Warum ist Google so mächtig? Weil alle Google nutzen! Es sei denn, die Menschen suchen gerade in Yelp nach einem Restaurant. Oder in Amazon nach einem Produkt. Oder auf GULP nach einem Freelancer. Oder ... oha!
Abgekratzt …
Google wertet Websites mit unterdurchschnittlichen Inhalten ab. Google wertet Websites mit manipulierten Offpage-Faktoren ab. Google wertet Websites mit viel Werbung „above the fold“ ab. Und so weiter. Jedes Mal erschüttert eine Welle der Entrüstung die Landschaft der Suchmaschinenoptimierer, Affiliates und Websitebetreiber. „Wir müssen das Authorship-Tag einbauen!“ „Hoppla, jetzt bauen wir es auch schon wieder aus!“ „Wir müssen was mit SSL machen!“ Dann folgt operative Hektik.
Weshalb eigentlich? Aus einer unternehmerischen Risikobetrachtung heraus sollten Websitebetreiber noch nicht einmal zucken, wenn die Suchmaschinenfirma aus Mountain View ihr Hausrecht einmal mehr unsanft an die interne Vision anpasst. Wer einen großen Teil seines Umsatzes mit diesem einzigen Anbieter im SEO-Kanal macht, hat ein risikotechnisches Problem. „Nicht alle Eier in einen Korb legen“, ist ein zeitloser Managementklassiker und wird dennoch so selten beachtet.
Doch mittlerweile ist ein Umdenken zu erkennen: Immer mehr Unternehmen wenden sich von der absoluten Google-Hörigkeit ab und entdecken wertvolle Quellen: Nicht-Google-Orte, an denen sich Menschen mit ihrem Bedarf „outen“. Doch Vorsicht: Wer heute erzählt, dass Google für ihn kein relevanter oder rentabler Online-Marketing-Kanal mehr ist, wird mitleidig und schräg angeschaut. Kritiker führen ins Feld, dass der Wettbewerb um den Kunden doch gerade bei Google geführt würde. Wer nicht bei Google ist, überlässt dem Wettbewerber das Feld! Die Menschen kennen und nutzen doch nur Google!
Smarte Unternehmer, die des imaginären Schlachtfelds mit oft gefühlt mehr Wettbewerbern als Kunden überdrüssig sind, begeben sich auf Spezialsuchmaschinen deutlich näher an den Kunden heran. Und sie optimieren idealerweise auf den Kontext und das Ereignis zum Zeitpunkt der Bedarfserkennung ihrer späteren Kunden. Das passiert in der Regel außerhalb des Google-Gedankengebäudes.
Google hält durch ein großes Repertoire an Methoden zur Steuerung dynamischer Gruppenprozesse seine Rolle als Spielmacher und Gatekeeper noch aufrecht. Allerdings werden die repetitiv angewandten Methoden bei einer distanzierten Betrachtung über lange Zeiträume auch prognostizierbar: So nutzt sich z. B. das Modell der permanenten Änderung kleiner Systemparameter zum Aufschrecken der SEO-Szene langsam ab. Websitebetreiber sind vom dauernden Hü und Hott ermüdet und schauen sich nach stabileren Systemen mit weniger Wettbewerbern und höherer thematischer Relevanz um.
Und plötzlich wird festgestellt: „Wow, seit ich meine Produkte für Amazon optimiert habe, kommt da richtig was dabei herum. Die Kunden sind da ja schon beim Einkaufen!“ „Dawanda-Traffic konvertiert für meine Produkte deutlich besser als unspezifischer Google-Traffic.“ „Klar kommt über Google für ‚pferd kaufen’ Traffic – aber den kann man echt vergessen. eHorses hat ein paar Hunderttausend Besucher im Monat, aber hier werden im Jahr auch 20.000 Pferde gehandelt.“ Jede Branche hat Dutzende funktionierende Suchsysteme, die von einer oft gut definierbaren Klientel genutzt werden.
Es wird Zeit, dass die SEO-Branche die Antennen für die Optimierung unterschiedlichster Systeme ausrichtet: auf Gatekeeper-Ebene von Viv, Cortana und Google Now, auf der Ebene von Themen-, Branchen- und Lösungssuchmaschinen bis hin zu kontextuell orientierten Lösungssystemen ohne explizite Suchfunktion.