Von 100 kaufinteressierten Besuchern eines Online-Shops brechen bis zu 75 ihren Kauf vorzeitig wieder ab. Dennoch nutzt nur jeder siebte Online-Shop E-Mails an Warenkorbabbrecher, um sich dieses verlorene Umsatz-Potenzial zurückzuholen. Aber warum? Intelligente Retargeting-Kampagnen via E-Mail, sogenannte ReMails, wirken. Studien zeigen, dass sich damit durchschnittlich 15 Prozent der Abbrecher zurückholen ließen. Beispielsweise können so bei 400 angefangenen Warenkörben mit einem Einkaufswert von 100 Euro ganz einfach 4.500 Euro an zusätzlichen Sales generiert werden. Davon einmal ganz abgesehen: Ein guter Verkäufer in einem Fachgeschäft setzt doch ebenfalls vieles daran, unschlüssige Kunden mit den richtigen Argumenten und Angeboten der Situation entsprechend doch noch zu einem Kauf zu bewegen. Und dies in der Regel ja auch äußerst erfolgreich …
Tuning für Shops: Mit Warenkorb-Mailings den Umsatzturbo zünden
Viele Gründe führen zum Kaufabbruch
Gründe für das Verlassen eines Online-Shops vor dem Check-out gibt es viele, und das auch trotz eines gefüllten Warenkorbs. Dabei spielen neben der Gestaltung des Check-out-Prozesses vor allem der wahrgenommene Kundenservice, die angebotenen Zahlungsverfahren und Lieferkonditionen sowie die tatsächliche Kaufbereitschaft eine wesentliche Rolle. Die wenigsten Kunden brechen aus Zeitmangel oder wegen einer akut auftretenden Unterbrechung ab. Oft mangelt es am Vertrauen zum Shop oder der nötigen Usability. Viele Besucher sind zum Zeitpunkt der Warenkorbbefüllung „not yet ready to buy“ und legen nur einen Merkzettel an, wollen sich das Produkt vor der Bestellung erst live anschauen oder die Preise lieber noch einmal vergleichen. Ist die Kaufentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt richtig? Reicht das monatliche Budget noch für die geplante Anschaffung oder muss der Kauf in den nächsten Monat verschoben werden? Eine ganze Reihe externer und intrapersoneller Gründe hat einen Einfluss darauf, ob und wann der Warenkorb verworfen wird.
Wer sich aber die Mühe macht und die Gründe für den Abbruch erfasst, kann wesentlich erfolgreicher auf die „verlorenen“ Kunden reagieren. Ein cleveres Kampagnenmanagement mit verhaltensbasierten E-Mails an die Warenkorbabbrecher sorgt für einen echten Kundenservice und führt zum erhofften Umsatzplus.
Ein kundenorientiertes und sensibles Aussteuern der Warenkorbkampagne ist Pflicht und nicht die Kür. Ein zentrales Wahrnehmungsproblem des Instrumentes E-Mail ist, dass man auch mit schlechtem E-Mail-Marketing erfolgreich sein kann. Aber gerade durch die Beobachtung und Identifizierung der tatsächlichen Kundenbedürfnisse entsteht die Möglichkeit, einen wertgeschätzten oder akzeptierten Service anzubieten. Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie gehen in einen kleineren Laden und wollen eine Jeans kaufen. Da Sie noch ein wenig unschlüssig sind, überlegen Sie etwas länger, ob es sich lohnt, die bereits anprobierte und zu enge Hose nochmals in einer Nummer größer zu versuchen. Nach kurzer Zeit kommt auch schon ein Verkäufer auf Sie zu und bietet Ihnen als zusätzliches Argument einen Kauf auf Rechnung an. Da Sie nicht sofort reagieren, greift der Verkäufer tief in die Trickkiste und legt sogar noch eine tolle Tragetasche, einen Fünf-Euro-Gutschein und sein freundlichstes Lächeln oben drauf. Das Angebot gilt natürlich nur, wenn Sie die Hose sofort mitnehmen. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie die Jeans in diesem Geschäft kaufen? Nein? Aber ganz ähnlich verhalten sich viele Online-Shops und Warenkorb-Mailings in der Realität. Die Gründe für den Abbruch werden kaum berücksichtigt. Hauptsache, alle Abbrecher werden schnell angesprochen und mit dem entsprechenden Rabatt wird das auch schon werden. Unser Vorschlag: Lernen Sie vom Verhalten Ihrer Interessenten und deuten Sie die digitale Körpersprache richtig. So profitieren Sie nicht nur von einer höheren Rückholquote, sondern auch von einer stärkeren Kundenbindung.
Warum funktionieren Warenkorb-Mailings?
Der Kauf ist mit Erhalt der E-Mail dank eines integrierten Links direkt in den Warenkorb nur noch einen Klick weit entfernt. Der Empfänger hat bereits ein klares Kaufinteresse oder Servicebedürfnis signalisiert, welches durch die jetzt versendeten E-Mails wieder aufgegriffen werden. Auf diese Weise wird neben der Serviceleistung auch der finale Kaufimpuls bekräftigt. Der perfekte Zeitpunkt trifft so auf den richtigen Empfänger, der einen passenden und individuellen Inhalt automatisch ausgeliefert bekommt.
Warum werden ReMails noch so selten eingesetzt?
Es klingt banal, aber oft kennen sich Steuerungs- und Contentdaten eines Unternehmens nicht. Zwar können fast alle Websites durch den Einsatz eines Webanalyse-Tools das Verhalten der Besucher ermitteln und auch die Warenkörbe sowie die dazugehörigen Userdaten registrieren, aber eine Zusammenführung dieser Daten findet meist nur zur internen Auswertung statt. Erst durch die Integration dieser Daten in ein E-Mail-Marketing-System werden die gewonnenen Informationen für das Marketing greifbar und die Besucher erreichbar. Aber auch offene Fragen zum Datenschutz sowie die fehlenden technischen Möglichkeiten, dynamische und individuelle Inhalte für die Mailings zur Verfügung zu stellen, sind Gründe für den noch geringen Einsatz in der Praxis.
Technische Voraussetzungen für ein effizientes E-Mail-Retargeting
Um Retargeting via E-Mail in seiner klassischen Form zu betreiben, müssen die Shop-Besucher zuerst identifiziert und einer E-Mail-Adresse zugeordnet werden. Die Erkennung ist möglich, sobald sich ein Kaufinteressent mit seinen persönlichen Log-in-Daten am Shop anmeldet oder wenn er einen Link in einem E-Mailing geklickt hat und zur Website weitergeleitet wird. Darüber hinaus ermöglichen auch Cookies oder das sogenannte Fingerprinting ein Wiedererkennen der Besucher. Im Anschluss an einen abgebrochenen Kauf können Interessenten dann mit einem Warenkorb-Mailing angesprochen werden. Dabei werden die Inhalte und Informationen aus dem aktuellen Warenkorb aufgegriffen und führen so zu einem individuelleren Ansprechen und somit zu einer größeren Verkaufschance.
ReMails lassen sich jedoch auch bereits verschicken, bevor ein Kunde seinen persönlichen Warenkorb befüllt hat. In diesem Fall werden die entsprechenden E-Mails anhand der vom Kaufinteressenten besuchten Seiten ausgesteuert. Dazu müssen die besuchten Unterseiten und angesehenen Produkte im Vorfeld getaggt und markiert werden. Auf diese Weise lassen sich neben den präferierten Waren oder Warengruppen auch die jeweiligen Ausstiegsseiten identifizieren.
State of the Art: So werden Warenkorb-Mailings in der Praxis umgesetzt
- Die klassische Warenkorbmail: Die einfachste Variante, Warenkorbabbrecher zurückzugewinnen, besteht darin, nach einem abgebrochenen Kaufvorgang eine Erinnerung via E-Mail zu versenden. Diese nur in der Anrede personalisierte und mit einem Link zum persönlichen Warenkorb versehene E-Mail verzichtet auf dynamische Inhalte und erinnert Abbrecher lediglich an ihren stehen gelassenen Warenkorb. Diese meist einstufige Mail ist nur ein grobes Hilfsmittel. Sie geht nicht auf das individuelle Kauf- und Abbruchverhalten ein und bietet auch keine entsprechenden Lösungsmöglichkeiten. Aber: Immerhin wird auf einen Abbruch reagiert und die Rückgewinnung teils erfolgreich gestartet.
Es geht jedoch deutlich effizienter, wie die nächsten beiden Varianten zeigen.
- Die dynamische Warenkorbmail: Die E-Mails an Warenkorbabbrecher dieser Variante greifen nicht nur die individuellen Warenkörbe auf, sie sind zudem mehrstufig und variieren grundlegende Kampagnenparameter. Sie bieten den Empfängern eine wesentlich höhere Relevanz und unterscheiden in der Ansprache u. a. zwischen dem Warenkorbwert, der Zeitspanne zwischen den Bestellungen oder vergebenen Incentivierungen sowie dem Geschlecht der Kaufabbrecher.
Um Lerneffekte bei der Vergabe von Rabatten und zusätzlichen Kaufanreizen zu vermeiden, setzen einige Kampagnen zwei bis vier inhaltlich unterschiedliche und zufällig ausgewählte Mailings ein. Auf diese Weise kann eine zeitliche Steuerung (z. B. nur ein Gutschein in sechs Monaten) oder nur eine Incentivierung für Neukunden gewährleistet werden.
Dynamische Warekorbmailings werden in der Regel mit bis zu drei Stufen versendet. Die Versandzeitpunkte und Inhalte sind an den jeweiligen Online-Shop angepasst und reichen von der Kommunikation einer Servicehotline über einen Vertrauensaufbau, Garantieversprechen, das Angebot alternativer Rechnungsmodalitäten oder einen Channelwechsel zum Ausprobieren der Produkte bis hin zu Umfragen, warum nicht gekauft wurde.
- Verhaltensbasierte Warenkorb-Mailings: Diese Art der ReMail revolutioniert das Genre seit kurzer Zeit. Denn sie deuten die digitale Körpersprache der Kaufinteressenten. Durch das Tracking des individuellen Klick- und Surfverhaltens können Sie endlich gezielt auf die einzelnen Abbruchgründe und Käufergruppen eingehen. Dank der Identifizierung des Users und seines Verhaltens werden zusätzliche Informationen bezüglich der Interessen und des Abbruchverhaltens gewonnen. Mithilfe dieses Wissens können die Empfänger passend zum jeweiligen Abbruchgrund angesprochen werden. So wird ein persönlicher Kundendialog möglich, der zu einem deutlich besseren Kundenservice, echten Problemlösungen für den Kunden, präzisen Cross-Selling-Angeboten und nicht zuletzt zu bessern Konversionsraten und vermehrten Abverkäufen führt.
Steigt ein potenzieller Kunde beispielsweise gleich auf der ersten Seite aus, wird es sich sehr wahrscheinlich um einen „Schaufensterbummel“ und einen Merkzettel ohne akute Kaufintention gehandelt haben. Mit einer emotionalen und sympathischen Ansprache können diese Käufer gerade in der zweiten Kampagnenstufe sehr gut zurückgewonnen werden. Dazu wird im Kampagnenverlauf entweder ein zusätzlicher Kaufanreiz, ein Serviceangebot oder aber die Option, eine Wunschliste für später anzulegen, versendet.
Sind die Zahlungsmodalitäten die zuletzt betrachtete Seite, liegt oft ein mangelndes Vertrauen in den Online-Shop vor. Neben der Kommunikation vertrauensbildender Elemente wie Siegel, Kundenbewertungen oder gar Kundenzitate kann es sich lohnen, diesem Kunden eine weitere Zahlungsoption zur Verfügung zu stellen. Die zusätzlich gewonnene Zeit bis zur Aussendung der ReMail kann genutzt werden, um den potenziellen Käufer zu qualifizieren und erst dann den Kauf per Rechnung oder in Raten anzubieten.
Preissensitive Käufer steigen oft im letzten Schritt des Check-out-Prozesses aus und vergleichen das vorliegende Angebot lieber noch einmal. Hier können Sie insbesondere durch eine schnelle Ansprache, mit Add-ons und Rabatten sowie eine versandkostenfreie Lieferung punkten.
Rechtliche Grundlagen der ReMail
Unabhängig von der gewählten Variante: Wer Warenkorb-Mailings versenden will, muss unbedingt die rechtlichen Rahmenbedingungen im Auge behalten. Datenschutzrechtlich relevant sind hier insbesondere § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG sowie § 7 Abs. 1 UWG, § 7 Abs. 2 UWG und § 7 Abs. 3 UWG.
§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSGbesagt, dass jede Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen oder alternativ einer gesetzlichen Legitimation bedarf. Daneben sind mit Hinblick auf§ 7 Abs. 1 UWG auch wettbewerbsrechtliche Aspekte relevant. So ist etwa der Versand von Werbe-E-Mails, dazu zählen auch die der Verkaufsförderung dienenden E-Mails an Warenkorbabbrecher, ohne ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich nicht zulässig und somit wettbewerbswidrig. Es empfiehlt sich daher, eine eindeutige Permission, z. B. über ein Double-Opt-in, der genutzten E-Mail-Adressen einzuholen. Dies kann im Rahmen der Shopregistrierung oder während des Newsletter-Opt-ins erfolgen. In diesem Zuge sollte in den Datenschutzrichtlinien auf die Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten hingewiesen und idealerweise eine Opt-out-Möglichkeit angeboten werden. Um also einer unzumutbaren Belästigung vorzubeugen, muss stets eine ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegen.
Warenkorb-Mailings steigern Umsätze spürbar
Alle in diesem Beitrag vorgestellten Varianten der E-Mail an Warenkorbabbrecher wirken und helfen, verloren geglaubte Umsätze zurückzuholen. Dabei sind es insbesondere die verhaltensbasierten Mails, die eine hohe Wirksamkeit zeigen und denen die Zukunft gehört. Denn sie verbinden relevante Inhalte mit konkreten Abschlussverstärkern, wie etwa Rabatten, Versandkostenbefreiung oder alternativen Bezahl- oder Versandarten,die zum richtigen Zeitpunkt die einen Kauf verhindernden Faktoren entkräften. Aus eben diesen Gründen ist auch die Furcht der Absender, als Spammer oder Datensammler zu gelten, unbegründet. Verbraucher bewerten eine maßgeschneiderte und individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Kommunikation positiv.
Fazit
Was kann man in etwa von einer guten Warenkorbkampagne erwarten? Als ungefähre Richtgröße für den Erfolg einer Kampagne können eine Öffnungsrate von mindestens 50 % und eine Klickrate von 30 % angenommen werden.
Für die Zukunft lässt sich erahnen, dass E-Mail-Retargeting ein wesentlicher Bestandteil einer kunden- und verkaufsorientierten Kommunikation entlang der Customer Journey sein wird. Automatisch ausgesteuert und basierend auf einer Vielzahl profilrelevanter Erkenntnisse sowie Verknüpfungen mit den bereits vorhandenen CRM-Systemen, liefern Retargeting-Kampagnen ein breites Anwendungsspektrum für eine effektive Kundenkommunikation.