OXD = OMX & SEOkomm

Herzblut in Salzburg

Mario Fischer
Mario Fischer

Mario Fischer ist Herausgeber und Chefredakteur der Website Boosting und seit der ersten Stunde des Webs von Optimierungsmöglichkeiten fasziniert. Er berät namhafte Unternehmen aller Größen und Branchen und lehrt im neu gegründeten Studiengang E-Commerce an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg.

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Die Online Expert Days (OXD) umfassen die beiden bekannten Fachkonferenzen OMX und SEOkomm und fanden diesmal ohne Coronaauflagen in vollem Teilnehmerumfang Mitte November im schönen Salzburg statt. Etwa 1.500 Besucherinnen und Besucher ließen sich zwei Tage lang nützliches Online-Marketing- und SEO-Wissen in jeweils drei Tracks um die Nase wehen. Über 60 Fachexpertinnen und -experten waren ebenfalls angereist und brachten das Neueste mit, was die Branche zu bieten hat.

Wenn man aus den Besucherstimmen zwei Worte herausfiltern würde, die überall und immer wieder fallen, sind dies die Worte „besonders“ und „Herzblut“. Die Online Expert Days sind in der Tat etwas Besonderes, und sie stechen wohltuend unter den vielen anderen Konferenzen hervor. Ob es das Lächeln an der Garderobe ist, die vielen eigens aufgestellten Pflanzen, das Wiener Schnitzel, das es stabil über die vielen Jahre zuverlässig zum Mittag gibt, oder die Stimmung zwischen Teilnehmern und den Referenten. Man weiß es nicht, aber man spürt es. Hier ist es irgendwie persönlicher, wärmer – und alles greift perfekt ineinander. Wenn dann noch die richtige Mischung an Fachthemen obendrauf gesetzt wird, macht das am Ende die Perfektion aus. Wir haben uns auch diesmal wieder an beiden Tagen für Sie umgesehen und subjektiv einige Perlen herausgefischt.

Die Begrüßung der Anwesenden durch den Konferenzveranstalter Oliver und seiner Frau Uschi Hauser war an beiden Tagen recht emotional. Die unsichere Lage zerrt bei den langen Vorlaufzeiten der Planung sichtbar an den Nerven. Letztlich konnte man wegen der rückläufigen Infektionszahlen auf verordnete Einschränkungen verzichten.

Die OMX wurde mit einer Keynote über das Metaverse von Collin Croome gestartet. Er zeigte mit Videounterstützung, was hier gerade abgeht und künftig abgehen könnte. Facebook investiert derzeit 15 Milliarden US-Dollar und will 10.000 Stellen zum Ausbau des Metaverse neu einrichten – gleichzeitig werden dort aber auch wegen der stark rückläufigen Werbeerlöse Stellen abgebaut. Momentan gibt es eine Kooperation mit Microsoft, die erst via MS Teams und dann wohl mit dem gesamten Office-Paket ins Metaverse einsteigen wollen. Wir dürfen gespannt sein. Bis dahin sind aber noch viele Fragen zu beantworten und Probleme wahrzunehmen, die derzeit im Hype etwas untergehen. Wird es mehrere „Metaverses“ geben? Wer wird die betreiben? Werden sie kompatibel sein? Was passiert mit digital gekauften oder dort erarbeiteten Assets, wenn ein Anbieter verschwindet? Wenn es „Updates“ bzw. neue Versionen gibt? Muss z. B. digitale Kleidung (der letzte Schrei!) ständig nachgekauft werden – nicht weil sie alt wird, sondern nicht mehr kompatibel oder updatefähig ist? Unbenommen bleibt natürlich, dass es sich bei der Virtualisierung von Menschen, Räumen und Gegenständen um eine echte und heftige Disruption handelt. Wer das Rennen macht, ist allerdings noch völlig offen.

Jakob Strehlow kennt sich von Berufs wegen gut mit TikTok Ads aus. Er wies darauf hin, dass bezahlte Werbung dort heute – weil neu – noch vergleichsweise günstig ist. Wer nun reflexartig abwehrt, diese Jugendplattform wäre nichts für gestandene Mittelständler, verpasst vielleicht eine sehr gute Gelegenheit mit dem Recruiting, an die richtigen Bewerber zu kommen. Bei Facebook darf man bekanntlich die Nutzergruppe unter 18 Jahren nicht mit Werbung ansprechen, bei TikTok geht das (noch). Wer also Azubis sucht – ab zu TikTok. Videos sollten zwischen 15 und 30 Sekunden lang sein, hat man bereits eine gute Fangemeinde, kann man das auch mal auf 60 Sekunden steigern, meinte Strehlow. Wie bei vielen anderen Ad-Plattformen sollte man beim Einstieg die Budgets bzw. die Gebote etwas höher ansetzen, um schnell die nötige Masse für Auswertungen zu bekommen. Danach kann man feinsteuern. Wichtig ist es auch hier, ein Gefühl für die Plattform zu bekommen. Eine Klickrate (CTR) ab 0,8 %, gab Strehlow als Tipp, wäre schon sehr gut, und die Conversionrates sollten etwas bei 1 bis 3 % liegen. Die Scrollrate sollte mindestens 30 % betragen. Hat man Erfolg, sollte man das Budget nicht schlagartig erhöhen, sonst bekommt der TikTok-Algorithmus ein Problem. Also sanft und stetig hochfahren.

Karl Kratz experimentierte mit einem neuen Format und führte die Teilnehmer nach einer kurzen Einführung und bereits viele Wochen vor der Konferenz gestarteten Dialogen (beschränkte Anzahl) an Tischen in Kleingruppen durch eine Art Speeddating für Problemstellungen. Ziel war es, zum Denken in Richtung Transformation anzuregen. Die Dialoge wurden jedenfalls leidenschaftlich und mit fachlichem Austausch und vielen Ideen geführt.

Ein Schraubenhersteller macht mit Influenzern YouTube-Werbung? Christopher Brecht von Würth zeigte, dass Würth bei Weitem nicht nur Schrauben, sondern sehr viel mehr bis hin zu elektronischen Bauteilen im Angebot hat. Solche Bauteile sind in der Regel IN Produkten verbaut und von außen nicht sichtbar. Eine Marke wie Würth auch dafür bekannt zu machen, ist nicht einfach. Mit dem Betreiber des YouTube-Kanals „Great Scott“ hat man einen Kooperationspartner gefunden, der in knapp zehn Jahren bereits über 1,7 Millionen Follower aufgebaut hat. Er zeigt, was man mit Elektronik alles selbst bauen kann und wie das funktioniert. An einem Film arbeitet er eine Woche, erst am letzten Tag wird gedreht. Es steckt also viel harte Arbeit dahinter, was man von außen oft so nicht vermutet. Würth ist mit den Ergebnissen sehr zufrieden, stellt messbar positive Auswirkungen auf die Website fest und ist derzeit auf der Suche nach weiteren Partnern. Laut Brecht performen die gesponserten Beiträge von Great Scott deutlich besser als alle eigenen Videos des Unternehmens. Es klappt also.

Die SEOkomm am nächsten Tag eröffnete Bastian Grimm. 2011 meinte Marc Andreessen, Gründer von Netscape: „Software ist eating the world.“ Sechs Jahre später ließ Jensen Huang, CEO von Nvidia, verlauten: „AI is eating the software.“ Grimm führte mit seiner Keynote „AI is eating the world (and Google)“ die illustre Zitatreihe fort. Er startete mit einem kleinen Test. Unter jedem Stuhl befand sich ein Umschlag mit einem doppelseitig bedruckten Test über jeweils eine Kurzbiografie von zwei Persönlichkeiten. Eine wurde von einem Menschen verfasst, eine von einer KI. Über einen QR-Code konnte man abstimmen, welcher Text, A oder B, einem besser gefällt. In Summe gab es vier unterschiedliche Karten, sodass es am Ende auch vier Ergebnisse gab. Alle Ergebnisse waren sehr knapp, bei drei Abstimmungen gab es einen minimalen Vorsprung für die Maschine. Fazit: Bei Kurzbiografien bekannter Persönlichkeiten ist eine KI in der Lage, so zu formulieren, dass es sich genauso gut liest, wie wenn ein Mensch so einen Text verfasst. Da allerdings nicht bekannt war, welche Ausbildung der menschliche Schreiber hatte, ob die Fakten tatsächlich richtig sind und ob der KI-Text ggf. feinjustiert wurde, war der Test zwar erstaunlich, aber letztlich noch kein hinlänglicher Beweis, dass Maschinen heute gleich gut texten wie Menschen. Das dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, die Fortschritte auf diesem Feld, so führte Grimm aus, sind enorm. Letztlich kommt es auch darauf an, was genau an dem sogenannten Promt, also im Eingabefeld einer KI, angegeben wird.

Grimm machte neben vielen interessanten und erklärenden Beispielen aber auch darauf aufmerksam, dass der Betrieb von Rechenzentren wie die von Google enorme Mengen an Energie und Wasser zur Kühlung benötigen. Werden Websites nun automatisiert über maschinell erzeugten Content (Text, Bild, Video, Ton) deutlich aufgepumpt, steigt der Aufwand für das Crawlen, Erfassen und Speichern enorm an. Mit anderen Worten: Wächst das WWW, dann müssen Google und alle anderen Suchsysteme mitwachsen. Behält man den Klimaschutz im Sinn, könnte diese Entwicklung in die falsche Richtung laufen. Mindestens müssen sich Google & Co. hier etwas einfallen lassen. Denn Zehntausende essenziell inhaltliche Webseiten zu einem Thema und das in alles Sprachen zu verarbeiten und intern zu speichern, wird wohl schlicht und einfach nicht mehr bezahlbar und/oder tolerierbar sein. Auch Grimm sah ein Problem in möglichen Copyrightverstößen, die Maschinen durch ungefragte Verwendung unterschiedlicher Datenpools (Korpus) begehen (könnten). Bei Github, einer Plattform, wo Entwickler in der Regel Programmiercode publizieren, gab es bereits die erste Sammelklage wegen Softwarepiraterie. Eine KI hat sich bei bestehenden Codebausteinen bedient und diese einfach verwendet. Ob Google und andere maschinell verfassten Text als solchen erkennen können, ist unklar bzw. wird schwieriger, je mehr die Modelle wachsen.    

Darius Erdt und Jan-Peter Ruhso widmeten sich dem Problem des Crawlings. Sie wiesen darauf hin, dass hier nicht nur der Blick in die Google Search Console Pflicht ist, sondern auch in die Logfiles des Webservers. Werden tatsächlich die richtigen und wichtigen Seiten besucht und haben den Weg in den Suchindex gefunden? Oder wird das meiner Domain zugestandene Crawlbudget mit Irrelevantem verstopft und belegt? Spätestens wer in der Search Console bei einem Großteil der Seiten „Gefunden – zurzeit nicht indexiert“ sieht, muss sich Gedanken machen, was hier schiefläuft. Auch die beiden wiesen darauf hin, dass aktiver Umweltschutz – Stichwort „E-Waste“ – betrieben werden kann, wenn man die stromintensiven Aktivitäten von Google nicht verwendet, sondern gezielt steuert. Hier kann auch die sogenannte Linkmaskierung mit PRG-Pattern helfen, irrelevante Links vor Suchmaschinen zu „verbergen“.  

Viele Sitebetreiber haben Probleme beim Überblick über die viele Webseiten, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben. Sabine Langmann zeigte, wie man diese so sinnvoll segmentieren kann, um mit den erzeugten Teilgruppen dann wieder sinnvolle Analysen und Auswertungen durchzuführen. Je nach Branche, Website-Typ oder Analysezweck können solche Aufteilungen z. B. nach folgenden Kriterien sinnvoll sein:

  • Themenressorts
  • Seitenfunktion
  • Technische Performance
  • Umsatz

Weitere Ideen wären margenstarke oder rabattierte Produkte, die Markenstärke, top verlinkte Inhalte, unnötige Inhalte und vieles mehr. Solche Segmentbildungen lassen sich mit diversen Tools relativ leicht bewerkstelligen. So kann man z.B. CSS-Selektoren verwenden, über XPath nach bestimmten Mustern suchen, nach URL-Bestandteilen wie bestimmten Pfaden oder bestimmten Zeichen wie „?=“ etc.  

Fazit

Sowohl die OMX als auch die SEOkomm waren auch und gerade dieses Jahr den Besuch wert. Die vielen sehr gut zusammengestellten Fachvorträge, das Networking und die vielen Gesprächsmöglichkeiten untereinander und letztlich auch die beiden After-Show-Partys machen Salzburg auch nächstes Jahr wieder zum klaren Ziel, wenn es um die Erweiterung von Online-Know-how geht. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer empfinden hier ein gewisses Communityfeeling. Das hebt die Online Expert Days (OXD) klar heraus. Tipp: Auf den Frühbucherrabatt achten!