SEO: die Blue-Ocean-Strategie

Jan Krösche
Jan Krösche

Als Geschäftsführer der MADMEN Onlinemarketing GmbH – einer Agentur für SEO, Google Ads, Social Media und Content-Marketing – ist Jan Krösche für den Bereich Suchmaschinenoptimierung verantwortlich. Dabei liegt der Fokus auf der Entwicklung neuer SEO-Strategien und der Implementierung bei laufenden Kundenprojekten. MADMEN Onlinemarketing betreut kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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Es gibt Keywords und Themen, die bei Google sehr stark umkämpft sind. Dadurch wird SEO in einigen Branchen immer uninteressanter, da Top-Ten-Rankings mit zu viel Arbeit und Aufwand verbunden sind. Die Blue-Ocean-Strategie stellt eine SEO-Möglichkeit dar, um die große Anzahl konkurrierender Websites zu umschiffen und in Gewässer zu gelangen, die gute Erfolgsaussichten bieten. Zudem hilft die Strategie, den Blick weg von Vergangenheitsdaten hin zur Zukunft zu lenken.

Der Wettbewerb um Google-Rankings nimmt stetig zu

2020 hat das Softwareunternehmen Ahrefs eine umfangreiche Datenanalyse vorgenommen und herausgefunden, dass über 90 % aller Websites keine Besucher über Google erreichen. Sie haben kein einziges Google-Ranking und sind damit unsichtbar im Internet. Das bedeutet: Nur knapp 10 % aller Unternehmen profitieren vom Marketingkanal SEO.

Mit Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020 dürfte sich der Wettbewerb um gute Google-Rankings sogar weiter verstärkt haben. Denn viele Unternehmen haben seitdem begonnen, digitale Weichen zu stellen und größere Werbebudgets für SEO, Social Media, Content Marketing und andere Online-Marketing-Maßnahmen auszugeben. Außerdem entstehen jeden Tag unzählig viele neue Websites, die den Konkurrenzdruck im SEO weiter verstärken. Aktuell gibt es knapp zwei Milliarden Websites weltweit.

Ich gehe davon aus, dass der technische Fortschritt rund um ChatGPT diese Entwicklung sogar beschleunigen wird, da viele Website-Betreiber die Texte „per Knopfdruck“ generieren können – auch wenn es aus SEO-Qualitätsgründen natürlich nicht zu empfehlen ist, wird sich dieser Umstand kaum vermeiden lassen.

SEO ist ein Nullsummenspiel und die beste Website gewinnt

Je mehr Unternehmen für ein bestimmtes Keyword bei Google weit oben ranken wollen, desto schwieriger ist es. Denn wie wir alle wissen, gibt es bei Google auf der ersten Seite nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen – in der Regel sind es zehn Suchergebnisse, die angezeigt werden. Ein Ranking auf Seite zwei, drei oder noch weiter hinten bringt nichts und liefert keine Klicks.

Ein Gedankenspiel dazu:
Nehmen wir an, in München gibt es 50 Eventagenturen, die alle lokal in München bei Google gefunden werden wollen, um potenzielle Neukunden zu erreichen und Leads zu generieren. Alle 50 Agenturen werden ihre Website auf das wichtigste Keyword „Eventagentur München“ ausrichten. Was folgt daraus? Es gibt nur zehn freie Plätze bei Google auf der ersten Seite. Somit werden die zehn am besten optimierten Websites bei Google erscheinen. Die anderen 40 Agenturen werden leer ausgehen – zumindest für diese wichtige Suchphrase.

Schauen wir uns ein zweites Beispiel an:
Mit einem kleinen Trick kann der direkte SEO-Wettbewerb ganz schnell gemessen werden. Mit dem Suchoperator intitle kann man prüfen, welche Websites das anvisierte Keyword im Seitentitel integriert haben und dafür ranken wollen (sonst wäre es nicht im Titel).

Schauen wir uns den Wettbewerb zum Keyword „Zahnarzt Zürich“ an. Mit dem Suchbefehl intitle:"Zahnarzt Zürich" kann man feststellen, dass es 886 URLs bei Google gibt, die auf das Keyword „Zahnarzt Zürich“ optimieren. Ergo: Es gibt 886 Seiten, die um die vorhandenen Top-Ten-Plätze bei Google kämpfen. 876 Seiten werden auch hier leer ausgehen und so gut wie keine Klicks über dieses Keyword generieren.

Alle nutzen dieselben Keyword-Tools und dieselben Daten

Wie wir gesehen haben, treffen viele Unternehmen im SEO auf einen harten Wettbewerb und schwimmen daher im roten Ozean. Das liegt aber nicht nur an der steigenden Anzahl konkurrenzfähiger Websites, sondern kann auch auf folgende Problematik zurückgeführt werden.

Wer professionell – oder zumindest semiprofessionell – SEO betreibt, wird mit vielen Analyse-Tools wie Google Analytics, Google Search Console, Screaming Frog, Google Keyword Planer und anderen Anbietern zu tun haben. Das hat zu weiten Teilen auch Sinn, um Verbesserungen für die Website identifizieren zu können und Maßnahmen zur Optimierung abzuleiten.

In der Regel spielt die Keyword-Recherche im SEO-Prozess eine entscheidende Rolle. Hier werden Suchbegriffe recherchiert, die zum Unternehmen passen und der Nachfrageintention der potenziellen Kunden entsprechen. Daher ist die logische Konsequenz, dass für die Recherche der Suchbegriffe professionelle Keyword-Tools wie Ahrefs, KWFinder, Keyword Planer etc. zum Einsatz kommen.

Diese Marktsituation sehe ich im SEO aktuell als höchst problematisch an. Denn: Es gibt nur eine Handvoll nennenswerter Keyword-Tools, die von allen Unternehmen gleichermaßen benutzt werden können. Zudem arbeiten diese Tools in den meisten Fällen mit demselben Datenbestand und geben daher gleiche bzw. sehr ähnliche Ergebnisse hinsichtlich des Suchvolumens und anderer Keyword-Daten aus. Daraus folgt: Alle Unternehmen greifen auf dieselben Daten zurück, schauen sich dieselben Keywords an und optimieren schließlich auf dieselben Keywords. In der Regel werden von den Unternehmen die Keywords bevorzugt, die ein hohes monatliches Suchvolumen aufweisen. Dieser Umstand verdichtet den Wettbewerb um die interessanten Keywords.

Hätte Jeff Bezos datengetrieben gearbeitet, würde es heute kein Amazon geben

Wenn jedes Unternehmen innerhalb eines Markts dieselben Keywords benutzt und darauf optimiert, wird der rote Ozean immer intensiver. Der Wettbewerb steigt so lange, bis sich der ROI für einige Unternehmen nicht mehr lohnt. Hinzu kommt, dass die Tools nur Daten über die Vergangenheit haben und in logischer Konsequenz natürlich auch keine Aussage darüber geben können, wie hoch die Nachfrage in der Zukunft ist. Denn die Daten über das Suchvolumen können nur eine Wahrscheinlichkeit liefern – auf Basis vergangener Daten. Wenn ein Keyword in den letzten zwölf Monaten häufig gesucht wurde, dann ist es wahrscheinlich, dass es in den nächsten Monaten ebenfalls gut gesucht wird. Der Sprachgebrauch kann sich zwar ändern, aber in der Regel dauert das eine gewisse Zeit. Daher ergibt das datengetriebene Optimieren erst Sinn, wenn man bestimmte Marketingprozesse verbessern will. Beispielsweise kann durch gezieltes Tracking die Performance von zwei unterschiedlichen Kampagnen gemessen und können entsprechende Rückschlüsse gezogen werden.

Im SEO kann ebenso eine Vielzahl an Datenpunkten gesammelt werden, um Maßnahmen ableiten zu können. Dennoch ist es so, dass Daten in einigen Situationen nicht dazu geeignet sind, eine strategische Initialzündung zu geben. Was damit gemeint ist? Hätte Jeff Bezos datengetrieben gearbeitet, würde es heute kein Amazon geben. Alle Daten und Prognosen hätten gegen ihn gestimmt. Er hätte das Projekt sofort einstellen müssen. Das Gleiche gilt für iPhones und andere Innovationen. Und an dieser Stelle muss auch gar nicht so groß gedacht werden. Auch im Kleinen braucht es für die Initialzündung einer Marketingidee echtes Entrepreneurship und kein Keyword-Tool. Jeff Bezos ist ein großes Risiko eingegangen, war mutig, hat einfach mal gemacht und den Markt geschaffen. Den blauen Ozean.

Das SEO-Potenzial liegt im blauen Ozean

Warum wollen wir den blauen Ozean erreichen? Die beiden Wirtschaftswissenschaftler W. Chan Kim und Renée Mauborgne haben eine empirische Studie über eine Dauer von rund 15 Jahren durchgeführt und herausgefunden, dass sich Unternehmen häufig in hart umkämpften Industriezweigen – den roten Ozeanen – befinden und innerhalb dieses Markts um kleinste Anteile kämpfen. Unternehmen, die es schaffen, durch Innovationen diesem Wettbewerb zu entkommen, erreichen den blauen Ozean, in dem sie für eine gewisse Zeit konkurrenzlos sind und die Nachfrage quasi im Alleingang bedienen können.

2022 hat Google verkündet, dass 15 % aller Suchanfragen noch nie zuvor gestellt wurden und daher komplett neu sind. Wenn man sich auf die aktuellen Google-Statistiken verlassen kann, werden jeden Tag acht Milliarden Suchanfragen weltweit gestellt. Damit sind täglich 1,2 Milliarden Anfragen komplett neu. Eine gigantische Summe an Keywords, die kein Keyword-Tool zeitnah erfasst (die meisten Tools starten die Rechnung bei einem Keyword erst bei durchschnittlich zehn Anfragen pro Monat). Die große Anzahl an nicht messbaren Suchanfragen bildet einen Teil des blauen Ozeans im SEO.

Man sucht nach Themen und Keywords, die in der Zukunft interessant sein könnten

Marketing ist die Wette auf die Zukunft. Ein Unternehmen macht heute Marketing, um morgen Kunden zu erreichen, damit übermorgen Geld in die Kassen kommt.

Was die Zukunftsausrichtung des Marketings angeht, ist SEO im Vergleich zu anderen Marketingkanälen ideal. Denn SEO wirkt nur sehr langsam. Wer schnelle Klicks braucht, fährt mit digitalen Paid-Kampagnen oder TV-Werbespots natürlich besser. Wer SEO aber richtig betreibt, kann davon für fünf oder zehn Jahre profitieren. Beispielsweise dann, wenn die Informationsarchitektur eines Onlineshops von Anfang bis Ende gut durchdacht und aufgesetzt wurde. Wer bei der Architektur der Website Fehler macht, leidet darunter für viele Jahre.

Zudem ist SEO immer noch so interessant, da der Kanal immer direkt mit der Nachfrage der potenziellen Kunden zu tun hat. Anhand eingegebener Suchphrasen kann man teilweise gut erkennen, was das Bedürfnis bzw. die Intention dieser Menschen ist. Wer bei Google nach einer „Checkliste für eine Hochzeitsfeier“ sucht, äußert sehr konkret, welchen Content er auf seiner Suchreise erwartet. Als SEO-Manager baue ich natürlich genau die Landingpage, die zur Suchintention passt und hilfreichen Content liefert.

Wer einmal bei Google oben ist, kann nicht so schnell verdrängt werden

Wer täglich SEO macht, der kennt das. Hat man einmal ein gutes Ranking für ein Keyword erzielt, ist man meist nicht so schnell zu verdrängen. Das heißt nicht, dass man die Sichtbarkeit nicht wieder verlieren kann. Aber in der Regel verliert man kein Ranking über Nacht (Ausnahmen sind natürlich Updates, technische Probleme etc.). Für Unternehmen bedeutet das: Wer sich als Erstes für ein neues Thema bei Google positioniert und ein gutes Ranking erzielt, der wird von dieser Performance für Wochen, Monate oder sogar Jahre profitieren können. Genau davon handelt die Blue-Ocean-Strategie im SEO. Man optimiert seine Website auf Themen und Keywords, die möglicherweise für potenzielle Kunden in der Zukunft interessant sein könnten. Man behauptet sich bei Google ganz oben (denn es gibt ja noch keinen Wettbewerb dazu) und sammelt die Klicks ein, wenn sie der Markt öffnet.

Blaue Ozeane finden

Es gibt viele Wege, um die blauen Ozeane für die eigene SEO-Arbeit zu finden. Zum Thema „Innovation“ wurden zahlreiche Bücher publiziert. Aus eigener Praxiserfahrung sind für mich zwei Möglichkeiten interessant, die dabei helfen können, die Blue Oceans zu finden.

Zum einen spielen Marktentwicklungen und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen eine große Rolle. Alles verändert sich stetig. Neue Marktlücken werden entstehen. Nehmen wir ein ganz konkretes Beispiel und schauen uns das Marketing von Immobilienmaklern an.

In den letzten zehn Jahren war der Immobilienmarkt folgendermaßen konstituiert: Alle Makler haben das nahezu gesamte Marketingbudget dafür eingesetzt, um Immobilienverkäufer zu finden (nicht die Käufer!). Im SEO hat sich hier ein klassischer, roter Ozean gebildet. Jeder Makler hat seine Website auf „Immobilie verkaufen + Ort“ ausgerichtet. Vor allem in Großstädten haben es logischerweise nur wenige Makler auf Seite eins bei Google geschafft und wirklich Geschäft über SEO gemacht.

Mit den Inflations- und Zinsthemen hat sich der Immobilienmarkt in den letzten 24 Monaten natürlich stark geändert. Wie könnte nun eine Blue-Ocean-Strategie für einen Makler aussehen? In Bayern steigen die Immobilienpreise seit 20 Jahren. Auch wenn gerade die Preise etwas stagnieren, wird sich der Preissteigerungstrend mittelfristig nicht aufhalten lassen. Gesellschaftlich gesehen bedeutet das, dass sich viele Normalverdiener kein Reihenhaus oder Einfamilienhaus mit Grundstück leisten können. Mit der tendenziell abnehmenden Landwirtschaft könnten aber unbebaute Grundstücke entstehen, die beispielsweise für sogenannte „Tiny-Häuser“ genutzt werden können. Eventuell entsteht hier ein großer, neuer Markt für Immobilienmakler. Es wäre daher schon sinnvoll, passende Landingpages zu Keywords wie „Makler für Kauf eines Tiny-Hauses“ oder ähnliche Suchanfragen zu bauen, um dafür als Erstes ganz oben bei Google positioniert zu sein.

Das Keyword „Makler Tiny House“ hat derzeit kein gemessenes Suchvolumen, da es noch kein Thema ist, mit dem sich viele Menschen beschäftigen. Hier könnte ein Blue-Ocean-Markt für Makler entstehen.

Intensive Gespräche mit Kunden führen

Neben den gesellschaftlichen Entwicklungen ist die wichtigste Informationsquelle für zukünftige Blue Oceans das direkte Gespräch mit Kunden und potenziellen Kunden. Kunden sagen in der Regel sehr deutlich oder zumindest zwischen den Zeilen, was sie am aktuellen Produkt stört, was ihnen fehlt oder was verbessert werden kann. Ich glaube, wer hier hellhörig ist und den Kunden wirklich zuhört, wird Nachfrageveränderungen am schnellsten mitbekommen.

Fazit

Ersetzt die Blue-Ocean-Strategie klassisches SEO? Nein. Wir werden auch weiterhin viel mit Tools und Daten arbeiten und Keyword-Tools nutzen. Mir geht es aber darum, dass man im Marketing und speziell im SEO den Blick wieder mehr nach vorne richtet und in die Zukunft schaut. Was könnte der Nachfrager in Zukunft benötigen? Diese Frage kann kein Tool beantworten, da Tools nur Vergangenheitsdaten liefern. Wer sich also in einem harten Wettbewerbsumfeld befindet und bei seiner SEO-Strategie nicht mehr weiterkommt, dem könnte es helfen, Wege zu gehen, die seine Wettbewerber nicht auf dem Schirm haben.