In diesen Tagen und Wochen, in denen künstliche Intelligenz (KI) eine Flut von Inhalten erzeugt, wird die Bedeutung von authentischem Storytelling immer klarer. Während Algorithmen in der Lage sind, in kürzester Zeit eine beeindruckende Menge Content zu generieren, fehlt diesen Inhalten oft die menschliche Note: Individualität, Tonalität und Sprache, die Geschichten so wirkungsvoll machen. Es dient als effektives und stilvolles Instrument im Branding, in den Public Relations einer Marke und in der Unternehmenskommunikation. Die genauen Merkmale von Storytelling, die Eigenschaften einer überzeugenden Geschichte, woher Storytelling kommt und was diese Methode in unseren Gehirnen auslöst, zeigt Ihnen Wolfgang Jung in diesem Beitrag auf.
Die Macht des Storytellings
Warum Geschichten in einer Zeit KI-generierter Inhalte unverzichtbar sind und Storys immer funktionieren – immer
Storytelling ist eine Methode, die tief in der menschlichen DNA verankert ist. Es ist eine universelle Form der Kommunikation, die Grenzen überwindet und auf einer emotionalen Ebene berührt. Während massenhaft erzeugte KI-Inhalte die Menschen überfordern, hebt sich authentisches Storytelling ab. Es schafft eine emotionale Verbindung zum Publikum, die Algorithmen nicht erreichen können. Dennoch sind Storytelling und KI keine Gegner, sondern Verbündete auf dem Weg guter Geschichten und Marketingbotschaften. Künstliche Intelligenz macht es einfacher denn je, eine gut illustrierte, ansprechend formulierte und eindrucksvolle Story zu generieren. Letztlich entsteht fast jeder Umsatz im Herz und im Gehirn der Menschen, erst dann erfolgt der Kauf. Storytelling ist ein Phänomen, das sich in nahezu allen Aspekten des täglichen Lebens bemerkbar macht, oft sogar unbemerkt. Im Business-Kontext hat sich Storytelling als unverzichtbar erwiesen.
Was ist Storytelling und woher kommt es?
Zunächst ist Storytelling ein zusammengesetzter Begriff, bestehend aus den englischen Wörtern „Story“ und „telling“.(Bild 1 „Storytelling“)
Darin liegt schon ganz viel Magie. Es geht um Geschichten. Geschichten, die im klassischen, faktenbasierten Marketing viel zu selten erzählt werden. Fakt ist aber: Menschen lieben Geschichten. Jeder von uns war als Kind in seinen Tagträumen Cowboy, Prinzessin, Ritter, Fee, Lokführer oder gar ein Fantasiewesen. Auch die Vorliebe für vorgelesene Geschichten ist in jeder Generation unverändert stark ausgeprägt, ganz gleich, welche elektronischen Geräte Abwechslung versprechen. Menschen liebten Geschichten schon immer. Und wir als Marketingverantwortliche dürfen sie erzählen. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob es sich um einen Solo-Preneur, einen Handwerksbetrieb oder einen international agierenden Großkonzern handelt. Ebenso unerheblich ist, ob Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden. Es ist sogar relativ gleichgültig, welches Marketingbudget zur Verfügung steht. Geschichten sind universell, sie überwinden Grenzen und berühren auf einer emotionalen Ebene. Sie sind das, was die Menschheit ausmacht. Daher ist ihre Anwendung im Marketing so wirkungsvoll.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Storytelling im Marketing nicht einfach nur das Erfinden von fiktiven Geschichten bedeutet. Es geht vielmehr darum, die authentische Geschichte einer Marke oder die Erfahrungen von echten Kunden auf eine ansprechende und überzeugende Weise zu erzählen. Insgesamt ist Storytelling eine effektive Marketingmethode, um eine nachhaltige Wirkung auf die Zielgruppe zu erzielen. Indem Unternehmen ihre Botschaften in Geschichten verpacken, können sie ihre Kunden emotional ansprechen, eine Verbindung aufbauen und letztendlich ihre Marketingziele erreichen.Die „Methode Storytelling“ hat ihren Ursprung in der Arbeit von Joseph Campbell, einem bekannten Professor und Publizisten der Mythologie. Campbell beschrieb in seinem 1949 veröffentlichten Werk „The Hero’s Journey“ das universelle Muster vieler Geschichten, die in verschiedenen Kulturen und Zeiten erzählt wurden. Er überprüfte Geschichten aus allen Kontinenten der Erde und identifizierte eine Reihe von Phasen und Bestandteilen, die in all diesen Geschichten sehr häufig vorkamen:
1. Die Herausforderung für einen Helden oder Protagonisten
2. Eine Reise mit Begegnungen und einem Ziel
3. Die Verwandlung des Helden
4. Und schließlich seine Rückkehr
Die Essenz des klassischen Storytellings folgt einer bewährten Blaupause, die für Marketingverantwortliche von großem Wert ist. Zunächst beginnt jede Geschichte mit einer sorgfältigen Einleitung, in der sowohl die Protagonisten als auch die Szenerie präsentiert werden – ähnlich der Präsentation einer Marke und ihrer Positionierung am Markt. Es folgt eine Kette von Ereignissen, die zum Höhepunkt führen, wo der Held, oder in diesem Fall die Marke, vor eine bedeutende Herausforderung gestellt wird. Sobald diese Herausforderung gemeistert ist, enthüllt der Ausgang der Geschichte, wie die Protagonisten und ihre Umgebung durch die Geschehnisse transformiert wurden – eine Analogie zur Entwicklung und Wachstum einer Marke. Dieses Erzählmuster, oft verstärkt durch Antagonisten, unerwartete Wendungen und Abenteuer, ist uns allen aus Meisterwerken wie „Harry Potter“, „Herr der Ringe“, „Gladiator“ oder den zeitlosen Märchen bekannt und kann als effektives Werkzeug für einprägsames und emotionales Marketing eingesetzt werden.
Storytelling ergibt im Marketing aus mehreren Gründen Sinn
Erstens schafft es eine emotionale Verbindung zum Publikum. Geschichten sprechen unsere Gefühle und unser Mitgefühl an, was uns hilft, uns mit den Charakteren und ihrer Welt zu identifizieren. Indem Marken ihre Botschaften durch Geschichten vermitteln, können sie das Publikum auf eine tiefere und persönlichere Weise erreichen.
Zweitens hilft Storytelling bei der Markenbildung. Eine gut erzählte Geschichte kann das Bild einer Marke formen und prägen, indem sie zeigt, wofür die Marke steht und welche Werte sie vertritt. Marken, die starke Geschichten erzählen, können so ein einzigartiges und unverwechselbares Image schaffen.
Drittens kann Storytelling das Engagement verbessern. Menschen neigen dazu, sich Geschichten besser zu merken als Fakten oder Zahlen. Durch den Einsatz von Storytelling können Marken daher eine stärkere und nachhaltigere Wirkung erzielen. Wenn Menschen eine Geschichte kennen und verstehen, sind sie deutlich loyaler gegenüber einer Marke als durch rein faktenbasiertes Marketing.
Viertens finden Marken, Produkte und Dienstleistungen durch gute Geschichte den Weg aus der Vergleichbarkeit und können deutlich höhere Verkaufspreise erzielen. Mein Lieblingsbeispiel dafür: der „Exotic Energie Booster“, ein Energydrink, den es beim Discounter Netto gibt. Der Preis für eine Dose mit 330 Milliliter Inhalt liegt aktuell bei circa 0,79 Euro. Direkt daneben im Regal steht RedBull. Ein Produkt derselben Kategorie. Der Preis pro 330-ml-Dose liegt bei circa 1,49 Euro. Hier werden also knapp 50 % mehr Umsatz pro Dose erzielt, unter anderem aufgrund der einzigartigen Geschichte des Unternehmens. Warum RedBull trotzdem der Branchenprimus ist? Weil das Unternehmen, vom Start weg, grandioses Storytelling betreibt und wir alle wissen: RedBull verleiht Flügel.
RedBull ist ein gutes Beispiel, wie man Storytelling im (Online-)Marketing umsetzen sollte. Denn es ist wichtig zu wissen, dass gutes Storytelling nicht einfach darin besteht, eine Geschichte zu erzählen. Es erfordert eine professionelle Planung, Ausführung und Konsistenz, um sicherzustellen, dass die Geschichte die richtigen Botschaften vermittelt und das Publikum auf die gewünschte Weise anspricht. Es erfordert Kreativität und Einfühlungsvermögen, um Geschichten zu erzählen, die authentisch und überzeugend sind. Und es erfordert ein Verständnis der Zielgruppe, um Geschichten zu kreieren, die diese Menschen berühren und bewegen.
Daher ist Storytelling sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Es ist eine Methode, die große Fähigkeiten erfordert, aber auch große Belohnungen bietet. Und es ist eine Disziplin, die in der heutigen Welt des Online-Marketings unverzichtbar ist.
Über unsere gesamte Evolution waren Geschichten unsere Begleiter. Menschen liebten Geschichten schon, als sie noch keine ausgebildete Hochsprache hatten. Durch Geschichten wurden zu allen Zeiten wichtige – ja teilweise sogar lebenswichtige – Informationen übermittelt. Mein Lieblingsbeispiel ist in diesem Fall der Markt im Mittelalter. Die Menschen hatten dort nur eine Chance, zu verkaufen: über ihre Geschichten. Es gab keine klassische Werbemedien. Nur mittels der eigenen Produktgeschichte wurden die Waren an den Mann oder die Frau gebracht. (Abbildung 5)
Deshalb ist unser Gehirn darauf konditioniert, bei Geschichten sofort einen „Relevanzgang“ höher zu schalten, im übertragenen Sinn. Ob in Form von Höhlenmalereien (Abbildung 6), mündlichen Überlieferungen oder modernen digitalen Geschichten – Storytelling hatte und hat einen festen Platz in jeder Kultur und jedem Zeitalter. Es wirkt unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Prägung, Religion etc.
Beim Storytelling geht es darum, nicht nur Produkte oder Dienstleistungen zu präsentieren, sondern die Werte, Visionen und das „Warum“ hinter einer Marke zu vermitteln. Wenn es dabei gelingt, die Zielgruppe auf einer emotionalen Ebene zu erreichen, ist der Werbeerfolg garantiert, denn:
„Emotionen schlagen Fakten – immer“
Storytelling ist eine Methode, die dazu dient, ein authentisches und bedeutungsvolles Bild einer Marke zu schaffen, eine Verbindung mit dem Bedarf des Publikums herzustellen und letztlich die Markenloyalität zu stärken. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Kommunikation verändert. Mit dem Aufkommen der digitalen Präsentationsmöglichkeiten wie PowerPoint und Co. dachten Menschen plötzlich, faktenbasiertes Marketing sei der Schlüssel zu besseren Abverkäufen und loyaleren Kunden. Das war jedoch ein Trugschluss. Ganz gleich, wie multimedial wir Informtionen vermitteln, ohne Emotion ist es deutlich schwerer, Kunden nachhaltig zu überzeugen. Die Ära der überfüllten, grässlich formatierten Folien animierte zu diesem Schaubild: der Entwicklung vom „Homo sapiens“ zum „Homo PowerPoint“.
Woraus eine gute Geschichte besteht
Eine gute Geschichte besteht aus mehreren Schlüsselelementen: einer starken Handlung, interessanten Protagonisten, einem Konflikt und einer Lösung. Diese Elemente erzeugen eine Spannung und ein Engagement, das die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zieht und Emotionen weckt. Der Konflikt, sei es ein epischer Kampf oder eine innere Zerrissenheit, sorgt für eine stetige Spannung, die die Leser an den Seiten kleben lässt. Die Lösung schließlich bringt nicht nur die Auflösung des Konflikts, sondern auch ein Gefühl der Befriedigung und der Erfüllung, dass die Leser im Idealfall mit einem pochenden Herz zurücklässt. Zusammen erzeugen diese Schlüsselelemente eine Geschichte, die das Publikum in ihren Bann zieht, Emotionen weckt und eine unvergessliche Reise ermöglicht.
Und genau das ist das Ziel jedes Marketingtreibenden, ganz gleich ob „online“ oder „offline“. In diesem Artikel tauchen wir in die Definition und Bedeutung des Storytellings ein und zeigen auf, warum es wichtiger denn je ist, die eigene Geschichte zu erzählen. Denn zwischen all den automatisierten Inhalten ist Authentizität ein unschätzbarer Wert. Oder wie Google sagt: Überzeuge die Menschen, dann überzeugst du auch den Index. Die nächsten Seiten und der Folgeartikel in der nächsten Ausgabe der Website Boosting zeigen, wie einfach es ist, emotionale Geschichten in das eigene Marketing zu integrieren, besonders mit der Unterstützung von KI. In der nächsten Ausgabe legen wir den Fokus dann speziell auf die Kombination von Storytelling und SEO. Denn diese beiden Disziplinen, gut kombiniert, sind ein scharfes Schwert im Kampf um Aufmerksamkeit, Konvertierung und langfristige Bindung der Kunden in den digitalen Medien.
Warum „Wir haben 27 Außendienstmitarbeiter …“ Bullshit ist
Emotionen schlagen Fakten immer: ein Beispiel gefällig? Jeder kennt ein Unternehmen mit einem Außendienst oder einem flächendeckenden Serviceteam. Was schreiben 99 + x % dieser Unternehmen auf ihre Website? Genau: „Wir haben 27 Außendienstmitarbeiter.“ Das aber sollten diese Unternehmen nicht tun. Diese Aussage ist ein bisschen „egolastig“ und zudem wenig nutzbringend für den Kunden. Oft geht es dabei nur um die Innensicht des Unternehmens auf den Wettbewerb, man möchte dokumentieren, dass man „größer“ ist als die Marktbegleiter. Die Wahrheit ist: Ob ein Unternehmen zwei oder 200 Außendienstmitarbeiter hat, interessiert auf Kundenseite in der Regel niemanden. Was interessiert Menschen, die sich über ein Serviceteam informieren, eher? Genau: wie schnell der Servicemitarbeiter vor Ort ist, um ein Ersatzteil zu liefern, einen Defekt zu beheben oder eine Tür zu öffnen. Für die Menschen ist die Lösung ihres Problems vorrangig. Zudem stehen solche Informationen überall, immer. Sie grenzen nicht ab, zeigen keine Lösung und beantworten die wichtigste Frage nicht, die Menschen sich bei jeder (Werbe-)Botschaft stellen:
„What’s in for me?“
Aus Sicht des Storytellings ist also eine Aussage, die den Menschen Sicherheit gibt, deutlich effizienter und emotionaler. Besser wäre also zum Beispiel. „Wir sind da, innerhalb von x Stunden, garantiert!“ Aber, Achtung: Das x steht hier unbedingt für die Zahl, die auch wirklich eingehalten werden kann, denn: Nichts ist schlimmer als ein nicht gehaltenes Serviceversprechen.
Warum funktioniert Storytelling im Marketing immer, immer, immer?
Die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ist in Bezug auf die Erzeugung von Emotionen überraschend einfach. Vier Schlüsselbotenstoffe – Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Endorphin – sind die Hauptmotoren unseres neuronalen Belohnungssystems und spielen eine entscheidende Rolle bei der Auslösung von Gefühlen. Um sie freizusetzen, benötigen wir eine Mischung aus Regeln und Chaos, Erfolgen und Spannung, also die Erkennung des Storymusters. Kurz gesagt: Wir brauchen gute Geschichten! Unser Gehirn hat sich im Lauf der menschlichen Evolution mehr und mehr auf das Storytelling eingestellt. Diese Erkenntnis hat in den letzten Jahrzehnten Neurowissenschaftler dazu veranlasst, sich intensiv mit diesem Thema zu befassen. Daher ist heute bekannt, dass Geschichten bildhaft, einprägsam und emotional aufgeladen sein müssen.
Doch Geschichten sind nicht nur emotionale Erlebnisse, sie sind auch mächtige Werkzeuge zur Informationsvermittlung. Viele Studien haben gezeigt, dass wir uns an Fakten, die in Geschichten eingebettet sind, deutlich besser erinnern können. Daher ist es für jeden Online-Marketer von unschätzbarem Wert, das Potenzial des Storytellings zu nutzen. Im Folgenden nenne ich fünf Gründe, warum Storytelling immer funktioniert:
1. Wir alle lieben Geschichten
Geschichten begleiten unser ganzes Leben. Es gab sie schon, als die Menschen noch keine vollständige Sprache ausgebildet hatten. Damals wurden wichtige Informationen über Töne, Gesten und Mimik mitgeteilt. Wer am Ende eines Tages am Lagerfeuer aufmerksam den Erzählungen über Gefahren zuhörte, hatte am Tag danach eine größere Überlebenschance. Unsere Gehirne sind seit ewigen Zeiten darauf konditioniert, Geschichten einen hohen Stellenwert zu geben. Geschichten regen unsere Fantasie an und fördern unsere Kreativität. Wir lieben die Geschichten von Disney, Karl May, Jules Verne und allen anderen bekannten Autoren. Wir haben von klein auf gelernt, dass Geschichten unser Gehirn beflügeln. Während stupides Lernen und reine Fakten uns schnell langweilen und ermüden, sind gute Storys wie Urlaub für unser Gehirn. Damit wird eine nachhaltige Verbindung in die Zielgruppe hergestellt. Für Unternehmen geht es darum, die eigene Geschichte zu finden und zu erzählen. Denn Storytelling besteht aus zwei Teilen: Geschichten und erzählen!
2. It’s all about emotion
Emotionen schlagen Fakten – immer. Die menschliche Evolution hat uns circa 39.970 Jahre lang gelehrt, dass Emotionen unsere besten Berater sind. Woher ich diese Zahl so genau kenne? Um ehrlich zu sein, kenne ich sie nicht genau. Allerdings ist sich die Wissenschaft einig, dass unsere Evolution bis heute circa 40.000 Jahre dauerte. Davon ziehe ich einfach die Zeit seit der Veröffentlichung von PowerPoint ab. Natürlich handelt es sich dabei um einen Scherz, denn ich mag PowerPoint sehr. Allerdings steht die Software in meiner Rechnung als Synonym für stupide Faktenübermittlung. Irgendwann haben wir begonnen, interessante Geschichten durch möglichst überfüllte Folien voller Fakten zu ersetzen. Dabei wissen wir: „Der König ist tot und die Königin ist tot“ sind Fakten. Zwei Menschen sind tot – nicht schön. „Der König ist tot und die Königin starb an gebrochenem Herzen“ ist eine Story, sie weckt Emotionen. Ein Beispiel des grandiosen Schriftstellers und Storytelling-Kollegen Veith Etzold. Und schon entscheidet die Amygdala, der Mandelkern in unserem Gehirn, dass diese Informationen interessant sein können. Herzlichen Glückwunsch, diese Informationen sind in diesem Moment am härtesten Türsteher der Welt vorbeigekommen. Der Weg ins Herz und ins Gehirn potenzieller Kunden ist geebnet.
Weil jede Zielgruppe am Ende aus Menschen besteht
Genauso häufig wie das beliebteste Vorurteil „Unsere Produkte sind nicht emotional“ begegnet mir das „B2B-Argument“. Die entsprechende Frage lautet: Funktioniert Storytelling auch im B2B-Segment oder ist das eher eine B2C-Methode? Die entsprechende Antwort lautet: Das ist völlig egal, ich nenne es „die H2H-Methode“.
„Die H2H-Methode“
Marketing von Menschen für Menschen. Funktioniert Storytelling denn auch bei uns? Diese Frage höre ich oft nach Vorträgen und in Projekten. Meist begleitet von einer Aussage wie: „Wir machen doch nur Schrauben, was soll man denn über Schrauben erzählen?“ Natürlich kann man über jedes Produkt Geschichten erzählen, es gibt keine „nicht emotionalen“ Produkte, wetten? Ganz gleich ob Wasserbett, Tütensuppe oder Metallgeländer. Die Storytelling-Methode funktioniert immer – garantiert.
4. Menschen suchen Sicherheit – immer!
Bin ich im richtigen Shop? Ist die Website sicher? Kann ich dieser Marke vertrauen? Menschen in unserer Zeit haben eine Mammutaufgabe zu erledigen: Entscheidungen treffen. Unsere Gehirne müssen pro Tag, da ist sich die Gehirnforschung relativ einig, einige Tausend Entscheidungen treffen. Viele dieser Entscheidungen treffen wir unbewusst, denn es würde unser Gehirn und uns überfordern, 10.000 Entscheidungen bewusst zu treffen.
„10.000 Entscheidungen pro Tag erzeugen kognitiven Stress. Geschichten schicken Gehirne in den Kurzzeiturlaub.“
Um diese Entscheidungen zu treffen, haben wir einen kleinen Helfer: den Mandelkern. Wissenschaftlich korrekt ist es die Amygdala (Abbildung 8)
Sie sorgt dafür, Informationen in relevante und nicht so relevante Kategorien zu sortieren. Nicht relevante Inhalte, im Übrigen etwa 95 % aller Informationen des Tages, werden unterbewusst verarbeitet und im „Emotions-Mülleimer“ abgelegt. Relevante Inhalte werden verarbeitet, werden besser verstanden und bleiben nachhaltiger im Gedächtnis der Menschen. Erkennt unser Gehirn das Muster einer Geschichte, wird diese Information fast immer als relevant und sicher eingestuft. Damit ist die Geschichte die sichere Basis für Image, Vertrauen und final auch für Umsatz. Jeder hat Freunde. Bei manchen fühlt man sich gut, bei anderen gut und sicher. Wenn man dann in eine schwierige Lebensphase gerät, an wen wendet man sich? Richtig, an den Freund, auf den man sich verlassen kann. Denn: Menschen suchen immer Sicherheit. So auch bei der Wahl ihrer Lieferanten. Wenn ich die Mission hinter dem Produkt erkenne, die Haltung der Marke sehe und mittels toller Storys erfahre, wie mein Problem gelöst wird, fühle ich mich sicher. Wirkt sich das auch auf den Ertrag aus? Definitiv! Wenn Menschen einer Marke vertrauen, sind Preise eher Nebensache. Und in einem Gewitter von Tausenden Entscheidungen jeden Tag sind Geschichten der Anker für Sicherheit und kongitive Leichtigkeit. Diese Sicherheit ist häufig die Basis für eine beginnende und lang anhaltende Kundenbeziehung.
5. Aus Konsumenten werden Prosumenten
Produkte und Dienstleistungen werden immer vergleichbarer. Die Globalisierung und die Folgen der Coronapandemie, die zu einer deutlichen Steigerung der Online-Nutzung führten, verstärken diesen Trend. Generell gilt schon seit Langem: Menschen sind permanenten Reizüberflutungen ausgesetzt. Als seien das nicht schon genug Probleme, werden Kunden immer mehr zu „Prosumenten“. Zu Konsumenten, die nicht mehr „nur konsumieren“, sondern selbst Geschichten erzählen, also Content produzieren. Die sozialen Kanäle haben dazu geführt, dass nicht mehr nur Unternehmen Meinungen bilden, also „one to many“. Jeder Kunde tut dies auch, indem er in seinen Kanälen über Marken, Produkte und Dienstleistungen redet. Gefällt ein Produkt, ist es einfach, schnell und quasi global möglich, dies den „Freunden“ zu erzählen. Ist ein Produkt schlecht und hält den Erwartungen nicht stand, ist es genauso. Branding findet heute also „many to many“ statt. Ist es nicht toll, dass es eine Methode gibt, die – quer durch alle Zielgruppen und Marketingsegmente – für Markengeschichten immer funktioniert? Eine Methode, die dafür sorgt, dass Informationen bei Zielgruppen richtig ankommen, dass sie aufgenommen werden und diese Marken positiv assoziiert werden? Et voilà, diese Methode heißt „Storytelling“.
Von der Markengeschichte zum Sale ist es nur ein kleiner Schritt
Wenn man es also final geschafft hat, eine Story zu finden und zu erzählen, ist die Basis für erfolgreiches Marketing und guten Vertrieb geschaffen. Wenn eine Marke authentisch kommuniziert und es im Idealfall noch gelingt, Nachhaltigkeit in eine Geschichte zu integrieren, ist der Sale schon fast gebucht. Über eingängige Geschichten die Werte einer Marke zu kommunizieren, das Branding damit nachhaltig zu stärken und Vertrauen bei potenziellen Kunden zu erzeugen – all das kann Storytelling erledigen.
Das Auffinden und Erzählen der passenden Geschichte bildet das Fundament für erfolgreiches Marketing. Eine authentisch kommunizierende Marke, die Nachhaltigkeit in ihre Erzählung integriert, stärkt nicht nur ihr Branding und baut Vertrauen bei potenziellen Kunden auf, sondern ebnet auch den Weg für einen erleichterten Verkaufsprozess. Wenn eine Geschichte gut erzählt wird, kann sie die Wahrnehmung der Kunden positiv beeinflussen und sie emotional an die Marke binden. Dies führt dazu, dass Kunden schneller kaufen, da eine positive emotionale Verbindung die Kaufentscheidung begünstigt. Gleichzeitig wird der Verkaufsprozess erleichtert, da durch das Storytelling bereits ein Verständnis und eine Beziehung zur Marke aufgebaut wurde, was den Aufwand für Überzeugungsarbeit reduziert.
Darüber hinaus unterstützt Storytelling den Vertrieb aktiv, da es die einzigartigen Werte und Merkmale der Marke oder des Produkts in den Vordergrund stellt. Die Vertriebsteams können diese Geschichten nutzen, um den Nutzen und den Mehrwert des Produkts oder der Dienstleistung hervorzuheben, was die Verkaufsgespräche effektiver macht. Storytelling dient somit als effektives Werkzeug zur Beschleunigung des Verkaufsprozesses und zur aktiven Unterstützung des Vertriebs (Abbildung 9).
Fazit und Ausblick
Die in diesem Artikel vermittelten Grundlagen und die Ursprünge des Storytellings haben sich im Marketing als faszinierender Hebel erwiesen. Die Relevanz emotionaler Geschichten und die enormen Vorteile ihrer Anwendung sind deutlich geworden. Doch wie lassen sich diese Erkenntnisse in die Praxis umsetzen? Wie kann ein konkreter Anfang aussehen? Gibt es hilfreiche Werkzeuge, vielleicht sogar eine Art „Storytelling-Baukasten“ oder eine Anleitung?
Diese und andere drängende Fragen werden in der nächsten Ausgabe der Website Boosting beantwortet. Mit besonderem Schwerpunkt auf dem Zusammenspiel von Storytelling und Online-Marketing, insbesondere der Kombination aus guten Geschichten und SEO, werden greifbare Beispiele und Methoden präsentiert. Ein nützliches Werkzeugset wird vorgestellt, das bei der erfolgreichen Implementierung von guten Geschichten hilft. Zudem werden Strategien enthüllt, die dazu beitragen können, Texte emotional ansprechender zu gestalten. Die nächste Ausgabe bietet einen tiefen Einblick in die faszinierende Welt des Storytellings und zeigt auf, wie diese mächtige Technik im Online-Marketing eingesetzt werden kann. Denn wie jeder erfahrene Geschichtenerzähler weiß, ist jeder Anfang nur der Start einer viel größeren Reise ...
Die Fortsetzung dieser faszinierenden Reise wartet in der nächsten Ausgabe 82 der Website Boosting.