Gibt es einen Kaufknopf im Gehirn?

Peter Merdian
Peter Merdian

Dr. Peter Merdian ist ein erfahrener Senior Consultant bei der Unternehmensberatung diginea GmbH und Experte für Neuromarketing, digitales Marketing und Datenanalyse. Mit einer Promotion im Neuromarketing und seiner umfassenden Erfahrung unterstützt er Unternehmen dabei, ihre Marketingstrategien zu optimieren und ihre Conversion-Rates zu steigern. Als Speaker und Seminarleiter teilt er sein Fachwissen zu den neuesten Entwicklungen in den Bereichen Verkaufspsychologie, Conversion-Rate-Optimierung und künstliche Intelligenz.

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Die Welt des Online-Marketings erfordert kluge Strategien, um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen und erfolgreich zu sein. Doch was steckt wirklich dahinter? Gibt es tatsächlich einen „Kaufknopf“ im menschlichen Gehirn? Die Antwort ist verblüffend einfach und gleichzeitig unermesslich komplex. Jahrelange Forschung in den Bereichen Neuromarketing, Verkaufspsychologie und Verhaltensökonomie hat dazu beigetragen, das menschliche Kaufverhalten besser zu verstehen und den rätselhaften Kaufknopf zu entmystifizieren. Die Entschlüsselung der Mechanismen hinter Kaufentscheidungen ist eines der wirksamsten Werkzeuge im Online-Marketing. Dr. Peter Merdian öffnet für Sie die Türen in die Tiefen der Konsumkultur.

Die Vorstellung, dass Menschen mit vollem Bewusstsein und freiem Willen durchs Leben gehen, ist weitverbreitet. Man glaubt, bewusste und kluge Entscheidungen zu treffen und das eigene Ich jederzeit unter Kontrolle zu haben. Doch das ist Wunschdenken und entspricht nicht der Realität. Ein Blick auf das alltägliche Verhalten zeigt, dass Entscheidungen in der Regel intuitiv, oft aus dem Bauch heraus, getroffen werden, und das funktioniert in der Regel ganz gut. Zu den Entscheidungen, die wir täglich treffen, gehören Kaufentscheidungen.

Ob beim Bummel durch den Supermarkt oder beim Stöbern im Online-Shop – wer kennt das nicht, vor einem Regal oder Bildschirm zu stehen und zu grübeln: Soll dieses Produkt in den Warenkorb wandern oder nicht? Warum Menschen kaufen, was sie kaufen, ist eine der spannendsten Fragen im Marketing. Seit es die Marketingforschung gibt, wurden dazu viele Theorien entwickelt, die mittlerweile ganze Bibliotheken füllen. Der Einfachheit halber wird das Thema auf eine Frage reduziert: Wie wird der Kaufknopf im Gehirn des Konsumenten gedrückt?

Angenommen, eine Person schlägt uns folgenden Deal vor:

„Wenn du mir einen Euro gibst, dann gebe ich dir fünf Euro zurück!“

Wird der Deal angenommen? Sehr wahrscheinlich. Es wäre unvernünftig, dieses Angebot auszuschlagen. Mit dem richtigen Deal können alle Kaufknöpfe der Welt gedrückt werden. So einfach ist das.

Eins ist klar: Menschen lieben es, Kaufentscheidungen zu treffen. Das wird praktisch jeden Tag gemacht. Reduziert man den gesamten Kaufentscheidungsprozess auf das Wesentliche, bleiben zwei Faktoren übrig: Was ist der Nutzen und was sind die Kosten? Wie in Abbildung 1 gezeigt wägt der Mensch den Nutzen gegen die Kosten (oder den Vorteil gegen Aufwand) ab.

Zum Aufwand gehört der Preis, der vom begrenzten Budget abgezogen werden muss. Aber auch die Zeit, die benötigt wird, um einen Kauf abzuschließen, kann als Aufwand betrachtet werden. Wer in der Stadt hungrig ist, wird nicht an den Stadtrand fahren, nur weil die Pizza dort einen Euro billiger ist. Bequemlichkeit wird geschätzt.

Auf der anderen Seite wird der Vorteil einer Kaufentscheidung bewertet. Was ist der persönliche Nutzen? Wird mein Problem gelöst? Diese Beurteilung ist äußerst subjektiv und von Person zu Person verschieden. Manche Menschen sind begeistert von den Produkten der Marke Apple, andere betrachten sie als überteuerte Hipster-Produkte, die ihren Preis nicht wert sind.

Ein Produkt, das besonders vorteilhaft ist, wird eher gekauft. Wenn jedoch der Eindruck entsteht, dass die Nachteile überwiegen, wird das Produkt oder die Dienstleistung wahrscheinlich abgelehnt.

Der Vollständigkeit halber kann noch ein dritter Faktor, das Risiko, hinzugefügt werden. Menschen sind sich zum Teil bewusst, dass ihre eigenen Bewertungen nicht immer ganz zutreffend sind, und das Kaufrisiko steigt entsprechend. Um beim Beispiel zu bleiben: Bei der Überlegung „Gibst mir einen Euro gibst, gebe ich dir fünf Euro zurück“ liegt der Verdacht nahe, dass es da einen Haken geben muss. Deshalb wird sich die Frage gestellt, wie vertrauenswürdig die Bewertung wirklich ist. In der Regel wird eine Entscheidung bevorzugt getroffen, wenn ein großer Vorteil sichtbar ist und die Sicherheit besteht, die richtige Entscheidung zu treffen.

Ist der Homo oeconomicus wirklich tot?

Vor- und Nachteile kühl abzuwägen, klingt sehr nach Rationalität und Vernunft. Gleichzeitig gibt es das oft gehörte Mantra, dass der Homo oeconomicus längst tot ist. Schließlich würden Entscheidungen impulsiv, emotional und über 90 % unbewusst getroffen. Die Aussage, dass es den vernunftgesteuerten Menschen nicht gibt, ist richtig und falsch zugleich. Kurz gesagt: Es ist kompliziert.

Richtig ist, dass Verhalten nicht immer rational erscheinen muss. Daraus entwickelt sich das Missverständnis, dass Entscheidungen irrational, willkürlich oder gar zufällig sind.

Unbewusste Mechanismen greifen in Entscheidungsprozesse ein und können diese massiv beeinflussen. Der Mensch ist nicht in der Lage, sich dieser unsichtbaren Faktoren bewusst zu werden oder sie vollständig zu verstehen.

Es ist auch der Wunsch der Menschen, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es gibt den logischen Wechsel zu einem besser bezahlten Job. Produkte werden dort gekauft, wo sie billiger sind, das ist logisch. Wenn der Leitzins steigt, werden in einer Volkswirtschaft normalerweise weniger Häuser gebaut. Wenn der Benzinpreis steigt, steigt die Motivation, das Auto stehen zu lassen. Das ist logisch, vernünftig und deshalb rational und zeigt, dass Menschen ein ureigenes Interesse daran haben, den größtmöglichen Nutzen für sich selbst anzustreben. Dennoch wird oft behauptet, Menschen seien irrational und handelten nicht logisch oder träfen Entscheidungen, die nachteilig sind. Das ist nicht richtig. Menschen handeln logisch, aber die Logik, die dabei zum Tragen kommt, ist so komplex, dass selbst die Forschung sie nicht vollständig erfassen kann. Die Entscheidungsfindung passiert auf vielen Ebenen, einschließlich emotionaler Größen und Fehleinschätzungen, die das Denken erheblich beeinflussen. Zu sagen, dass Kaufentscheidungen irrational sind, ist oft zu oberflächlich. Genauso oberflächlich ist es, Menschen als kalte Kaufroboter oder willensschwache Hedonisten abzustempeln.

Neuromarketing lehrt, sich vom Schwarz-Weiß-Denken zu lösen und die vielen Grautöne zu berücksichtigen. Deshalb ist es so wichtig, genauer zu verstehen, wie die grauen Zellen wirklich arbeiten.

Heuristiken als Entscheidungsbeschleuniger

Der Mensch ist ein versierter Käufer, zumindest wenn es um Dinge geht, die ihn interessieren oder die er häufig kauft. Im Erwachsenenalter gehört das Einkaufen fast täglich und über Jahrzehnte hinweg zum Alltag. Das macht ihn zum ultimativen Einkaufsexperten. Betritt man einen Supermarkt, gleitet der Blick, ohne nachzudenken, über Hunderte oder Tausende von Produkten. Ohne große Anstrengung werden in Sekundenbruchteilen Hunderte von Kaufentscheidungen unbewusst getroffen. Wie schafft das Gehirn diese Leistung? Es bedient sich eines einfachen Tricks: bewusstes Denken vermeiden.

Denn Denken ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Beim Lernen, beim Schreiben von E-Mails oder bei anderen komplexen Denkleistungen wird deutlich, dass die kognitiven Ressourcen begrenzt sind. Wie eine Batterie, die bei Überanstrengung leer wird. Tatsächlich ist das Gehirn einer der größten Energieverbraucher des Körpers. Das Gehirn möchte diese Anstrengung unbedingt vermeiden und Energie sparen. Deshalb vermeidet es so weit wie möglich komplexes Denken und greift stattdessen auf Heuristiken zurück.

Heuristiken sind einfache Faustregeln oder Entscheidungsmuster, die mit relativ hoher Zuverlässigkeit funktionieren. Positiv betrachtet sind Heuristiken Abkürzungen im Denken, die durch den Alltag navigieren und das Leben erleichtern. Negativ betrachtet sind Heuristiken Vorurteile, die zu voreiligen Schlussfolgerungen führen und die Grundlage für das berühmte Schubladendenken bilden.

Heuristiken gibt es viele: Ein durchgestrichener Preis auf einem roten Etikett im Online-Shop signalisiert, dass es sich um ein Angebot handelt, ein Kauf erscheint besonders vorteilhaft. Wer beim Online-Shopping unsicher ist, verlässt sich auf die Meinung anderer und liest Rezensionen, denn positive Bewertungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt gut ist. Zumindest wird davon ausgegangen, ohne groß zu überlegen. Es gibt Hunderte bekannter Heuristiken, wie den Ankereffekt, die Verfügbarkeitsheuristik und das äußerst wirkungsvolle Framing.

Das bedeutet, dass ein Kaufknopf im Gehirn wahrscheinlich Heuristiken benutzt, um möglichst gut zu funktionieren.

Beispiele für Heuristiken

  • Repräsentativitätsheuristik: Diese Regel sagt uns, dass wir Dinge oft nach dem beurteilen, was wir schon kennen. Zum Beispiel, wenn jemand wie ein Arzt aussieht und sich wie ein Arzt verhält, nehmen wir an, dass er ein Arzt ist, auch wenn wir es nicht wirklich wissen.
  • Anerkennungsheuristik: Mit dieser Regel gehen wir davon aus, dass bekanntere Dinge besser oder wichtiger sind. Wenn du beispielsweise zwei Marken von Schokolade siehst und du eine davon schon einmal gesehen hast, neigst du dazu, die bekannte Marke zu wählen, weil du denkst, dass sie besser ist.
  • Affekt-Heuristik: Diese Regel sagt uns, dass unsere Stimmung oder Gefühle beeinflussen, wie wir über Dinge denken. Wenn du also gut gelaunt bist, siehst du die Dinge wahrscheinlich positiver. Wenn du schlecht gelaunt bist, siehst du sie eher negativ.

Wir sind keine Computer

Der menschliche Denkapparat wird häufig mit einem Computer verglichen, doch das ist ein Irrtum. Man stelle sich zwei Menschen vor, die eine neue Sprache lernen sollen. Person A ist sprachbegabt und beherrscht bereits fünf Sprachen fließend, Person B kennt nur ihre Muttersprache und fühlt sich schon mit einer Bildzeitung überfordert. Wer lernt eine neue Sprache schneller? Die Antwort liegt auf der Hand: Person A. Da sie mehrere Sprachen beherrscht, kann sie neue Sprachkenntnisse leichter aufnehmen. Sie kann auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen, Grammatik und Wortschatz, viele Muster sind bekannt und können übertragen werden.

Wäre Person A jedoch ein Computer, könnte sie die neue Sprache möglicherweise nicht schneller lernen, weil ihre Festplatte voll ist. Person B, ein Computer, hat eine leere Festplatte und viel ungenutzte Kapazität und könnte daher die neue Sprache schneller lernen. Das menschliche Gehirn funktioniert nicht wie ein Computer, es hat keine Festplatte. Ganz im Gegenteil. Je mehr Wissensinseln vorhanden sind, desto leichter ist es, neues Wissen hinzuzufügen und das Wissen zu ergänzen.

Die Leistungsfähigkeit des Gehirns

Das menschliche Gehirn ist eher eine Art Supernetzwerk und hat eine lange Entwicklungszeit, die Evolution, hinter sich, die zu verschiedenen Entwicklungsstufen geführt hat. Es ist wie eine Stadt mit verschiedenen Stadtteilen, die durch Straßen miteinander verbunden sind. Im Zentrum befindet sich die historische Altstadt, deren Struktur an die damaligen Gegebenheiten angepasst ist. Diese Altstadt des menschlichen Gehirns ist der Hirnstamm. Der Neocortex, der jüngste Teil des menschlichen Gehirns, ist durch evolutionäre Prozesse später entstanden (zumindest wird davon ausgegangen). Er ist die teure Neubausiedlung am Stadtrand. Der Neocortex enthält den präfrontalen Cortex (PFC), der für höhere kognitive Prozesse zuständig ist. Vereinfacht gesagt werden in diesem Bereich komplexe Probleme gelöst. Bei einfachen Aufgaben wird das „teure Viertel“ gemieden, da die Bewohner zwar hochintelligent, aber hoffnungslose Theoretiker sind. In der Altstadt sitzen die Pragmatiker.

Um Ressourcen zu sparen, wird versucht, einfache Entscheidungen zu automatisieren. Daher werden viele Entscheidungen automatisch und intuitiv getroffen (Abbildung 2), ohne den Denkapparat auf Hochleistung zu fahren. Bei Gefahr war es von Vorteil, sofort zu fliehen, ohne lange nachdenken zu müssen. Dies erklärt, warum bei vielen Entscheidungen auf das Bauchgefühl gehört wird und sich ein langes Grübeln unangenehm anfühlt.

Das Gehirn ist als ein riesiges Netzwerk zu verstehen, in dem alle Informationen miteinander verknüpft sind. Alle vorhandenen Informationen stehen in Beziehung zueinander und sind Bestandteil dieses Netzwerks.

Relatives Denken gegen absolutes Denken:

Personen fällt es leicht zu sehen, dass Marco größer ist als Julia. Es ist jedoch schwieriger, einzuschätzen, dass Marco 185 Zentimeter und Julia 167 Zentimeter groß ist. Menschen können im Allgemeinen nicht genau bestimmen, was ein Meter ist, weder in der Jugend noch im Alter. Das Gleiche gilt für das Konzept eines „Kilos“. Menschen können Gegenstände mit ihren Armen anheben und bestimmen, welcher schwerer ist, aber die genaue Bestimmung eines Gewichts ist schwierig. Die Evolution hat den Menschen diese Fähigkeit zum absoluten Denken nicht gegeben, was oft zu Fehleinschätzungen führt. Menschen können weltmeisterlich Dinge miteinander vergleichen.

Unser Gehirn ist ein Netzwerk

Angenommen, ein Online-Einkauf steht an und ein fesselndes Produkt (Abbildung 3) springt ins Auge. In extremer Zeitlupe betrachtet nimmt das Auge das Licht des Bildschirms auf und verarbeitet es zu Informationen, die an das eigene Netzwerk (Gehirn) gesendet werden. Dieser Prozess läuft unbewusst, vollautomatisch und sehr schnell ab. Die neu gewonnenen Informationen werden mit den bereits bekannten Daten verglichen. In kürzester Zeit wird versucht, die neuen Informationen in einen Kontext zu stellen und ihre Bedeutung zu erfassen. Dabei wird auch geprüft, ob diese Informationen eine mögliche Gefahr signalisieren oder besonders vorteilhaft sind.

Wird zum Beispiel ein weißes „T“ auf magentafarbenem Hintergrund erkannt, wird sofort an die Marke „Telekom“ gedacht (Abbildung 4). Schon beim bloßen Anblick des Logos wird ein inneres Netz von Informationen über „Telekom“ aktiviert. Dazu gehören gelernte Informationen wie IT, DSL, Funklöcher, Rechnung, Ärger über Verbindungsabbrüche, der Börsengang „Volksaktie“ und das nette Gespräch mit dem Support vor fünf Jahren. Auch emotionale Erlebnisse werden gespeichert.

Wer einen angebissenen Apfel sieht, erkennt sofort, dass es sich um das Logo von „Apple“ handelt. Entsprechende Assoziationen stellen sich sofort ein: Apple steht auch für IT, aber in cool. Die Produkte sind teuer, aber es lohnt sich, sie zu kaufen, und in der OMR haben alle coolen Leute ein iPhone. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser Marken und die Erwartungen an sie sind klar. Marken wie diese werben, um in den Köpfen der Konsumenten jene Netzwerke zu bilden, die später auf subtiler Ebene die Kaufentscheidung beeinflussen.

Die Entscheidungsfindung basiert auf dem Wissen um Zusammenhänge und der schnellen Verknüpfung neuer Informationen. In einer Kaufsituation werden die Vor- und Nachteile einer Kaufentscheidung unter Nutzung des Wissensnetzwerks abgewogen. Heuristiken helfen, dies mit geringem kognitiven Aufwand zu bewältigen.

Was heißt das für das Marketing? Ein erfolgreicher Kaufknopf stellt Zusammenhänge her und kennt das Netzwerk im Kopf seiner Zielgruppe sehr genau. Er spricht die Sprache der Zielgruppe und versteht ihre Probleme und Motive.

Verhalten steuern mit Behavioral Design

Das Wissen um die Funktionsweise des Gehirns ist die Grundlage des Neuromarketings. Kombiniert man dieses Know-how mit den Verhaltenswissenschaften, spricht man von Behavioral Design. Dabei geht es darum, Systeme, Produkte und Umgebungen so zu gestalten, dass bestimmte Verhaltensweisen angeregt werden. Psychologen sagen: wünschenswertes Verhalten fördern.

Mit einem tiefen Verständnis von Heuristiken und anderen Verhaltensmustern, die uns bei Entscheidungen helfen, können Experten Konzepte entwickeln, die Verhalten gezielt steuern.

Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist vor allem die Conversion-Rate-Optimierung. Behavioral Design sorgt dafür, dass Angebote und Leistungen klarer kommuniziert werden. Es hilft, zu verstehen, wie Dinge wie Online-Shops, Produktdetailseiten, Kataloge, Flyer oder Landingpages gestaltet werden sollten. Unternehmen nutzen Behavioral Design, um Umsätze zu steigern oder Kosten zu senken, zum Beispiel durch die gezielte Reduzierung von Retouren.

Wie effektiv Behavioral Design sein kann, zeigt das Beispiel Framing.

So funktioniert Framing

„Framing“ bezeichnet das „Einrahmen“ oder „Rahmen“ einer bestimmten Erzählstruktur. Mithilfe dieses Prinzips können selbst komplexe Informationen so dargestellt werden, dass sie für unser Gehirn intuitiv verständlich sind. Indem Beziehungen zwischen verschiedenen Elementen hergestellt werden, entsteht eine ausgewählte Realität, die den Denkmustern des menschlichen Gehirns entspricht.

Stellen Sie sich zum Beispiel zwei Kästen vor, wie in Abbildung 5 dargestellt. Man könnte sich fragen, welches der beiden grauen Kästchen in der Mitte dunkler erscheint. Obwohl beide Kästchen eigentlich gleich sind, interpretiert unser Gehirn sie als unterschiedlich, weil es die Farbe des inneren Kästchens im Verhältnis zum äußeren Kästchen bewertet. Dies veranschaulicht, wie der Kontext oder „Rahmen“ die Wahrnehmung des Inhalts beeinflusst und wie unser Gehirn ständig Relationen und Verbindungen herstellt.

Dieses Denkmuster beeinflusst auch unsere Kaufentscheidungen. Nehmen wir zum Beispiel zwei Flaschen Wasser, die im Prinzip identisch sind (abgefülltes H2O). Die Flasche der Marke VOSS wird zu einem deutlich höheren Preis angeboten (siehe Abbildung 6). Hier wird das Prinzip des Framings angewendet: VOSS-Wasser wird nicht nur als einfacher Durstlöscher, sondern auch als Statussymbol oder stilvolles Tischaccessoire wahrgenommen. Aus diesem Grund sind die Käufer bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Für die Zielgruppe des Produkts entsteht durch diese zusätzliche Bedeutung ein Mehrwert, der den höheren Preis rechtfertigt.

Kaufentscheidungen beeinflussen Decoy Pricing

Framing zeigt, dass Kaufentscheidungen beeinflusst werden können, wenn der Kontext festgelegt wird, in dem die Bewertung stattfindet. Verbraucher beziehen die ihnen zur Verfügung gestellten Informationen in ihre Kaufentscheidung mit ein. Schon die Auswahl der angebotenen Kaufoptionen kann das Verhalten verändern. Ein gutes Beispiel dafür ist das sogenannte „Decoy Pricing“.

In einem Experiment des Verhaltensforschers Ariely wurden ursprünglich zwei Optionen eines Angebots der New York Times angeboten: eine Online-Option und eine Print-Option des Magazins (Abbildung 7). Die Mehrheit der Befragten tendierte zur Online-Option.

Mit der Einführung einer dritten Option, die sowohl das Print- als auch das Online-Angebot beinhaltete, änderte sich die Wahl. Nun entschied sich die Mehrheit für das kombinierte Angebot, obwohl zunächst die Online-Option als günstigere Alternative bevorzugt wurde. Der Schlüssel zu diesem Phänomen liegt in der Neigung des Gehirns, Dinge miteinander in Beziehung zu setzen (Abbildung 8).

In einer Situation, in der nur zwei Optionen zur Verfügung stehen, ist es schwierig, zu entscheiden, welche Option die bessere ist (Abbildung 9). Insbesondere wenn beide Optionen ähnliche Vor- und Nachteile haben, kann die Entscheidung indifferent werden, das heißt, es gibt keine klare Präferenz für eine der beiden Optionen. Indifferente Entscheidungen sind knifflig und das fühlt sich nicht gut an. Die Unklarheit führt zu Unsicherheit und erhöht das wahrgenommene Risiko.

Mit der Hinzunahme der dritten Option (Abbildung 10), der Kombination von Print- und Online-Angebot, hat sich diese Dynamik verschoben. Während die Bewertung zwischen der reinen Online- und der reinen Print-Option komplex blieb, zeigte sich, dass das kombinierte Angebot deutlich attraktiver war als das reine Print-Angebot – bei gleichem Preis (Abbildung 11).

Vereinfacht gesagt: Die Befragten wissen nicht, ob Option A oder B besser ist. Sie wissen nur, dass Option A+ besser ist als Option A. Deshalb erscheint die Wahl von A+ so logisch. Das menschliche Gehirn ist ein Netzwerk und denkt in Relationen und versagt in absoluten Bewertungen.

Abbildung 12 zeigt, dass in ähnlicher Weise das Einfügen einer weniger attraktiven Option B- dazu führen kann, dass eine attraktivere Option, die zuvor indifferent erschien, bevorzugt wird. Diese erscheint nun sicherer und vorteilhafter als die weniger attraktive Option.

Schadhafte Manipulation

Neuromarketing hat einen dunklen Schatten. Das Ausnutzen von Heuristiken (Dark Patterns) und irreführende Manipulation können Schaden anrichten. Es stellt sich die Frage, welches Unternehmen wirklich von diesen Taktiken abhängig sein will.

Oft zeigt sich, dass langfristiger Erfolg eher auf Eigenschaften wie Verlässlichkeit und Vertrauen beruht, die eine Marke ausstrahlt. Wer sich als Kunde manipuliert fühlt, lehnt häufig ab und zieht Konsequenzen. Ein Unternehmen, das auf irreführende Panikmache setzt, riskiert seine Glaubwürdigkeit. Ein allzu manipulatives und negatives Einkaufsumfeld kann sich sogar negativ auf die Konversionsraten auswirken.

Erfolgreiche Unternehmen brauchen keinen „Kaufknopf“, den wir in diesem Artikel gesucht haben, sondern einen partnerschaftlichen Handschlag. Langfristige Beziehungen, die auf Vertrauen und Kundenzufriedenheit basieren, sind oft profitabler.

Neuromarketing: Qualität statt Quantität

Neuromarketing und Behavioral Design bieten zahlreiche Methoden, um wünschenswertes Verhalten zu fördern. Dies reicht von der Optimierung der Conversion-Rate bis hin zur Gestaltung von Internetseiten und Apps. Wichtig ist dabei, die spezifischen Bedürfnisse und Motive der Zielgruppe zu verstehen und mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen.

Dabei geht es nicht um das Prinzip „Mehr hilft mehr“. Die bloße Anhäufung von Behavioral Patterns und Heuristiken ist wie ein überladenes Musikstück, in dem zu viele Instrumente gleichzeitig spielen. Stattdessen ist es wichtig, sorgfältig und gezielt auszuwählen – manchmal braucht man ein ganzes Orchester, manchmal eine Band und manchmal nur einen DJ. Der Schlüssel liegt darin, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu verstehen und sich ihnen anzupassen.

Das ist der Weg zum Erfolg!