Eine aktuelle Gerichtsentscheidung des OLG Frankfurt a. M. gibt neue Hoffnung in der seit Längerem festgefahrenen Situation bei der Einholung von Werbe-Opt-ins. Auch wenn das Urteil sicherlich keine 180-Grad-Wende der bisherigen Rechtsprechung darstellt, bietet es neue Verteidigungsmöglichkeiten im Rahmen rechtlicher Auseinandersetzungen.
Neuigkeiten zu Opt-ins
Werbe-Einwilligung mit acht Co-Sponsoren und knapper Klausel wirksam und DSGVO-konform
A. Das grundsätzliche Dilemma bei der Einholung von Werbe-Opt-ins:
Um die Wichtigkeit und Reichweite der neuen Entscheidung des OLG Frankfurt zu verstehen, wird zunächst noch einmal das aktuell bestehende grundsätzliche Dilemma bei der Einholung von Werbe-Opt-ins dargestellt.
1. Hinreichende Bestimmtheit
Die Voraussetzung, an der die meisten Einwilligungserklärungen bislang in der Praxis scheitern, ist die hinreichende Bestimmtheit. Dabei gilt es, zwischen der persönlichen und der sachlichen Reichweite zu unterscheiden:
- Sachliche Reichweite: In was willige ich ein?
Für welche Arten von Medien (z. B. Telefon, Fax, SMS, E-Mail usw.) erteile ich meine Einwilligung? Für welchen Werbebereich (z. B. Unterhosen, Versicherungen oder PKW) erteile ich meine Einwilligung?
- Persönliche Reichweite: Wem gegenüber willige ich ein?
Welches Unternehmen erhält die Einwilligung von mir und kann mich somit später kontaktieren?
Im Folgenden werden diese beiden Bereiche näher dargestellt.
a. Sachliche Reichweite
aa. Art des Werbemediums
Aus der Einwilligungserklärung muss klar und eindeutig hervorgehen, für welche Art von Werbemedien die Zustimmung erteilt wird. In Betracht kommen hier: Briefpost, Telefon, Fax, SMS und E-Mail, also jeder bekannte Kommunikationskanal aus dem Bereich des Direktmarketings. Variationen der SMS, also z. B. EMS oder MMS, fallen unter den Begriff der SMS.
So denkbar einfach dieser Punkt zunächst erscheint, liegt der Teufel in der Praxis häufig im Detail. Viele Unternehmen sind nämlich versucht, lediglich den aktuell genutzten Kommunikationskanal anzugeben, und nehmen von sich aus weitere nicht notwendige Einschränkungen vor. Dabei rächt sich eine solche freiwillige Einschränkung innerhalb kürzester Zeit, denn die einmal vorgenommene Beschränkung kann nachträglich nicht mehr ohne ausdrückliche Nachfrage aufgehoben werden.
Beispiel:
Unternehmen U will Einwilligungen für den Bereich E-Mail-Werbung generieren. Es schreibt daher in seine Einwilligungserklärung: „Der Teilnehmer erklärt seine Zustimmung (...) für den Bereich E-Mail (wöchentlicher Newsletter)."
Es werden auf diese Weise erfolgreich 10.000 Adressen generiert.
in halbes Jahr später überlegt sich U, dass es gern den Rhythmus der wöchentlichen Newsletter-Versendung auf dreimal pro Woche verändern will. Darüber hinaus sollen einzelne Kunden gezielt individuelle Werbung erhalten. Beide Änderungen, die U anstrebt, sind nicht mehr von der ursprünglichen Einwilligungserklärung abgedeckt. Wenn U die Veränderungen vornehmen will, bedarf es somit einer erneuten ausdrücklichen Einwilligungserklärung.
Vermeiden Sie ein solches erneutes Nachfragen beim Empfänger. Die Erfahrung zeigt, dass nur ein geringer Bruchteil aktiv den erneuten Änderungen zustimmen wird. Der Großteil hingegen wird, aus den unterschiedlichsten Gründen (Passivität, Nichtlesen der Änderungen, Angst vor Ausverkauf seiner Daten) keine weitere Einwilligungserklärung abgeben. In der Praxis verlieren viele Unternehmen nicht selten auf diese Weise 50 bis 70 % ihres E-Mail-Bestandes.
Ein solcher Verlust ist absolut nicht notwendig. Sinnvoll ist es daher, die Erklärung hinsichtlich der Werbekanäle so allgemein wie möglich zu halten. Vermeiden Sie erklärende Zusätze oder Hinweise. Sie mögen zum Zeitpunkt der Einwilligung gut gemeint sein, behindern Sie aber bei einer späteren Vermarktung der erlangten Adressen.
bb. Werbebereich
Große juristische Probleme bereitet der in den Einwilligungserklärungen zu benennende Werbebereich. Fasst ihn das Unternehmen zu weit oder zu unspezifisch, dann besteht die Gefahr, dass die Erklärung vor Gericht keinen Bestand hat. Wird hingegen zu eng formuliert, besteht die Problematik, dass die Einwilligung kaum von wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Das Interesse des Unternehmens ist es, die gewonnenen Daten zeitlich so lange und so häufig wie möglich zu verwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es hinsichtlich des Werbebereiches einer größtmöglichen Flexibilität. Da dem Unternehmen nicht bekannt ist, an wen es einmal die Adresse weitergeben wird, ist jede Eingrenzung, die es im Vorfeld vornimmt, finanziell nachteilig. Dieses wirtschaftliche Interesse steht im diametralen Gegensatz zu der von Verbraucherschützern geforderten Vorgabe, die Einwilligung so konkret und so bestimmt wie möglich zu formulieren.
In der Praxis führt dies häufig zu nachfolgender Formulierung:
„Ich bin damit einverstanden, dass mich Firma XY für weitere interessante Angebote anruft.“
Hierbei handelt es sich quasi um den „Klassiker“ der Einwilligungserklärungen. In dieser Form findet er sich in Abertausenden von Klauseln wieder. Die Rechtsprechung zu dieser „Interessante-Angebote“-Klausel ist seit Langem eindeutig: Die Formulierung ist rechtswidrig und die Einwilligung somit unwirksam, denn sie erfüllt nicht die Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit.
Unwirksam ist die Erklärung auch, wenn lediglich der Anschein einer Begrenzung erweckt wird, in Wahrheit die Formulierung aber uferlos ist.
„Die Übermittlung und weitere Nutzung meiner Angaben wird auf nachfolgende Bereiche begrenzt: Telefonmarketing, E-Mail-Werbung und schriftliche Werbung, Verlage, Adress- und Versandhändler, Finanz und Telekommunikationsdienstleister, Markenartikelhersteller, Gewinn- und Glücksspiele, Reise und Tourismus, Gesundheitsvorsorge, Energieversorger, Versicherungen, Pharma- und Kosmetikunternehmen, gemeinnützige Vereinigungen, Fahrzeughersteller und -händler, Bekleidungs- und Elektronikeinzelhandel, Marktforschungsunternehmen, Berufs- und Weiterbildungsinstitute.“
Eine solche Klausel ist – leicht nachvollziehbar – genauso unwirksam, denn inhaltlich findet keine Beschränkung statt. Vielmehr kann praktisch jede Ware oder Dienstleistung, die am Markt angeboten wird, auf die eine oder andere Weise unter eine der in der Klausel genannten Kategorien eingeordnet werden.
Die entscheidende Frage ist nun: Wie weit ist der Werbebereich einzugrenzen? Müssen einzelne Produkte genannt werden oder reichen Branchenangaben aus?
Beispiel:
Die Deutsche Telekom AG möchte gern online wirksame Einwilligungserklärungen für Telefonanrufe generieren. Reicht die Erklärung „… für weitere Angebote aus dem Bereich der Telekommunikation …“ aus? Oder muss noch stärker differenziert werden? Also z. B.: „… für weitere Angebote aus dem Bereich Telefon- und Internetanschlüsse …“
Die deutschen Gerichte haben es bislang vermieden, hierzu klare, nachvollziehbare und vor allem in sich logische Aussagen zu treffen. Gerichtsurteile zu dieser konkreten Einzelfrage existieren bislang kaum. Dies hat einen simplen Grund: Grob geschätzt 99 % der am Markt befindlichen Klauseln halten noch nicht einmal die Mindeststandards ein und sind somit offensichtlich rechtswidrig.
Diese Praxis rührt von zwei Gründen her. Erstens: Die Rechtslage ist im Bereich der Einwilligung derart kompliziert und widersprüchlich, dass die Formulierung einer Erklärung ohne anwaltliche Hilfe von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Auch der Unternehmer, der sich rechtskonform verhalten will, verstößt in Unkenntnis gegen geltendes Recht. Zweitens: Da viele rechtliche Fragen der Einwilligung nach wie vor nicht abschließend höchstrichterlich geklärt sind, nutzen viele Unternehmer den bestehenden Freiraum und gehen bewusst ein unternehmerisches Risiko ein, indem sie wirtschaftlich vorteilhafte, aber rechtlich problematische Einwilligungserklärungen benutzen.
Die Rechtsprechung hat bislang keine Vorgaben gemacht, wie viele Werbebereiche der Unternehmer maximal in die Einwilligungserklärung mit aufnehmen darf.
In der Praxis beliebt ist das sogenannte „Co-Sponsoring“, das häufig bei Gewinnspielen oder Umfragen eingesetzt wird. Hier erteilt der Verbraucher nicht nur dem Veranstalter seine Einwilligung, sondern auch bestimmten Dritten, die in der Regel „Sponsoren“ genannt werden. Gegen eine solche Handlungsweise spricht juristisch nichts.
b. Persönliche Reichweite
Eine weitere juristische Hürde, die bei Einwilligungserklärungen genommen werden muss, ist die persönliche Reichweite. Für den Betroffenen muss stets ersichtlich sein, wem er denn überhaupt seine Zustimmung erteilt, was nichts anderes heißt, als dass die Firmen namentlich genannt werden müssen. Klauseln hingegen, die allgemein auf Dritte oder Partner abstellen, ohne diese klar zu benennen, sind mangels Bestimmtheit rechtswidrig.
Beispiele für rechtswidrige Klauseln:
Beispiel 1:
„Ich bin damit einverstanden, dass die Zeitung XY meine Daten für Zwecke der Werbung, Marktforschung und Beratung nutzt und selbst oder durch Dritte verarbeitet und dass ich schriftlich, telefonisch oder per E-Mail über weitere Angebote informiert werde.“
Rechtswidrig, da der Kunde der Zeitung nicht erkennen kann, welche Dritten seine Daten erhalten.
Beispiel 2:
„Sind Sie damit einverstanden, wenn Sie nach der Auswertung der Studie von anderen Firmen aus diesem Bereich nochmals telefonisch kontaktiert werden?“
Unwirksam, da unklar, wer mit „anderen Firmen“ gemeint ist.
Es ist nicht erforderlich, dass das Unternehmen seine vollständige Firmierung angibt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn sich aus den Angaben für den Verbraucher ohne Weiteres erschließt, wem er seine Einwilligung erteilt.
B. Die Entscheidung des OLG Frankfurt:
Das OLG Frankfurt a. M. hat nun aktuell entschieden, dass eine Werbe-Einwilligung mit acht Co-Sponsoren und der Einwilligungs-Klausel „Strom & Gas" wirksam und DSGVO-konform ist.
Es ging bei der Auseinandersetzung um die Beurteilung einer Werbe-Einwilligung in Telefonanrufe, die im Rahmen eines Gewinnspiels eingeholt wurde. Der sachliche Anwendungsbereich war mit „Strom & Gas" bestimmt.
Zunächst stellt das OLG Frankfurt a. M. fest, dass auch unter der DSGVO die Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Einwilligung in zukünftige E-Mail-Werbung abhängig gemacht werden kann. Daran habe sich auch unter dem neuen Datenschutzrecht nichts geändert.
Dann führt es aus, dass auch bei acht Co-Sponsoren die Transparenz noch gegeben und die Einwilligung wirksam sei:
„An der erforderlichen Klarheit kann es fehlen, wenn bereits die Anzahl der Unternehmen, zu deren Gunsten eine Werbeeinwilligung erteilt werden soll, so groß ist, dass sich der Verbraucher realistischerweise nicht mit all diesen Unternehmen und deren Geschäftsfeldern befassen wird (...).
Davon kann hier jedoch angesichts der acht in der Einwilligungserklärung aufgeführten Unternehmen noch nicht die Rede sein."
Und schließlich führt es hinsichtlich der sachlichen Reichweite im Rahmen der konkreten Einwilligungserklärung aus, dass „Strom & Gas" als Angabe ausreicht. Die Formulierung „Marketing und Werbung" dürfte eher unwirksam sein, so das Gericht:
„Was den Produktbezug angeht, so reichen vom Werbenden vorformulierte allgemeine Umschreibungen, etwa dahin, dass sich die Einwilligung auf ‚Finanzdienstleistungen aller Art‘ erstreckt, nicht aus (....).
Unter diesem Gesichtspunkt ist die Angabe in der Einwilligungserklärung zum Unternehmen der Antragsgegnerin (‚Strom & Gas‘) allerdings nicht zu beanstanden. Demgegenüber bestehen zwar Zweifel, ob die Einwilligung zugunsten des Unternehmens ‚X Ltd.‘ wirksam ist, da die Angabe zu diesem Unternehmen (‚Marketing und Werbung‘) nicht erkennen lässt, für welche Art von Produkten die Einwilligung in die Werbung erteilt wurde.
Dies berührt die Wirksamkeit der sachlich hinreichend konkretisierten Einwilligung zugunsten der Antragsgegnerin jedoch nicht. Insofern hat die fehlende Erkennbarkeit für ein Unternehmen nicht zur Frage, dass die gesamte Zustimmungserklärung ‚infiziert‘ ist und auch hinsichtlich der übrigen Unternehmen unwirksam ist."
C. Bedeutung der Entscheidung:
Eine für die Werbewirtschaft höchst erfreuliche Entscheidung. Während die ältere Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. außerordentlich restriktiv war, lockert das Gericht nun die Zügel ein wenig.
Im konkreten Fall verlor das werbetreibende Unternehmen zwar den Prozess, da es ihm nicht gelang, die betreffende Einwilligung hinreichend nachzuweisen.
Gleichwohl finden sich auch hier lesenswerte Ausführungen. Denn das Gericht stellt klar, dass je mehr erhobene Informationen bezüglich des Verbrauchers zutreffend seien, eine größere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der erhobenen Telefonnummer spreche:
„Der Werbende trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Telefonanschluss der E-Mail-Adresse, unter der die Bestätigung abgesandt wurde, zuzuordnen sei. Hat der Werbende allerdings seiner Darlegungslast genügt, obliegt es wieder dem Verbraucher darzulegen, dass er dennoch kein Einverständnis mit Werbeanrufen erklärt habe (...).
Zwar könnten hier die Adressen aus dem Telefonbuch ermittelbar sein und evtl. auch die Telefonnummer, die email-Adresse hingegen nicht, so dass der Datensatz in Anlage AG 1 in der Kombination eine Vielzahl von Informationen enthält. Je mehr persönliche Daten die Antragsgegnerin hat, desto eher könnten diese nur von der Zeugin stammen. Allerdings ist auch gerichtsbekannt, dass komplette Adressdatensätze in erheblichem Umfang gehandelt werden, so dass dem Umfang der Daten kein erhöhter Indizwert zukommt."
Von überragender Praxisrelevanz ist die Tatsache, dass sich nunmehr das OLG Frankfurt a. M. auf eine bestimmte Anzahl von Co-Sponsoren festgelegt hat. In der Vergangenheit gab es dazu bislang von deutschen Gerichten keine klaren, verbindlichen Ausführungen.
Und auch der sachliche Anwendungsbereich („Strom & Gas") wird vielen Anbietern weiterhelfen.