Am 05.07.2016 stand Köln wieder ganz im Zeichen außergewöhnlich guten Social-Media-Marketings – die zweite hashtag.business fand auf knapp 100 Metern Höhe direkt am Rhein statt. Während der erste Durchgang 2015 noch ausschließlich Twitter und Instagram zum Thema hatte, erweiterte der Veranstalter das Themenspektrum dieses Jahr auch um Kanäle wie Snapchat, Facebook oder Tinder. In acht Vorträgen und einer Diskussionsrunde berichteten Unternehmen und Unternehmer vor ausverkauftem Haus von ihren Kampagnen, Strategien, Erfolgen und Fehlschlägen – und natürlich, was sie daraus gelernt haben.
hashtag.business 2016 in Köln
Status quo im Social Web – Felix Beilharz
Zu Beginn gab sich der Veranstalter selbst die Ehre. In einem kurzen Eröffnungsvortrag benannte Felix Beilharz fünf Trends, die die Social-Media-Welt heute und morgen beherrschen. Dazu gehörte natürlich „Mobile first“, wobei sich gerade im App-Markt eine starke Konsolidierung abzeichnet. Smartphone-Nutzer verwenden 25 Apps pro Monat, verbringen aber 80 % ihrer Zeit auf fünf Apps. Für App-Anbieter ist das erst einmal eine große Herausforderung, genauso wie die Tatsache, dass 60 % aller App-Downloads aus dem Hause Facebook stammen (Facebook, Instagram, Messenger, WhatsApp).
Einen zweiten Trend benannte Felix als „Messengerisierung“ – ein wesentlicher Teil der Kommunikation findet heute in Messenger-Applikationen statt. Auch hier hat Facebook die Nase entschieden vorn, aber QQ Mobile und WeChat haben im weltweiten Vergleich stark aufgeholt. Wirklich umsetzbare Geschäftskonzepte und Unternehmenseinsätze sind für Messenger-Anwendungen jedoch noch rar gesät.
Die weiteren Trends lassen sich kurz zusammenfassen: Ephemeral Content (also Inhalte, die nach ihrer „Lebenszeit“ automatisch wieder gelöscht werden, was auch erst kürzlich durch Instagram Stories bestätigt wurde), Live-Streaming und 360-Grad-Content werden weiter um sich greifen und mit Technologien wie Augmented und Virtual Reality verschmelzen. Es bleibt also spannend.
„Fans sind die besseren Kunden – wie ein Fotograf durch Social Media zur Marke wurde“ – Calvin Hollywood
Im ersten Vortrag nach der Einleitung begeisterte Fotograf und Photoshop-Künstler Calvin Hollywood die Teilnehmer. Den beliebten Slogan „Berühmt sein im Internet ist wie reich sein bei Monopoly“ hält er für falsch und kann es auch beweisen. Er selbst verdankt seine enorme Reichweite fast ausschließlich den sozialen Medien. Entscheidend ist jedoch, was man aus der Bekanntheit oder Berühmtheit macht. Wer es schafft, loyale und interessierte Fans aufzubauen und diesen passende Produkte anzubieten, kann Likes in bare Münze verwandeln.
Dabei spielen vor allem zwei Faktoren eine Rolle: Der viel beschworene Content ist nach Calvins Ansicht aber nicht der Hauptfaktor. Viel wichtiger ist der „Social“-Faktor (Zitat: „Es heißt ja schließlich Social Media und nicht Content Media“), also der Beziehungsaufbau zu den Fans. Dazu gehört auch, sich persönlich, nahbar und fehlbar zu zeigen, eben eine echte Beziehung aufzubauen. Calvin gibt fast alles über sich im Netz preis, sogar seine Handynummer oder Urlaubsfotos mit seiner Familie seien auffindbar. Je mehr er von sich zeige, desto enger die Beziehung zu den Fans. Der Erfolg scheint ihm recht zu geben.
Der komplette Vortrag wurde als Live-Video auf Facebook gestreamt und kann auf einfach.st/holly2 angesehen werden.
„So ein Saftladen – Community-Management a la true fruits“ – Nic Lecloux
True fruits waren unlängst mit ihrer Plakatkampagne bundesweit im Gespräch. Auf der hashtag.business berichtete Mitgründer Nic Lecloux bereits 2015 über die Entstehung des Start-ups und die Social-Media-Taktiken des Unternehmens. Sein diesjähriger Vortrag schloss nahtlos daran an.
Den Humor, der sich in true fruits Facebook-Post zeigt, findet nicht jeder lustig. So erntet der „Saftladen“ gern auch mal harsche Kritik der User. Nic plädierte jedoch dafür, nicht alles durchgehen zu lassen. True fruits geht nach dem Motto „Wie man in den Wald hineinruft …“ vor und schießt auch schon mal bissig zurück, wenn ein Nutzer ausfällig wird. Ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe bedeute eben nicht, den Nutzern nach dem Mund zu reden und alles durchgehen zu lassen. Wer aber ernsthaft und höflich diskutieren will, erhält auch eine ebensolche Antwort.
Überhaupt funktioniert ein solch provokantes Marketing wie das von true fruits nur, wenn man keine Angst vor den Reaktionen hat. Und es muss natürlich zur Marke passen. True fruits sind von Anfang an frech und unangepasst aufgetreten, da wäre glattgeschliffener Werbesprech sogar schädlich.
Auch Nics Vortrag steht als Video-Aufzeichnung bereit: einfach.st/nic2.
„Social-Media-Marketing im B2B-Umfeld – KRONES zeigt, wie’s geht“ – Maria Seywald
Im nächsten Vortrag kam ein B2B-Unternehmen zu Wort. Krones gilt schon lange als Paradebeispiel für B2B-Kommunikation, da lohnt es sich, genauer hinzuhören. Social-Media-Managerin Maria Seywald erklärte, wie Krones im Social Web vorgeht. Dabei wird nicht nur Facebook, sondern auch drei Blogs, Instagram und sogar Kanäle wie Snapchat und Live-Streaming genutzt.
Dem oft gehörten Einwand, dass diese Kanäle im B2B nicht funktionieren, hielt Maria den B2H-Ansatz von Krones entgegen, also die Einstellung, dass auch im B2B-Markt Menschen (H = Humans) arbeiten. Diese Menschen sollen erreicht werden und dafür eignet sich nun mal am besten eine menschliche Kommunikationsweise.
Und auch hier gibt der Erfolg dem Unternehmen recht. Zahlreiche Neukontakte seien durch die sozialen Medien zustande gekommen. Vor allem aber auch der „Ach das macht ihr auch, ruft uns doch mal an“-Effekt sei mehrfach beobachtet worden.
Mittlerweile betreibt Krones einen eigenen Blog für Craft-Beer-Brauereien, die eine der bevorzugten Kunden für die kleineren Abfüllanlagen sind. Diese kleineren Betriebe werden von den großen Maschinenbauern oft nicht beliefert, fühlen sich durch den sehr speziellen Content im Craft-Beer-Blog aber exzellent angesprochen.
Ein eigenes Social-Media-Scoring gibt für Krones Aufschluss über den Erfolg der Maßnahmen. Dabei werden Kennzahlen wie Reichweiten, Likes, Shares, Traffic, Leads und sogar der Kloutscore zu Kennzahlen verrechnet, die eine interne Vergleich- und Messbarkeit ermöglichen.
„Snapchat, WhatsApp, Livestream – Arbeitgebermarketing bei REWE“ – Melanie Berthold & Maren Kaspers
Der nächste Vortrag stand ganz im Zeichen des Arbeitgebermarketings. REWE Karriere ist hier ganz vorne dabei und setzt verschiedene Kanäle ein, um zukünftige Mitarbeiter zu erreichen. Facebook steht als reichweitenstärkster Kanal im Vordergrund, ist aber längst nicht mehr die einzige Plattform. Auch Snapchat und WhatsApp kommen zum Einsatz.
Für REWE steht dabei vor allem die Möglichkeit zur schnellen Reaktion im Vordergrund. Trotz der Größe des Konzerns ist Schnelligkeit unabdingbar, was in den Verantwortlichkeiten und Strukturen entsprechend verankert werden muss.
Dass dabei so viele unterschiedliche Kanäle genutzt werden, liegt daran, dass jeder Kanal seine spezifischen Vorteile hat und möglichst viele Menschen erreicht werden sollen. Dabei kommen auch innovative Formate wie ein Employee Takeover auf Snapchat oder eine FAQ-Stunde via WhatsApp und Snapchat zum Einsatz.
Gerade Snapchat lebt jedoch ganz massiv davon, dass derjenige, der den Kanal betreut, auch Spaß daran hat und den Kanal versteht. Hier sind Mitarbeiter mit entsprechendem Hintergrund essenziell.
„Snapchat, Instagram, Tinder & Co. – wie SIXT besondere Wege geht“ – Christoph Assmann
Nach einem interessanten Diskussionsforum mit Gründern und Marketing-Experten startete Christoph Assmann seinen Vortrag und zeigte, dass Sixt noch einiges mehr kann, als wir von lustigen Facebook-Posts wissen. Da die Zeit nicht stehen bleibt, probiert auch Sixt immer mehr neue Kanäle aus.
Snapchat ist als „Testlabor für die Millennials“ ein überaus interessanter Kanal für den Autovermieter. Zwar wurde noch kein Auto messbar über Snapchat vermietet, aber der Kanal bietet einen frühen und vor allem unverzerrten Zugang zur Marke. Die hohe Aufmerksamkeit, die Nutzer den Inhalten entgegenbringen, ist ein großer Vorteil im Vergleich zum Beispiel zu Facebook, wo überall weitere Posts, Meldungen und Werbeanzeigen lauern. Hier gilt jedoch „Wer langweilt, fliegt raus“ – für Unternehmen oft eine Herausforderung.
Auch Sixt hat bereits mit Takeovern experimentiert. So wurden Snapchat und Instagram für ein Wochenende in die Hände einiger Foto-Blogger gelegt, die mit ihrem Sixt-Mietwagen durchs Berchtesgadener Land fuhren und ihre Eindrücke auf den Unternehmenskanälen teilten.
Sogar Tinder wurde bereits als Werbeplattform genutzt. Hier spielte allerdings der First-Mover-Bonus eine große Rolle, da viele Medien über die Aktion berichteten. Wirklich messbare Ergebnisse ließen sich nicht erzielen.
Dass Sixt und Christoph Social Media verstanden haben, zeigt sich vor allem an einem Beispiel: Als „Abfallprodukt“ einer Kampagne mit Ex-Fußball-Profi und Dschungelstar Thorsten Legat wurden diverse Memes erstellt, die unterschiedlichste Emotionen oder Sprüche enthielten oder zu diversen Anlässen wie Geburtstagen passen. Diese Memes wurden in eine Bildersammlung hochgeladen und können nun von Nutzern auch völlig ohne Sixt-Bezug gepostet werden – Sixt ist natürlich durch ein kleines Logo und die orangene Farbe immer erkennbar. Und tatsächlich verwenden Nutzer diese Memes für ihre Kommentare oder Postings und machen so kostenlos Werbung für Sixt. Diese Idee kann in den verschiedensten Branchen und Unternehmen weitergedacht und adaptiert werden …
Social-Media-Recht Update 2016 – Niklas Plutte
Nach so vielen Möglichkeiten und Erfahrungsberichten war ein Blick durch die rechtliche Brille angebracht. Dafür sorgte Rechtsanwalt Niklas Plutte, der sich vor allem auf den Bereich Schleichwerbung im Social Web fokussierte.
Alle Inhalte, für die jemand direkt oder indirekt entlohnt wurde, müssen entsprechend als Werbung gekennzeichnet sein. In der Praxis finde das jedoch nur äußerst selten statt, so der Fachanwalt. Kennzeichnungen wie „Sponsored“ oder „Promoted“ reichen seiner Ansicht nach dafür nicht aus, lediglich „Werbung“ oder „Anzeige“ seien zulässig.
Auf eine Zuschauerfrage stellt Niklas jedoch klar, dass diese Pflicht natürlich nur für werbliche Beiträge auf Drittprofilen gilt, nicht für die Unternehmensprofile selbst, da hier klar ist, dass das Unternehmen Werbung betreibt.
Sehr amüsant nahm Niklas auch einige Aktionen von Sixt auseinander, die den Bereich des Legalen meisterhaft ausschöpfen und nur selten die Grenze überschreiten. Auch die Werbung mit Prominenten ist, so wie Sixt sie verwendet, durchaus erlaubt. Hier sollte jedoch unbedingt fachlicher Rat eingeholt werden, da die rechtlichen Grenzen schnell überschritten sein können.
Die neue „Branded Content“-Funktion bei Facebook genügt übrigens nicht europäischem Wettbewerbsrecht, sofern kein weiterer Hinweis auf die werbliche Zusammenarbeit eingefügt wird.
„Digital Durchstarten – Ihre Kunden sind mobil, sind Sie es auch?“ – Ruben Schultz
Im letzten Vortrag gab Facebook-Account-Manager Ruben Schultz interessante Einblicke in die Strategie von Facebook und Instagram, die überwiegend auf den mobilen Trend setzt. Reine Textinhalte sind für Facebook in den letzten Jahren immer unwichtiger geworden, gerade Videos stehen dagegen momentan stark im Vordergrund. Sie müssen jedoch in den ersten wenigen Sekunden überzeugen und auch ohne Ton funktionieren, da die meisten Videos zumindest anfangs ohne Ton abgespielt werden.
Nutzer suchen auch immer weniger proaktiv, sondern lassen sich viel mehr von dem, was sie im Newsfeed zu sehen bekommen, inspirieren.
Als wertvollste Werbemöglichkeit bei Facebook nannte Ruben die Lookalike Audiences, mit denen Unternehmen viel mehr Tests durchführen sollten, da hier große Potenziale schlummerten.
Fazit: Auch die zweite hashtag.business konnte durch interessante Praxisvorträge und eine tolle Location mit Ausblick weit über Köln hinaus überzeugen. Die über 150 Teilnehmer zeigten sich durchgehend begeistert – eine echte Bereicherung (nicht nur) für die Kölner Social-Media-Branche.