In der Disco: „Hey, du schaust immer weg. Was hat dich so unsicher gemacht?“ Dieser Pick-up-Artist-Manipulationsversuch rangiert auf demselben schmierigen Level wie aktuelle Cookie-Consent-Banner. Zeit, dass sich etwas ändert.
Abgekratzt …
Wer manipuliert, bekommt manipulierte Kunden. Wer beeinflusst, bekommt beeinflusste Kunden. Wer jedoch seine Einflussnahme wertschätzend gestaltet, kann einen Raum erschaffen, in dem Menschen aus eigener Motivation in die Handlung kommen – und sich bis hin zur dauerhaften Loyalität entwickeln können. Das WWW ist ein interessanter Schaukasten für eine große Bandbreite an Versuchen zur Manipulation und Beeinflussung: Manchmal verblüffend smart und sehr oft plump, dumm, offensichtlich und beziehungsschädigend. Vor allem bei einem sehr sensiblen Thema fällt wieder einmal auf, wie unreflektiert Online-Marketing-Verantwortliche auf übergriffigste und infantilste Weise versuchen, Entscheidungen von Menschen zu beeinflussen: Bei der Einwilligungserklärung zum Tracking und zur Speicherung von Cookies. So wird zum Beispiel ganz bewusst versucht, Menschen durch kognitive Überlastung, Verwirrung und Ablenkung dazu zu bringen, möglichst umfangreichen Tracking-Maßnahmen zuzustimmen: Die Schaltfläche „Allem zustimmen“ ist groß, deutlich sichtbar, farbig hervorgehoben. Die Möglichkeit, ein Tracking zu untersagen, ist dagegen nur über Umwege erreichbar: Ein Pendant zur Schaltfläche für die Zustimmung fehlt und der Weg läuft über einen ausgegrauten Link mit der Beschriftung „Weitere Einstellungen“. Ein Klick auf „Weitere Einstellungen“ überlastet den Betrachter mit einer Fülle an Einstellungsmöglichkeiten unter der Verwendung komplexer Begrifflichkeiten und einer Möglichkeit, diese über einen Schalter zu „verändern“, wobei das Benutzerinterface im Zusammenspiel mit dem Text offenlässt, welche Schalterstellung die Option nun aktiviert oder deaktiviert. Abgebrühte Online-Marketing-Verantwortliche zucken angesichts des Einsatzes dieser „Dark Conversion Patterns“ jetzt vielleicht gelangweilt mit den Schultern und fragen sich, ob man dafür wirklich einen Abgekratzt-Artikel schreiben muss? Schließlich macht das jeder – und „der Erfolg gibt einem ja auch recht!“ Natürlich „kann man das so machen“. Man kann auch bei einem Date aus einer Ablehnung eine gewiefte Pick-up-Artist-Nummer machen: mit rhetorischen Winkelzügen, „User-Shaming“, kognitiver Überlastung – eben mit plumper Manipulation. Dann ist man eben auch nur ein weiterer Misanthrop (m/w/d), der das „ganze nervige Consent-Gedöns“ nur macht, um keine Abmahnung zu bekommen. Dabei ist es doch ganz einfach: Wer Menschen einen guten Grund gibt, weshalb sie einem ihre Daten anvertrauen können, wird diese mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erhalten als jemand, der seine Gründe verschleiert. Wer Menschen in einfachen Worten erklären kann, was mit den gespeicherten Daten geschieht, wird mehr Vertrauen aufbauen als jemand, der für die Darstellung seiner Absichten seitenweise Formulierungen in komplexer Fachsprache benötigt – formatiert in kleiner, hellgrauer Schrift auf weißem Hintergrund. Wenn ein Mensch nicht möchte, dass man ihn einem Dutzend Tracking-Systemen zum Fraß vorwirft und ihm ein Rudel Cookies auf den Hals hetzt, lässt man die Person ganz einfach in Ruhe. Wer die Möglichkeit einer Ablehnung genauso einfach und entspannt anbietet wie eine Zustimmung (und einen guten Grund für die Zustimmung liefert), bekommt die Zustimmung oftmals dann eben ein paar Kontakte später – wenn mehr Vertrauen aufgebaut wurde. Wenn schon Beeinflussung, dann doch bitte so, dass sich beide Seiten wohlfühlen.