In Deutschland hat sich Ecosia zur drittgrößten Suchmaschine gemausert. Wie groß ist der Marktanteil der „grünen Suchmaschine“? Wer verwendet Ecosia? Wie funktioniert die Suchmaschine und was kann sie? Braucht es SEO explizit für Ecosia? Und welche Werbemöglichkeiten gibt es? In der Branche fliegt Ecosia noch unter dem Radar. Ein Fehler? Damit beschäftigt sich dieser Artikel.
Die Suchmaschine Ecosia wurde Ende 2009 von Christian Kroll gegründet. Die Betreiberfirma Ecosia GmbH hat ihren Sitz in Berlin und beschäftig heute ca. 75 Mitarbeiter. Der Umsatz von Ecosia betrug im Jahr 2020 knapp 22 Millionen Euro.
Ecosia generiert seine Einnahmen hauptsächlich durch Klicks der Suchenden auf Werbeanzeigen, welche über oder neben den Suchergebnissen platziert sind. Die Anzeigen werden von Microsoft Bing bereitgestellt und Ecosia erhält einen Großteil des so erzeugten Umsatzes. Mit monatlichen Finanzberichten macht Ecosia seine Einnahmen und Ausgaben auf seiner Webseite transparent.
Ecosia hat sich einen Namen gemacht als „Suchmaschine, die Bäume pflanzt“. Das Ziel von Ecosia ist seit der Gründung, mit den Werbeeinnahmen Aufforstungs- und Bepflanzungsprojekte zu unterstützen. Heute investiert die Suchmaschine gut 80 % ihrer Gewinne – was ca. 60 % des Umsatzes entspricht – in Pflanzprojekte. Aktuell benötigt Ecosia durchschnittlich 45 Suchanfragen, um einen Baum zu pflanzen – was ungefähr jede Sekunde der Fall ist. Insgesamt konnte Ecosia so bislang über 120 Millionen Baumpflanzungen in verschiedenen Ländern finanzieren. Den aktuellen Stand kommuniziert die Suchmaschine prominent unterhalb des Suchschlitzes (siehe Abbildung 1).
Nachhaltigkeit ist dem Unternehmen Ecosia GmbH generell ein Anliegen. Um als Suchmaschine eine negative CO2-Bilanz zu erzielen – Suchanfragen erzeugen eine Menge CO2-Emissionen –, betreibt Ecosia eine eigene Solaranlage, welche den Strom für die eigenen Server produziert. Zudem erlangte Ecosia GmbH im Jahr 2014 als erstes Unternehmen Deutschlands die Zertifizierung „B Corporation“, welche Unternehmen auszeichnet, die freiwillig bestimmte Standards hinsichtlich Transparenz, Verantwortung und Nachhaltigkeit erfüllen.
Ecosia bezieht sowohl die organischen Suchergebnisse als auch die Werbeanzeigen von Microsoft Bing, der weltweit zweitgrößten Suchmaschine. Funktionen und Aussehen von Ecosia sind daher der Suchmaschine Bing sehr ähnlich. Und dennoch weist Ecosia gegenüber Bing einige Besonderheiten und zusätzliche Features auf.
Entsprechend seiner Mission zur Klimaverbesserung versucht Ecosia seit 2019, die Benutzer mit Icons zu nachhaltigeren Klick-Entscheidungen zu motivieren. So versieht die Suchmaschine die Suchresultate einiger besonders klimafreundlicher oder nachhaltiger Unternehmen und Organisationen mit einem Icon „Grünes Blatt“ (siehe Abbildung 2). Hingegen wird ein Icon „Kohlekraftwerk“ auf Suchergebnissen einiger Unternehmen platziert, die gemäß Infotext auf dem Icon „mit fossilen Brennstoffen Geld verdienen und damit das Klima zerstören“. Um diese Bewertungen vorzunehmen, zieht Ecosia unterschiedliche Quellen heran und arbeitet mit Organisationen zusammen. Insbesondere die Auszeichnung von Klimasündern mit dem Kohlekraftwerk-Symbol führte schon zu Kritik an Ecosia (Vorwurf: Internet-Pranger). Gemäß Ecosia hat die Auszeichnung mit einem der Icons keinen Einfluss auf die Rankings der Suchresultate. Auch werde die Vergabe der Icons nicht von bezahlter Werbung oder finanziellen Beziehungen beeinflusst.
Ein nützliches Feature von Ecosia sind die sogenannten Search Tags: Mit Tastaturbefehlen landet der User gezielt auf internen oder externen Suchfunktionen wie etwa YouTube oder auf externen Quellen wie Wikipedia. Ein Beispiel: Die Sucheingabe „SEO #yt“ führt direkt zur entsprechenden Suchergebnisliste von YouTube. Oder: „ecosia #w“ öffnet den Wikipedia-Eintrag über Ecosia. Einige der hilfreichsten Search Tags sind in der folgenden Auflistung zu finden.
Die meisten Suchmaschinen personalisieren ihre Suchergebnisse, d. h., aufgrund des bisherigen Suchverhaltens eines Users individualisieren sie die ihm eingeblendeten Suchergebnisse. Die Personalisierung der Suchergebnisse kann in den Einstellungen von Ecosia aktiviert beziehungsweise deaktiviert werden. In aktiviertem Zustand schickt Ecosia – zusammen mit der Suchanfrage – eine eindeutige Kennung des Users an seinen Suchpartner Bing, was die Personalisierung der Suchergebnisse erst ermöglicht. In deaktiviertem Zustand wird keine solche Kennung an Bing verschickt.
Ecosia speichert weder die IP-Adresse noch eine andere eindeutige Kennung eines Users dauerhaft. Und der Suchpartner Bing löscht eindeutige Kennung wie auch Suchverlauf eines Users gemäß seinen Datenschutzrichtlinien nach 18 Monaten.
Ecosia schreibt auf seiner Website: „Wir nutzen die Suchtechnologie des Suchexperten Bing – und machen sie mit unseren eigenen Algorithmen noch effizienter.“ Leider führt Ecosia keine weiteren Informationen auf, was mit „effizient“ genau gemeint ist oder inwiefern sich die Algorithmen von Ecosia und Bing unterscheiden. In Interviews äußert sich der Gründer Christian Kroll jedoch dahingehend, dass die Abweichungen nur gering sind und zum Teil durch die Personalisierung von Bing zustande kommen.
Beim Vergleich der Suchergebnisse der beiden Suchmaschinen ist festzustellen, dass diese sehr ähnlich sind – jedoch nicht identisch. Die klassischen Suchergebnisse von Webseiten sind oft identisch aufgelistet, nur da und dort tauchen Abweichungen auf. Bei der Integration zusätzlicher Formate wie Bilder, Videos, News oder „Weitere Fragen“ treten hinsichtlich Häufigkeit, Positionierung und Darstellung zum Teil deutliche Unterschiede auf (siehe Abbildung 3). Dies führt auch dazu, dass bei Ecosia auf der ersten Suchergebnisseite oft mehr klassische Suchergebnisse aufgeführt sind als bei Bing.
Der Umgang mit Maps (Kartenmaterial) unterscheidet sich bei den zwei Suchmaschinen fundamental: Aktuell bindet Ecosia bei der klassischen Web-Suche keine Maps-Standorte ein, Bing hingegen schon. Und beim Klick auf das Vertical „Karten“ stehen bei Ecosia Bing Maps sowie Google Maps zur Auswahl (siehe Abbildung 4).
Bei den Themen Maps und Search Tags ist zu erkennen, dass Ecosia – ganz im Gegensatz etwa zu Google oder Bing – sich nicht scheut, die User auch auf passende externe Quellen zu schicken.
Offenbar deckt die „grüne Suchmaschine“ ein Bedürfnis ab und stößt auf Resonanz: In den letzten Jahren verzeichnete Ecosia in zahlreichen Ländern kontinuierlich wachsende Marktanteile (siehe in Abbildung 5 die Marktanteile von Ecosia in Deutschland, Österreich und der Schweiz). In Deutschland und Frankreich konnte Ecosia unlängst die 1 %-Marke knacken.
1 % Marktanteil – das klingt im ersten Moment nicht gerade spektakulär. In Deutschland bedeutet dies allerdings Rang 3 unter den Suchmaschinen – hinter Google und Microsoft Bing, jedoch noch vor DuckDuckGo und Yahoo! (siehe Abbildung 6).
Weltweit liegt der Marktanteil von Ecosia mit 0,13 % (Rang 11 unter den Suchmaschinen) allerdings nicht auf demselben Niveau wie in einigen europäischen Ländern. Aber auch dieser scheinbar geringe Marktanteil darf nicht unterschätzt werden: Die schiere Anzahl an weltweiten Suchen beschert Ecosia monatlich über 20 Millionen Suchanfragen und spülte der Suchmaschine im Januar 2021 ca. 2,5 Millionen Euro an Werbeeinnahmen in die Kasse.
Treiber für steigende Marktanteile von Ecosia dürften u. a. sein: Verfügbarkeit von Ecosia als Standardsuchmaschine in Browsern sowie auf regionaler Ebene die Bekanntheit von Ecosia, die Verbreitung von Bing sowie das Interesse der Bevölkerung am Klimaschutz.
Entsprechen die genannten Marktanteile der Realität? Die Analytics-Accounts verschiedener größerer Domains aus der Schweiz weisen Daten mit recht großer Spannweite aus: Ecosias relativer Anteil an organischem Traffic (Sessions) lag im Zeitraum Januar bis Februar 2021 je nach Domain zwischen 0,27 % und 1,95 %. Interessant ist auch der Blick auf Ecosias relativen Anteil an organischem Umsatz im gleichen Zeitraum: Je nach Domain lag dieser zwischen 0,43 % und 3,79 %.
Die Vermutung liegt nahe, dass Ecosia durch seine Positionierung ein Publikum anspricht, welches ein besonders hohes Interesse an Themen rund um Klima und Nachhaltigkeit aufweist. Wie sehen die demografischen Merkmale einer solchen Nutzerschaft aus?
Nach eigenen Angaben erfasst Ecosia selber keine Daten von seinen Usern und kann daher keine direkten Aussagen zu Nutzerprofilen machen. Jedoch weisen die Nutzerdaten der über 1 Million Facebook Follower von Ecosia auf eine junge Nutzerschaft hin: Je ein Drittel ist zwischen 18 und 24 Jahre und zwischen 25 und 34 Jahre alt. Zudem ist der Anteil an Frauen etwas höher.
Die Analytics-Accounts verschiedener größerer Domains aus der Schweiz bestätigen diese demografischen Tendenzen, auch hier mit recht großen Unterschieden pro Domain. Insbesondere die Altersgruppe der 18- bis 27-Jährigen ist beim organischen Traffic via Ecosia im Vergleich mit den anderen Suchmaschinen deutlich übervertreten, zudem ist der Anteil an Frauen deutlich höher.
Hinsichtlich des Marktanteils kommt Ecosia natürlich in keiner Weise an Google heran. Insbesondere Unternehmen und Organisationen, welche im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind oder eine junge Zielgruppe ansprechen, tun dennoch gut daran, Ecosia zukünftig auf dem Radar zu haben.
Wie oben geschildert, sind die Suchresultate von Microsoft Bing und Ecosia sehr ähnlich, aber nicht identisch. Die Abweichungen dürften sich auf das Klickverhalten der Suchenden auswirken. Zudem ist davon auszugehen, dass das User-Verhalten in den zwei Suchmaschinen grundsätzlich unterschiedlich ist, da sie zwei verschiedene Nutzergruppen ansprechen. Es wäre daher hilfreich, Daten zur Performance von Suchanfragen auch explizit für Ecosia zur Verfügung zu haben.
Solche Daten stehen aber leider (noch?) nirgends zur Verfügung. Von Ecosia gibt es keine Webmaster-Tools mit einem Leistungsbericht. In den Webmaster-Tools von Bing werden keine Daten von Ecosia aufgeführt. In Google Analytics werden seit Langem keine organischen Suchanfragen mehr ausgewiesen. Ranking-Tracker für Ecosia oder größere Studien über Rankings oder Ranking-Faktoren bei Ecosia sind in der Branche noch nicht vorhanden. Womöglich ändert sich dies, falls Ecosia wie in den letzten Jahren weiterwächst.
Wer aktuell SEO für Ecosia betreiben möchte, um deren interessante Zielgruppe besser abholen zu können, konzentriert sich am besten pragmatisch auf die Optimierung für Bing – je nach vorhandenen Ressourcen und je nach Reifegrad der Suchmaschinenoptimierung in einem Unternehmen ohnehin eine sinnvolle Option. Rund um SEO für Bing gibt es Daten in diversen Tools, nicht zuletzt in den Bing-Webmaster-Tools (siehe dazu die Ausgaben #63 und #66). Zudem empfiehlt sich die Optimierung der externen Quellen, welche Ecosia in seine Suche integriert oder wohin Ecosia Suchende schickt. Vornehmlich sind dies die Standorte in Google My Business und Bing Places for Business sowie Videos auf YouTube.
Werbung auf Ecosia wird via Suchpartner Microsoft Bing auf dessen Plattform Microsoft Advertising gesteuert. Dabei stehen Search Ads sowie Shopping Ads zur Verfügung (siehe Abbildung 7). Diese werden entweder in Microsoft Advertising aufgesetzt oder aber aus Google Ads importiert. Um die Werbeanzeigen auch auf Ecosia ausspielen zu lassen, muss in Microsoft Advertising ein entsprechendes Partnernetzwerk ausgewählt werden.
Die Leistungsdaten der Werbekampagnen stehen in Microsoft Advertising pro „Publisher Website“ zur Verfügung, bei entsprechendem Kampagnen-Set-up (Auswahl Partnernetzwerk) also auch für Ecosia. Leider umfassen diese Leistungsdaten nicht einzelne Keywords oder Suchanfragen spezifisch für „Publisher Websites“, es ist also nicht zu sehen, wie gut einzelne Keywords oder Suchanfragen auf Ecosia performt haben.
Der Blick in die Leistungsdaten der Microsoft Ads verschiedener größerer Domains aus der Schweiz zeigt Folgendes: Mit Ads auf Ecosia kann noch nicht der große Traffic- oder Umsatz-Boost erzeugt werden. Anzahl Klicks und Anzahl Konversionen auf Ecosia machen verglichen mit den Microsoft Ads oft ca. 10 % aus, verglichen mit den Google Ads meist sogar weniger als 1 %. Allerdings sind die Kosten pro Konversion bei Ecosia verglichen mit Bing und Google in der Regel niedriger (oft im Bereich von 10 % bis 25 %). Diese Leistungsdaten sind natürlich von vielen Faktoren abhängig, u. a. von Werbebudget und Bidding-Strategie und sind daher ohne Kontext nur sehr bedingt vergleichbar.
Das Potenzial für Ads auf Ecosia ist also noch überschaubar. Wenn es allerdings darum geht, ein junges oder an Nachhaltigkeit interessiertes Zielpublikum zu erreichen, die Werbemaßnahmen zu diversifizieren und die Customer Journey zu ergänzen oder einfach einen Anteil günstigere Klicks und Konversionen zu ergattern, dann können Ads auf Ecosia durchaus eine Option sein. Zumindest für einen Test.
Ecosia ist eine Suchmaschine mit wachsendem Marktanteil. Dieser ist aber selbst im DACH-Raum noch zu klein, um die Suchmaschine als Pflicht fürs Suchmaschinenmarketing zu deklarieren. Eine Kür kann sie allerdings schon heute sein für Unternehmen und Organisationen aus dem Bereich Nachhaltigkeit oder mit junger Zielgruppe. Die wichtigste Frage, die sich momentan stellt und zu beobachten ist: Wird Ecosia in den nächsten Jahren weiterhin wachsen und Marktanteile erobern?