Nudge oder Sludge?

Von moralischer Kundenbeeinflussung und unrentabler Manipulation

Sarah Weitnauer
Sarah Weitnauer

Die Psychologin Sarah Weitnauer befasst sich seit über zehn Jahren mit Psychologie und Online-Marketing, war SEO-Managerin in einer Agentur und führt seit diesem Jahr ihre Agentur PSYKETING. Hier berät sie Kunden zu Synergieeffekten von Marketing und Psychologie unter Berücksichtigung von SEO.

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In früheren Beiträgen dieser Serie hast du eine ganze Menge psychologischer Taktiken kennengelernt, mit denen sich die Wahrnehmung und das Kaufverhalten im Online-Business clever steuern lassen. Es sind machtvolle Tools der Kundenbeeinflussung, bei denen man schon ins Grübeln kommen kann, ob sie ethisch-moralisch in Ordnung sind oder womöglich doch eine verwerfliche Form der Manipulation darstellen.

Zäumen wir das Pferd von hinten auf

Marketing gibt es schon sehr lange. Meinältestes Buch über Marketing  stammt von 1822 und handelt davon, wie man klapprige Pferde als Rennpferde pimpen kann. Nicht ohne Grund spricht man von „Rosstäuscherei“. Doch habendiese Pferdehändler eigentlich nicht nur Marketing betrieben und die Kaufentscheidung der Kunden behutsam gelenkt, sondern sie haben die Pferde manipuliert und die Käufer handfest betrogen. Das ist natürlich nicht die feine Art.

Was wir beim Online-Marketing machen, ist anders – eher vergleichbar mit einem ersten Date: Dabei präsentiert man in der Regel seine Schokoladenseite, was normales, absolut menschliches Selbstmarketing ist. Kein Mensch geht zu einem Date und zeigt sofort seine dunkelste Seite oder offenbart alle Schwächen. Okay, manche tun es und schießen sich damit selbst ins Aus. Aber die sind die Ausnahme. Grundsätzlich finden wir es gesellschaftlich völlig legitim, diejenigen Aspekte in den Vordergrund zu rücken, die eine Person oder ein Objekt positiv erscheinen lassen. Solch eine Strategie hat nichts zu tun mit Manipulation.

Von Redlichkeit profitieren alle

Gegen Manipulation gibt es Gesetze: Um Menschen vor Manipulation zu schützen, muss Werbung in Deutschland als  solche leicht erkennbar sein – so regelt es der Rundfunkstaatsvertrag. Dies soll verhindern, dass jemand auf einer Website manipuliert wird, etwas zu kaufen, das er eigentlich gar nicht will. Sinnvoll auch für Shopbetreiber, denn unter dem Einfluss einer Manipulation bestellte Produkte werden wahrscheinlich entweder direkt wieder storniert oder später zurückgesendet, weil das bestellende Hirn verärgert registriert hat, wie es übertölpelt wurde. Solche aus Manipulation entstandenen Bestellungen verursachen bei Verkäufern Kosten, Handling-Aufwand und verprellen Kunden.

Fazit

Handfest zu manipulieren (= Sludge), ist unrentabel, doch „clevere Schubser“ (= Nudges) zum Kauf sind moralisch okay und rechnen sich. Schließlich unterstreichen sie das Positive, verführen das Hirn und stimulieren so ein Shoppingerlebnis, das am Ende alle glücklich macht.

1: „Nudges“ in die Richtung eines „ich kaufe das“ sind okay.
2: Manipulationen führen zu nichts, da die Retourenquote steigen wird.
3: Stell dir vor, du bewirbst dein Produkt so, wie du dich beim ersten Date darstellen würdest, wenn du eine echte Beziehung eingehen willst.