Provisions-Verbote im Affiliate-Marketing

und wie Sie sie vermeiden können

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

In der letzten Zeit mehren sich die gerichtlichen Entscheidungen, bei denen Affiliate und Merchant gegen ein gesetzliches Provisionsverbot verstoßen. Die Folge ist dann, dass der Affiliate trotz erbrachter Leistung keinen Anspruch auf Vergütung hat. Bereits empfangene Gelder muss er dann sogar noch zurückzahlen. Der denkbar schlechteste Ausgang also für den Affiliate. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe eines solchen Affiliate-Verbots und weist (die begrenzten) Möglichkeiten auf, wie ein Affiliate sich vor einem solchen Risiko schützen kann.

A. Der Sachverhalt

Nehmen wir einen scheinbar ganz einfachen Sachverhalt aus dem Affiliate-Marketing an:

Rechtsanwalt A ist auf der Suche nach neuen Mandanten im Bereich von Verkehrsunfällen. Der YouTuber B betreibt einen bekannten YouTube-Kanal mit Aufzeichnungen von Dashcams.

Rechtsanwalt A bietet nun dem B für jeden neuen Mandanten, den er ihm im Bereich des Verkehrsrechts schickt, eine Affiliate-Provision an.

Ein simpler Fall werden Sie denken, ohne größere Probleme. Der YouTuber wird keine größeren rechtlichen Probleme haben und die Provision ohne Hürden einstreichen können.

Leider irren Sie hier wie viele andere Affiliates vor Ihnen. Zwar ist der Sachverhalt klar und einfach, aber in anderer Hinsicht, als Sie vermuten: Die Rechtslage ist nämlich ziemlich eindeutig. Der B hat keinen Anspruch auf Affiliate-Provision und muss im Zweifel sämtliche erhaltenen Entgelte an den Anwalt zurückzahlen.

B. Die Problemlage

1. Reichweite

Die Antwort findet sich im tiefsten Berufsrecht für Anwälte: In § 49b Abs. 3 BRAO (= Berufsordnung für Rechtsanwälte) ist festgeschrieben, dass jeder finanzielle Vorteil für die Vermittlung von neuen Mandanten verboten ist.

Sowohl Anwalt als auch Affiliate verstoßen im vorliegenden Beispiel somit gegen ein gesetzliches Verbot. Rechtsfolge ist, dass der geschlossene Vertrag unwirksam ist. Trotz geleisteter Arbeit hat der Affiliate keinen Vergütungsanspruch.

Okay, kein Problem, werden Sie nun denken. Dann verzichte ich zukünftig eben auf Anwälte als Auftraggeber. Anwälte sind ja ohnehin immer eine ganz besondere Spezies.

Leider ist die Lösung nicht so einfach. Denn ein solches Provisionsverbot gibt es nicht nur bei Advokaten, sondern bei zahlreichen weiteren verkammerten Berufen. Bei verkammerten Berufen handelt es sich um solche Tätigkeiten, die umgangssprachlich unter „freien Berufen“ bekannt sind, also zum Beispiel Apotheker, Diplom-Psychologen, Hebammen, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Lotsen, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ingenieure oder Zahnärzte.

Häufig ist es so, dass diese verkammerten Berufe in ihren jeweiligen Berufsordnungen niedergelegt haben, dass für neue Kunden kein finanzieller Vorteil gewährt werden darf. Für Steuerberater steht dies zum Beispiel in § 9 StBerG (= Steuerberatergesetz). Es ist aber nicht so, dass in jedem der vorgenannten Berufe ausnahmslos ein solches Provisionsverbot gilt. Vielmehr gibt es auch Tätigkeiten, in denen eine solche Affiliate-Werbung nicht untersagt ist.

Ein Affiliate müsste also immer ganz genau hinschauen, welchen Beruf er da gerade bewirbt und ob für diesen Beruf ein Verbot existiert.

Diese ohnehin schon komplexe rechtliche Situation wird noch dadurch verschärft, dass sich viele dieser verkammerten Berufe in den letzten Jahren in einem Umbruch befinden. Dies bedeutet, dass restriktive Regelungen zunehmend als überholt angesehen werden und der Drang zu einer Liberalisierung immer stärker wird.

Für den Affiliate bedeutet dies: Er kann sich nicht sicher sein, dass das, was er im letzten Jahr von einem Anwalt gesagt bekommen hat, auch noch im Folgejahr Gültigkeit hat oder ob es nicht möglicherweise zwischendurch eine gesetzliche Veränderung gegeben hat.

Eine sehr unbefriedigende Situation also. Vor allem auch deswegen, weil der Markt der verkammerten Berufe im Online-Marketing an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt. In den letzten Jahren ist der Markt von Legal Techs und Anwaltskanzleien überrollt worden, die Betroffene für Massenverfahren suchen, zum Beispiel für Schadensersatzansprüche aufgrund von Datenlecks bei Unternehmen oder Ausgleichsansprüche für verspätete Flugreisen.

Der Grund für dieses Provisionsverbot ist übrigens, dass bei dem jeweiligen Berufsrechtsträger nicht primär finanzielle Gründe im Vordergrund stehen sollen, um Unabhängigkeit zu bewahren.

2. Gerichtliche Entscheidungen

In den letzten Jahren haben insbesondere die beiden nachfolgenden gerichtlichen Entscheidungen die Rechtslage in der Praxis geprägt.

a. OLG Köln

Im Jahr 2021 hatte das OLG Köln1 zu beurteilen, ob eine Online-Plattform Steuerberatern eine Vermittlungsprovision für das Anbieten von Neukunden in Rechnung stellen darf.

In den AGB war klargestellt, dass keine Provision gezahlt wird, sondern vielmehr nur eine „Servicegebühr“ für die Inanspruchnahme des Kundenmanagementsystems des Anbieters.

Der Online-Plattform war also ganz offensichtlich das gesetzliche Provisionsverbot für Steuerberater bekannt. Sie versuchte, dies damit zu vermeiden, indem sie die Vergütungsweise modifizierte.

Im Ergebnis nahmen die Kölner Richter gleichwohl einen Verstoß an. Sie hielten die Modifikation für nicht ausreichend:

„Zwar sprechen die Bestimmungen […] davon, dass es keine Bindung zwischen Vergütung und Mandatserteilung […] gibt, doch steht dieser Vereinbarung die tatsächliche Bewerbung der Leistungen entgegen. Die in dieser Werbung angesprochene Vergütungsstruktur knüpft an den Wert des Mandats an, welches der Berufsträger aufgrund der Plattform schließen kann.

Die Werbung des Betreibers […] zieht eine Verbindung zwischen Entgelt und Zurverfügungstellung von Mandaten, weil eine messbare Investition beworben und insoweit ein risikofreies Konzept zur Mandatsgewinnung angeboten wird.“

b. OLG Dresden

Mitte 2023 wurde die zweite wichtige Entscheidung vom OLG Dresden2 getroffen.

Die Kläger betrieben eine Website und vermittelten Neukunden an die Beklagte, eine Anwaltskanzlei, die auf das Straßenverkehrsrecht spezialisiert war. Sie klagten auf rund 235.000 Euro noch ausstehende Provision. In der Vergangenheit war bereits eine Vergütung von knapp vier Millionen Euro geflossen.

Das OLG Dresden lehnte die Zahlung ab, weil auch hier gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen worden war.

Auch in diesem Fall war den Betreibern ganz offensichtlich das gesetzliche Verbot bekannt. Sie trugen vor Gericht vor, dass ihre Dienstleistungen nicht in der Fernmandatsvermittlung lägen, vielmehr bringe sie im Ergebnis nur Interessenten zusammen und stelle eine technische Infrastruktur bereit, die entsprechend vergütungspflichtig sei.

Die Richter überzeugte diese Argumentation noch nicht einmal im Ansatz, sodass sie mit der Klage kurzen Prozess machten:

„Dieses Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei ist aber […] nichts anderes als eine Vermittlung von Mandaten, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Vollmacht eingereicht hat und weil eine Vergütung an das konkrete Mandat anknüpft.

Soweit die Klägerin der Meinung ist, auf ein Zustandekommen eines Mandats nach Akteneinsicht habe sie keinen Einfluss, mag das richtig sein, es ändert aber nichts daran, dass sie Mandate vermittelt, nämlich bereits solche zur Akteneinsicht und damit zur außergerichtlichen Vertretung.“

Wir sehen also: In der Praxis ist das Provisionsverbot für Affiliates relativ weitreichend. Zudem nehmen die Gerichte sehr schnell eine unzulässige Umgehungshandlung an.

1 OLG Köln, Urt. v. 08.04.2021 – Az.: 6 U 143/21.
2 OLG Dresden Urt. v. 06.04.2023 – Az.: 8 U 1883/22.

3. Lösungsmöglichkeiten

Jeder Affiliate sollte sich angesichts der zuvor erläuterten rechtlichen Problemlage zunächst fragen, ob er tatsächlich für diese Art von Merchants werben will. Oder ob es nicht möglicherweise andere, interessantere Bereiche gibt, die deutlich unproblematischer sind.

Hat sich ein Affiliate schließlich für diese Form der Bewerbung entschieden, ist dringend anzuraten, dass er genauestens auf die konkreten Einzelheiten der Zusammenarbeit achtet. Jede Form von Provision, sei sie nun unmittelbar oder mittelbar, ist dringlich zu unterlassen. In dem Vertrag kann in noch so schönster Prosa stehen, dass kein Vermittlungsentgelt fällig ist, sondern vielmehr nur eine Servicegebühr. Das interessiert die Gerichte nicht die Bohne, denn Papier ist bekanntermaßen geduldig. Entscheidend ist somit nur, wie die tatsächlich gelebte Sachlage aussieht, und nicht, was die Parteien vertraglich vereinbart haben.

Damit scheidet eine echte Affiliate-Provision aus, denn diese beinhaltet in ihrem Kern immer die gerade verbotene Verknüpfung zwischen Vergütung und Neukunde.

Denkbar ist es hingegen, dass der Affiliate ganz allgemein für Traffic-Ströme oder Aufrufe von Merchant-Werbemitteln bezahlt wird.

Solche Vergütungsmodelle stammen aber eher aus dem Bereich des klassischen Display-Advertisings und haben originär nichts mehr mit einem klassischen Affiliate-Merchant-Verhältnis zu tun. Eine solche Ausgestaltung wird in aller Regel auch für den Affiliate wirtschaftlich uninteressant sein, da er eben nicht für die konkrete Vermittlung eine Vergütung erhält.

Die gleiche Ausgestaltung gilt im Ergebnis ja auch für Online-Plattform-Betreiber: Sie dürfen kein Vermittlungsentgelt für Neukunden verlangen, können jedoch für sonstige Marketingdienstleistungen Entgelte verlangen. Der Teufel steckt hier im Detail. Insofern ist dringend anzuraten, bei der konkreten Ausgestaltung den Anwalt ihres Vertrauens zu fragen.

Denn auch wenn ein Verstoß gegen das gesetzliche Provisionsverbot keine Straftat ist, sind die wirtschaftlichen Konsequenzen doch massiv. Sie verlieren nämlich jeden Vergütungsanspruch und müssen im Zweifelsfall bereits empfangene Gelder der letzten Jahre auch noch zurückzahlen.