Allen Trends zum Trotz beginnen die meisten Suchen bei Google und in anderen Suchsystemen mit der Eingabe eines Schlüsselwortes. Sicher, das ist heute auch mal ein ganzer Satz. Das Suchergebnis muss auch keine Linkliste mehr sein, sondern kann direkt die passend zum Hemd gemusterten Socken anzeigen. Während sich die Ergebnisqualität und -darstellung stark verändert haben, scheint das auf der Eingabeseite nicht der Fall zu sein. Der Suchschlitz ist geblieben. Voice? Sind wir ehrlich: Steuert per Alexa Spotify, macht aber keine Recherchen. Welche Gebote gelten deshalb heute beim Umgang mit Keywords im Bereich SEO? Experte Leonard Metzner hat sich für Sie dazu einmal umfassend und aufklärend Gedanken gemacht.
Am Anfang war das Keyword
Wer nicht zufällig am Wörthersee wohnt, für den hat die 9220 vermutlich keine Bedeutung. Dabei könnte er mit der 9220 auf Geisterjagd gehen. Sollte das Gefährt dabei kaputtgehen, lässt es sich mit derselben Nummer auch kleben. Bei Weitem sind die PLZ, die Playmobil-Artikelnummer und der Kleber von Henkel aber nicht die einzigen Bedeutungen der 9220. Dieses Beispiel soll zeigen, dass Keywords alles andere als ein trivialer Aspekt von SEO sind. Vielmehr sollten sie das Zentrum der Arbeit eines Suchmaschinenoptimierers sein. Entsprechend gibt es bei diesem Thema, auch in diesem Artikel, keine Checklisten, Schablonen oder ein 0 und 1, wie das im technischen SEO der Fall sein kann. Aber genau das macht es spannend und wird dem SEO noch lange seine Arbeit sichern.
Mehr Zeit für die richtige Keyword-Auswahl
Die Qualitätsansprüche sind gestiegen, das läuft bei Nutzern und Suchmaschinen Hand in Hand. Entsprechend werden viel Zeit und Mühe in die Erstellung wettbewerbsfähiger Inhalte gesteckt, die das Zeug für Seite 1 haben. Vielleicht wird auch an der Verbreitung gearbeitet, mitunter sogar mittels Budgeteinsatz. Aber was, wenn das falsche Keyword gewählt wurde? Dann nützten auch exzellenter Inhalt und eine starke Kampagne zur Verbreitung nicht, zumindest nicht im Pull-Kanal, der die Google-Suche nun mal bleibt.
Abb. 1 zeigt die wichtigsten Faktoren, die bei der Abwägung, ob ein Keyword erfolgreich optimiert werden kann oder nicht, eine Rolle spielen. Dabei scheint es inzwischen durchgedrungen zu sein, dass die Ermittlung der Suchintention(en) zu einem Keyword essenziell für die Optimierungsentscheidung ist. Das genügt aber bei Weitem nicht. Fragen, die bei der Entscheidung außerdem beantwortet werden sollten, können sein:
- Welche Arten von Domains ranken auf Seite 1?
- Wie stark ist das Linkprofil dieser Domains?
- Mit welcher Art Dokument stehen diese Domains dort?
- Welchen Inhalt, in welchem Format enthalten diese Dokumente?
- Wie viele Backlinks hat diese URL, wie viele die Domain und wie gut sind diese?
- Wo auf der Website könnte der Inhalt veröffentlicht werden?
- Ist der Inhalt dann, bezogen auf die Wettbewerbssituation, gut genug intern verlinkt?
- Existieren bereits die passenden Content-Elemente im Template oder müssen entsprechende neu geschaffen werden?
- Wer würde den Inhalt erstellen, und welche Kosten verursacht das?
- Wie hoch ist das Suchvolumen des Keywords?
- Wie viele Klicks sind, anhand des SERP-Layouts, auf der angestrebten Position zu erwarten?
- Rechtfertigt das Traffic-Potenzial den für Seite 1 zu diesem Keyword erforderlichen Aufwand?
Du sollst andere Keywords neben dem Shorthead und Longtail haben
Zwei Arten von Keywords sind auf Kundenseite meist bekannt: das Shorthead-Keyword (Immobilienmakler) und die eigenen Leistungs- oder Produktbezeichnungen, die oft tiefer Longtail sind (Immobilienprojektmanagement für Bauträger), also kaum gesucht werden.
Der Shorthead ist meist unspezifisch. Ist mit Schimmel der Pilz oder das Pferd gemeint? Geht es um den Pilz in Wohnräumen oder auf Lebensmitteln? Neben einem meist starken Wettbewerb in der organischen Suche geht mit der Unkenntnis darüber, was der Suchende wirklich will, deshalb auch ein hoher Streuverlust, also eine geringe Conversion-Rate, bei Shorthead-Keywords einher.
Wird es sehr speziell, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine Conversion, wenn ein dazu passendes Ergebnis angeboten wird. Andererseits wird nach „Schimmel am Schrank, aber nicht an der Wand“ eben nicht sehr oft gesucht, das Traffic-Potenzial ist somit gering.
Was nun noch fehlt, ist der gesamte Bereich dazwischen, häufig als Midtail bezeichnet, wobei die Übergänge fließend und kaum definierbar sind. Dort liegt der wesentliche Arbeitsaufwand bei einer Keyword-Recherche und es kann am ehesten ein Kompromiss von Potenzial, Aufwand und Streuverlust gefunden werden. Denn was auf Kundenseite meist auch existiert, ist eine Vorstellung von der Traumzielgruppe, die Geld in die Kasse bringt. Beispielsweise Privatpatienten, die Implantate benötigen, oder Verkäufer von Mehrfamilienhäusern, die dafür einen Makler brauchen.
Ein Ansatz, um auch in umkämpften Bereichen noch Lücken zu finden, ist eine ereignisorientierte Recherche. Was passiert im Leben vor dem Wunsch, eine Immobilie zu verkaufen? Voraus gehen könnten in diesem Beispiel eine Erbschaft, Scheidung, Auswanderung, Ortswechsel aus beruflichen Gründen, Tod des Partners, finanzielle Probleme und vieles mehr.
Keyword-Recherchen müssen wiederholt werden
Auch Anfang 2016 lag das Suchvolumen für das Keyword „E-Bike“ laut Google in Deutschland schon bei 49.500 pro Monat. Eine stark steigende Nachfrage für das Shorthead-Keyword ist üblich, wenn sich innovative Produkte in der breiten Masse durchsetzen. Nach einem „City E-Bike“ oder einem „Hardtail E-Bike“ hat damals aber noch kaum jemand gesucht. Das sieht heute anders aus, denn inzwischen sind die einstigen Longtails zu umkämpften Keywords avanciert. Andere, heute stark gesuchte Keywords gab es noch gar nicht, zumindest nicht mit messbarem Suchvolumen. Im bekannten Gartner Hype Cycle entstehen viele Keywords also erst in der letzten Phase, auf dem „Plateau der Produktivität“, und verzeichnen dann ein sich erhöhendes Suchvolumen.
Eine Keyword-Recherche kann, so akribisch sie auch durchgeführt wurde, nicht vollständig sein. Und wenn sie das annähernd ist, dann nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Auch wenn ein bestimmter Themenkomplex als „recherchiert“ und „optimiert“ abgehakt ist, sollte deshalb regelmäßig nachrecherchiert werden. Für bestehende Keyword-Sets ist der Abgleich mit dem alten Suchvolumen ein guter Gradmesser dafür, was sich zwischenzeitlich getan hat. Ist das Suchvolumen der bisher erfassten Keywords stark gestiegen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich auch neue Keywords mit messbarer Nachfrage ergeben haben und sich die erneute Recherche lohnt.
Mehrwert erzeugen durch Segmentierung
Alle Keywords haben verschiedenste Merkmale und Merkmalsausprägungen. Einige davon, wie z. B. den Klickpreis, liefert Google im Keyword-Planer mit. Andere, wie das Vorhandensein einer Bildintegration auf der SERP basieren auf gescrapten Daten von SEO-Tools. Über erste Basiserkenntnisse hinaus geht es damit jedoch selten. Eigene Attribute, die sich an Seitentypen, dort eingesetzten Formaten oder den Produkten und deren Eigenschaften orientieren, liefern tiefere Erkenntnisse. Gerade schon bei der ersten Recherche ist eine thematische Clusterung hilfreich. Ein Patentrezept gibt es auch hier nicht – meist bilden sich die zur Gruppierung geeigneten Aspekte während der Recherche heraus. Im Gesundheitsbereich könnten z. B. die Klassifikation nach ICD-10 Katalog, das Geschlecht oder ein Segment für die Phase in der User-Journey ein besseres Verständnis der Keyword-Liste liefern. Das wäre dann die Suche nach:
- Symptom
- Definition
- Ursachen
- Diagnose
- Lösungen (Therapien, Heilmittel, Ärzte, Kliniken etc.)
- Folgen
- Rehabilitation
- Prävention
Welcher Bereich ist wohl der stärkste in der User-Journey? Man könnte meinen die Symptomsuche, mit der alles beginnt. Das mag für den Bandscheibenvorfall oder Diabetes zutreffen, sieht aber bei Neurodermitis anders aus. Die Therapie letzterer Erkrankung ist schwieriger, außerdem kann die Neurodermitis an diversen Stellen auftreten. Entsprechend große Nachfrage gibt es dazu. Bei Depressionen wiederum ist die Diagnosesuche stark ausgeprägt, siehe Abb. 3. Dabei sind im Bereich psychischer Erkrankungen Keywords mit Test („Depression Test“) besonders stark. Bei Hauterkrankungen spielen Bilder eine entscheidende Rolle („Neurodermitis Bilder“). Sucht hier der Betroffene, ein Arzt oder ein Angehöriger? Das wäre sicher ein weiteres Segment, das Erkenntnisse für die Content-Erstellung liefert. Die schlechte Nachricht ist, dass es sich dabei um manuelle Arbeit handelt, die sich bestenfalls teilweise automatisieren lässt.
Negativ-Keywords für SEO nutzen
Keywords, zu denen die eigene Website definitiv nicht in der Suche erscheinen soll, sind eigentlich eher im SEA ein Begriff. Aber auch im SEO können Listen mit Negativ-Keywords nützlich sein, wenn auch an anderer Stelle. Wer kennt nicht die unendlichen Listen von Keyword-Potenzialen, die einem die Tools als Ideen um die Ohren hauen? Bei der manuellen Selektion fallen häufig immer die gleichen Keywords raus. Marken oder Farben, die man nicht führt, oder Orte, an denen man nicht tätig ist, sind Beispiele dafür. Da wäre es doch sinnvoll, auch diese Keywords zu erfassen und dann im ersten Schritt gegen die neue Liste mit 1.367 Keywords von Wettbewerber X laufen zu lassen. Zack, fallen schon die ersten 415 raus. Das geht auch per SVERWEIS in Excel. Daraus ließe sich – vielleicht liest ja ein Tool-Anbieter mit – eine nette Funktion in einem SEO-Tool bauen. Denn meist existiert auch bei den in Tools gemessenen Keyword-Rankings unerwünschter Beifang. Bei noch wenig optimierten Projekten ist das in der Regel mehr als bei konsequent optimierten Websites. Eine Art „Wrong-Keyword-Count“ könnte eine Kennzahl sein, mit der man die Optimierungsqualität überwacht und sieht, wenn etwas aus dem Ruder läuft, man also für Keywords rankt, die bereits als etwas Negatives deklariert wurden.
Irreführende Daten berücksichtigen
Was macht es schon für einen Unterschied, ob jemand ein Haus kaufen möchte oder gleich mehrere Häuser? Google zumindest schmeißt in diesem Fall die Keywords „Haus kaufen“ und „Häuser kaufen“ zusammen und gibt für beide das gleiche Suchvolumen aus. Nun könnte man davon ausgehen, dass sich die Suchintention nicht unterscheidet und es auch bei der Pluralsuche für die meisten Suchenden um genauein Haus geht. Konsequenterweise unterscheiden sich deshalb auch die Suchergebnisse zu beiden Keywords nicht. So einfach ist es aber nicht, was die Suche nach „Fußball“ im Vergleich zu „Fußbälle“ zeigt (Abb. 4). Ebenfalls in dieser Abbildung ist zu sehen, dass Google nicht nur die unterschiedlichen Suchintentionen versteht, sondern auch die Entitäten (Fußball als Sportgerät oder Sportspiel) dazu kennt. Dennoch findet beim Suchvolumen keinerlei Unterscheidung statt. Schnell wird klar, dass solche Falschangaben alles auf den Kopf stellen können, wenn einem das Keyword in den falschen Cluster rutscht und die Zahlen in der Exceldatei ohne Betrachtung der SERP als Entscheidungshilfe genutzt werden. Vorsicht geboten ist an dieser Stelle dann auch bei der Summierung von Suchvolumina, z. B. für Diagramme wie in Abb. 3.
Andere Länder, andere Keywords
Wer über Google.de eine Stichsäge sucht, der wird schnell fündig. In Großbritannien sieht das für „Jigsaw“ (= Stichsäge) anders aus. Denn der gleichnamige Modehändler macht mit mehr als 80 Geschäften immerhin 100 Millionen Britische Pfund Umsatz und erhält Sitelinks auf Platz 1 sowie die primäre Platzierung im Knowledge-Panel. Die weiteren Ergebnisse werden vom Horrorfilm „Jigsaw“ und dem „Jigsaw Puzzle“ belegt, siehe Abb. 5. Dennoch bleibt die Übersetzung natürlich richtig und werden die Suchenden, die ein Werkzeug benötigen, ebenso überrascht von diesem Ergebnis sein. Entsprechend finden ausweichende Suchen statt, wie z. B. „Jigsaw Saw“ oder „Jigsaw Powertool“, was übersetzt ins Deutsche einigermaßen schwachsinnig ist und so kaum gesucht wird. Keywords lassen sich folglich nicht eins zu eins übersetzen. Auch Muttersprachler scheitern damit, wenn sie sich nicht die SERP dazu ansehen und keine eigene Keyword-Recherche in der Zielsprache durchführen.
Fazit
Sich für oder gegen die Optimierung bestimmter Keywords zu entscheiden, ist ein komplexer Vorgang, an dem viele Faktoren beteiligt sind. Wie stark welcher davon Einfluss nimmt, hängt vom individuellen Fall ab. Werden Keywords nur recherchiert und bleibt das Suchvolumen das einzige Entscheidungskriterium, dann sind Fehlentscheidungen wahrscheinlich. Keywords müssen deshalb auch analysiert werden. Tools sind dafür hilfreich, vereinfachen die Realität aber zu stark oder liefern sogar Falschinformationen (vgl. Suchvolumina in Abb. 4). Recherche, Segmentierung und Intent-Analyse bleiben manuelle Arbeit. Der Aufwand lohnt sich aber, denn mit der richtigen Keyword-Auswahl steigen die Erfolgschancen bei der Optimierung.