Selbstständige und Unternehmen entwickeln eigene Podcasts als Content-Marketing-Format. Das Medium bringt spannende Vorteile mit sich. Aber wie baut man sich eine Hörerschaft, eine Community auf? Wie funktioniert der iTunes-Algorithmus – und wie steigt man im iTunes-Ranking nach oben? Benjamin O´Daniel und Fabian Jaeckert geben Einblicke aus der Praxis und Tipps für das eigene Podcast-Marketing – und auch einen Ausblick, welche Rolle Podcasts in Zukunft für das Marketing spielen könnten.
Podcasts – so bauen Sie Reichweite auf!
Die Podcast-Welt ist eine kleine, aber feine Welt. Während es über eine Milliarde Websites gibt, sind es gerade einmal rund 550.000 Podcasts in 155 Ländern, die in iTunes gelistet sind. Und selbst diese überschaubare Zahl muss noch einmal eingedampft werden. Laut Blubrry, einem Podcast-Hoster aus den USA, senden 75 Prozent aller Podcasts nicht mehr. Der Fachbegriff dafür: Podfade – ein Podcast, der nach und nach einschläft. Kein Wunder, denn die Podcast-Produktion ist aufwendig. Dafür bringt das Medium einige wesentliche Vorteile mit sich.
15 Prozent der Menschen in Deutschland hören wöchentlich Podcasts, sagt die Studie „Spot on Podcast“. Im Auto, in der Bahn, im Fitnessstudio, beim Kochen – Audio ist ein Medium, das man gut konsumieren kann, während man etwas anderes tut. Offizielle Studien, wie viele Hörerinnen und Hörer deutschsprachige Podcasts in einzelnen Genres haben, gibt es nicht. Manche Podcaster sprechen von vier- bis fünfstelligen Downloads pro Episode, einige auch von sechsstelligen Zahlen.
Ein Podcast ist ein Vertiefungsmedium
Gleichzeitig ist ein Podcast ein Medium, das besonders intensiv genutzt wird. Das zeigt sich zum Beispiel in der Verweildauer. Apple bietet seinen Podcast-Produzenten mit „Podcast Analytics“ Statistiken (siehe Abb. 1) an. Dort kann man sehen, wie viele Minuten eine Hörerin oder ein Hörer mit einem Gerät im Durchschnitt in einer Folge geblieben ist.
An der Tabelle in Abb. 2 zeigt sich: Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 25 Minuten. Zum Vergleich: Wer in Google Analytics die durchschnittliche Verweildauer auf seiner Website betrachtet, sieht dort für einen Blogartikel häufig Werte zwischen zwei und fünf Minuten.
Ein größerer Betrachtungszeitraum untermauert diesen Eindruck. Die durchschnittliche Zeit pro Gerät im Monat liegt in diesem Beispiel bei über einer Stunde (siehe Abb. 3). Viele Hörer bauen Podcasts fest in ihren Medienkonsum ein – etwa auf dem Weg zur Arbeit. Viele hören per Kopfhörer. So entsteht eine tiefergehende Verbindung. Hörer haben das Gefühl, „man kennt sich“. Ein qualitativer Wert, der sich nicht mit Zahlen belegen lässt, von dem aber viele Hörer und Podcast-Produzenten in persönlichen Gesprächen berichten.
Podcasts werden vor allem unterwegs konsumiert. Das zeigt sich in dem Beispiel an den Quellen der Downloads. 99 Prozent werden über den Feed abgerufen (Abb. 4). Nur ein Prozent wird über den Webplayer auf der Website gehört. Der Vorteil: Über Podcast-Apps kann man sich einzelne Episoden herunterladen und dann unterwegs hören, ohne Datenvolumen zu verbrauchen.
Der Blick auf die Betriebssysteme (Abb. 5) zeigt: iOS führt mit über 50 Prozent deutlich. Der Podcast wird also vor allem von iPhone- oder iPad-Besitzern gehört. Das kann natürlich ein Einzelfall sein. Auf der anderen Seite ist Apple mit seinem iTunes-Kosmos seit Jahren führend. Die Podcast-App von Apple ist seit vielen Jahren auf iPhones vorinstalliert. Android-User dagegen mussten sich eine eigene Podcast-App erst einmal suchen und installieren.
Spätestens jetzt wird klar, warum das Ranking in iTunes für viele Podcaster wichtig ist. Sie wollen auf den vorderen Plätzen stehen, um dort ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Die Chancen dafür stehen gut. Denn je nach Rubrik – zum Beispiel Gesundheit (Abb. 6) – tummeln sich dort jede Menge Self-Publisher und kaum öffentlich-rechtliche oder private Rundfunksender.
So funktioniert der iTunes-Algorithmus
Stellt sich die Frage: Wie komme ich mit meinem Podcast in meiner Kategorie auf die vorderen Plätze? Oder anders gefragt: Wie funktioniert der iTunes-Algorithmus? Apple selbst äußert sich dazu gar nicht. Es gibt auch keinen Öffentlichkeitsarbeiter, vergleichbar mit Googles John Mueller. Trotzdem schälen sich durch Beobachtung und Tests einige Erkenntnisse heraus.
Wer regelmäßig in die Charts schaut, sieht: Es gibt häufig tägliche Wechsel im Ranking. Immer wieder schießen Neulinge nach oben – und stürzen genauso schnell wieder ab. Der Algorithmus reagiert also sehr kurzfristig. Was bringt diese Dynamik in den Algorithmus? Grundsätzlich betrachtet gibt es eine Handvoll potenzieller Rankingfaktoren. Dazu zählen Bewertungen, Rezensionen, Downloads und Abonnentenzahl (siehe Abb. 7). Die ersten drei Faktoren fallen jedoch als mögliche Rankingfaktoren heraus. Sie sind relativ statisch. Das Ranking wäre einzementiert. Neue Podcasts mit wenigen Sternchen und geringen absoluten Downloadzahlen hätten gegen die etablierten Podcasts keine Chance.
Anders sieht es bei den Abonnentenzahlen aus – und zwar genauer bei der Zahl der neuen Abonnenten, also wie viele Hörer einen Podcast neu abonnieren. Der Vorteil: Dieser dynamische Faktor ist rein leistungsbezogen und bewertet die Aktualität und Beliebtheit eines Podcasts, unabhängig von seiner bisherigen Popularität.
Eine Beispiel-Rechnung: Ein Podcast mit 1.000 Downloads und 100 neuen Abonnenten am Tag stünde im Ranking vor einem Podcast mit 20.000 Downloads, der aber nur 50 neue Abonnenten am selben Tag generiert. Die Wachstumsrate der Neu-Abonnenten innerhalb eines definierten Zeitraums wird auch in Podcast-Fachblogs als wesentlicher Rankingfaktor betrachtet, wurde allerdings von Apple nicht offiziell bestätigt.
Spammer sind längst da
Dieser relativ einfach gestrickte Algorithmus sorgt dafür, dass es bereits eine Reihe von Gray-Hat- bzw. Black-Hat-Praktiken entstanden sind, um seinen Podcast nach vorne zu schieben. Ein Beispiel: Man kauft sich über Plattformen wie „Fiverr“ Dienstleister ein, die dafür sorgen, dass der Podcast massiv abonniert wird. Die Hoffnung dahinter: Der Podcast wird auf die vorderen Plätze gepusht, Hörer stoßen über die Charts darauf und abonnieren die Sendung.
Man kennt solche „Einkauf-Strategien“ von Facebook, Twitter oder Instagram. Auch dort finden sich künstlich aufgepumpte Influencer. Für jeden Podcaster, der zu solchen Methoden greift, sollte klar sein: Man kauft sich keine echten Hörer. Eine gute Content-Performance – Stichwort Verweildauer – kann man so getrost vergessen. Obendrein ist es wahrscheinlich, dass Apple früher oder später ein solches Vorgehen abstraft. Außerdem stellt sich die Frage, wie sehr die Charts überhaupt von Hörern genutzt werden – oder ob sie nicht über ganz andere Kanäle auf Podcasts aufmerksam werden.
Strategien für mehr Reichweite
Welche nachhaltigen Strategien gibt es, seinen Podcast bekannter zu machen, sich eine Community aufzubauen und seine Reichweite zu steigern?
Wer bereits eine Community oder eine reichweitenstarke Website hat, ist klar im Vorteil. So fällt auf, dass Influencer oder bekannte Persönlichkeiten, die mit einem Podcast starten, sofort Top-Positionen erobern. Sie schicken ihr Publikum in den neuen Podcast. Beispiel: der myMonk-Podcast (Abb. 8 und 9). Der Lebenshilfe-Blog myMonk hat rund 100.000 Facebook-Fans und nach eigenen Angaben 40.000 Newsletter-Abonnenten. Mit seiner ersten Podcast-Folge setzte er sich direkt vor namhafte Podcasts wie von ZEIT ONLINE.
Ein zweiter Hebel sind Gäste im eigenen Podcast – und umgekehrt Gastauftritte in anderen Podcasts. Beispiel: Viele Podcaster in der Rubrik Management & Marketing kennen sich von einschlägigen Konferenzen wie der Podcast-Helden-Konferenz in Düsseldorf. Thematisch ergänzen sie sich oft gut. Ein Experte für Projektmanagement ist ein sinnvoller Gast in einem Podcast für Führungskräfte – und umgekehrt. Wichtig hier: Der Gastauftritt muss einen Mehrwert für die Community haben. Platte Werbung langweilt das Publikum.
Suche in der Podcast-App
Ein weiterer Punkt, der häufig unterschätzt wird, ist die Suchfunktion in den Podcast-Apps (siehe Abb. 10). In den Worten von Karl Kratz, bekannter Speaker und regelmäßiger Autor in der Website Boosting: Es ist ein alternatives Suchsystem. Und ein vergleichbares günstiges Suchsystem. Denn auf Begriffe wie Trading oder Geldanlage zahlt man bei Google Ads hohe Beträge. Der Wettbewerb in den organischen Suchergebnissen ist extrem stark. In der deutschsprachigen Podcast-Welt kann man die Content-Anbieter zu solchen Themen an zwei Händen abzählen.
Auch in der Podcast-App von Apple gibt es eine Suggest-Funktion (Abb. 11), vergleichbar mit Google Suggest. Es werden also Ergänzungen zum Suchbegriff vorgeschlagen. Während Google Ergänzungen bzw. weitere Wörter rund um den ersten Begriff anbietet, schlägt die Podcast-App Titel bzw. Namen einzelner Podcasts vor. Es hat den Anschein, dass die Suggest-Funktion von Apple eher eine Art Volltextsuche über das Titelfeld durchführt, als sinnvolle Ergänzungen anzubieten.
Wer schließlich Enter drückt, erhält Vorschläge für Podcasts. Unterhalb der Shows werden auch einzelne Podcast-Episoden zu dem Thema angezeigt. Auffällig hier: Das Keyword ist häufig im Episodentitel vorhanden.
Für Podcast-Produzenten heißt das: Sie benötigen eine klare Keyword-Strategie für den Namen bzw. Titel ihrer Sendung und für einzelne Episoden. Lyrische Titel haben es – aus Suchsicht – schwer. Die handwerkliche Kunst ist vergleichbar mit einer Snippet-Beschreibung, die ein Keyword mit einem knackigen Satz verbindet, sodass Mensch und Suchmaschine glücklich sind.
Die richtige Content-Strategie
Stück für Stück werden so Hörerinnen und Hörer auf den Podcast aufmerksam. Aber wie steigen sie in den Podcast ein? Hören sie nur die neueste Folge? Hier zeigt sich, dass Podcasts unterschiedliche Content-Strategien haben. Manche Podcasts sind News-orientiert. Andere Podcasts produzieren bewusst Evergreen-Content, also zeitlose Inhalte, die auch eine Woche, einen Monat oder ein Jahr später hilfreich sind.
Der Erfolg von Evergreen-Content spricht für sich: Viele Podcast-Hörer, die neu auf einen solchen Podcast stoßen, steigen tiefer ein. In Podlove Analytics (Abb. 12), einem WordPress-Plug-in für Podcast-Publisher, zeigt sich dies in den „Other Episodes“. Die dort kumulierten Abrufe der alten Folgen übertreffen an manchen Tagen die aktuelle Folge.
Der „Podcast-Longtail“ zeigt seine Wirkung umso mehr, je mehr alte Episoden vorhanden sind. Ein neuer Abonnent kann also ein sehr treuer Hörer werden. Ein qualitativer Faktor, der – anders als ein iTunes-Ranking – zwar nicht sichtbar ist, aber dafür umso wertvoller.
Podcasts im Fokus von Google
Podcasts sind immer noch eine Nische, besonders im Vergleich zu Video auf Social Media. Allerdings stehen die Zeichen gut, dass sich dies ändern wird. Google hat 2018 eine eigene Podcast-App herausgebracht. Die App wird in Zukunft auf Android-Phones vorinstalliert sein. Damit sinken die Hürden für Android-User, in die Podcast-Welt einzutauchen. Die weltweiten Marktanteile sprechen für sich: Android-Smartphones sind deutlich weiter verbreitet als iPhones.
Außerdem testet Google, Audio-Ergebnisse stärker in die organischen Suchergebnisse zu integrieren (Abb. 13). Es wäre ein logischer Schritt. Schließlich sind die drei anderen Mediengattungen Text, Foto und Video längst eng miteinander verzahnt. Außerdem gibt es eine eigene Video- und Foto-Suche. Eine Audio-Suche würde entsprechend Sinn machen. Solange das nicht der Fall ist, entstehen Suchmaschinen wie Spaactor, ein Bremer Start-up, das eine Audio-Suche anbietet.
Bei den Integrationsversuchen von Google fällt auf, dass sich die Suchmaschine offensichtlich zunächst auf Marken-Suchen beschränkt. Spannend könnte es werden, wenn Audio-Inhalte auch bei generischen Suchen integriert werden – und wie sie gewichtet werden
„In the longer term, integrating with Search means figuring out what each podcast is about and understanding the content of that podcast. This is something Google has done extremely well for text articles, as well as for images and even more structured data such as maps. We can help with audio, too. It has the potential to help people find the best content for them in that moment, better than they can today.” – Zack Reneau-Wedeen, Projektmanager Google Podcasts
Neben Google und Apple steht Spotify, das seine Podcast-Angebote ausbaut. Im Oktober 2018 hat sich Spotify für alle Podcasts geöffnet. Sie können über eine Schnittstelle ihre Inhalte im Streamingdienst veröffentlichen. Also wächst auch hier das Podcast-Universum.
Bleibt festzuhalten: Das iTunes-Ranking ist ein Auf und Ab. Man sollte sich gut überlegen, wie viel Aufmerksamkeit man dem Ranking widmet. Spannender ist es, seine eigene Content-Strategie zu entwickeln. Sauber definierte Keywords, zeitloser Content und Gastauftritte sind wirksame Mittel. Eine wichtige Erfolgsmetrik ist die Content-Performance. Wenn Hörerinnen und Hörer lange im Podcast verweilen, spricht das für die Qualität der eigenen Inhalte. Aus neuen Abonnenten werden so treue Stammhörer.