Bereits Ende 2021 hatte der EuGH klargestellt, dass auch die Werbeform des Inbox Advertisings exakt so zu behandeln ist wie eine herkömmliche Werbe-E-Mail. Der BGH ist nun auch dieser Ansicht gefolgt und hat in einem aktuellen Urteil festgestellt, dass die bisherige Praxis rechtswidrig war. Welche praktischen Konsequenzen sich hieraus ergeben, zeigt der Beitrag des Online-Rechtsexperten Dr. Martin Bahr.
Inbox Advertising ist wie Werbe-Mail zu behandeln
Teil 1: Die Problemlage
Jeder kennt es, das sogenannte Inbox Advertising, das vor allem bei kostenlosen E-Mail-Diensten anzutreffen ist.
In dem Account des Nutzers werden Werbebuchungen in Pseudoform einer E-Mail eingeblendet, auch wenn der einzelne Account-Inhaber hierfür gar keine Einwilligung gegeben hat.
Lange Zeit wurde die Ansicht vertreten, dass es sich dabei um zulässiges Display Advertising handelt und es keiner Zustimmung bedarf.
Ende 2021 stellte der EuGH1 dann aber klar, dass er diese Handlung der klassischen Werbe-Mail gleichstellt und es einer Einwilligung bedarf.
Der BGH ist nun dieser Ansicht in seinem jüngsten Urteil2 gefolgt.
Welcher Sachverhalt lag dem Fall zugrunde?
Der Stromversorger Städtische Werke Lauf a. d. Pegnitz verklagte das Unternehmen Eprimo. Grund waren entsprechende als Inbox Advertising platzierte Anzeigen per E-Mail.
Die von Eprimo beauftragte Agentur hatte Werbebanner in Postfächern des kostenlosen E-Mail-Dienstes T-Online geschaltet. Zwar war die Werbung auch ausreichend als Werbung gekennzeichnet (u. a. mit dem Wort „Anzeige“), gleichwohl sah der bayerische Stromversorger das Gesetz als verletzt an. Und bekam nun endgültig vor dem BGH Recht.
Damit stehen nun zwei Dinge höchstrichterlich fest:
1. Inbox Advertising ist wie klassische Werbung per E-Mail einzustufen.
2. Damit diese Werbung einem Verbraucher übermittelt bzw. angezeigt werden darf, ist eine ausdrückliche Einwilligung notwendig.
Teil 2: Einwilligung
Für die Praxis bedeutet dies: Damit Inbox Advertising erlaubt ist, bedarf es einer wirksamen Einwilligung.
Wir erinnern uns: Bei der klassischen Werbe-Mail stellt die Rechtsprechung kaum erfüllbare rechtliche Voraussetzungen auf. So muss nicht nur der jeweilige Werbeversender einzeln genannt werden (sogenannte persönliche Reichweite), sondern es muss zudem erläutert werden, für welches Produkt und mittels welchem Kommunikationskanal geworben wird (sogenannte sachliche Reichweite). Die Gerichte erklärten im Laufe der letzten 15 Jahre faktisch 99 % aller am Markt existierenden Klauseln für unwirksam: So war der angegebene Bereich „Versicherungen“ zu pauschal. oder es scheiterte an …
Genau diese Anforderungen, mit denen das E-Mail-Marketing in den letzten 20 Jahren zu kämpfen hatte, gelten nun auch eins zu eins für das Inbox Advertising.
Ausdrücklich stellen die BGH-Richter in diesem Zusammenhang klar, dass eine pauschale Einwilligung somit nicht möglich ist. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Nutzer einen kostenlosen E-Mail-Dienst gewählt habe:
„Der Umstand, dass die Nutzer, die die unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante des (...) E-Mail-Dienstes gewählt haben, sich allgemein damit einverstanden erklärt haben, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen (...), erfüllt die Voraussetzungen einer Einwilligung nicht.
Es ist vielmehr maßgeblich, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-Mail-Dienstes (...) entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten, wie sie im Streitfall in Rede stehen, zu erhalten.
Insbesondere muss der Nutzer klar und präzise unter anderem darüber informiert worden sein, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden. Außerdem ist erforderlich, dass der Nutzer seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat (...).“
Unternehmen, die das Inbox Advertising also weiterhin betreiben wollen, müssen klar und präzise über die Reichweite der gegebenen Einwilligungserklärung informieren.
Sie stehen damit vor dem gleichen rechtlichen Scherbenhaufen wie die Betreiber klassischer E-Mail-Werbung.
Teil 3: Die praktischen Auswirkungen
Der Blick in die Praxis zeigt, dass die meisten Unternehmen, die bei ihren kostenlosen Diensten Inbox Advertising weiterhin einsetzen, auf die eine oder andere Weise reagiert haben: Entweder sie haben auf die Werbeform des Inbox Advertisings verzichtet und sind nunmehr auf den klassischen Werbe-Newsletter gewechselt. Das heißt, sie verlangen von jedem Kunden, der den Dienst in Anspruch nimmt, eine Zustimmung zur Aussendung ihres Newsletters.
Bei Web.de sieht das Ganze beispielsweise wie folgt aus:
Für diese Anbieter ist das Inbox Advertising im Ergebnis damit tot, denn sie greifen (nunmehr) auf den klassischen Werbe-Newsletter zurück. Ob diese Form der Ausgestaltung so rechtskonform ist, kann durchaus mit guten Argumenten bezweifelt werden. Denn es fehlt auch hier an einer informierten Einwilligungshandlung des Nutzers.
Andere Unternehmen sind nicht von ihrem Geschäftskonzept abgewichen, sondern haben, mehr schlecht als recht, versucht, nachträglich ein Opt-in einzuholen. In der Praxis sind aber alle diese Einwilligungserklärungen unwirksam, denn sie können, wie die klassische E-Mail-Werbung, eben nicht die hohen rechtlichen Anforderungen erfüllen.
1.) EuGH, Urt. v. 25.11.2021 – Az.: C-102/20.
2.) BGH, Urt. v. 13.01.2022 – Az.: I ZR 25/19.
Dass hier einzelne Anbieter – durch einen Taschenspielertrick – versuchen, die bisherige Praxis beizubehalten, wird über kurz oder lang erneut die Gerichte beschäftigen. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist vorherbestimmt: Das Gericht wird die Platzierung solcher Werbe-Boxen als unzulässig einstufen, denn der User hat keine wirksame Einwilligung erteilt.
Das Inbox Advertising erleidet in Deutschland damit das gleiche Schicksal wie die klassische Mail-Werbung: eine erhebliche Rechtsunsicherheit.