Viele Unternehmen sind der irrigen Meinung, dass es für ihr Business keine nennenswerten Saisonalitäten gibt. Diese entdeckt man aber häufig eben nur, wenn man genauer nachmisst, sprich mittels geeigneter Auswertungen entsprechende Analysen durchführt. Niels Dahnke und Heide von der Decken gehen für Sie der Frage nach, was saisonale Inhalte sind und warum diese für alle Marketingaktivitäten wichtig sind. Und sie zeigen auf, wie sich Saisonalitäten verlässlich identifizieren lassen und welche Erkenntnisse man aus solchen Datenanalysen für das weitere Vorgehen ziehen kann.
Saisonaler Content
In meiner Branche gibts das nicht! Teil 1/2
Niemand kauft am Dienstag. Ja, aber online wird doch immer und rund um die Uhr gekauft, oder etwa nicht? Natürlich kann man jederzeit online seine Einkäufe erledigen. Nur gibt es trotzdem ein klar erkennbares Muster im Kaufverhalten. Für den deutschen Online-Handel hat das Unternehmen Statista den Dienstag als schwächsten Handelstag klar identifizieren können (Abb. 1). Dieses Wissen sollte in die Planung von Inhalten für SEO, SEA, Social Media und andere Marketingmaßnahmen oder konkrete Angebote einfließen. Aber wann erreicht man am meisten? Zu wissen, wann die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden durch Werbung in einen Kaufimpuls oder eine andere Conversion überführt werden können, ist von entscheidender Bedeutung. Werbung oder andere Marketingmaßnahmen genau dann zu platzieren, wenn die Zielgruppen dafür offen sind, stellt somit ein wichtiges Marketingziel dar. Entsprechende Analysen des Kaufverhaltens für Online-Käufe helfen bei der Kampagnenplanung und -steuerung. Durch einfache Zeitreihenanalysen lassen sich beispielsweise die eingangs erwähnten bevorzugten Tageszeiten und Wochentage für Einkäufe im Netz ermitteln. Aber es gibt noch weitaus mehr Indikatoren, die es zu finden und zu berücksichtigen gilt.
Schwankungen im Kauf- und Nutzungsverhalten gibt es natürlich nicht nur beim Online-Shopping. Die sprichwörtliche Saure-Gurken-Zeit kennt jeder. Es ist die Zeit im Jahr, in der es regelmäßig geschäftlich nicht so richtig läuft und politisch oder wirtschaftlich nichts passiert. In Werbung und Medien spricht man saisonbedingt auch vom Sommerloch. In dieser wiederkehrenden nachrichtenarmen Zeit schaffen es beispielsweise eher unwichtige Meldungen in die Massenmedien. Diese jährlich auftretenden Muster sind nirgends festgeschrieben. Je nach Branche und Thema kann die Saure-Gurken-Zeit in sehr unterschiedlichen Zeiträumen auftreten. Saisonale Muster lassen sich trotzdem finden. Ein Jahr als Zeitraum zu betrachten, reicht zudem nicht aus. Auch innerhalb eines Tages, Monats, Quartals oder sogar in größeren Abständen können Saisonalitäten ermittelt werden. Sich derartiger Muster bewusst zu werden und sie gezielt einzusetzen, ist ein Wettbewerbsvorteil und kann zur Kostenreduktion bei gleichzeitig höherer Wertschöpfung führen.
Saisonalitäten: Man sieht sie nicht, aber sie sind trotzdem da
Saisonalitäten lassen sich bei fast allen Themengebieten und Suchanfragen finden, obwohl sie in der persönlichen Wahrnehmung häufig nicht erkennbar sind. Durch die Globalisierung der Wirtschaft sind viele saisonale Produkte ganzjährig oder zumindest über regionale Saisonalitäten hinaus verfügbar. Frischer Spargel, Kirschen oder Grünkohl gehören zu den wenigen Ausnahmen, die es im örtlichen Handel nur in einem kleinen Zeitfenster zu kaufen gibt. Ansonsten ist die Verfügbarkeit von Obst und Gemüse durch überregional produzierte und eingeflogene Waren sichergestellt. Lediglich im nachhaltig-ökologischen Einzelhandel ist das Produktsortiment auf den Saisonkalender für regional produzierte Lebensmittel beschränkt. Die Saisonalität ist also weiterhin vorhanden, nur nimmt man sie nicht mehr bewusst wahr. Für Marketer stellt sich natürlich die Frage, welche Schwankungen in den für Kundinnen und Kunden wichtigen Marktsegmenten relevant sind bzw. wie sich saisonale Themen gezielt nutzen lassen.
Warum sind saisonale Inhalte für das Marketing wichtig?
Bevor man sich in die Details der Auswertung und Nutzung von Datensätzen stürzt, sollte man sich mit einigen grundlegenden Fragestellungen rund um saisonale Inhalte beschäftigen. Die erste Frage ist vermutlich, warum saisonale Inhalte für fast alle Marketingdisziplinen wichtig und relevant sind.
Suchanfragen sind immer problem- oder anlassgetrieben. Außerdem ist die Auffindbarkeit in Suchmaschinen eine Grundvoraussetzung für SEO-Traffic einer Domain. Ebenso lässt sich durch Schaltung bezahlter Suchmaschinenwerbung SEA-Traffic auf nicht indexierte Seiten leiten und so eine (bezahlte) Auffindbarkeit in Suchmaschinen erreichen. Bei saisonalen Themen ist es also wichtig, mit den eigenen Inhalten zum richtigen Zeitpunkt in Social Media, in Print- und Digitalwerbung sowie an Toppositionen in Google und anderen Suchmaschinen auffindbar zu sein. Und obwohl sich unter Suchmaschinenoptimierern vieles um diese sogenannte Sichtbarkeit dreht, sind Rankings nicht gleichbedeutend mit Traffic. Genau wie Printreichweite nicht gleichbedeutend mit Sales ist. Rankings zu den wichtigsten Fokuskeywords bestehen häufig über lange Zeiträume oder auch ganzjährig. Nur ist die Nachfrage oft nicht ganzjährig gleich stark vorhanden. Das wird spätestens beim Vergleich von Webanalysedaten z. B. aus Google Analytics mit der Entwicklung einer Domain im SISTRIX-Sichtbarkeitsindex klar. So können Toprankings für Winterreifen zwar ein ganzjähriges SEO-Ziel sein, als unternehmerisches Ziel sind sie aber speziell im Herbst bzw. zu Beginn des Winters relevant – wenn Winterreifen gekauft werden. Damit wird klar, wieso Rankings nicht gleichbedeutend mit Traffic sind. Die Besuchsströme zum Zeitpunkt der maximalen Nachfrage auf die eigene Website zu lenken, sollte das eigentliche Ziel sein. Nicht nur für Content-Marketing, Social Media und SEO ist es daher elementar, über Schwankungen der Nachfrage frühzeitig Bescheid zu wissen. Selbst für TV- oder Plakatkampagnen wird auf derartige Daten zurückgegriffen. Nur durch möglichst exakte Kenntnis bestehender und sich verändernder Saisonalitäten kann das Wissen über saisonale Themen für die Planung und Steuerung der Marketingaktivitäten gezielt eingesetzt werden.
Die Frage, warum sich saisonale Anlässe besonders gut für Online-Marketing eignen, wurde am Beispiel der Winterreifen gezeigt. Die Nachfrage erreicht in solchen Zeiträumen ihr Maximum. Für Anbieter einer Dienstleistung oder Ware erhöht sich somit die Chance, aus Rankings Umsätze und letzten Endes Gewinne zu erzielen. Die Zahl potenzieller Kunden steigt in solchen Zeitfenstern häufig um ein Vielfaches im Vergleich zum Zeitraum mit normaler bzw. durchschnittlicher Nachfrage. Auf ihren Supportseiten fasst es die Firma SISTRIX folgendermaßen zusammen: „Zwar korreliert die Zahl der SEO-Besucher in den meisten Fällen stark mit dem Sichtbarkeitsindex, durch äußere Einflüsse, Saisonalitäten und weitere Faktoren kann es aber zu Abweichungen kommen“ (Abb. 2).
„In unserer Branche gibt es keine Saison!“
Ein Blick in die Datenlage beweist, saisonale Schwankungen gibt es in fast jeder Branche. Manche dieser Schwankungen beziehen sich auf die Nachfrage insgesamt, andere nur auf einzelne Bedürfnisse, Produkte oder Themengebiete. Eine einfache Themenrecherche deckt saisonale Schwankungen gewöhnlich nicht oder nur unzureichend ab. Wichtig ist daher, die Keywordanalyse in zusammenhängende Themengebiete – sogenannte Cluster – zu unterteilen. Durch eine solche segmentierte Themenrecherche lassen sich Schwankungen sowohl für Keywords oder Keywordgruppen als auch für ganze Themengebiete und Branchen identifizieren. Aber auch innerhalb eines Themengebiets können Keywordgruppen bzw. Keywordcluster zusammenhängende Muster aufweisen. Grund dafür kann eine ganze Reihe von Einflussfaktoren sein, die in dieser Artikelserie im Detail später noch aufgegriffen werden. Auch das Wetter oder Branchenevents wie Messen können auf die Nachfrage Einfluss nehmen, ebenso wie gesetzliche Änderungen oder Jahreszeiten. Zum Teil beeinflussen sich Keywordcluster gegenseitig und erzeugen aufeinander aufbauende Bedürfnisse und Muster, die nirgendwo festgeschrieben sind. Derartige Abhängigkeiten lassen sich jedoch trotzdem leicht ableiten. Ein Beispiel: Vor der Anschaffung eines neuen Handys werden Produktmerkmale erforscht und Vergleiche mit ähnlichen Geräten gezogen. Ist das Telefon wasserdicht? Ist es ein Dual-SIM-Gerät? Wie gut ist die Kamera? Diese Suchen finden alle im Mid-Funnel statt und entwickeln sich innerhalb der Customer Journey stetig in Richtung transaktionaler Suchbegriffe. Der Orientierungsphase folgt dann vermutlich der Erwerb eines neuen Smartphones sowie der Kauf einer Handyhülle und einer Displayschutzfolie. Zur Urlaubssaison werden Ladekabel, Netzteile und eine Powerbank geordert. All diese beschriebenen Abfolgen sind von saisonalen Faktoren beeinflusst. Die Behauptung, in einer Branche gebe es keine Saison, lässt sich fast immer schnell widerlegen.
Was ist saisonaler Content?
Inhalte, die einer schwankenden Nachfrage mit regelmäßigen Mustern zugeordnet werden können, werden als saisonaler Content bezeichnet. Derartige Muster in Zeitreihen zu identifizieren, nennt sich Zeitreihenanalyse. Zeitreihenanalysen sind im Bereich der Statistik angesiedelt. Ihr Ziel ist die Vorhersage von Trends und zukünftigen Ereignissen. Dazu werden Messwerte im zeitlichen Verlauf auf Abhängigkeiten und Veränderungen untersucht. Manche Muster sind offensichtlich und lassen sich durch Menschen direkt erkennen. Das vermutlich einfachste Beispiel für derartige Muster in Zeitreihen ist die Unterscheidung von Sommer und Winter aufgrund der Temperaturschwankungen im Laufe des Jahres. Die grafische Entwicklung der Temperatur über längere Zeiträume hingegen zeigt die globale Erwärmung der Erde als gut erkennbares Muster. Komplexere Muster, die durch viele verschiedene Einflussgrößen entstehen und für das menschliche Auge dadurch eher verborgen bleiben, werden heute mithilfe künstlicher Intelligenz oder maschinellen Lernens z. B. durch neuronale Netze erkannt und so nutzbar gemacht.
Welche Arten von saisonalen Inhalten gibt es?
Um Saisonalitäten bzw. sich zeitlich wiederholende Muster zu erkennen, ist es hilfreich, die unterschiedlichen Arten von saisonalen Inhalten zu kennen. Bei sich periodisch wiederholenden Mustern lässt sich beispielsweise zwischen fester und variabler Saisonalität unterscheiden. Eine feste Saisonalität liegt vor, wenn das zeitliche Muster unveränderbar feststeht. Weihnachten (Abb. 3) und der Valentinstag sind in der christlich geprägten Gesellschaft feste Saisonalitäten. In anderen Kulturen können genau diese Muster eventuell nicht identifiziert werden, weil andere gesellschaftliche Normen und Strukturen diese Muster nicht erzeugen. In internationalen Marketingteams sind daher separate Analysen für die einzelnen Zielmärkte sowie innerhalb dieser Märkte für unterschiedliche Zielgruppen, Sprachen, Regionen, Länder usw. durchzuführen. Auch kann Immigration einen Einfluss auf regionale Muster ausüben, weil Menschen zum Beispiel die Pflege religiösen Brauchtums in ihrer neuen Heimat beibehalten.
Eine variable Saisonalität liegt vor, wenn ein Muster innerhalb der Zeitreihenbetrachtung nicht feststehend, jedoch grundsätzlich erkennbar ist. So ist der Mobile World Congress (MWC) in Barcelona eine seit 1987 jährlich stattfindende Mobilfunkmesse. Diese fand vor Beginn der Coronapandemie immer im Februar statt. Durch die Pandemie wurde die Veranstaltung in die Monate Juni/Juli verlegt. Die Saisonalität hat sich somit verschoben (Abb. 4). Im Gegensatz dazu wäre eine Verschiebung von Weihnachten in den Sommer – zumindest in der nördlichen Hemisphäre – undenkbar. Ostern hingegen gehört zu den sogenannten beweglichen Festen, deren Kalenderdatum jedes Jahr variiert. So hängt der Ostersonntag vom sogenannten Frühlingsvollmond ab, dem ersten Vollmond am oder nach dem 21. März. Damit ist Ostern eine variable Saisonalität, obwohl man das so eher nicht empfindet.
Bei Saisonalitäten müssen zudem Dauer und Frequenz berücksichtigt werden. Die Dauer eines wiederkehrend auftretenden Musters wird als Periode bezeichnet. Hingegen gibt die Frequenz darüber Auskunft, wie schnell bei einem periodischen Vorgang die Wiederholungen aufeinanderfolgen. Mückenplagen im Sommer (Abb. 5) sind ein Beispiel für eine variable Saisonalität mit einer Dauer von mehreren Monaten und einer jährlichen Wiederholung.
Nimmt man hingegen die Entwicklung der Kraftstoffpreise, so sind mehrere Muster mit unterschiedlicher Frequenz und Dauer erkennbar, die unabhängig voneinander existieren und sich überlagern. Zum einen ist der Verlauf eines jeden Tages durch ein typisches 24-Stunden-Muster geprägt. Zum anderen kommen wöchentliche und durch andere Saisonalitäten geprägte Muster hinzu. So steigen zum Wochenende und vor Feiertagen die Kraftstoffpreise an den Tankstellen. Diese Feststellung hat das Bundeskartellamt bereits 2011 getroffen. Die Wettbewerbsbehörde stellte fest, dass die Freitagspreise für Diesel am höchsten sind und die Preise am Sonntag wieder sinken. Zum preisgünstigen Tanken wäre daher der frühe Sonntagabend zwischen 18 und 22 Uhr ein passender Zeitpunkt. Derartige Schlussfolgerungen in Bezug auf die wöchentliche Periodizität lassen sich durch einfache Zeitreihenanalysen ermitteln.
Häufig handelt es sich bei periodisch auftretenden Mustern um ereignisbezogene Saisonalitäten. Das Auftreten und die Vorhersehbarkeit sind hier etwas anders gelagert als bei den zuvor beschriebenen Arten. So liegt eine gereifte Saisonalität vor, wenn kein festes Datum für das Auftreten eines Musters besteht, aber sich wiederholende Periodizitäten vorhersehbar sind, die bereits in der Vergangenheit beobachtet wurden. Beispielsweise lässt sich für den Smartphonemarkt die Nachfrage nach neuen Geräten und Zubehör recht genau vorhersagen. Derartig gereifte Saisonalitäten von Veranstaltungen, Messen und Produktlaunches gibt es in vielen Branchen. Sie ziehen eine ganze Reihe darauf aufbauender Muster nach sich. So folgt in der Elektronikindustrie auf die Vorstellung neuer, verbesserter Chipsätze die Produktpräsentationen diverser Hersteller, die diese neuen Chips in ihren Geräten verbaut haben. Es ziehen anschließend die Hersteller von Zubehör mit ihren Produktvorstellungen nach. All dies lässt sich als periodisches Muster erkennen und für die Planung von Marketingaktivitäten und Ressourcen nutzen. Im Gegensatz zu gereiften Saisonalitäten bilden „junge Saisonalitäten“ ein Muster, das sich erst noch etablieren muss. Wenige aufeinanderfolgende, scheinbar periodisch auftretende Wiederholungen können ebenso Zufall wie auch der Beginn einer Saisonalität sein. Derartig junge Saisonalitäten sollten beobachtet werden, um frühzeitig auf ansteigende Suchanfragen reagieren zu können.
Nicht jedes Muster baut auf jährlichen, monatlichen oder wöchentlichen Wiederholungen auf. So finden die Olympischen Spiele sowie die Paralympics nur alle vier Jahre statt. Mit der Vergabe von Austragungsorten und Qualifikationen gibt es aber auch hier turnusmäßige Muster, die recht genau vorhersehbar sind. Bei der Vorstellung neuer Pkw-Modelle ist je nach Hersteller hingegen kein so regelmäßiges Muster zu erkennen. Wichtig ist daher, für die jeweiligen Branchen die passenden Muster und ihre Saisonalitäten zu identifizieren. Selbst wenn die Vorstellung neuer Modelle im Fahrzeugbereich keinen eindeutig wiederkehrenden Turnus aufweisen mag, so sind die davon abhängigen periodischen Abfolgen der Zubehörindustrie sehr wohl Mustern unterworfen. So stellen Fahrzeugtuner ihre Schöpfungen auf Messen vor, was wiederum Saisonalitäten bei Herstellern von Tuning- oder anderen Anbau- und Ersatzteilen erzeugen kann. Hier sind somit Periodizitäten in einer zweiten und dritten Ebene auffindbar.
News haben eigene Muster
Eine Sonderstellung nimmt der Bereich News ein. Auch tagesaktuelle Nachrichten haben ihre Muster. Diese lassen sich je nach Ressort allerdings nur bedingt vorhersagen. Recht leicht sind die Muster lediglich in den Bereichen Sport und Events (z. B. Schützenfest) planbar, weil es hier einigermaßen feste Saisonalitäten gibt, wann diese stattfinden. Der größte Nachteil im Bereich News ist, dass es nur begrenzt Möglichkeiten zur Vorproduktion von Content gibt. Zudem altert ein Großteil der News recht schnell aus den Rankings heraus, da aktuelle Meldungen nur selten über mehrere Tage oder Monate relevant sind. Vorteile ergeben sich aus saisonalen Evergreenthemen (z. B. Erdbeeren selber pflücken) und sogenannten Service- und Boulevardthemen, die ebenfalls weitgehend im Evergreenbereich angesiedelt sind. Tipps für Haushalt und Garten (z. B. Hausmittel gegen Schädlinge), Geschenkeratgeber und Filmempfehlungen zu Weihnachten oder Abnehmtricks der Stars pünktlich zum Frühling sind ebenfalls typische Beispiele für derartige Evergreenthemen. Durch Republishing können zudem alte Inhalte neu publiziert und somit zusätzlich monetarisiert werden. Ohne eine umfassende Strategie für saisonale Themen verschenken Publisher sowohl Reichweite als auch die Möglichkeit zur Zweitverwertung bestehender Inhalte, zumal saisonale Themen grundsätzlich gut in den Nachrichtenservices Google News und Google Discover funktionieren. Auch lässt sich durch eine Vorberichterstattung bei Veranstaltungen und Festen ein langsam steigendes Suchinteresse bedienen. Die Keywordrecherche saisonaler Themencluster im Bereich News ist besonders aufwendig. Hier lassen sich zum Teil aus den persönlichen Erfahrungen der Redaktionen oder durch Wettbewerbsanalysen eher Muster identifizieren als über die Recherche mit den üblichen SEA- und SEO-Tools. Auch ein Blick in den Google-Trends-Jahresrückblick (Abb. 7) offenbart Suchbegriffe, die sich als saisonale Evergreenthemen anbieten. Etwa die Hälfte aller Themen des Jahresrückblicks 2021 basieren auf saisonalen Themen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten.
Trends sind nicht gleich Trends
Unternehmerisch sinnvoll ist es, Trends frühzeitig zu identifizieren und sie sowohl in die Planung der Marketingaktivitäten als auch der Unternehmenssteuerung einzubeziehen. Denn nur wenn die richtigen Produkte in ausreichender Zahl verfügbar sind, können Marketingmaßnahmen in die Wertschöpfungskette des Unternehmens überführt werden. Somit sollte zum Beispiel ein kontinuierliches und systematisches Keywordmonitoring innerhalb der eigenen Branche bzw. innerhalb eines Themengebiets stattfinden, um frühzeitig aufkommende Trends zu identifizieren. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen organischen und künstlichen Trends.
Organische Trends entstehen auf natürliche Weise. Jahreszeiten und Wetter können ebenso organische Trends beeinflussen wie politische Ereignisse oder Naturphänomene. Planbare oder unplanbare Ereignisse in jeder Form, die z. B. zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder branchenspezifischen Veränderungen führen, können zu Trends werden. Das Besondere ist, dass Trends in der Lage sind, die Saisonalität eines Themas in vielfältiger Weise abzuschwächen oder zu verstärken. So haben beispielsweise die Bilder der Fußball-WM 2006 Deutschland verändert. Ein Fahnenmeer in Schwarz-Rot-Gold, geschminkte Wangen und friedlich feiernde Fans auf der Berliner Fanmeile haben die Nachfrage nach Produkten in den Nationalfarben verstärkt. Die jährliche Saisonalität mit maximaler Nachfrage nach Deutschlandfahnen im Juni jedes Jahres hat durch die WM 2006 einen Trend ausgelöst, der seitdem nur langsam abnimmt. Eine derartige Entwicklung hätte sich durch Trendanalysen vorher nicht identifizieren lassen.
Ganz anders ist es bei Küchenmaschinen. Diese nützlichen Helfer verrichten seit Jahrzehnten ihren Dienst im Haushalt, ohne größere Beachtung zu bekommen. Schaut man sich jedoch die Entwicklung des Keywords Thermomix in Google Trends an, so ist dies ein langsam über viele Jahre gewachsener Trend. Mittlerweile gibt es sogar Nachbildungen dieser besonderen Küchenmaschine als Kinderspielzeug. Durch kontinuierliches und systematisches Keywordmonitoring konnte man der Entwicklung dieses Trends buchstäblich zuschauen. Bereits seit 2004 erreicht das Suchvolumen sein Maximum im Dezember. Gleichzeitig zeigte das wachsende Suchinteresse bis Dezember 2020 immer höhere Ausschläge in der Trendkurve. Die saisonalen Muster wurden durch den Trend erkennbar verstärkt. Außerdem hat sich beim Thermomix ein zweiter Scheitelwert im Frühjahr jedes Jahres gebildet, der jedoch ein künstlicher Trend ist.
Künstliche Trends werden z. B. durch Marketingmaßnahmen gezielt ausgelöst. Die Discounter Aldi und Lidl bringen seit mehreren Jahren immer im Frühjahr eine Kopie der beliebten Vorwerk-Küchenmaschine in den Handel. Dieser künstliche Trend treibt das Suchinteresse nach oben. Obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht der natürliche, durch Weihnachten ausgelöste Trend existiert, ist der plötzliche Anstieg im Suchvolumen deutlich zu erkennen. Künstliche Trends lassen sich jedoch nicht nur von Konzernen oder Prominenten mit hoher Reichweite auslösen. Um eigene Trends zu initiieren, können gezielte Marketingmaßnahmen hilfreich sein. Die Fragen danach, wann eine Branche ihr Sommerloch hat oder wann die Medien für platzierte Geschichten besonders empfänglich sind, stehen häufig am Anfang eines künstlichen Trends. Wie stark ein solcher durch Marketingmaßnahmen ausgelöster Peak im Suchinteresse wird, lässt sich vorher nur schwer abschätzen. Durch geschickt ausgewählte reichweitenstarke Multiplikatoren lässt sich zumindest grob bereits im Voraus planen, was mit so einer Kampagne erreichbar ist.
Bei der Kampagne einer deutschen Elektronikkette wurde eine repräsentative Umfrage zum Schlafverhalten (Abb. 9) im Auftrag des Kunden durchgeführt. Dies schafft exklusiven News-Wert und sorgt für Medienrelevanz. Die Ergebnisse der Umfrage, angereichert mit den Produktinformationen, wurden in reichweitenstarken Zielmedien distribuiert. Auf diese Weise konnte ein kurzfristiger Nachfragetrend erzeugt werden. Gleichzeitig konnte durch gezielte SEO-Maßnahmen sichergestellt werden, dass die relevanten Produkt-Landingpages zu diesem Zeitpunkt eine gute Auffindbarkeit in den Suchmaschinen hatten. Da die Informationen zum Start der Content-Marketing-Kampagne dem Wettbewerb nicht bekannt waren, existierte kein erhöhter Wettbewerb und der künstlich ausgelöste Trend konnte effektiv für die Ziele des Kunden genutzt werden. An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, wie Trends durch gezielt geplante und in der medialen Saure-Gurken-Zeit platzierte Marketingmaßnahmen gewinnbringend eingesetzt werden können.
Saubere Daten für bessere Muster
Damit Trends nicht zu fehlerhaft identifizierten saisonalen Mustern führen, empfiehlt es sich, eine Trendbereinigung bei der Auswertung von Zeitreihenanalysen durchzuführen. Am Beispiel der Straßenverkehrsunfallstatistiken der Versicherer lässt sich leicht erkennen, was damit gemeint ist. Regionale und saisonale Wetterbedingungen beeinflussen die Ergebnisse von Unfallstatistiken. Laub, Schnee und Eis etwa sorgen für Straßenglätte und führen somit zu steigenden Unfallzahlen. Regionen mit mehr Schnee und Eis sind davon stärker betroffen als Gegenden, in denen das Wetter die Verkehrsverhältnisse weniger beeinflusst. Nähme man keine Trendbereinigung vor, würden diese regionalen Trends die saisonalen Muster verdecken oder verfälschen. Erst nach einer Trendbereinigung können somit Zeitreihenanalysen mit statistisch belastbaren Ergebnissen durchgeführt werden.
Nicht selten werden bei der Analyse angrenzender Themencluster gewisse Abhängigkeiten sichtbar. So folgt dem alljährlichen Kalorienhöhepunkt zum Jahresende eine Phase, in der Diäten und Abnehmen den Trend dominieren (Abb. 10). So deutlich wie in Google Trends lassen sich diese Abhängigkeiten auch mithilfe von Clusteranalysen auf Keywordbasis ermitteln. Für eine erste schnelle Analyse ist die Auswertung über das beliebte Google-Tool jedoch vollkommen ausreichend.
Erst die Detailanalyse zeigt jedoch, welche Suchintention und welche Themencluster wie zusammengehören. Hinzu kommen Schwankungen im Suchvolumen, die sich nur mit speziellen Keywordtools analysieren lassen. Leider sind die Daten aus Google Analytics nur noch bedingt aussagekräftig, da ähnliche Keywords zusammengefasst werden. Wird häufiger nach dem Singular, Plural oder vielleicht sogar einem Gattungsbegriff gesucht? Für Marketingmaßnahmen, insbesondere bei Paid-Ads und SEO, kann die Antwort auf diese Frage sowohl in Bezug auf die Kosten als auch auf die Ausrichtung der Kampagnen entscheidend sein. Die Frage, ob häufiger nach „Hörgerät“, „Hörgeräte“ (Abb. 11) oder „Hörhilfen“ gesucht wird und ob sich dies im zeitlichen Verlauf ändert, ist somit Teil der Keywordanalyse. Für die Kampagnenplanung muss außerdem beobachtet werden, ob Änderungen in der Höhe des Suchvolumens erkennbar sind. Nimmt nämlich das Suchvolumen bei gleichbleibendem Angebot ab, müssen Kampagnenziele unter Umständen angepasst werden. Diese Form der Analyse von Zeitreihendaten wird häufig vernachlässigt, was zu falschen Erwartungen an die Zielerreichung einer Kampagne führt.
Wie bereits angedeutet, können auch regionale Einflüsse Auswirkungen auf saisonalen Content haben. Erfasst man die Daten einer Zeitreihenanalyse zum Beispiel segmentiert nach Postleitzahlen, so lassen sich Marketingmaßnahmen innerhalb eines saisonalen Musters regional aussteuern. Insbesondere für Direktmarketing, SEA-Kampagnen und ähnliche Push-Strategien lässt sich dieses Wissen nutzen. So lässt sich in diesen Marketingdisziplinen mit derartigen Analysen viel Geld einsparen. Regional ausgesteuerte Kampagnen können insbesondere dann für eine optimierte Budgetverteilung sorgen, wenn zusätzlich die Saisonalitäten mit der Regionalität kombiniert werden.
Durch die regionale Segmentierung der auf Ebene der Postleitzahlen ermittelten Keyworddaten lassen sich zusätzliche Muster feststellen, die auch unter SEO-Gesichtspunkten relevant sind. So können regionale Einflüsse zum Beispiel bei Linkbuilding-Kampagnen berücksichtigt werden. Weiß man aufgrund der regionalen Keyworddaten bereits vor dem Auftreten von der Saisonalität, lässt sich die Ansprache von Multiplikatoren und Zielgruppen in diesen Postleitzahlgebieten sehr genau steuern. Auch die Durchführung von Event- und Messeaktivitäten in einer Region zum Auslösen eines künstlichen Trends ist so präziser und kosteneffektiver planbar.
Korrelation und Kausalität
Ebenfalls wichtig ist, bei vermeintlichen Mustern zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden. Eine Korrelation misst die Stärke einer statistischen wechselseitigen Beziehung zweier Variablen zueinander. Eine solche Korrelation liegt zum Beispiel vor, wenn der Kraftstofftank immer leerer wird, je weiter ein Auto fährt. Von Kausalität wird gesprochen, wenn ein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung besteht. Bezogen auf das zuvor genannte Beispiel lässt sich sagen: „Weil das Auto eine weite Strecke gefahren ist, ist der Tank nun leer.“ Von einer Scheinkorrelation wird gesprochen, wenn nur scheinbar eine wechselseitige Beziehung zweier Variablen zueinander vorhanden ist. Bei so einer Scheinkorrelation liegt jedoch kein Kausalzusammenhang, sondern nur eine zufällige Ähnlichkeit vor. Scheinkorrelationen müssen daher bei Analysen ausgeschlossen werden. Es muss also genau geprüft werden, ob bzw. wie sich saisonale Muster gegenseitig beeinflussen. So kann zum Beispiel das Auftreten von Hochwasser und die Nachfrage nach Sandsäcken als wechselseitige Beeinflussung angesehen werden, bei der ein saisonaler Einfluss vorliegt. Die Fortzüge aus Deutschland nach Australien und Ozeanien sowie die Zahl der Patentanmeldungen in Baden-Württemberg haben zwar einen sehr ähnlichen Verlauf, eine tatsächliche Korrelation kann jedoch ausgeschlossen werden. Somit handelt es sich bei diesem Beispiel um eine Scheinkorrelation.
In der nächsten Ausgabe lesen Sie im zweiten Teil, wie man saisonale Muster in der eigenen Branche identifiziert, welche Fallstricke dabei lauern und welche Vorteile für das eigene Business bei richtiger Vorgehensweise entstehen.