Standpunkt von Leonard Metzner
Gute Freelancer sind völlig ungeeignet für große Projekte, weil sie halt allein sind und nach meiner Erfahrung oft keine guten Projekt-Manager sind.
Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in großen Projekten kann ein Freelancer seine Stärken ausspielen. Dazu zählt abseits der fachlichen Expertise genau die angeblich fehlende Kommunikations- und Organisationsstärke. Wie soll ein Freelancer ohne diese Fähigkeiten langfristig erfolgreich sein? Schließlich hat er keine Vorgesetzten, die die aufgewendete Zeit für eine Aufgabe kritisch hinterfragen, oder Kollegen denen er im Notfall die Schuld geben oder bei eigener Abwesenheit Aufgaben übertragen kann. Die Zeit muss eigenverantwortlich so eingeteilt werden, dass wirtschaftlich gearbeitet wird und der Kunde zufrieden ist. Für Fehler muss der Freelancer zu 100 % selbst geradestehen und diese korrigieren. Genau deshalb macht er weniger Fehler und ist in großen Projekten gut organisiert. Da hängt die Existenz dran!
Freelancer sind oft ein High-Risk-Ticket. Kein Back-up und alles hängt von ihnen ab. Freelancer krank = Freelancer weg. Kunden wollen Sicherheit. Punkt!
Für einen kleinen Teil von Unternehmen kann das zutreffen, aber nicht für die Mehrheit. Es gibt viele Firmen, die z. B. im Bereich SEO etwas bewegen möchten, dazu einen Freelancer beauftragen, aber sehr gut weiterarbeiten könnten, wenn dieser einen Monat ausfällt oder Ersatz gesucht werden muss. Im Gegensatz zur Agentur gibt es dann meist auch keine Verträge, die Kosten auflaufen lassen, obwohl keine Leistung erbracht wird. Wenn es um Unternehmen geht, deren Business maßgeblich von Kanälen wie SEO und SEA abhängt, beschäftigen diese ohnehin ein Inhouse-Team und können die fehlende Freelancer-Kapazität vorübergehend auffangen. Hier tritt der Freelancer häufig als Strategie-Geber und Experte auf. Operative Tätigkeiten laufen in solchen Fällen häufig über das Inhouse-Team.
Ganz abgesehen davon können auch Schlüsselpersonen in Agenturen erkranken, die nicht über Nacht zu ersetzen sind. Das gilt letztlich auch für den Geschäftsführer selbst, Marco, zumindest bei kleinen bis mittelgroßen Agenturen. Dass der Kunde in solch einem Fall nahtlos in gleicher Qualität weiter betreut wird, ist eine Illusion auf seiner Seite, die er gerne glauben möchte. Ein Freelancer tendiert, aufgrund fehlender Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, außerdem dazu, weiterzuarbeiten, wenn es nur irgendwie möglich ist. Als Angestellter hätte ich über die vergangenen acht Jahre wohl ein Vielfaches an Krankheitstagen gesammelt. Auch Freelancer haben übrigens ein Netzwerk, durch das sie Ausfälle für den Kunden kompensieren können.
Freelancer müssen viel verdienen, um Ausfälle zu kompensieren. Sie nehmen dadurch ganz oft mehr Aufträge an, als sie verarbeiten können. Zulasten der Kunden.
Die Fixkosten einer Agentur sind deutlich höher, weshalb ein Freelancer auch bei Ausfällen weniger zu kompensieren hat. Genau aus diesem Grund nehmen Agenturen wiederum gerne „alles mit“. Reicht die Kapazität intern dann nicht mehr aus, wird auf Freelancer zurückgegriffen. Damit man, den Overhead des Projektmanagements zwischen Kunde und Freelancer eingerechnet, trotzdem noch etwas verdient, wird dann der Stundensatz des Freelancers gedrückt. Hinterher wundert sich die Agentur, dass der Freelancer im Zweifel anderen Projekten eine höhere Priorität gibt, bei denen er den Kunden direkt betreut – und das zu einem besseren Stundensatz. Es gibt Agenturen, die das erkannt haben und froh sind, wenn man als Freelancer deren Leistungen ergänzt oder Spitzen abfängt, ohne dass sie als Zwischenhändler etwas daran verdienen müssen. Am Ende zahlt sich das für die Agentur in Form von Kundenzufriedenheit mehrfach aus.
Die Behauptung hat aber einen wahren Kern: Da der Freelancer mit seinen begrenzten Ressourcen gut haushalten muss, tut er für und mit dem Kunden nur die Dinge, die wirklich erfolgsrelevant sind. Ausschweifende Reportings z. B., die gut monatlich abgerechnet werden können, aber nur selten gelesen werden, fertigt er nur an, wenn es nötig ist, und nicht, weil es als Baustein eines Pauschalangebots gut abgerechnet werden kann.
Sehr viele Freelancer haben keine richtige Ahnung, sondern suchen mit Halbwissen und einem „Fernkurs“ nur nach der großen Freiheit bzw. finanzieller Unabhängigkeit. Von Unternehmertum haben nur wenige einen echten Plan. Wie sollen sie also andere Unternehmer holistisch beraten?
Diesen Personenkreis mag es geben – und sicher nicht nur bei Freelancern. Es finden sich genug Menschen, die meinen, singen oder ein Restaurant betreiben zu können, und dann scheitern, weil es doch nicht so einfach ist. Ein Freelancer, der so tickt, wird nicht lange am Markt bestehen können und kann keine Projekte und Kunden auf einem gewissen Niveau als Referenz vorweisen. Ein Freelancer ist an dieser Stelle für Kunden noch wesentlich leichter einzuschätzen als eine Agentur, die es einfacher hat, nach außen mehr darzustellen, als sie ist.
Häufig betreiben Freelancer zudem eigene Projekte und können durch diese, ob erfolgreich oder nicht, die Herausforderungen eines Unternehmers besser verstehen. Man kann einen Freelancer auch als die kleinste Form eines Unternehmens sehen. Er muss Kunden akquirieren, seine Leistungen weiterentwickeln, steuerliche Fragen beantworten, für die angesprochenen Ausfälle vorsorgen und vieles mehr. Nur wer das erfolgreich kann, hat eine Chance, zu bestehen. Dieses Mindset ist die beste Basis, um Unternehmer holistisch zu beraten.