Teil 1: Das Ausgangsproblem
Bei dem heutigen Artikel geht es nicht um die Frage, inwieweit ein Affiliate für einzelne Werbeaussagen oder Werbeformen seines Merchants mithaftet. Zu denken wäre hier z. B. an irreführende Werbeaussagen, an veraltete Preise oder an die unerlaubte Verwendung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Denn es ist inzwischen ständige Rechtsprechung, dass in all diesen Fällen der Affiliate mit auf Unterlassung für die Wettbewerbsverstöße oder Urheberechtsverletzungen haftet.
Heute soll es vielmehr darum gehen, was einem Affiliate blüht, wenn er ein Produkt bewirbt, das fehlerhaft oder betrügerisch ist. Kann er von den geschädigten Opfern möglicherweise persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden?
Zur Verdeutlichung zwei plakative Beispiel:
Beispiel 1:
Affiliate A bewirbt das Angebot des Krypto-Anbieters X. Er stellt ganz allgemein die Plattform des X vor, ohne ins Detail zu gehen oder die konkreten Konditionen zu nennen. Er setzt einen Affiliate-Link auf das Portal des X. Dort finden die User dann alle weitergehenden Infos.
Nachdem viele Menschen in erheblichem Umfang ihre Ersparnisse investiert haben, stellt sich heraus, dass X ein Betrüger ist und das Ganze nur ein ziemliches dreistes Schneeballsystem war. Da X untergetaucht ist, wenden sich die geschädigten Investoren an A und verlangen Schadensersatz, da er die betrügerischen Inhalte damals beworben hat. Zu Recht?
Beispiel 2:
Affiliate A bewirbt eine Crowdfunding-Plattform für Immobilien des Anbieters X. Er nennt ausführlich die Vorteile des Angebots („100 % sicher“, „20 % Rendite jährlich“), erhebt die Kundendaten auf seiner Website und reicht diese dann an X weiter.
In Wahrheit sind die Investments jedoch keineswegs sicher, sondern vielmehr handelsübliche Nachrangdarlehen mit erheblichem Ausfallrisiko. Die Crowdfunding-Plattform erwirtschaftet über all die Jahre nur eine Rendite von 2 % und geht dann schließlich pleite.
Die abgezockten Anleger wollen nun gegen A vorgehen. Mit Erfolg?
Teil 2: Die rechtlichen Konsequenzen
1. Gemeinsame Sache = volle Haftung
Macht der Affiliate gemeinsame Sache mit dem X, ist die Rechtslage eindeutig: Der Affiliate handelt mit Wissen und Wollen und somit vorsätzlich. Obgleich er es besser wusste, bewarb er die Angebote weiterhin und nahm zudem bewusst falsche Werbeaussagen vor, sodass er mit beiden Beinen voll in der Haftung steht. Die geschädigten Anleger können ihre Ansprüche gegen ihn geltend machen.
2. Was ist aber bei fehlender Kenntnis?
Was gilt aber, wenn der Affiliate nicht Bescheid wusste? Wenn er genauso gutgläubig war wie die geschädigten Investoren? Haftet er dann dennoch?
Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2013 zurückzugreifen, die wir auch bereits in der Vergangenheit in der „Website Boosting“ ausführlich besprochen haben.1
Noch einmal zur Erinnerung die wichtigsten Fakten des damaligen Falls: Tchibo bewarb auf seiner Website die Zahnzusatzversicherung eines Drittanbieters, ohne dass aus dem Angebot eindeutig hervorging, dass es sich um ein fremdes Produkt handelte. Auf der Website war zwar der Name des Drittanbieters genannt. Jedoch war nicht ohne jeden Zweifel ersichtlich, dass Vertragspartner der Dritte war: