Affiliate-Marketing könnte 2023 zu den Gewinnern der Krise werden

Markus Kellermann
Markus Kellermann

Markus Kellermann ist Experte im Affiliate-Marketing und bereits seit 1999 im Online-Marketing tätig. Als Gesellschafter und Geschäftsführer leitet er die Digital-Marketing-Agentur xpose360 GmbH mit Sitz in Augsburg. Als Autor hat Markus Kellermann bereits eine Vielzahl von Artikeln in Fachmagazinen publiziert. Zudem organisiert er mit der Affiliate NetworkxX, der Affiliate TactixX und der Affiliate Conference drei der bedeutendsten Affiliate-Veranstaltungen Deutschlands und betreibt neben dem Affiliate-Portal AffiliateBLOG.de auch den Podcast Affiliate MusixX.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Affiliate-Marketing könnte 2023 mit seinem Performancemodell zu den Gewinnern der Krise werden. Das ergab der neue Affiliate-Trend-Report 2023 der Agentur xpose360 in Zusammenarbeit mit AffiliateBLOG.de. Doch welche Chancen, Risiken und Herausforderungen beschäftigen die Branche, vor allem mit den aktuellen wirtschaftlichen Problemen? Das beleuchtet der Affiliate-Experte Markus Kellermann in seinem Artikel.

Nach den Pandemiejahren 2020 und 2021 hatten viele gehofft, dass 2022 wieder ein ruhigeres und normaleres E-Commerce-Jahr wird und die weltweiten Krisen weniger werden. Doch dann kam im Februar 2022 mit dem Krieg in der Ukraine auf einmal alles anders. Die Folgen des Krieges, die gestiegenen Rohstoffpreise und Transportkosten, gestörte Lieferketten und die hohe Inflation sorgten für große Unsicherheit bei den Endkund:innen und Werbungtreibenden.

Auch das Konsumverhalten ging angesichts der steigenden Preise immer weiter zurück. Laut GfK war das Konsumklima in der Bundesrepublik noch nie so schlecht. Der prognostizierte GfK-Index rutschte im Oktober sogar auf einen historischen Minusstand von 42,8 Punkten. Gleichzeitig hat erstmals seit der Nachkriegszeit die Inflation in Deutschland wieder die Marke von 10 % erreicht und die Wirtschaft schlittert in eine Rezession.

Daher kürzen Unternehmen die Ausgaben vor allem dort, wo es am schnellsten geht, und das sind oftmals die Marketing- und Werbekosten. So hat das Marktforschungsunternehmen Nielsen für September ein deutliches Minus von 10,7 % bei den Bruttowerbeausgaben gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen. Vor allem die Werbegattungen Werbesendungen mit einem Minus von 24,2 %, Kinowerbung mit 46 % und TV-Werbung mit 10,5 % gehören dabei zu den größten Verlierern.

Ein großer Vorteil der Affiliate-Branche ist daher, dass Krisen der Vergangenheit gezeigt haben, dass Advertiser ihre Marketingstrategie in schwierigen Zeiten verstärkt auf Performance-Marketing-Kanäle gelegt haben, da sie dort messbare Ergebnisse erhalten, mit denen sie den Erfolg ihrer Werbemaßnahmen direkt nachvollziehen können. Zudem kann der Umsatz bei gleichzeitig kontrollierten Kosten abgesichert werden, während oftmals klassische Mediabudgets gekürzt werden.

„Ein großer Vorteil der Affiliate-Branche ist, dass Advertiser ihre Marketingstrategie in schwierigen Zeiten verstärkt auf Performance-Marketing-Kanäle legen.“

Der „German Digital Advertising Latecast 2022“ (Omnicom Media Group) ergab, dass trotz der aktuellen Inflation vor allem das Affiliate-Marketing auch 2022 um 14,81 % auf ein Werbevolumen von 1,55 Milliarden Euro gewachsen ist. 2021 lag dieses noch bei 1,35 Milliarden Euro. Demnach machte das Affiliate-Marketing 2022 rund 10,5 % vom Gesamtwerbemarkt aus. Auch die Prognosen für die Affiliate-Umsätze liegen für 2022 bei rund 18,02 Milliarden Euro.

Positive Umsatzentwicklung im Jahr 2022

Die Branchenteilnehmenden sehen laut dem neuen Affiliate-Trend-Report 2023 die Entwicklung im vergangenen Jahr als äußerst positiv, auch wenn die Wachstumsraten geringer waren als in den Jahren zuvor. So konnten 57 % der Advertiser, 49 % der Agenturen und Netzwerke/Technologien (ANT) und 33 % der Affiliates 2022 steigende Umsätze verzeichnen, vor allem auch getrieben durch das veränderte Kaufverhalten während der Coronapandemie. So hatte für 84 % der ANT, 55 % der Advertiser und 60 % der Affiliates die Pandemie positive Auswirkungen auf die Umsätze.

Weiteres Wachstum der Affiliate-Branche mit gedämpfter Erwartungshaltung

Dass die Affiliate-Branche von der Krise profitiert, zeigte sich vor allem auch beispielhaft am Black Friday. Während die Umsätze im stationären Handel laut dem Handelsverband Deutschland eher durchwachsen waren, profitierte die Affiliate-Branche enorm von steigenden Umsätzen durch die Inflation. So konnten die Umsätze im Affiliate-Netzwerk Tradedoubler am Black Friday samt Black Weekend und Cyber Monday im DACH-Raum um ganze 30 % gesteigert werden. Auch die Masse an Kund:innen, die an die Advertiser weitergeleitet wurden, lag um mehr als 50 % höher als im Jahr 2021.

Ebenso sind die weiteren Umsatzprognosen der Branchenteilnehmenden nach Einschätzung des Trend-Reports positiv. 50 % der Affiliates, 59 % der Advertiser und 47 % der ANT rechnen für 2023 mit steigenden Umsätzen. Auch wenn diese Prognosen verhaltener sind als noch in den letzten Jahren, zeigen sie doch, dass die Grundstimmung in der Affiliate-Branche nach wie vor zuversichtlich ist.

Cookieless Future und Leistungsmessung als Top-Themen für 2023

Während die Themen Cookie-Constent, E-Privacy-Verordnung sowie TTDSG in den letzten Jahren noch als die Top-Themen bei den Trends genannt wurden, zählen sie mittlerweile als State of the Art und werden daher nur noch von wenigen Advertisern und Affiliates als Trendthemen gesehen.

Gleichzeitig sind für 62 % der Affiliates nach wie vor die Browsersanktionen gegen Tracking-Technologien sowie Datenschutzregulierungen mit 43 % und das Blocken von Tracking-Cookies mit 41 % die drei Top-Probleme für 2023. Deswegen wünschen sich auch 62 % der Affiliates ein sicheres First-Party-Tracking von den Advertisern.

„62 % der Affiliates wünschen sich ein sicheres First-Party-Tracking.“

Die gute Nachricht ist allerdings, dass immer mehr Advertiser aktiv werden und auf die aktuellen Angebote der Affiliate-Technologien zur Leistungsmessung umstellen. So haben mittlerweile bereits 45 % ein First-Party-Tracking und Server-to-Server-Tracking im Einsatz. Weitere 7 % setzen ein First-Party-Tracking über Containertags ein und 3 % ein Real-First-Party-Tracking auf Subdomain-Basis.

Und auch für die Post-Cookie-Ära ist die Affiliate-Branche gut aufgestellt und bietet sämtliche zukunftsorientierte Alternativen zur Leistungsmessung an. Für 74 % der Advertiser ist dabei vor allem. das Server-to-Server-Tracking sowie für 41 % das First-Party-Tracking das Modell der Zukunft, um damit die Sales-Attribution weiterhin zuverlässig abbilden zu können.

Fehlendes Mobile-Tracking ist weiterhin eines der größten Probleme

Hinsichtlich der zunehmenden Bedeutung von Mobile-Traffic wird auch das Thema Mobile-Tracking weiterhin relevant bleiben. Im Affiliate-Netzwerk Awin hat die Implementierung von App-Tracking seit 2020 um 578 % zugenommen.

2021 wurden bereits 73 % aller E-Commerce-Sales über ein mobiles Endgerät abgeschlossen. Seit 2016 hat sich der Umsatz des mobilen Handels sogar mehr als verdreifacht, und auch die Nutzung von Smartphones wird in diesem Jahr voraussichtlich um 13 % zunehmen.

Auch der Black Friday 2022 hat dies noch einmal bestätigt, denn das beliebteste Endgerät zum Online-Shopping war ganz deutlich das Smartphone, worüber 52 % der Sales im Awin-Netzwerk verzeichnet wurden. Interessant ist, dass der höchste AOV mit 139 Euro jedoch über das Tablet generiert wurde – dieser ist um 36 % im Jahresvergleich gestiegen.

Dennoch sehen nach wie vor 27 % der Affiliates ein fehlendes Mobile-Tracking und 25 % ein fehlendes Cross-Device-Tracking mit als die größten Probleme für 2023, und auch 38 % der Affiliates wünschen sich für 2023 ein Cross-Device-Tracking für die Device-übergreifende Zuordnung von Umsätzen von ihren Advertisern.

Daher sollte heutzutage das Messen mobiler Sales fester Bestandteil eines jeden Affiliate-Programms sein, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Laut Awin verzeichnen Advertiser im Durchschnitt nur zwei Monate nach der Implementierung des Mobile-Trackings erhebliche Steigerungen verschiedener KPIs und einen Anstieg der Sales sowie der Umsätze. Auch die durchschnittlichen Warenkorbwerte steigen im Vergleich zur vorherigen Periode um 15 % bei Advertisern nach der Implementierung von App-Tracking an.

„Das Messen mobiler Sales sollte fester Bestandteil eines Affiliate-Programms sein.“

Trend zu neuen Provisionsarten

Die Tatsache, dass aufgrund der Browsersanktionen und der Datenschutzregulierungen immer weniger Umsätze den Affiliates korrekt zugewiesen werden, falls die Advertiser noch kein zukunftsfähiges Tracking nutzen, führt dazu, dass sich auch die Provisionsarten ändern.

So zahlen mittlerweile 79 % der Advertiser ihren Affiliates zusätzliche Provisionen auf Basis von WKZ, um damit Premiumplatzierungen zu erhalten, die zu mehr Reichweite führen sollen. 48 % der Advertiser sagen zudem, dass der Anteil von WKZ-Zahlungen 2022 zugenommen hat. Allerdings erzielten 67 % der Advertiser durch Hybridprovisionen auch steigende Umsätze, sodass sich die Investitionen in neue Provisionsarten auch lohnen.

Gleichzeitig planen für 2023 allerdings auch 35 % der Advertiser, WKZ-Zahlungen aufgrund der Inflation/Rezession zu reduzieren, was zu Diskussionen mit den Publishern führen könnte, vor allem. weil auch 28 % der Affiliates Provisions- und WKZ-Reduzierungen mit zu den größten Problemen für 2023 zählen. Zudem gaben 56 % der Affiliates an, dass die Inflation/Rezession 2022 negative Auswirkungen auf ihre Affiliate-Umsätze hatte, und 44 % rechnen auch mit negativen Auswirkungen 2023 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022.

Content Commerce und Influencer gewinnen weiter an Relevanz

Gewonnen haben die Gunst der Advertiser dagegen Content Publisher mit 58 % und Influencer mit 39 %. Gerade in den Bereichen Content Commerce und Commerce Content etablieren sich immer mehr Affiliates im deutschsprachigen Raum. Für Advertiser ist die Zusammenarbeit vor allem deswegen interessant, weil Kund:innen über die Publisher während des gesamten Kaufprozesses mit relevanten Inhalten angesprochen werden können, von der ersten Ideenfindung bis zum Kaufabschluss. Auch immer mehr unabhängige Verlage und Websites entdecken Content Commerce als weiteres Standbein für sich und es entwickeln sich immer mehr eigenständige redaktionelle Angebote rund um Produktempfehlungen, Testberichte und Marktüberblicke. Ebenso gewinnen die entsprechenden kontextuellen Targeting-Lösungen von Content Commerce Publishern immer mehr an Beliebtheit, weil sie eine zielgruppenaffine Kund:innen-Ansprache auch ohne Third-Party-Cookies gewährleisten.

Influencer und Social-Media-Publisher werden bei Advertisern immer beliebter. Das Umsatzwachstum in diesem Publisher-Segment begann, als Instagram 2021 jedem Influencer den Link-Sticker freigeschaltet hat und es damit jedem Influencer möglich wurde, für Produkte Werbung zu machen und diese mit Affiliate-Links zu versehen. 2022 begann dann auch Twitch, die Möglichkeiten der Werbeeinnahmen seiner Streamer zu optimieren. So können mittlerweile auch Twitch-Streamer pro Stunde neben der Pflichtanzeige wesentlich mehr Werbeeinblendungen schalten. Und auch YouTube testet in seinen neuen Shortclips die Möglichkeit von Affiliate Marketing. Das Partnerprogramm befindet sich derzeit noch in der Anfangsphase und soll möglicherweise zukünftig den Creatorn zur Verfügung gestellt werden, um darüber bestimmte Produkte in den Shortvideos vorzustellen und zu erklären. Und auch das Social-Network TikTok bietet seit Februar 2022 die Möglichkeit, Gutscheincodes nun auch als Link in Anzeigen zu platzieren und diese somit über Gutscheinattribution in die Affiliate-Netzwerke zu übertragen. Zuvor waren Affiliate-Links bei TikTok nur auf die Bio-Links beschränkt. Es gibt also immer mehr Möglichkeiten für kreative Influencer, über Affiliate-Marketing Geld zu verdienen und ihren Content dadurch zu monetarisieren.

Künstliche Intelligenz und Machine Learning als neuer Affiliate-Trend 2023

Neu im Ranking der wichtigsten Affiliate-Trends für 2023 ist das Thema künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning. Für 46 % der Affiliates, 27 % der Advertiser und 23 % der ANT gehört KI mit zu dem Thema, mit dem man sich unbedingt beschäftigen sollte.

Getrieben durch den Hype um ChatGPT, der im November 2022 startete, könnte diese Entwicklung tatsächlich 2023 weiter Fahrt aufnehmen.

Doch die KI ist nicht nur für Affiliates interessant, auch Advertiser und Netzwerke können diese verwenden, um in Zeiten des Fachkräftemangels Ressourcen zu sparen und bestimmte Tätigkeiten automatisiert auszulagern. So gibt es bereits Cases und Strategien, die KI für Predictive Analytics zu nutzen, um damit Vorhersagen über zukünftige Trends und Kundenpräferenzen zu treffen. Technologien wie Partnerize nutzen diese schon länger, um darüber Budgetforecasts treffen zu können.

Aber auch Fraud-Protection ist mit der KI möglich. So lassen sich über Machine Learning beispielsweise betrügerische Aktivitäten besser erkennen und verhindern. Erste Anbieter wie zum Beispiel 24metrics nutzen bereits Realtime User Analytics auf Basis von KI, um damit das Userverhalten vorherzusagen und damit Betrug von Usern mit geringer Qualität zu identifizieren.

Und auch die Akquirierung neuer Affiliates lässt sich zum Teil über KI automatisieren, um damit neue Affiliates anhand ihrer Zielgruppe zu identifizieren und zu rekrutieren. Tools wie Publisher Discovery können Advertisern mithilfe der Cloudfind-Technologie Publisher-Vorschläge machen. Die KI kann dabei relevante Publisher-Inhalte identifizieren und auch die Relevanz der Webseiten bewerten. Die KI lernt dabei kontinuierlich weiter und verbessert sich auch bei der Empfehlung von neuen Partnern durch Feedback der Advertiser.

„Die Akquise neuer Affiliates lässt sich zum Teil über KI automatisieren.“

Bereits jetzt nutzen Technologie-Publisher Machine Learning und KI zur Bewerbung der Advertiser. So bieten zum Beispiel die Publisher Increasingly und Particular Audience die Möglichkeit von KI-gestützten Produkt-Bundling-Technologien an oder Bounce Commerce, die KI-basierte Produktempfehlungen ausspielen, um damit Kund:innen auf Basis von Produktempfehlungen und Personalisierungsmetriken zu unterstützen, indem sie ihnen genau jene Produkte anzeigen, die zu ihrem Userverhalten passen.

Fazit und Entwicklung der Affiliate-Branche im Jahr 2023

Generell wird 2023 für die deutsche Wirtschaft und auch die Affiliate-Branche aufgrund der geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen ein spannendes Jahr.

Die Affiliate-Branche könnte mit ihrem Performancemodell als Gewinner der Krise hervorgehen, auch weil die CPC-Kosten bei Meta und Google immer teurer werden und Advertiser planen, Budgets von anderen Marketingkanälen in das Affiliate-Marketing zu shiften oder sogar Budgets zu erhöhen.

„Die Affiliate-Branche könnte mit ihrem Performancemodell als Gewinner der Krise hervorgehen.“

Die Branchenteilnehmenden sind auf jeden Fall zuversichtlich und rechnen mit steigenden Umsätzen für 2023, auch wenn die Prognosen etwas verhaltener sind als noch in den letzten Jahren.

Die Weiterentwicklung der Attribution und der Leistungsmessung werden 2023 wichtige Herausforderungen für die Branche bleiben und Cookieless Future ist weiterhin das Top-Trendthema. Auch wenn mittlerweile immer mehr Advertiser aktiv geworden sind und auf zukunftsorientierte First-Party-Messungen und Server-to-Server-Tracking umgestellt haben, gibt es immer noch einige Advertiser, die auf veraltetes Third-Party-Tracking setzen. Daher bedarf es für die Branche weiterhin an Aufklärungsarbeit.

Diskussionspotenzial könnte 2023 in der Diskrepanz zwischen der Reduzierung von WKZ-Kosten und Provisionen der Advertiser aufgrund der Inflation und gleichzeitig höheren Provisionsvorstellungen der Affiliates entstehen. Auch durch immer mehr Fusionen und Unternehmensübernahmen entstehen weitere Mega-Publisher, die durch ihre Reichweite und Größe neue Verhandlungsmöglichkeiten aufbauen.

2023 könnte also für das Affiliate-Marketing mit Herausforderungen hinsichtlich der Inflation/Rezession verbunden sein, aber gleichzeitig die Chance haben, sich durch das prognostizierte Umsatzwachstum und die zahlreichen Weiterentwicklungen und die datensparsamen First-Party-Messmethoden weiter von anderen Marketingkanälen abzuheben und Marktanteile zu gewinnen.