Das große Rätsel um die Google-Suchvolumendaten

Theorie und Realität

Christian Paavo Spieker
Christian Paavo Spieker

Christian Paavo Spieker, Jahrgang 1970, arbeitet seit 1997 im Online-Marketing (Spezialgebiet SEO) und gründete 2006 zusammen mit seinem Partner Andreas Kelnberger die One Advertising AG. 2015 erhielt das Unternehmen den SEMY Award als beste SEO-Agentur Deutschlands und als eine von nur zwei Agenturen die BVDW SEO-Zertifizierung mit dem Fokus „Enterprise”. Neben seiner Tätigkeit als CEO für den Bereich Search bei der One Advertising fungiert Spieker als Experte im Beirat des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) und gibt sein Know-how als Urgestein der SEO-Branche als Mentor in Business-Programmen und als Speaker auf Events weiter.

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In diesem Beitrag geht es nicht um das Keywording für SEO, sondern um eine wichtige Kennzahl: das Suchvolumen von Keywords bei Google. Seit Anbeginn der Angabe dieses Suchvolumens für ein Keyword taucht immer wieder die Frage auf, ob die Daten wirklich stimmen und für eine darauf aufbauende Planung verlässlich sind. Fast alle SEO-Tools basieren auf den Daten des Google Keyword Planers. Aber was wäre eigentlich, wenn diese Suchvolumen-Daten falsch wären? Christian Paavo Spieker förderte mit einem Test Erstaunliches zutage.

Wenn man bei Inhouse-SEO-Workshops großer deutscher Unternehmen die Frage nach der Keyword-Strategie stellt, kommt oft als Antwort des Inhouse-SEO-Teams: „Wir machen seit zwölf Monaten OnPage-SEO, und da geht es ja nicht um Keyword-Rankings, sondern darum, dass die Website für Google optimiert ist.” Aha, also keine Rankings, sondern OnPage-Optimierung. 

Tatsächlich geht es doch eigentlich immer nur um das eine: „Rankings” von Keywords. Gute Rankings bringen Klicks. Klicks bringen Traffic. Und guter Traffic bringt Umsatz. In der Sache seit 1997 immer das Gleiche.

Viele SEO-Fachleute sprechen von Themen, Termen oder holistischen (ganz unverfänglichen) Ansätzen. Klingt gut, aber solange Google einen „Suchschlitz” hat und der User dort Text eingibt, geht es im kommerziellen SEO immer noch um ein gutes Ranking der relevanten Keywords für das Produkt oder die Dienstleistung.

OnPage-Optimierung reicht für gute Rankings nicht aus

Letztlich bleibt die Frage offen, welche Keywords bzw. Themen ranken sollen.

Die richtige Keyword-Strategie spart Zeit und Geld

Um für ein Keyword/Thema SEO-relevant zu sein und somit Google-Rankings zu erzeugen, muss qualitativ hochwertiger Content erstellt und dieser dann auch verbreitet werden (Seeding). Hierzu ist ein zunehmender Aufwand seitens des SEOs bzw. des Content-Marketers nötig. Für ein trafficstarkes Keyword/Thema werden dann schon ein bis drei Manntage benötigt. Es ist also sehr wichtig, die richtigen Keywords für das Projekt zu recherchieren, um Zeit und Geld zu sparen.

Es ist faszinierend: Jeder SEA-Spezialist (Google-Adwords-Optimierer) startet mit einem ausführlichen Keyword-Konzept, da er ja nicht auf die falschen Keywords im SEA bieten und auf keinen Fall sein Budget verschwenden will. Eigentlich müsste es im SEO doch genauso sein. Der User ist der Gleiche, die Suchtermini sind dieselben und ob das Geld an Google für Adwords-Klicks bezahlt oder in guten Content investiert wird, ist ja letztendlich egal. Budget ist Budget.

Jedes gute SEO-Konzept sollte mit einem umfangreichen Keywording beginnen

Es gibt verschiedene Herangehensweisen für ein gutes Keywording. Entweder wird der Shop bzw. die Website im Hinblick auf relevante Produkte und Kategorien analysiert oder die direkten Wettbewerber werden z. B. in Tools wie dem von Sistrix oder Searchmetrics anhand der Keywords geprüft. Die Vorgehensweise, relevante Keyword zu finden, soll hier aber nicht weiter vertieft werden.

Das erste und wichtigste Zwischenergebnis beim SEO-Keywording ist ein Set der relevanten Keywords für die zu optimierende Domain. Das Keywordset kann je nach Projektgröße 100 oder auch mal 250.000 Keywords umfassen.

Meist kommt der Google Keyword Planner ins Spiel

Nun ist das Ziel natürlich, diese Menge an Keywords nach einer Leistungskennzahl zu priorisieren. Hierzu nutzt jeder SEO im ersten Schritt den Google Keyword Planner oder andere Tools. Nur basieren diese Tools auch auf den Daten des Google Keyword Planners, auch wenn es manche nicht zugeben wollen. Das liegt vermutlich daran, dass Google die Verwendung der Keyword-Planner-Daten über die API (Schnittstelle) nur für SEA-/Adwords-Tools erlaubt, nicht aber für SEO-Tools.

Info

Sistrix-Index, Searchmetrics-Index, Seolytics-Index und viele andere Indizes basieren auf den Keyword-Daten wie Suchvolumen, durchschnittlicher Klickpreis und Wettbewerb des Google Keyword Planners und werden dann mit aktuellen Rankings kombiniert und bewertet.

Das bedeutet, eine der wichtigsten SEO-Metriken der meisten Unternehmen basiert wiederum auf den Ergebnissen des Google Keyword Planners. Wer als Leistungsdaten einen Tool-Index (Sistrix, Searchmetrics etc.) verwendet, greift also automatisch und unbewusst auf die Werte des Google Keyword Planners zurück.

Die Suchvolumenzahlen des Google Keyword Planners

Der Google Keyword Planner gehört zur Grundausstattung in der Toolbox der Suchmaschinenoptimierung. Und tatsächlich ist er das einzige Werkzeug, das einigermaßen verlässliche Suchvolumina für Keywords liefert, was ja auch logisch ist, da nur Google die Menge der Suchanfragen je Keyword kennt. Wer dem Planner blind vertraut, ist trotzdem verloren. Denn einige Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen.

Google AdWords rundet Suchvolumina

AdWords verfügt über etwa 85 Werte, die bei einer Suchvolumenabfrage angezeigt werden. Bei einer regelmäßigen Nutzung des Keyword Planners fällt auf, dass bei Suchvolumina im 1.000er-Bereich die Werte grundsätzlich um 100 Suchanfragen sinken oder steigen. Bei 10.000 Suchanfragen ergibt sich bereits ein Schwankungswert von 1.000, bei 100.000 von 10.000 – Ausnahmen kommen vor, bestätigen aber die Regel. Verlässliche Werte bekommt nur, wer sich die Mühe macht, die Suchvolumina der letzten zwölf Monate anzusehen und die Abweichung manuell herauszurechnen. Für das Keyword „SEO” weist Google ein globales Suchvolumen von 550.000 Suchen je Monat aus, wenn man aber die einzelnen Monate addiert (siehe Tabelle), bekommt man ein gesamtes Suchvolumen von 7.292.000 Suchen im Jahr 2015. Teilt man diesen Wert nun durch zwölf Monate, bekommt man einen Durchschnittswert von monatlich 607.666. Vergleicht man diesen mit der Vorgabe von 550.000, ergibt sich eine Differenz von über 10 %.

Monatliches Suchvolumen im Jahr 2015 – Beispiel SEO

Januar 2015

673.000

Februar 2015

550.000

März 2015

873.000

April 2015

673.000

Mai 2015

673.000

Juni 2015

550.000

Juli 2015

550.000

August 2015

550.000

September 2015

550.000

Oktober 2015

550.000

November 2015

550.000

Dezember 2015

550.000

Gesamt 12 Monate 2015

7.292.000

 

 

Das entspricht 607.666 Suchen je Monat

607.666

Globales SV/Monat laut Google: 550.000

550.000

Differenz über 10 %

57.666

 

Der Spielraum durch Schwellenwerte kann bis zu 25 % im Suchvolumen ausmachen

Der Keyword Planner arbeitet mit theoretischen Schwellenwerten. Beträgt das Suchvolumen (SV) für ein Keyword zum Beispiel 301.000, wurde es nicht etwa tatsächlich so oft gesucht. Es bedeutet lediglich, dass der Wert näher an 301.000 liegt als am nächsthöheren Schwellenwert von 346.000. Zwischen der nächstniedrigen Stufe von 265.000 und der höheren ergibt sich eine stattliche Schwankungsbreite von 80.000 Suchanfragen pro Monat!

Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für ein niedrigeres SV. Die Schwellenwerte liegen bei 9.900, 12.100 und 14.800 Suchen pro Monat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Keywords mit dem Schwellenwert 12.100 dasselbe Suchvolumen haben. Tatsächlich erreichen alle nur denselben Schwellenwert. Die Erklärung: Das Suchvolumen der Keywords „search engine marketing”, „international marketing” und „digital marketing agency” ist gemittelt. Es liegt irgendwo zwischen 11.000 und 13.250 Suchen pro Monat. Das ist die Bandbreite, die dafür sorgt, dass das Keyword dem Schwellenwert 12.100 zugeordnet wird.

Lückenhafte Keyword-Vorschläge

Mit dem Keyword Planner lassen sich zwar leicht zusätzliche Keywords zu einem Begriff finden. Die Ergebnisse liefern aber leider längst nicht alle Keywords mit hohem Suchvolumen. Das Tool bildet lediglich einen Querschnitt ab, sodass manch relevante Themen vom Radar verschwinden. Wer sich bei der Keyword-Recherche also nur auf den Planner verlässt, wird viele Keywords schlichtweg übersehen.

Eine Abfrage des Suchvolumens für die Suchterme „1.FC Köln“, „1. FC Köln“, „FC Köln” und „1 FC Köln“ ergibt das gleiche Ergebnis: 165.000 (siehe Abbildung 5). Tatsächlich werden die Terme aber nicht gleich oft bei Google gesucht. Das Tool mappt also bestimmte Keywords zusammen und gibt dasselbe Suchvolumen dafür aus. In der Regel passiert dies bei falsch geschriebenen Keywords bzw. bei verschiedenen, sehr ähnlichen Schreibweisen.

Falsche Vorschläge

Die Keyword-Vorschläge umfassen häufig Ideen, die überhaupt nicht zueinander passen bzw. thematisch völlig unterschiedlich sind. Das liegt daran, dass Google verschiedene Methoden verwendet, um Keywords zu vergleichen. Hier bleibt nichts anderes übrig, als die Listen durchzugehen und unpassende Keywords manuell zu entfernen (Abbildung 6).

Die Kür: Keyword-Relevanz über die Google Search Console verfeinern

Wenn alle relevanten Keywords definiert wurden, behelfen sich viel SEO-Profis mit einem weiteren Google-Tool, der Google Search Console, um Keywords weiter auf Relevanz für die eigene Domain anhand der CTR zu priorisieren. Das funktioniert natürlich nur bei Keywords, die schon ein Ranking auf der ersten Seite der Google-Ergebnisse haben. Diese Keywords lassen sich dann anhand der CTR (Klickrate im Google-Suchergebnis) qualifizieren. Ein Keyword mit einer hohen CTR hat eine höhere Relevanz für die Domain als ein Keyword mit einer niedrigen CTR – somit ist dieses Keyword in der Strategie bevorzugt zu behandeln. Die Keywords anhand der CTR zu bewerten, ist also auf jeden Fall sinnvoll, um ein perfektes Keywording zu erhalten.

Voraussetzung ist, dass die Suchvolumendaten korrekt sind, denn die CTR errechnet sich aus Impressions und den Klicks auf das jeweils rankende Ergebnis.

Hoppla, da stimmt was nicht

Sieht man sich die Daten in der Google Search Console genauer an, fallen sofort Ungereimtheiten auf. Als Beispiel dient wiederum das Keyword „SEO Agentur München” bei der Domain „Advertising.de”. Das durchschnittliche Ranking von 3,7 ist natürlich sehr gut, aber warum liegt die CTR (Klickrate) nur bei 1,06 %? Das würde bedeuten, dass etwa einer von 100 Suchenden auf das Ergebnis klickt? Auf Position 3 müsste die Klickrate um ein Vielfaches höher sein.

Viele SEO-Spezialisten würden jetzt sagen, der Snippettext sei nicht gut oder das Keyword habe einfach keine so hohe Relevanz für Advertising.de, also werde das Keyword „SEO Agentur München” aus der Liste der wichtigsten strategischen Keywords entfernt. Das wäre ein folgenschwerer Fehler, da das Keyword sehr wohl eine hohe Relevanz für die Domain hat. Der Grund für die schlechte CTR von nur 1,06 % könnte aber auch viel einfacher sein: Die Impressions in der Google Search Console wurden schlichtweg nicht von echten Google-Nutzern erzeugt, sondern durch maschinelle Abfragen der Ranking-Tools. Da diese Tools (auch Scraper genannt) keinen Klick auslösen, steigen natürlich die Impressions stark an und die CTR fällt.

Die Daten für „SEO Agentur München” im Detail

Im Google Keyword Planner werden für das Keyword „SEO Agentur München” im November 2015 nur 320 Suchen ausgewiesen, in der Google Search Console lassen sich über 1.200 Impressions nachweisen. 1.200 User, die in einem Monat nach „SEO Agentur München” suchen? Nicht realistisch. Wenn nun aber täglich 20 Scraper der SEO-Tools das Keyword „SEO Agentur München” abrufen, entspricht das schon 600 Impressions in der Google Search Console. In der Realität sind es auch deutlich mehr maschinelle Suchanfragen, da es SEOs gibt, die die Rankings nicht nur täglich, sondern auch schon stündlich abrufen. Google versucht natürlich, die maschinellen Suchanfragen zu erkennen und zu unterbinden, dies ist aber technisch nur sehr schwer möglich. Aber warum ist die Anzahl der Suchanfragen (Impressions) in der Google Search Console deutlich höher als im Google Keyword Planner – 320 zu 1.232? Ist Google also doch in der Lage, die maschinellen Suchanfragen zu erkennen, und ignoriert diese bei der Suchvolumenberechnung im Keyword Planner, belässt sie aber in der Search Console?

Wenn man bei Google anfragt, erhält man die Antwort, die Suchvolumendaten im Tool würden schon stimmen, seien aber gerundet. Eine Rundung, die 50 % ausmacht? Das ruft geradezu nach einem eigenen Test.

Ein Test mit maschinellen Suchanfragen

Mitte des vergangenen Jahres wurde vom Autor und seinem Team ein Test bei Keywords mit einem niedrigen AdWords-Suchvolumen von 100 bis 400 Suchen pro Monat gestartet. Mittels Full Stack Browser wurde  seo karlsruhe” bis zu 30-mal pro Tag automatisiert gesucht. Die Simulation entspricht dem Vorgehen vieler Ranking-Tools beim Ermitteln der Top-100-Ranking-Daten.

Wenige Monate später wurde geprüft, wie sich die Suchvolumina dieser Keywords änderten. Ein Beispiel: Das Keyword „Seo Karlsruhe” stand im März bei einem Suchvolumen von 30, im Testzeitraum April dann aber bei 390. Im Mai fiel es wieder stark (Abbildung 9). Auch bei anderen Versuchen stieg das Volumen etwa um den Wert an, welcher der Anzahl der Abfragen entsprach.

FAZIT

Google ist es trotz aller Bemühungen, maschinellen Traffic zu erkennen, offenbar noch immer nicht möglich, maschinelle Suchanfragen zu filtern und vollständig aus den Suchvolumina zu entfernen. Die Daten im Google Keyword Planner werden nicht nur durch Schwellenwerte und Rundungen verfälscht, sondern auch noch durch maschinelle Suchanfragen manipuliert. Die größte Verfälschung gibt es natürlich bei trafficstarken Keywords, da diese in einer hohen Anzahl von Ranking-Tools abgefragt werden. Im Longtail (eine Suchphrase mit mehreren Worten) sind diese Zahlen deutlich valider und können deshalb besser für die Keyword-Strategie verwendet werden.

Ein abschließender Tipp: Eine einfache, wenn auch nicht immer ganz günstige Lösung, um die Relevanz von Keywords für das eigene Projekt zu ermitteln, ist nach wie vor das echte Schalten von Google AdWords. Mit einer AdWords-Kampagne des zu prüfenden Keyword Sets ist es möglich, die Relevanz der Keywords zu ermitteln, da in AdWords (fast) nur echte User klicken.