Viele Online-Shop-Betreiber vertrauen zu sehr auf die Aussagekraft der Conversion-Rate. Sie allein reicht zur Beurteilung des Erfolgs einer Seite nicht mehr aus. Schafft es ein Seitenbetreiber, beim Kunden Loyalität und eine gute „User Experience“ zu erzeugen, wird er langfristig erfolgreicher sein. Es ist also ratsam, die Stärken und Schwächen der eigenen Website zu kennen – und die der direkten Konkurrenz. Die GfK hat sich mit dem „Connected Life Panel“ die größten deutschen Online-Händler genauer angesehen und die Stärken und Schwächen der analysiert. Von Amanzon und eBay können Shop-Betreiber noch einiges lernen.
Mit Zahlen allein kommt man nicht weit
Jeder Online-Shop-Betreiber hat ein Ziel: Die Website so zu optimieren, dass möglichst viele Nutzer kaufen. Das erreicht er am besten, wenn die Seite den Kunden begeistert und berührt. Im Idealfall geht der User mit einem Kaufwunsch auf die Seite, ersteht das Produkt und wirbt Neukunden im Freundeskreis an. Die Händler Amazon und eBay sind sehr erfolgreich damit, das in die Tat umzusetzen. Die Riesen dominieren den Online-Handel mit weitem Vorsprung, dicht gefolgt von Otto und Tchibo.
Ist es nicht an der Zeit, sich die größten deutschen Online-Shops anzusehen und von den großen Vorbildern zu lernen? Das dachten sich zumindest die UX-Experten von GfK (früher GfK SirValUse) und erstellten Benchmarks für die fünf größten deutschen Online-Shops. Um sich ein wenig von deren Erfolg zu holen, muss man wissen, wo ihre Stärken und Schwächen sind. Mit der Conversion-Rate allein kommt man aber nicht sonderlich weit. Sie verrät nicht genug, um davon selbst zu profitieren. Eine weitere große Frage blieb aber zunächst im Raum stehen: Sind Amazon und eBay überhaupt „best in class“? Denn lernen, das will man nur von den Besten.
Amazon und eBay: Immer noch ganz vorn?
Was heißt das überhaupt – „best in class“? In diesem Fall geht es um die User Experience, also darum, wie ein Besucher eines Shops oder einer Seite diese erlebt. Klassische Usability-Schemata sind für eine fundierte Bewertung allerdings nicht ausreichend. Die System Usability Scale (SUS) geift deutlich zu kurz. Die SUS zielt darauf ab, wie effizient ein bestimmtes Ziel auf einer Seite erreicht wird. Ein Anbieter glaubt häufig, das Ziel der meisten Kunden sei es, zu kaufen. Seitenbetreiber optimieren folglich den Kaufprozess und achten nicht darauf, dass eine Seitenerfahrung auch aus anderen Elementen besteht als dem Einkaufskorb. Die Wahrheit ist: Die Mehrheit der Kunden hat ganz andere Gründe, eine Website zu besuchen, wie in der Studie herauskam.
Darum gehen User auf Webseiten
Als 2011 die Conversion-Rate von drei Prozent durchs Netz geisterte, war das Entsetzen groß. Tatsächlich können sich Online-Händler erst mal beruhigen. Die Rate ist gar nicht so schlecht, wenn man sich die von GfK mit dem „Connected Life Panel“ ermittelten Daten für Online-Shops genauer ansieht. Nur elf Prozent aller Besucher gehen auf eine Seite mit einem ganz konkreten Kaufwunsch. Ein Drittel der Kunden stöbert, 15 Prozent der Kunden suchen Informationen, sind aber prinzipiell kaufwillig, und elf Prozent wollen ohnehin nur Informationen über ein Produkt haben. Der Rest geht in seinen Mitgliedsaccount, nimmt an einem Gewinnspiel teil und vergleicht Preise. Diese Zahlen sind für Seitenbetreiber äußerst wertvoll und nehmen die Angst vor einer niedrigen Conversion-Rate. Angesichts dieser Daten wird deutlich: Es braucht ganz andere Methoden, die Seite zu optimieren, als über niedrige Conversion-Rates zu jammern. Auf das Erleben der Seite, die User Experience, kommt es an.
Die drei Faktoren der User Experience
Die User Experience zeichnet sich durch drei Faktoren aus: nutzungsbezogene Aspekte, nutzerbezogene Aspekte und die Ästhetik. „Nutzungsbezogen“ bedeutet, dass die Zielerreichung wichtig ist: Kann der User das erreichen, was er sich vom Besuch der Seite versprochen hat? Hat er sich also zum Beispiel vorgenommen, den Preis eines Artikels herauszufinden, ist seine User Experience gut, wenn er den Preis herausfindet, auch wenn er den Artikel gar nicht kauft. „Nutzerbezogen“ meint: Wie sehr fühlt sich der User angesprochen von Layout und Design? Der User bewertet, wie sehr das Produkt zu ihm passt und wie sich der Prozess anfühlt. Er muss sich mit dem Produkt identifizieren können.
Mindestens genauso wichtig für die User Experience ist die Ästhetik: Die Seite muss schick sein, Optik, Haptik und Akustik müssen stimmen. Diese User Experience gilt, wenn man es genau bedenkt, nicht nur für Webseiten, sondern für alle Produkte überhaupt.
Online-Shop-Betreiber müssen sich zunächst mit weniger als einem Kauf zufriedengeben, denn eine Erfahrung der Seite ist schon Zielerreichung. Das hat langfristig positive Aspekte: Der Kunde ist zufrieden, wird die Seite später noch einmal besuchen, und ist willens, etwas zu kaufen. Das erzeugt Loyalität und Weiterempfehlungen auf anderen Seiten. So sieht im Idealfall ein zufriedener Kunde aus. Hier gilt: Je besser die User Experience, desto besser die Zielerreichung. Will man zufriedene Kunden, muss man die User Experience messen. Da hilft der UX-Score weiter.
SUS müssen ergänzt werden
Damit sollte Online-Shop-Betreibern klar sein, dass die traditionellen SUS qualitativ zu ergänzen sind. Das ist gar nicht so einfach: Die beiden Eigenschaften Ästhetik und Selbstbezogenheit kann man in Zahlen nicht messen. Ein Kunde kann mit einer Seite zufrieden sein, obwohl er im Zweifel nichts kauft. Je besser die User Experience, desto loyaler der Kunde später. Umgekehrt gilt: Hat der Kunde einmal einen konkreten Kaufwunsch, wird er nur auf Seiten einkaufen, die ihm gefallen haben.
Mit dem UX-Score und dem GFK Connected Life Panel hat die GFK untersucht, wie gut die größten Online-Shops Amazon, eBay, Otto und Tchibo abschneiden. Zum Zeitpunkt der Studie war auch Neckermann noch aktuell und nicht von Otto betrieben. Insgesamt erstellte die Studie Benchmarks mit 750 Befragten.
Connected Life Panel (CLP)
Das Connected Life Panel (CLP) von GfK kombiniert Internetnutzungsdaten mit Befragungsdaten. Die 10 000 Teilnehmer sind mit dem „LEOtrace“-Add-on ausgestattet, das das Surfen vollständig aufzeichnet. Zudem können zum Beispiel beim Besuch oder Verlassen bestimmter Seiten gezielt Online-Befragungen geschaltet werden. Die eventbasierte Befragung ermöglicht es, den „True Intent“ des Besuchers abzufragen – zum Aufrufen der Seite wurde der Nutzer nie aufgefordert. Die Seite noch im Kopf beantwortet der Nutzer den Fragebogen direkt. Wer nicht nur die Nutzer der eigenen Seite befragen will, kann das mit dem CLP auch: Weil es sich um ein Panel handelt, muss man für die Befragung nicht mit dem Seitenbetreiber kooperieren.
Besuchsgründe folgen dem Businessmodell
Jede dieser Seiten wird von den Usern aus unterschiedlichen Gründen besucht – schon das ist eine Erkenntnis für sich. So gaben 64 Prozent der Tchibo-Nutzer an, dass sie sich auf der Seite nur umschauen wollten, etwa bei „Jede Woche eine neue Welt“. Die Zahl ist im Vergleich zur Benchmark von 33 Prozent sehr hoch. Rund elf Prozent der User besuchen E-Commerce-Seiten ausschließlich, weil sie Informationen suchen. Ein Kaufwille steht nicht dahinter. Nur Neckermann in seiner damaligen Form schnitt in diesem Bereich mit 16 Prozent sehr hoch ab – wobei die Frage bleibt, wie gut das für den Neckermann‘schen Geschäftserfolg war.
Amazon dagegen zieht vor allem potenzielle Käufer an: Mehr als ein Viertel, 27 Prozent aller Amazon-Besucher, kam, um sich zu informieren, und war eventuell bereit, etwas zu kaufen. Das ist fast doppelt so viel wie die Benchmark von 15 Prozent und spricht deutlich für die Geschäftsstrategie. Schließlich sehen sich viele Nutzer auf Amazon erst die Produktbewertungen an, bevor sie kaufen. Das Geschäftsmodell von eBay ist ganz anders aufgebaut, daher ist für 24 Prozent der eBay-Nutzer der Mitgliedsaccount sehr wichtig: So können die User Bietaktionen im Auge behalten. Otto generiert Clicks, weil 19 Prozent der Besucher an einem Gewinnspiel teilnehmen möchten.
Zwei Drittel aller Besucher zufrieden
Zur User Experience gehört auch die Zielerreichung: Erst wenn der Besucher sein Ziel, egal ob stöbern, informieren oder kaufen, erreicht hat, ist er zufrieden. Die Benchmark über alle Seiten hinweg lässt zunächst Positives vermuten: Zwei Drittel aller Besucher haben das Ziel erreicht. Ein Viertel hat das Ziel teilweise erreicht und acht Prozent gar nicht. Insgesamt war zwar die Zielerreichung der Einzelnen recht hoch. Amazon erreichte 67 Prozent, eBay 72 Prozent, Otto 62 Prozent, Neckermann 64 Prozent und Tchibo 69 Prozent.
Viel entscheidender ist jedoch die Frage, welche E-Commerce-Seite an der Zielerreichung scheiterte, wo also ein hoher Prozentsatz der Besucher frustriert die Seite wieder verließ. Otto, Neckermann und Tchibo wiesen deutlich negative Zahlen auf. Bei Otto fanden 15 Prozent der Besucher nicht, was sie suchten, bei Neckermann neun Prozent und bei Tchibo immerhin noch jeder zehnte. Nur: Woran scheiterten die Kunden genau? Fanden sie Informationen nicht oder gab es das Produkt nicht? Das macht einen entscheidenden Unterschied: Hier differenzieren zu können, kann für den Geschäftserfolg ausschlaggebend sein.
Auch das hat der User Experience Monitor herausgefunden: Jeder fünfte User gab an, dass er konkret etwas hätte kaufen wollen, aber dies nicht konnte, sei es, weil das Produkt zu teuer oder nicht in der passenden Ausführung vorhanden war. Auch beim Kaufmotiv „Produktinformation und eventueller Kauf“ sagten 55 Prozent der Nutzer, dass sie ihr Ziel nur zum Teil erreicht haben. Sogar bei den führenden Online-Shops gibt es also noch Handlungsbedarf, denn in diesen 55 Prozent liegt das größte Potenzial, aus Besuchern Kunden zu machen.
Im Detail ergibt sich folgendes Bild: Besonders gut erreichen Nutzer auf Amazon und Tchibo laut den Zahlen ihre Ziele – ganz egal, was die User eigentlich wollten. Beide liegen immer über der Benchmark. Auch eBay schneidet fast immer gut ab, bis auf einen Ausreißer: Für „Produktinformation und eventueller Kauf“ erreicht das Online-Auktionshaus nur 15 Prozent. Das liegt wahrscheinlich an den vielen Nicht-Profi-Nutzern, die nicht genügend Informationen über Produkte bereitstellen. Zudem schauen viele nach Geboten und sind enttäuscht, wenn sie ihren Artikel nicht ersteigern. Das senkt die Zufriedenheit – ist aber systemisch.
Zielerreichung, nicht Zufriedenheit
Die Zufriedenheit als Wert allein reicht nicht aus, hat nicht genug Aussagekraft. Zusätzlich muss separat nach der Zielerreichung gefragt werden: Menschen verzeihen viel, wenn man sie nach der Zufriedenheit fragt. Bei der Zielerreichung sind sie dagegen emotionsloser. So kann man stärker auf objektiv mangelnde Usability schließen und mehr Erkenntnisse daraus gewinnen. Also fragten die Marktforscher vom UX-Monitor auch nach der Zielerreichung, die mit der Zufriedenheit korrespondiert: Bei den Shops, wo viele User an ihrem Ziel scheiterten, ist die Zufriedenheit deutlich geringer. Das wirkt sich direkt aus: Wer unzufrieden ist, besucht die Seite nicht mehr. Für Amazon, eBay und Tchibo sind die Nachrichten gut, der Großteil ihrer Kunden kommt gern wieder.
Je höher der UX-Score, desto besser
Die User Experience kann man auch in Zahlen ausdrücken, mit dem UX-Score. Er fasst die drei Aspekte „nutzungsorientiert“, „nutzerorientiert“ und „Ästhetik“ zusammen und zeigt deutlich Stärken und Schwächen einer E-Commerce-Seite auf. Je höher er ist, desto besser – vor allem, wenn man vor der Konkurrenz liegt.
Amazon, eBay und Tchibo liegen über der Benchmark des UX-Scores. Zum Beispiel ist laut Score die Seite von Tchibo optisch besonders ansprechend. Wegen der Auktionen ist für Nutzer der Besuch von eBay besonders spannend. Am meisten identifizieren sich Nutzer von Amazon und eBay mit der Seite. Auf den ersten Blick erscheinen auch die Werte von Neckermann und Otto nicht schlecht, auch sie machen einige Dinge sehr gut. Trotzdem liegen sie kurz unterhalb der Benchmark. Das Optimierungspotenzial ist bei allen Online-Shop-Händlern sehr groß – sogar bei Amazon und eBay.
Die Favoriten unter den E-Commerce-Seiten
Amazon und eBay bleiben „best in class“. Das liegt einerseits am Geschäftsmodell, andererseits daran, dass sich die beiden Riesen der Gegenwart flexibel anpassen. Ihr Multichannel-Ansatz zum Beispiel funktioniert bestens: Sie haben das Rezept für die Website nicht stupide für Tablets und Mobile übersetzt, sondern auf spezifischere Use-Cases ausgerichtet. Das deutlich reduzierte Funktionsangebot erleichtert die Usability. Für Deals wie etwa bei Groupon haben die beiden Konzerne etwa Konkurrenten aufgekauft oder eigene Angebote entwickelt. Inzwischen gibt es von den beiden Klassenbesten Shoppingclubs, lokale Lieferungen und Tagesangebote, um die Konkurrenz einzudämmen.
Für die Erkenntnis, dass Amazon und eBay so gut sind, hätte es vielleicht keinen UX-Score gebraucht. Trotzdem ist klar: Beide Online-Shops haben noch Verbesserungspotenzial. Wenn man weiß, wo die Konkurrenz steht und wo die eigenen Stärken und Schwächen sind, kann es nicht schaden, sich von den Besten eine Scheibe abzuschneiden. Seitenbetreiber können zudem beruhigt sein, wenn ihre Conversion-Rate nicht so hoch ist. Langfristig kommt es auf die Kundenzufriedenheit und Zielerreichung an, egal, mit welchem Ziel der Kunde eine Seite besucht. Das schafft einen loyalen Kundenstamm.