noch die Paneldiskussion zum Thema „Die Rolle von künstlicher Intelligenz und Machine Learning im Affiliate-Marketing“, die sich den verschiedenen Aspekten des Einsatzes von KI in dieser Branche widmete. Moderiert wurde diese Diskussion von Ingo Kamps (Geschäftsführer bei Münchner Online Rebels)
Eine der zentralen Fragestellungen war, ob KI vertrauenswürdig sei. Die Professorin Dr. Eva Schuckmann betonte, dass auch bei KI-Anwendungen auf ein sorgfältiges Qualitätsmanagement geachtet werden muss, was von entscheidender Bedeutung ist, um mögliche Fehlerquellen zu minimieren.
Petra Semle (VP Client Development bei CJ) verriet, dass auch CJ bereits erste Erfahrungen mit KI sammelt. Sie setzen KI-Technologien ein, um Datenanalysen und Performance-Optimierungen zu unterstützen. Bei ihnen gilt das Motto: Machine Earning statt Machine Learning.
In Bezug auf die Erwartungen der Kunden von Impact.com an KI wurde deutlich, dass Impact noch Vorbehalte hat. Felix Schmidt (Country Manager DACH bei impact.com) findet, dass insbesondere ethische Aspekte und Datenschutzbedenken zu einer gewissen Skepsis führen. Bis klare Richtlinien und Regularien etabliert sind, ist es aktuell noch verboten, KI bei Impact zu nutzen.
Bei der xpose360 hingegen wird bereits KI einsetzt. Markus Kellermann (Geschäftsführer der xpose360 GmbH) betonte allerdings, dass der Einsatz rein informell genutzt wird und keinerlei persönliche Daten oder Kundenthemen mit KI verarbeitet werden.
Insgesamt verdeutlichte die Diskussionsrunde, dass KI im Affiliate-Marketing bereits eine bedeutende Rolle spielt und auch weiter an Bedeutung gewinnen wird, jedoch mit angemessener Vorsicht und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden. Die Branche befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess, und um das volle Potenzial von KI im Einklang mit ethischen und regulatorischen Richtlinien auszuschöpfen, wird es noch eine gewisse Zeit dauern.