Zum 17. Februar 2024 ist still und leise eine neue Regelung in Kraft getreten, die für zahlreiche Website-Betreiber erhebliche Umwälzungen bedeutet: der Digital Service Act (DSA). In der öffentlichen Wahrnehmung spielt dieses neue Gesetz bislang kaum eine Rolle. Der heutige Aufsatz will ein wenig Aufklärungsarbeit leisten. Sie werden beim Lesen schnell merken, dass es sich beim DSA um ein absolutes Mammutwerk handelt. Daher finden Sie am Ende des Artikels auch einen kurzen Quick-Check.
Neue Pflichten für Online-Betreiber
Der Digital Service Act (DSA)
DSA, DMA, DGA, DA und AI Act. Kennen Sie schon oder sind Sie jetzt verwirrt?
Es gibt weitreichende Änderungen des rechtlichen Rahmens von Seiten der EU, die viele Verantwortliche so bisher sicherlich noch gar nicht auf dem Schirm haben. Einige Unternehmen kämpfen dem Vernehmen nach noch immer mit der DSGVO. Nun stehen bereits die nächsten, teils einschneidenden Änderungen vor der Tür. Wir haben daher in dieser Ausgabe gleich zwei erklärende Beiträge über die Auswirkungen der neuen Regeln von den bekanntesten und renommiertesten Rechtsanwälten für Onlinerecht für Sie. Das Thema ist wichtig - man sollte es in jeden Fall ernst nehmen!
1. Der Digital Service Act
Der Digital Service Act (DSA) hat zum Ziel, die Verbreitung illegaler Inhalte auf digitalen Plattformen umfassend zu kontrollieren und einzuschränken. Er richtet sich an eine Vielzahl von Unternehmen im Online-Bereich, insbesondere Suchmaschinen, (große) Plattform-Anbieter oder Webhosting-Unternehmen.
Der Digital Service Act (DSA) hat zum Ziel, die Verbreitung illegaler Inhalte auf digitalen Plattformen umfassend zu kontrollieren und einzuschränken. Er richtet sich an eine Vielzahl von Unternehmen im Online-Bereich, an Suchmaschinen, (große) Plattformanbieter, Forenbetreiber, Webhosting-Unternehmen und Online-Shops.
Die neuen Pflichten gelten seit dem 17. Februar 2024.
Die Bedeutung des DSA kann kaum überschätzt werden, da er zahlreiche neue Pflichten für sehr viele Online-Unternehmen schafft.
Der DSA gilt, sobald ein Unternehmen Online-Dienste in der Europäischen Union anbietet. Dabei ist es egal, wo der Anbieter seinen Sitz hat. Das heißt, der DSA gilt insbesondere auch gegenüber US-Unternehmen, sobald diese in Europa ihre Leistungen anbieten.
2. Fremde Inhalte
a. Grundsatz
Wie erläutert, will der DSA die Verbreitung illegaler Online-Inhalte einschränken.
Voraussetzung ist somit, dass der jeweilige Plattformbetreiber in irgendeiner Weise fremde Inhalte
zum Abruf bereithält, also zum Beispiel
a) Webhosting-Unternehmen, da sie die Inhalte ihrer Kunden zum Abruf bereithalten,
b) Forenbetreiber, da sie die Inhalte ihrer User bereithalten,
c) Suchmaschinen oder
d) Online-Plattformen (zum Beispiel YouTube oder TikTok).
Das gemeinsame Merkmal ist somit, dass die bereitgestellten Informationen fremd sind. Für eigene Inhalte haftet nämlich der Anbieter ohnehin schon nach den bisherigen Gesetzen.
b. Abgrenzung
Auf den ersten Blick erscheint die Abgrenzung klar und einfach.
In der Praxis stellen sich jedoch schnell ein paar Probleme. Was ist mit Kommentaren oder Bewertungen, die ich zum Beispiel auf meinen Online-Shop packe? Und wie verhält es sich mit User Generated Content? Reicht das schon aus, um unter den DSA zu fallen? Und wenn nicht, ab welcher Schwelle greift denn der DSA?
Der DSA gilt dann nicht, wenn die fremden Informationen nur eine „unbedeutende und reine Nebenfunktion“ haben (Art. 3 i) DSA).
In der Gesetzesbegründung heißt es dazu:
„Um übermäßig weit gefasste Verpflichtungen zu vermeiden, sollten Hostingdiensteanbieter jedoch nicht als Online-Plattformen betrachtet werden, sofern es sich bei dieser Tätigkeit nur um eine unbedeutende und untrennbar mit einem anderen Dienst verbundene reine Nebenfunktion oder um eine unbedeutende Funktion des Hauptdienstes handelt, wobei die Nebenfunktion oder Funktion aus objektiven und technischen Gründen nicht ohne diesen anderen Hauptdienst genutzt werden kann, und sofern die Integration der Nebenfunktion oder der Funktion in den anderen Dienst nicht dazu dient, die Anwendbarkeit der Vorschriften dieser Verordnung für Online-Plattformen zu umgehen.“
Als konkretes Beispiel wird dann angeführt:
„Ein Kommentarbereich einer Online-Zeitung etwa könnte eine solche Funktion darstellen, die eindeutig eine Nebenfunktion des Hauptdienstes ist, nämlich der Veröffentlichung von Nachrichten unter der redaktionellen Verantwortung des Verlegers. Dagegen sollte die Speicherung von Kommentaren in einem sozialen Netzwerk als Online-Plattformdienst betrachtet werden […].“
Bedeutet: Einzelne Kommentare oder einzelner User Generated Content führen noch nicht zur Anwendung des DSA.
3. Allgemeine DSA-Pflichten für alle Anbieter
Der DSA stellt in den Art. 11 bis 15 die allgemeinen Pflichten für alle Vermittlungsdienste auf. Das sind:
- Einrichtung einer zentralen Kontaktstelle sowohl für Behörden als auch für Nutzer (Art. 11, 12 DSA)
- Transparente Erläuterungen in den AGB hinsichtlich der Moderation der Inhalte (Art. 14 DSA)
- Jährliche Veröffentlichung von Transparenzberichten über die Moderation der Inhalte (Art. 15 DSA)
a. Kontaktstelle
Jeder Anbieter muss eine zentrale Kontaktstelle benennen, unter der er auf elektronischem Weg erreichbar ist. Und zwar sowohl gegenüber Behörden (Art. 11 DSA) als auch gegenüber Kunden (Art. 12 DSA). Diese Information muss auf der Website leicht zugänglich und zudem stets aktuell sein.
Es ist erlaubt, für beide Anfragen die identische Kontaktstelle zu benennen. Der Anbieter muss hier auch keine neue Kontaktadresse einführen, sondern es genügt, beispielsweise auf die allgemeine Supportadresse zu verweisen.
Es empfiehlt sich angesichts der Ähnlichkeit zu den Impressumspflichten eine Platzierung auf der jeweiligen Impressumsseite.
Bei der Benennung gegenüber Behörden muss noch angegeben werden, in welchen Sprachen eine Kommunikation möglich ist (Art. 11 Abs. 3 DSA). Bei der Benennung gegenüber Kunden ist darauf zu achten, dass es sich nicht ausschließlich um ein rein automatisiertes Verfahren handeln darf, das heißt, aufseiten des Webhosts muss eine menschliche Person beteiligt sein.
b. Moderation der Inhalte
Der Anbieter muss in seinen AGB oder Nutzungsbedingungen Angaben machen, wie er mit rechtswidrigen Inhalten umgeht und wie ein solches Verfahren in groben Zügen aussieht.
Es empfiehlt sich, die AGB um einen neuen Paragrafen zu erweitern und dort die entsprechenden Informationen zu erläutern.
Der Webhoster muss in seinen AGB Angaben machen, wie er mit rechtswidrigen Inhalten umgeht und wie ein solches Verfahren in groben Zügen aussieht.
c. Transparenzbericht
Jeder Anbieter muss einmal im Jahr einen Bericht über die von ihm getroffenen Maßnahmen hinsichtlich der Moderation der Inhalte erstellen und online stellen.
Der Bericht muss einen bestimmten Mindestinhalt haben, der sich aus Art. 15 Abs. 1 a) bis d) DSA ergibt.
Wichtig: Diese Berichtspflicht gilt nicht für Unternehmen, die nachfolgende Kriterien nicht überschreiten: Zahl der Beschäftigten bis 49 Mitarbeiter und Umsatz/Jahr bis zehn Millionen Euro oder Bilanzsumme/Jahr bis zehn Millionen Euro.
4. Besondere DSA-Pflichten für bestimmte Anbieter
Neben den unter Punkt 3. erörterten allgemeinen Pflichten gibt der DSA auch für bestimmte Anbieter weitere, zusätzliche Pflichten auf. Diese werden im Folgenden kurz skizziert.
a. Hosting-Anbieter und Online-Plattformen
Die Art. 15 bis 18 DSA stellen speziell für Hosting-Anbieter und Online-Plattformen neben den allgemeinen noch ganz besondere Pflichten auf:
- Einrichtung eines Melde- und Abhilfeverfahrens für rechtswidrige Inhalte (Art. 16 DSA)
- Begründung für Beschränkungen (Art. 17 DSA)
- Meldepflichten für Webhosting-Unternehmen bei besonderen Straftaten (Art. 18 DSA)
b. Größere Online-Plattformen
Für größere Online-Plattformen gelten wiederum weitere Pflichten. Eine Plattform ist dann groß, wenn die Zahl der Beschäftigten mehr als 49 Mitarbeiter und der Umsatz/Jahr mehr als zehn Millionen Euro beträgt oder die Bilanzsumme/Jahr über zehn Millionen Euro liegt.
Die Pflichten sind sehr umfangreich und detailliert:
- Internes Beschwerdemanagement (Art. 20 DSA)
- Außergerichtliche Streitbeilegung (Art. 21 DSA)
- Vertrauenswürdige Hinweisgeber (Art. 22 DSA)
- Schutz vor missbräuchlicher Verwendung (Art. 23 DSA)
- Transparenzpflichten (Art. 24 DSA)
- Gestaltung und Organisation der Online-Schnittstellen (Art. 25 DSA)
- Werbung auf Online-Plattform (Art. 26 DSA)
- Transparentes Empfehlungssystem (Art. 27 DSA)
- Online-Schutz von Minderjährigen (Art. 28 DSA)
Ermöglicht die Online-Plattform Online-Verträge im B2C-Bereich, gelten zusätzlich:
- Nachverfolgbarkeit der verkaufenden Unternehmen (Art. 30 DSA)
- Konformität durch Technikgestaltung (Art. 31 DSA)
- Recht auf Information (Art. 32 DSA)
c. Sehr große Plattformen und sehr große Suchmaschinen
Und – wer hätte es gedacht – für sehr große Plattformen und Suchmaschinen sind in den Art. 33 bis 43 DSA weitere Pflichten geregelt.
Sehr groß ist ein Dienst dann, wenn er mindestens 45 Millionen aktive Nutzer hat und als solcher benannt wurde. Auf die weitere Darstellung dieser Pflichten wird hier verzichtet.
5. Haftung
In den Artikeln 4 bis 6 DSA ist nunmehr auch geregelt, ob und unter welchen Umständen ein Betreiber für fremde Inhalte haftet. Der DSA differenziert dabei nach Art der Tätigkeit.
a. Reine Durchleitung
Gemeint sind hier insbesondere Access-Provider. Diese haften nach Art. 4 DSA grundsätzlich nicht für fremde Inhalte. Dabei handelt es sich um eine ähnliche Regelung wie im (bisherigen) § 8 TMG.
b. Caching
Anbieter, die Inhalte kurzfristig zwischenspeichern, haften ebenfalls nicht für fremde Inhalte (Art. 5 DSA). Entspricht der bisherigen Regelung in § 9 TMG.
c. Hosting
Anbieter, die fremde Inhalte dauerhaft speichern, haften grundsätzlich erst ab Kenntnis für fremde Inhalte (Art. 6 DSA). Bekannt aus der bisherigen Regelung des § 10 TMG.
6. Sanktionen bei Nichteinhaltung
Bei einem Verstoß gegen den DSA können Bußgelder bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Betreibers verhängt werden (Art. 52 Abs. 3 DSA). Der Betrag ist auf 5 % des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes oder der durchschnittlichen weltweiten Tageseinnahmen im vorangegangenen Geschäftsjahr gedeckelt (Art. 52 Abs. 4 DSA).
Bei unterlassenen Meldepflichten (zum Beispiel Nichtmeldung schwerer Straftaten) besteht zudem das Risiko, im Einzelfall möglicherweise eine Straftat durch Unterlassen zu begehen.
Ob Verstöße gegen den DSA auch Wettbewerbsverletzungen sind und somit auch von Mitbewerbern abgemahnt werden können, wird die Zeit zeigen, wenn die ersten Gerichtsurteile hierzu vorliegen.
Ebenso unklar ist, ob ein einzelner Kunde möglicherweise Schadensersatzansprüche hat, wenn das einzelne Unternehmen nicht bestimmte Pflichten erfüllt.
Quick-Check:
Frage: Bieten Sie nur eigene Inhalte oder nur unwesentliche fremde Inhalte online an?
Der DSA gilt für Sie nicht.
Frage: Bieten Sie fremde Inhalte nicht nur unwesentlich an?
Es gelten für Sie folgende Pflichten:
- Nennung einer Kontaktstelle (Art. 11, 12 DSA)
- Erläuterung der Moderation der Inhalte (Art. 14 DSA)
- Transparenzbericht (Art. 15 DSA) (nicht bei kleinen Unternehmen)
Frage: Sind Sie Webhost, Online-Plattform oder Suchmaschine?
Wenn ja, dann gelten für Sie zahlreiche weitere Pflichten neben den unter der zweiten Frage genannten Pflichten.
7. Ausblick
Mit dem DSA ist ein echtes Mammutwerk entstanden, das die Gerichte auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte beschäftigen wird.
Es wird in der Praxis vor allem interessant sein, zu sehen, inwieweit sich die weltweit führenden US-Unternehmen den Beschränkungen des DSA am Ende tatsächlich unterwerfen werden bzw. welche Schlupflöcher diese finden werden, um den Restriktionen zu entgehen.