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Editorial

Finger weg? Sorry, dass dem passiert is!

Stellen Sie sich vor, Sie wachen im Krankenhaus auf und stellen fest, dass Ihr Zeigefinger weg ist. Auf Ihre Nachfrage hin erklärt Ihnen die Schwester, dass der Herr Doktor keine Zeit hatte und die Operation von einem letzte Woche angelernten Kfz-Mechaniker durchgeführt wurde, der seine eigentliche Ausbildung dafür abgebrochen hat. Das Kernproblem für Sie ist allerdings, dass Finger und Hand kerngesund waren und Sie wegen der Entfernung eines Gallensteins dort waren. Ihr „Operateur“ entschuldigt sich bei Ihnen mit den Worten: „Sorry, dass dem passiert is. Aber da waren echt so viele Leute voll total gleichzeitig da und wegen Ihres echt häufigen Namens ‚Meier‘ is hier die Verwechslung passiert. Echt sorry!“ Als Wiedergutmachung bietet man Ihnen an, den Finger wieder anzukleben – er würde aber motorisch leicht dysfunktional bleiben. Aber man sähe praktisch fast rein gar nichts – optisch. Schließlich stimmen Sie zu. Was soll man denn auch anderes machen? Der Gallenstein bleibt erst mal drin. Von Krankenhäusern haben Sie die Nase voll und die Krankenkasse zahlt am Ende auch nicht, sodass Sie die Kosten vollumfänglich selbst übernehmen müssen. Hätten Sie die ganze Misere vermeiden können, wenn Sie sich vorher Ihren „Operateur“ genauer angesehen hätten? Hmmm …

Ist die Geschichte makaber? Ja, sicher. Ist sie weltfremd? Ja, sicher. Nicht real? Jein. Tauscht man das Gesundheitsumfeld gegen die Online-Branche und schaut dort insbesondere auf SEO-Dienstleistungen, erscheint die erfundene Geschichte gar nicht mehr so unrealistisch. Das Echo auf unseren Titelbeitrag der letzten Ausgabe über SEO-Betrug war gewaltig und wir haben jede einzelne Mail aufmerksam gelesen. Was sich einige SEO-Agenturen da leisten, klingt zumindest nach der Beschreibung der Auftraggeber erschreckend. Viele Leser haben bei ihren Berichten auch gleich einen Teil des Mailverkehrs mit angehängt, damit wir uns ein Bild machen können. Dieses Bild zeigt aber auch, dass man oft viel zu sorglos wegschaut. Während andere Lieferanten Angebotsverfahren durchlaufen müssen und bei ihnen auf Seriosität geachtet wird, verschließt man bei SEO-Agenturen die Augen. In einem Fall wurde für einen 23-jährigen SEO-„Senior“-Berater ein Tagessatz von 2.200.- € verlangt – und bezahlt. Vorausrechnungen wurden gefordert – und bezahlt. Mailtexte mit teils mehreren Rechtschreibfehlern pro Satz wurden ohne Misstrauen hingenommen. Fünfstellige Summen wurden ohne spürbare Gegenleistung in Rechnung gestellt – und bezahlt. Wenn die Fässer jeweils übergelaufen waren, sah man sich einfach nach anderen „Agenturen“ um. Betrug? Minderleistung? Juristisches Nachspiel? Nein, das brächte doch nichts, das ist eben Lehrgeld. Von diesen freundlichen Lehrgeldzuwendungen lebt aktuell ein Teil der Branche. Sonst knallhart, sind Unternehmen bei SEO offenbar mit Lenor weichgespült. Warum eigentlich? Ich freue mich auf Ihre Mail!