1. Die Problemsituation:
Viele Webmaster werden das Problem kennen: In mühevoller, häufig auch kostenintensiver Arbeit wurde der suchmaschinenoptimierte Inhalt einer Seite erstellt und rankt entsprechend gut in den Suchmaschinen. Kurze Zeit später muss man feststellen, dass ein Mitbewerber es sich besonders bequem gemacht und einfach ungefragt die Inhalte übernommen hat. Schnell stellt sich die Frage: Wie weit reicht der urheber- und wettbewerbsrechtliche Schutz suchmaschinenoptimierter Inhalte?
Es sei bereits hier angemerkt, dass der rechtliche Schutz suchmaschinenoptimierter Webseiten über das Urheberrecht geschieht. Das Wettbewerbsrecht ist nur eine Art „Auffangschutz“, das nur in ganz selten Fällen zur Anwendung kommt. Gerade daher ist es wichtig, dass eine mühevolle SEO-Leistung urheberrechtlichen Schutz genießt.
2. Urheberrechtlicher Schutz:
a. Grundlagen:
Das deutsche Urheberrecht schützt jede Form von Inhalt, sei es das geschriebene oder das gesprochene Wort, unabhängig davon, ob es in gedruckter oder in elektronischer Fassung vorliegt. Damit das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) zur Anwendung kommen kann, muss eine persönliche, geistige Schöpfung vorliegen. Es müssen also zwei Voraussetzungen gegeben sein:
- Persönliche, geistige Leistung
- Schöpfung
aa. Persönliche, geistige Leistung:
Der Inhalt, der geschaffen wurde, muss von einem Menschen erstellt worden sein. Es darf kein Erzeugnis einer Maschine sein, es sei denn, der Vorgang wird von einem Menschen gezielt und bewusst gesteuert.
Beispiel: Die Software des SEO X speichert und wertet umfangreich die Sucheingaben von Usern aus und erstellt auf Basis dieser Informationen eine eigene Keyword-Liste. Der Vorgang geschieht automatisch und ohne Eingriff eines Menschen.
Diese Keyword-Listen sind urheberrechtlich nicht geschützt, da sie nicht von einem Menschen, sondern von der Software erstellt wurden. Es fehlt auch die gezielte und bewusste Steuerung durch einen Menschen.
bb. Schöpfung:
Damit die Inhalte urheberrechtlichen Schutz genießen können, muss eine wahrnehmbare Umsetzung der geistigen Gedanken erfolgen. Dies geschieht in aller Regel dadurch, dass ein körperlicher Gegenstand (z. B. ein Buch oder ein Bild) geschaffen wird. Es reicht aber auch eine unkörperliche Umsetzung aus (z. B. in Form eines Vortrags, eines Theaterstücks oder eines Films).
Zwingend erforderlich ist, dass die Schöpfung durch Dritte wahrnehmbar ist. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich lediglich um eine noch nicht urheberrechtlich geschützte Idee.
Beispiel: SEO X hat eine grandiose Idee für ein neues SEO-Software-Tool. Er überlegt sich jedes Feature bis in die kleinste Kleinigkeit, schreibt jedoch nichts dazu auf, sondern behält alles nur im Kopf.
Die Idee ist von X ist (noch) nicht urheberrechtlich geschützt, da es an der äußeren Wahrnehmbarkeit fehlt. Mitbewerber Y kann also problemlos den X aushorchen und sämtliche Ideen in ein eigenes Konkurrenzprodukt einfließen lassen.
Da bloße Ideen somit urheberrechtlich nicht geschützt sind, hat es sich in der Praxis bewährt, Verschwiegenheitserklärungen (sog. Non-Disclosure Agreement, kurz NDA) zu vereinbaren. In diesen verpflichten sich die Parteien vertraglich, die Idee des anderen zu schützen und zu bewahren. Verletzt eine der Parteien diese Verpflichtung, wird eine Vertragsstrafe fällig.
Nicht jede Schöpfung ist urheberrechtlich geschützt. Vielmehr verlangt das Gesetz eine gewisse Schöpfungshöhe. Nur wenn diese erreicht wird, ist das jeweilige Werk gesichert. Die Inhalte müssen aus der Masse des Alltäglichen herausragen, sie müssen deutlich mehr als eine gewöhnliche, routinemäßige Leistung sein. Die Bewertung, ob Inhalte nun alltäglich sind oder nicht, trifft der jeweilige Richter. Es handelt sich dabei stets um eine Einzelfallprüfung, die sehr subjektiv ist. Häufig kann nur sehr begrenzt vorausgesagt werden, ob ein Gericht die Schöpfungshöhe bejaht oder nicht. Es ist eine Binsenweisheit, dass das Landgericht Hamburg Fälle anders entscheidet als das Landgericht München. Gleichwohl kann ein erfahrener Anwalt auf den Ausgang des Prozesses maßgeblichen Einfluss nehmen. Da bei Internetdelikten der fliegende Gerichtsstand gilt, kann der Advokat sich das Gericht, vor dem er die Klage einreicht, frei aussuchen. Er wird also den Gerichtsstand wählen, von dem er weiß, dass die Richter eher urheberrechtsfreundlich sind.
Achtung: Auch wenn die Schöpfungshöhe nicht erreicht ist, so können Inhalte (z. B. eine Datenbank) u. U. rechtlich geschützt sein (siehe dazu den Aufsatz „Die Übernahme fremder Online-Datenbanken: Erlaubt oder verboten?“ in der Website Boosting 07-08/2011, S. 90 f.)
cc. Keine Eintragung/Beweisbarkeit:
Der Urheberrechtsschutz entsteht mit Schöpfung der Inhalte. Es bedarf keiner Eintragung in irgendein Register und auch keiner amtlichen Prüfung. Insbesondere müssen keinerlei Urheberrechtsvermerke wie „(C)“ oder „Copyright“ oder „Alle Rechte vorbehalten“ angebracht werden. Die Inhalte sind in dem Moment, in dem sie erzeugt werden, automatisch und sofort urheberrechtlich geschützt.
Das fehlende Erfordernis einer Eintragung ist jedoch nicht nur vorteilhaft, sondern hat auch einen entscheidenden Nachteil: Der Urheber muss im Zweifelsfall nachweisen, dass er der Urheber ist. Da es kein amtliches Register gibt, muss er von vornherein entsprechende Maßnahmen ergreifen, um im Falle eines Rechtsstreits gerichtsfest seine Urheberschaft nachzuweisen. Da kann z. B. durch Hinterlegung der Inhalte bei einem neutralen Dritten (z. B. einem Anwalt) geschehen. Ebenso hilfreich ist es, Zeugen benennen zu können.
b. Die Rechtsprechung:
Wie sieht nun bislang die urheberrechtliche Rechtsprechung zum Schutz suchmaschinenoptimierter Inhalte aus? In den letzten Jahren hatten sich die deutschen Gerichte mehr und mehr mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
aa. Oberlandesgericht Rostock:
Die wohl weitreichendste Entscheidung hat das OLG Rostock (Beschl. v. 27.06.2007 - Az.: 2 W 12/07) im Jahre 2007 getroffen. Dort stellte das Gericht ausdrücklich fest, dass die auf der Webseite verwendete Alltagssprache keine Besonderheiten aufwies und somit nicht die erforderliche Schöpfungshöhe erreichte. Gleichwohl nahm das Gericht einen urheberrechtlichen Schutz an. Und zwar bejahten die Richter diesen aufgrund der Suchmaschinenplatzierung an sich.
Der Kläger konnte nachweisen, dass er über einen längeren Zeitraum als erster bzw. dritter Treffer (bei 10.100 Ergebnissen insgesamt) in der organischen Suche auftauchte. Das Gericht folgerte aus diesem Ranking, dass es besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten bedürfe, um ein solches Ziel zu erreichen. Insofern handle es sich um eine überdurchschnittliche Leistung, die schutzwürdig sei.
Inhaltlich überzeugt die gerichtliche Begründung, warum hier von einem Urheberrechtsschutz auszugehen ist, nicht. Als einziges Argument führt das OLG Rostock das Ergebnis der Optimierung an, nämlich die Positionierung unter den Top Ten. Dieser Rückschluss ist aber keineswegs sicher, denn die vordere Positionierung kann eine Vielzahl sonstiger Gründe haben und muss nicht primär auf eine einzigartige Optimierung zurückzuführen sein.
Da das Gericht die genauen Umstände des konkreten Einzelfalls nicht weiter beleuchtet, bleibt bei der Entscheidung vieles im Unklaren. Keinesfalls darf aus der Entscheidung der allgemeine Rückschluss gezogen werden, dass jede halbwegs suchmaschinenoptimierte Webseite generell urheberrechtlichen Schutz genießt.
bb. Landgericht Köln:
Eine weitere Entscheidung, die in diesem Zusammenhang häufig zitiert wird, ist die des LG Köln (Beschl. v. 02.05.2011 - Az.: 33 O 267/11), wonach suchmaschinenoptimierte Produktbeschreibungen urheberrechtlich geschützt sind.
Die Beklagte hatte eine Produktbeschreibung online übernommen. Der Text war 11 Zeilen lang, in zwei Überschriften unterteilt und suchmaschinenoptimiert. Die Kölner Richter bejahten die Urheberrechtsfähigkeit des Textes und verboten die Übernahme.
Bei Bekanntwerden der Entscheidung wurde diese auf zahlreichen Webseiten als eine wichtige Entscheidung für den SEO-Bereich eingestuft. Nach näherer Betrachtung offenbart sich jedoch, dass der Gerichtsbeschluss nicht wirklich speziell mit Suchmaschinenoptimierung zu tun hat. Anders als z. B. im zuvor beschriebenen Fall des OLG Rostock ging es bei diesem Sachverhalt nicht um das Suchmaschinenranking.
Das Gericht nahm seine Wertung ausschließlich auf Basis der Schöpfungshöhe des betreffenden Textes vor. Es prüfte nicht, ob der Text speziell suchmaschinenoptimiert war oder nicht. Es ging allein um die Frage, ob der Text über das Alltägliche, das Normale hinausging. Im Kölner Fall bejahten die Richter dies.
Es ist kein Wunder, dass der Kläger sich das LG Köln auswählte, denn neben dem LG Hamburg ist der Kölner Gerichtsbezirk für seine Urheberrechtsfreundlichkeit bekannt. Ein Großteil der P2P-Klagen der Musikindustrie wird daher auch in der Domstadt verhandelt.
So hatte bereits in der Vergangenheit das LG Köln (Urt. v. 12.08.2009 - Az.: 28 O 396/09) die Tätigkeitsbeschreibung eines Discjockeys (DJ) als urheberrechtlich geschützt eingestuft. Kläger und Beklagter in diesem Verfahren waren konkurrierende DJs. Der Kläger betrieb eine Webseite, auf der er über seine bisherigen beruflichen Auftritte und seine sonstigen Qualifikationen informierte. Der Beklagte übernahm diesen Text ungefragt für seine Homepage. Obgleich die Inhalte sehr kurz waren, bejahten die Juristen die Anwendbarkeit des UrhG. Der dargestellte Stoff bewege sich abseits der üblichen Gestaltung. Insbesondere die Beschreibung in fantasievollen und bildhaften Worten rage deutlich über die normale Alltagssprache hinaus und sei daher urheberrechtlich geschützt.
Ähnlich urheberrechtsfreundlich entschied jüngst das LG Hamburg (Beschl. v. 30.06.2011 - Az.: 308 O 159/11). Dort ging es um technische Texte und Beschreibungen über den Bau und die Produktion von Stahlhallen. Ein unmittelbarer Mitbewerber hatte die Inhalte ungefragt auf seine Webseite übernommen.
Dass Gerichte nicht immer so freimütig mit dem Merkmal der Schöpfungshöhe umgehen, zeigen die Entscheidungen anderer Gerichte, so z. B. ein Urteil des LG Stuttgart (Urt. v. 04.11.2010 - Az.: 17 O 525/10). Beide Parteien vertrieben Produkte über das Internet. Die Beklagte übernahm umfangreiche Beschreibungstexte der Produkte von der Webseite der Klägerin. Trotz des Content-Diebstahls verneinten die Stuttgarter Robenträger einen Schutz. Den Produktbeschreibungen fehle es an der erforderlichen Kreativität. Es handle sich vielmehr um übliche Standardsätze, wie sie im Internet tausendfach zu finden seien.
c. Zwischenergebnis:
Ob ein suchmaschinenoptimierter Inhalt urheberrechtlichen Schutz genießt oder nicht, hängt somit nicht von der eingesetzten SEO-Technik ab, sondern maßgeblich von Art und Form des verwendeten Inhalts. Handelt es sich um 08/15-Content, dann wird kaum ein Gericht eine Schöpfungshöhe annehmen. In einem solchen Fall bleibt dem Geschädigten nur die Möglichkeit, die Aussagen des OLG Rostock zu bemühen und die Suchmaschinenpositionierung als entscheidenden Grund vor Gericht anzuführen. Ob andere Gerichte jedoch die Einschätzung des OLG Rostock teilen, erscheint mehr als fraglich.
Für den Webseiten-Betreiber bedeutet dies: Nicht nur aus Gründen des Duplicate-Content-Problems sollte er darauf achten, dass die Inhalte seines Portals qualitativ hochwertig und einzigartig sind. Nur dann ist ein urheberrechtlicher Schutz sicher gegeben. In allen anderen Fällen ist eine gerichtliche Auseinandersetzung stets eine Zitterpartie, da die richterliche Entscheidung kaum prognostizierbar ist.
3. Wettbewerbsrechtlicher Schutz:
Wie schon anfänglich erläutert, hat das Wettbewerbsrecht in diesen Fällen nur eine sehr begrenzte praktische Bedeutung. Die Rechtsprechung nimmt in solchen Konstellationen so gut wie keinen Wettbewerbsverstoß an.
Dahinter steckt folgender Gedanke: Da das speziellere Urheberrecht in voller Absicht keinen Schutz gewährt, soll diese Entscheidung nicht durch das viel allgemeinere Wettbewerbsrecht unterlaufen werden. Andernfalls bräuchte nämlich niemand mehr Spezialgesetze wie das UrhG, wenn die Absicherung bereits durch das Wettbewerbsrecht erfolgt.
Positive gerichtliche Entscheidungen sind somit an einer Hand abzuzählen. In aller Regel stützen sich die Gerichte dabei vor allem auf den irreführenden Umstand, dass der Surfer über die betriebliche Herkunft der Webseite getäuscht wird. Im Fall des LG Kölns (Urt. v. 20.06.2007 - Az.: 28 O 798/04), in dem eine Webseite in erheblichen Teilen von einem Wettbewerber übernommen wurde, bejahten die Richter einen solchen wettbewerbsrechtlichen Schutz, da der Beklagte sich insbesondere die Bekanntheit und Verbreitung des klägerischen Auftritts zunutze gemacht habe.
Ähnlich urteilte das LG Rottweil (Beschl. v. 02.01.2010 - Az.: 4 O 89/08). Hier hatte die Beklagte den Aufbau, die Farbgebung und Menüführung sowie spezifische grafische und textliche Elemente von der Website der Klägerin nahezu unverändert übernommen und für ihren eigenen Internetauftritt verwendet. Auch hier stützten sich die Richter maßgeblich auf den Umstand, dass die Bekanntheit der klägerischen Webseite ausgenutzt werde.
Bedeutet im Klartext: Werden lediglich einzelne Inhalte einer Webseite übernommen, so greift das Wettbewerbsrecht nicht, denn dann liegt keine Täuschung über die betriebliche Herkunft vor.