Streitgespräch: Google Analytics vs. Matomo

Alexander Holl
Alexander Holl

Alexander Holl, 45, ist Gründer und Geschäftsführer der 121WATT in München, die sich auf Seminare und Consulting im Bereich Online und Performance Marketing spezialisiert hat.16 Jahre Internet und 10 Jahre Suchmaschinenmarketing Erfahrung prägen den Lebenslauf des gelernten Betriebswirtes. In dieser Zeit war Holl in verschiedenen verantwortlichen Positionen u.a. bei kalaydo.de, Yahoo! und AltaVista.
Alexander Holl leitet den deutschen Fachbeirat der weltweiten Suchmaschinenmarketing-Veranstaltung „ Search Marketing Expo“ und ist Dozent für Online Marketing an der Steinbeiss Hochschule.

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Thomas Zeithaml
Thomas Zeithaml

Thomas Zeithaml ist seit 2001 im Bereich Suchmaschinenoptimierung aktiv. Sein Schwerpunkt dabei liegt auf der technischen Optimierung und der internen Verlinkung. Seit 2009 beschäftigt er sich zudem intensiv mit dem Webanalyse-Tool Matomo, bei dem er selbst mit programmiert hat. Er bietet Beratung und individuelle Schulungen in den Bereichen SEO und Webanalyse an.

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Eigentlich interessant, dass wir so ein Streitgespräch führen, weil es vor einigen Jahren gar kein Publikum für diese Diskussion gegeben hätte. Dass wir jetzt über Google Analytics und Matomo reden, liegt am Thema Datenschutz. Aber für Digital-Analysten geht es ja auch um Funktionen, Features und Analysemöglichkeiten.

Google Analytics - Standpunkt von Alexander Holl:

#1 Funktionsumfang von Google Analytics vs. Matomo

Wie gut funktioniert Facebook-Werbung? Um so eine Frage zu beantworten, kann ich mir Konversionsraten ansehen oder auf Basis von Engagement, Konversionen, Attribution und Attributionsmodell-Vergleichen dieser Frage auf den Grund gehen. Hilfreich bei der Analyse ist es, Analysemethoden wie sekundäre Dimensionen, Filter (reguläre Ausdrücke), Kohortenanalysen oder benutzerdefinierte Berichte zu verwenden. Das Ergebnis der Analyse visualisiere ich dann im Tabellenformat, als Kreis-, Balkendiagramm oder als Pivot.

Bitte kontaktieren Sie Ihren Matomo-Administrator

Manches geht auch bei Matomo, aber eben nicht out of the box, sondern in der eigen gehosteten Variante als (meist) bezahltes Plug-in. Wir haben Matomo mit 50 Plug-ins im Einsatz. Gerade steht bei mir im Adminbereich: „Das Plug-in BeeLikedDBIP konnte nicht geladen werden ... Bitte kontaktieren Sie Ihren Matomo-Administrator.” Dabei geht es in der Administration nicht um Plug-ins, sondern um Organisation in der Web-Analyse.

Google bietet momentan (Universal Analytics) in der Administration drei Ebenen. Es gibt die Konto-, Property- und Datenansichtsebene. Neben umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten auf allen drei Ebenen ist besonders die Flexibilität bei der Nutzerverwaltung extrem wichtig. Ab einer gewissen Mitarbeiterzahl ist die Vergabe von Nutzerrechten Kernanforderung, um die Analyse von Daten zu organisieren. Matomo hat über die Plug-in-Logik eine Überkomplexität in der Integration von Analysemöglichkeiten und eine Unterkomplexität in der wirklichen Administration der Web-Analyse.

#2 Integration von Daten

Du bist ein guter Digital-Analyst, wenn du neben der Analyse von Website-Daten auch SEO, Social Media, Google Ads, Produkt- und Kundendaten aus verschiedenen Tools analysieren kannst. Alles kann auch Analytics nicht, aber gerade die tiefe Integration von Daten aus Google Ads, aus der Search Console, AdSense, der Verknüpfung mit dem Tag-Manager und Optimize ist sicher eine der ganz großen Stärken. Dazu kommt noch der Export von Rohdaten in BigQuery, der in Analytics 4 sogar ohne die 360-Version kostenlos möglich ist. Manches geht in Ansätzen mit Skripten oder Workarounds in Matomo auch. Das ist aber oft sehr aufwendig und im Resultat mit limitierten Daten. Im Vergleich dazu werden über die Verknüpfung von Analytics und Google Ads statt 5 Parametern (Matomo) 14 Parameter wie der CPC oder Kostendaten übergeben.

Externe Integration von Google Analytics

Ein zweiter Aspekt ist auch die externe Integration in SEO-Tools wie Ryte, SISTRIX, Searchmetrics oder den Screaming Frog und in CRM-Tools wie HubSpot oder Salesforce. Und natürlich für fortgeschrittene Analysen, bessere Visualisierung und Erweiterung der Datenquellen, die einfache Integration in Google Data Studio. Matomo ermöglicht hier nur den Export von Daten in Data Studio über den Umweg eines Google-Sheets.

#3 Community: „Hallo, wie kann ich dir helfen?”

Letztes Jahr habe ich ein großes Unternehmen zu Analytics geschult. Im Anschluss sagte mir ein Mitarbeiter: „Analytics lernen ist wie eine neue Sprache lernen.” Und wahrscheinlich stimmt das auch. Aus Daten Wissen zu generieren, ist wie eine neue Sprache zu lernen.

Zum Glück gibt es eine enorme Anzahl an kompetenten „Analytics-Sprachlehrern”. Da ist Google selber, die über ihren Blog, den YouTube-Kanal, aber auch über ihre Lösungsgalerie (https://analytics.google.com/analytics/gallery/) Unterstützung anbieten. Allein in dieser Solution Gallery gibt es Hunderte von Dashboards, Berichten oder Segment-Ideen zum Download. Und neben den Google-Ressourcen gibt es eine funktionierende Infrastruktur an (zertifizierten) Agenturen, Beratern, Fachkonferenzen, Blogs und Schulungsangeboten.

Google mit Herausforderungen beim Datenschutz, Matomo bei Funktionen und Administration

Matomo punktet immer beim Thema (behördlicher) Datenschutz. Inzwischen gibt es aber neben den Behörden auch mächtige Player wie Apple oder Firefox, die über Intelligent Tracking Prevention (Apple), IOS 14.5 (Apple) oder Enhanced Tracking Protection (Firefox) den Schutz von Kundendaten priorisieren. Das führt in der Konsequenz zu einer Erosion von Daten. Diese betrifft aber alle Anbieter von Tracking-Tools. Unsere Herausforderung als Digital-Analysten heißt, mit weniger Daten gute Analysen zu machen. Und leidet die Datenqualität, brauche ich bessere Tools für gute Analysen.

Google muss seine Datenschutzprobleme lösen, Matomo muss Funktionsparität schaffen.

Ich glaube, trotz vieler Herausforderungen ist Google vs. Matomo in einer besseren Situation. Funktionsparität zu Google herzustellen, ist massiv schwer. Google geht ja schon einige der großen Themen in der Web-Analyse an. Zum Beispiel mit Google Analytics 4, das einen deutlich verbesserten Ansatz zum Datenschutz bietet sowie den Export von Rohdaten in die Google-Cloud ermöglicht, und das sogar auf europäische Server. Google Analytics auf eigenen Servern zu betreiben (Server-side Tagging) ist ein weiterer Schritt, um den Schutz von Daten selber zu kontrollieren.

Datenkompetenz ist eine entscheidende Säule der Digitalisierung

Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse ist wahrscheinlich der Erfolgsfaktor. Und Datenkompetenz ist einer der Säulen der Digitalisierung. Welche Daten entstehen in meinem Geschäftsmodell und wie kann ich diese möglichst effizient einsetzen? Also wer ausschließlich auf Matomo setzt, nimmt das Risiko in Kauf, Datenkompetenz zu stark auf das Thema Datenschutz zu fokussieren.

Matamo - Standpunkt von Thomas Zeithaml:

Vorteil Datenschutz: Durch die Daten-Sammellust von Plattformen wird der Datenschutz immer wichtiger. Ziel ist es, an dieser Stelle sicherzustellen, dass Daten anonymisiert und unbefugten Personen Zugang zu ihnen verwehrt wird. Webanalyse und Tracking befinden sich im Wandel, was sich in den juristischen Diskussionen widerspiegelt. Es geht aber vorrangig darum, die Datenhoheit zu behalten und die Privatsphäre der Besucher nicht zu verletzen.

Mit Matomo werden die Daten direkt durch den Seitenbetreiber erhoben. Dadurch hat dieser die vollständige Kontrolle über seine Tracking-Daten. Eine Herausgabe von Daten an Dritte findet an dieser Stelle nicht statt.

Dies kann man bei Google Analytics leider nicht 100%ig sicherstellen. Natürlich gibt es Möglichkeiten, die DSGVO auch mit Analytics umzusetzen. So kann man Einwilligungen zur Nutzung einholen, IP-Adressen anonymisieren und einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung abschließen. Etliche Punkte in Bezug auf einen datenschutzkonformen Einsatz von Google Analytics sind noch nicht geklärt und bieten meiner Meinung nach mehr Angriffsfläche als Matomo – aus DSGVO-Sicht ein klarer Vorteil für eine solche selbstgehostete Lösung.

Matomo ermöglicht eine Vielzahl von Einstellungen, um der Datenschutzkonformität nachzukommen. Das ist mitunter Grund genug, weshalb Matomo von vielen Datenschützern favorisiert wird. Immer mehr Webseitenbetreiber wie Kommunen, Vereine oder sogar Regierungen haben diesen Vorteil erkannt und setzen auf Matomo, um ihre Reichweite zu messen. Darüber hinaus verzeichnet Google Analytics einen Marktanteil von ca. 84 % – Matomo nur 1,5 % –, wodurch der Marktriese eher in den Fokus von Datenschützern rückt.

Nicht unbedeutend ist der Serverstandort des Tracking-Tools. In diesem Punkt argumentieren Datenschützer, dass die EU trotz diverser Abkommen über strengere Regeln als andere Länder verfügt. Bei einer Self-Hosting-Lösung hat der Betreiber die Möglichkeit, Server in Deutschland einzusetzen. Die Daten bleiben somit im Inland und erfüllen diese Anforderung.

Wir können davon ausgehen, dass der EuGH in Bezug auf Datenschutz noch Anpassungen vornehmen wird. Ohne eigene Datenhoheit ist es nur schwer möglich, auf zukünftige Entscheidungen zu reagieren.

Vorteil Blockaden: Viele Internetnutzer wehren sich gegen die zunehmenden Werbeformate im Internet und setzen zu diesem Zweck sogenannte Adblocker ein. Inzwischen werden neben klassischen Werbenetzwerken aber auch Trackingskripte ausgeschlossen. Auch Browserhersteller reagierten auf diese Bedürfnisse und setzen verstärkt auf Tracking-Prävention.

Bei der Erkennung von Skripten spielt die Einbindung eine tragende Rolle. Als First-Party-Skripte gelten Skripte, welche auf der Domain selber eingebunden werden. Das Pendant dazu stellen Third-Party-Skripte wie z. B. Google Analytics, AdSense, DoubleClick usw. dar, welche auf externen Domains angestoßen werden. Da Matomo z. B. in einem Unterverzeichnis der eigenen Domain liegt, wird das Trackingskript als First-Party-Script erkannt. Das Entfernen oder Blockieren von First-Party-Skripten kann die Funktionalität der gesamten Webseite beeinflussen. Daher bleiben diese Skripte von Adblockern meist unbeachtet. Ein weiterer Grund könnte sein, dass der Marktanteil von Matomo noch zu gering ist und vielleicht deswegen nicht im Fokus der Adblocker-Betreiber liegt. Zudem kann es auch sein, dass Matomo nicht als Bedrohung in Bezug auf Datenschutz- und Privatsphären-Verletzungen erkannt wird. Durch den Wegfall der Blockade werden mehr Daten erfasst. In einigen Projekten konnten wir beobachten, dass ca. 20 % mehr Daten von Matomo erfasst werden als in der parallel laufenden Google-Analytics-Instanz.

Vorteil Limits: Ein häufig genannter Nachteil von SAAS-Lösungen wie Google Analytics sind diverse Limitierungen. Mithilfe einer Self-Hosting-Lösung wie Matomo lassen sich einige gravierende Beschränkungen elegant umgehen.

So gibt es z. B. keine Einschränkungen in Bezug auf Nutzeranzahl oder Webseiten innerhalb einer Matomo-Installation. Bei der Datenerfassung existieren keine Begrenzungen. Beschränkungen wie beispielsweise 500 Hits pro Sitzung oder 10 Millionen Nutzer pro Monat entfallen bei Matomo. Die eigene Hardware stellt die einzige Limitierung in puncto Datenerfassung dar.

Eine Besonderheit von Matomo ist es, die Daten live und vollständig auszuwerten. In Matomo findet keine stichprobenartige Darstellung (Sampling) statt. Die Daten stehen in vollem erfasstem Umfang (Rohdaten) zur Verfügung. Außerdem entfällt bei Export-Funktionen oder Schnittstellen ein mögliches API-Credit-System.

Nutzer von Matomo profitieren mitunter von der unbegrenzten Dauer der Datenspeicherung. Gewöhnlich ist der Zugriff bei Google Analytics auf eine Dauer von maximal 26 Monaten beschränkt. Auch wenn man z. B. in Universal-Analytics-Properties andere Einstellungen treffen kann, werden diese Daten in absehbarer Zeit gelöscht. Matomo ermöglicht einen unbeschränkten Datenzugriff, individuelle Aufbewahrung- und Archivierungszeiträume.

Vorteil Transparenz: Matomo besticht durch individuell mögliche Einsatzmöglichkeiten und Transparenz.

Grundsätzlich stehen dem Nutzer erhobene Daten in Form von Rohdaten zur Verfügung. Dadurch können die Daten vollständig ausgewertet und verarbeitet werden. Auch eine Anbindung an Dritt-Systeme wie ein CRM oder CMS sind problemlos möglich.

Matomo ermöglicht als Open-Source-Projekt die Einsicht in die Quelldateien. Nutzern mit Programmierkenntnissen ist es möglich, Berechnungen wie z. B. die Absprungrate oder Verweildauer nachzuvollziehen. Ebenso können alle ankommenden Anfragen eingesehen und analysiert werden.

Matomos modulares System kann um zusätzliche Funktionen erweitert werden. Das bedeutet, benötigte Features lassen sich als Plug-ins implementieren oder stehen bereits zur Verfügung. Somit ermöglicht Matomo dem Nutzer Flexibilität, Individualität und Transparenz, die GA auf diese Art nicht bietet.