Die Customer Journey, also den Weg eines potenziellen Kunden von seinem ersten Recherchepunkt bzw. seiner ersten Aktion bis zum Kauf zu verstehen, zählt zu den Schlüsselerfolgen eines Marketers. Ohne eine entsprechende Analyse bleiben nämlich wichtige Informationen über den Kaufentscheidungsprozess der Kunden verborgen. Und wie immer ist es gar nicht so leicht, diese wirklich zu verstehen: In einer digitalen Welt, in der es nicht nur eine Omnipräsenz verschiedener Kanäle gibt, sondern zusätzlich unterschiedliche Endgeräte, gilt es nämlich, eine Vielzahl von Attributen zu beachten. Um diese besser erfassen zu können, stehen unterschiedliche technische Hilfsmittel zur Verfügung, die Maria Dreßler und Jennifer Brzezinska aufzeigen.
Cross-Device-Tracking:
Die Weltreise der Kunden richtig verstehen
Die Customer Journey beschreibt den Weg, den ein Nutzer von seiner Bedarfserkennung über die Handlungsentscheidung bis hin zur Transaktion geht. Für den Marketer kann die Customer Journey als Instrument verstanden werden, um Rückschlüsse auf das Interaktionsverhalten zu ziehen und diese in den Optimierungsprozess der Nutzeransprache einfließen zu lassen. Die Customer Journey begleitet den Nutzer bei verschiedenen Berührungspunkten mit der Marke oder dem Produkt: Hier fließen unterschiedliche Marketing-Kanäle ein wie die organische Suche, bezahlte Anzeigen, Social-Media-Kanäle, aber auch Offline-Begegnungen.
Das Wunschszenario sieht so aus: Ein Nutzer wird auf ein Produkt aufmerksam und tätigt direkt eine Transaktion auf der dafür vorgesehenen Webseite. Dieser Fall trifft in den seltensten Fällen noch zu. Lediglich ein Bruchteil der Nutzer kauft beim ersten Besuch einer Webseite, denn die Entscheidung für eine Transaktion ist längst nicht mehr mit dem traditionellen Marketing-Funnel zu vergleichen. Die Customer Journey kann eher als eine Reise mit verschiedenen Ein- und Ausstiegspunkten betrachtet werden.
Der Kaufentscheidungsprozess
Der Kaufentscheidungsprozess lässt sich in mehrere Phasen aufteilen (Abb. 1). Am Anfang steht die Idee des Nutzers und des zukünftigen Käufers: Er möchte ein Produkt haben. Beispielhaft könnte dies ein Kopfhörer sein. Da er noch keine konkrete Vorstellung hat, was auf dem Markt verfügbar ist, verschafft er sich zunächst einen Überblick der Produktauswahl.
Dieser Schritt der Bewusstseinsschaffung kann sowohl mit dem Stöbern via Suchmaschine, in allgemeinen Online-Shops oder auch mit dem klassischen Schaufensterbummel beginnen. Anschließend werden die Ideen sortiert: Welche Art von Kopfhörer möchte der Nutzer und welchen Verwendungszweck hat er dafür? Hier spielen oberflächliche Produktmerkmale eine Rolle, die dem Nutzer im Schritt der Sortierung auf Vergleichsportalen und Magazinen nahegelegt werden.
Im nächsten Schritt, der Konkretisierung, werden Qualitätsmerkmale untersucht, die schon spezifisch sind und prinzipiell Wissen und Meinungen Dritter verlangen. Der Nutzer entscheidet sich für eine Kategorie Kopfhörer und hat nur eine kleine Auswahl an Modellen, die seinem Anspruch gerecht werden. Er liest Testberichte, konsultiert Freunde (z. B. offline und in Social Networks) und macht sich mittels Forenbeiträgen und in den markenspezifischen Stores ein Bild des Produkts. Dadurch kann er für sich entscheiden, welcher der optimale Kopfhörer für ihn ist. Hat er sich diese Meinung gebildet, steht er kurz vor der Transaktion, der Kaufabsicht. Er kennt das Produkt mit den Qualitätsmerkmalen, die ihm wichtig sind, und benötigt einen Anbieter seines favorisierten Modells. Im bisherigen Kaufprozess hat er schon einige Shops kennengelernt und bildet eine Entscheidung beruhend auf Preis, Qualität, Vertrauen, Bekanntheit oder Empfehlung. Seinen Kauf schließt er online oder offline mit der Conversion ab.
Es zeigt sich, dass eine Customer Journey meist kein kurzweiliger Prozess ist: Je nach Produkt kann sich diese über Stunden, Tage oder sogar Wochen entwickeln, bis eine Transaktion stattfindet. Zudem ist der Kaufprozess nicht zu 100 % linear zu betrachten. Es kann Rücksprünge geben, die sich im Prozess wiederholen, um den optimalen Weg des Nutzers zu finden.
Hinzu kommt, dass neben den verschiedenen Marketingkanälen unterschiedliche Devices genutzt werden. Das Smartphone als erster Touchpoint ist typisch – beispielsweise durch das Erblicken einer Offline-Werbung und den damit geweckten Drang, ein neues Produkt zu erwerben. Hier finden die Recherche und die Suche nach entsprechenden Informationen statt. Auf dem Tablet kommt es dann häufig zur Vertiefung der Informationen: Es werden komplexere Testberichte gelesen, Hersteller verglichen und ein virtueller Schaufensterbummel vorgenommen. Die tatsächliche Transaktion findet am häufigsten am PC statt.
Die Customer Journey soll lehren, dass nicht mehr an ein Device in der Multi-Channel-Welt gedacht werden sollte, sondern dass es eine Multi-Device-Welt gibt. All dies kann in ein Attributionsmodell einfließen, welches den einzelnen Marketing-Kanälen zugewiesen wird. Beispiele dafür sind vielfältig: First Click auf eine lokale SEA-Kampagne, Social Referrer zum Klick vor der Conversion oder eine In-App-Conversion. Wie diese gewichtet werden, kann nicht pauschal gesagt werden. Dies obliegt den einzelnen Branchen, Marketern und Strategien. Wichtig ist jedoch zu verstehen: Last Click ist nicht alles!
Wie funktioniert das technisch?
Neben dem Verstehen der Customer Journey und der Kenntnis ihrer Bedeutung ist das Implementieren eines Trackings notwendig, wodurch dem Marketer eindeutige Zahlen geliefert werden. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, den Nutzer geräteübergreifend zu tracken. Einige werden in der Infobox (Abb. 2) vorgestellt.
Technische Möglichkeiten des Cross-Device-Trackings
Mittlerweile haben sich viele Firmen des Cross-Device-Trackings angenommen und es gibt mehrere Möglichkeiten, dieses rechnerisch und technisch umzusetzen. An dieser Stelle werden einige Prinzipien vorgestellt.
Fingerprinting: Dieses Modell beruht auf der Annahme, dass Nutzer durch bestimmte Attribute, die immer gleich bleiben, identifiziert werden können. Es werden Device-Optionen untersucht sowie Browser-Attribute (installierte Add-ons, Schriften, Version etc.). In Kombination mit IP-Adresse und der entsprechenden LAN-Verbindung ist es möglich, diese Attributwerte in ein einheitliches Bild umzuwandeln, wodurch Nutzer bzw. Nutzergruppen endgerätübergreifend erkannt werden.
Algorithmische Kennung: Die algorithmische Kennung beruht auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Es werden Klick- und generelle Verhaltensmuster beim Einkauf und Navigieren auf einer Webseite abgeglichen. Als Messpunkte gelten zudem Gerät, demo- und geografische Informationen, Markentreue, Interessen und Vorlieben und die zu erwartenden Absichten. Somit wird ähnlich wie beim Fingerprinting, jedoch eher im Bezug auf Verhaltensmuster, ein einheitliches Bild entworfen.
Social-Media-Konnektoren: Viele Webseiten verwenden heutzutage kein eigenes Log-in mehr, sondern nutzen sogenannte Third-Party-Log-ins wie Facebook oder Google Mail, um ihren Nutzern eine schnelle Registrierung zu ermöglichen. Im Beispiel Facebook wird dazu eine Web-App benötigt, die der Werbetreibende auf dem Netzwerk registriert. Darüber werden entsprechende Daten des Nutzers im Log-in-Prozess abgefragt.
Touch-ID auf dem Gerät: Auf einigen Endgeräten ist es bereits möglich, den Nutzer via Touch-ID zu verifizieren. Das bedeutet, dass mittels eines Sensors sein Fingerabdruck erfasst und abgeglichen wird. Der Nutzer hat initial sein Gerät darauf eingestellt. Prinzipiell kann das reine Verifizieren auch zur Identifikation genutzt werden, so kann jedes Freischalten und anschließendes Surfen auf ein und denselben Nutzer zurückgeführt werden. Einige Apps benutzen diesen Service schon. Ungewiss ist allerdings die aktuelle Datenschutzrechtslage.
App-Tracking: Es können nicht nur websitebezogene Daten erfasst werden, sondern auch jene aus der On- und Offline-Nutzung von installierten Apps auf einem Endgerät. Dazu muss ein sogenanntes SDK (Software Development Kit) eingebunden werden, das äquivalent zum JavaScript-Code auf HTML-Seiten Nutzerdaten an das entsprechende Tracking-Tool übermittelt.
Eine Möglichkeit, die einwandfreie Ergebnisse zeigen und problemlos von Google Analytics nachvollzogen werden kann, ist das Vergeben einer User-ID. Der Nutzer kommt über einen personalisierten Newsletter auf die Webseite oder muss sich via Log-in auf der Seite registrieren. Damit ist er eindeutig identifizierbar. Loggt er sich nun auf einem anderen Gerät ein – sei es ein eigenes, ein Leihgerät oder ein neues Gerät – kann er durch die vergebene User-ID, die beim Log-in entsteht, wiedererkannt werden. In Google Analytics (seit 2014 Universal Analytics) werden diese Daten mit in das Nutzerverhalten aufgenommen, wodurch Device-Pfade aufgezeichnet werden. Dazu muss eine Freischaltung in den Einstellungen vorgenommen werden.
Hier ist deutlich erkennbar, welchen zusätzlichen Nutzen das geräteübergreifende Tracking hat: Die momentan gängigste Art des Trackings, die Cookie-Vergabe, ist auf Browserebene ausgelegt. Es handelt sich um eine Information für den Server, die im Browser abgespeichert wird. Dadurch kann bei erneutem Webseitenbesuch der Nutzer wiedererkannt und ihm entsprechende Angebote ausgespielt werden. Im Tracking bedeutet dies, dass ein „Returning Visitor“ erfasst wird. Dies gilt aber nur in dem Browser, der die Cookies dauerhaft speichert. Wenn aber der Nutzer seine Cookies löscht oder über ein anderes Endgerät auf die Webseite zugreift, kann keine Verbindung zwischen den Interaktionen festgestellt werden. Somit wird der Nutzer hier als neuer Besucher registriert.
Im Gegensatz dazu teilt das Tracking via User-ID mit, dass es sich um einen Nutzer handelt, der bereits auf der Webseite war. Mit diesen Informationen bekommt der Marketer ein realistischeres Bild über seine tatsächlichen Nutzerzahlen (Abb. 3).
Der Marketer sollte sich darüber im Klaren sein, dass das Cross-Device-Tracking den rechtlichen Bedingungen entspricht. Der Nutzer loggt sich über den Benutzernamen, die Mailadresse und ein Passwort ein. Diese sollten von der Webseite in keinem Fall an einen Drittanbieter wie das Tracking-Tool weitergegeben werden. Entsprechend handelt es sich bei der User-ID um eine Verschlüsselung dieser Wiedererkennungswerte, die keine personalisierten Daten des Nutzers enthalten.
Engagement zum Log-in
Einzige Bedingung für das Nutzen der User-ID ist, dass der Nutzer eingeloggt sein muss. Ohne das Log-in durch den Nutzer ist eine Vergabe der User-ID nicht möglich. Aus diesem Grund sollte die User-ID Teil des Conversion-Funnels sein und als Micro-Conversion festgelegt werden. Doch wie kann es gelingen, Nutzer von einem Log-in zu überzeugen und diese psychologische Hürde zu überwinden?
Im Falle eines Online-Shops gehören Log-in-Bereiche zur Grundausstattung der Webseite. Um den Nutzer initial zu einer Anmeldung auf dem Gerät zu führen, sollte er zum Engagement eingeladen werden. Das kann über Aufrufe geschehen wie: „Mit deinem Smartphone registrieren und Gratis-Probe erhalten.“ Auch Gutscheine und Rabatte reihen sich in dieselbe Kategorie ein. Um diese Micro-Conversion umzusetzen, kann es hilfreich sein, sich der Werkzeuge der Conversion-Optimierung zu bedienen: Knappheit, Zeitdruck, Social Proof, Individualismus des Käufers, Einzigartigkeit des Angebots und somit die richtige Wortwahl. Für den eben genannten Beispielsatz kann es entsprechend unterschiedliche Varianten je nach Vorlieben der Zielgruppe geben:
- „In den nächsten 11 Minuten registrieren und Gratis-Probe sichern.“
- „Nur für dich: Mit dem Smartphone registrieren und Gutschein erhalten!“
- „Nur noch heute: 5 % Rabatt auf Einkauf sichern!“
Daneben führt das Erstellen einer Wishlist im Online-Shop oder die Befüllung des Warenkorbs dazu, den Nutzer so schnell wie möglich zur Transaktion zu bringen oder ihm zu offerieren, dass er über ein einfaches Log-in jederzeit orts-, zeit- und geräteunabhängig wieder an diese Stelle zurückkehren kann.
Auch außerhalb des Online-Shops kann das Engagement gefördert werden: Mit Möglichkeiten des Bookmarkings oder dem Versenden einer persönlichen Mail innerhalb der Webseite werden Interaktionen über die Seite hinaus gefördert. Ein Service wie „Suche später fortsetzen“ (möglicherweise durch das Aufrufen eines sogenannten Exit-Intent-Layers beim Verlassen der Seite) kann den Nutzer dazu auffordern, sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal stärker mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.
Mit der steigenden mobilen Nutzung häufen sich die Device-Wechsel. Neben dem Engagementprozess des Nutzers kann es von Vorteil sein, dem Device-Wechsel entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit dafür ist das Schaffen einer geräteübergreifenden User Experience, die sich vom Komfort auf keinem der Endgeräte bewusst von einem anderen unterscheidet. Hauptaspekte sind dabei die Bedienbarkeit, der Lesefluss, die Ladezeit und das intuitive Handeln auf der Seite. Der Nutzer sollte sich barrierefrei auf jedem Endgerät bewegen und hier seine Interaktion abschließen können.
Es gibt ein paar Aspekte, die sich in der Betrachtung der Customer Journey als schwierig herausstellen, was selbst die beste responsive Webseite nicht ändern kann: Umgebungsvariablen, die in den Nutzungskontext mit einfließen. Aufgrund offener Netzwerke, in denen sich der Nutzer im WLAN befindet, kann dieser Sicherheitsbedenken haben und seinen Kauf nicht abschließen. Auch ein niedriger Akkuzustand oder beschränktes Datenvolumen kann ihn von einer längeren Sitzung auf der Webseite abhalten.
Welche Schlüsse können daraus gezogen werden?
Die Thematik um das Verständnis für die Customer Journey ist komplex und kann nicht anhand einer Best Practice für alle Webseiten gespiegelt werden. Um seine potenziellen Kunden zu verstehen, muss die Reise mit ihnen gegangen und erlebt werden. Durch die technische Komponente des Cross-Device-Trackings wird die Messgenauigkeit erhöht und es kann viel begründeter erfasst werden, wo es Probleme oder Chancen gibt, sein Angebot anzupassen.
„Die Hälfte des Geldes, das ich für Advertising ausgebe, ist verschwendet. Das Problem ist, ich weiß nicht, welche Hälfte.“ Diese bekannte Aussage von John Wanaker, dem „Vater der modernen Werbung“, könnte mit der allumfassenden Nutzung des Cross-Device-Trackings in ein neues Licht gerückt werden. Denn schließlich kann heutzutage granular erfasst werden, welche einzelnen Schritte in der Kaufentscheidung gegangen werden. Ob dies genutzt wird, liegt letztendlich in den Händen des Werbetreibenden. Fakt ist, dass momentan nur ein Bruchteil der Marketer die Möglichkeit nutzt. Der technische Aufwand hinter der Implementierung ist klein im Vergleich mit dem Nutzen für das Marketingprogramm. Die benötigten Tools sind bereits auf dem Markt!
Der wichtigste Aspekt ist hierbei, den Lauf der Zeit nicht zu verpassen und sich nicht mehr auf alte Tracking-Modelle zu stützen. Mit der Nutzung von Smartphones und Tablets im Kaufentscheidungsprozess ist noch nicht das Ende erreicht. Weitere Herausforderungen sind mit dem Erfassen von Offline-Aktivitäten durch Beacons und dem Nutzen des „Internet of things“, das sich in naher Zukunft weiterentwickeln wird, zu erwarten. Dadurch wird dem Marketer weiter ermöglicht, Nutzerinteraktionen zu analysieren. Vom Last-Click-Wins-Modell kann man sich also verabschieden!
Zum Schluss bleibt anzumerken, dass der Fokus immer auf die Interaktion mit dem Nutzer gerichtet werden muss. Wer bei seinem Nutzer das Vertrauen für seine Webseite gewinnt und dadurch ein dauerhaftes Engagement schafft, wird auch in Zukunft Erfolge vermerken können.