Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus Wien bietet Anlass, sich noch einmal mit dem Thema Koppelungsverbote im Bereich des Online-Marketings im Zeitalter der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auseinanderzusetzen.
Koppelungsverbote bei Marketing-Aktivitäten nach der DSGVO
1. Rechtslage nach Inkrafttreten der DSGVO
Bevor wir uns mit der bereits erwähnten aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus Wien1 beschäftigen, ist es ratsam, sich noch einmal die Rechtslage nach Inkrafttreten der DSGVO in Erinnerung zu rufen.
Obgleich seit Wirksamwerden dieses Gesetzes mehr als ein halbes Jahr vergangen ist, kursieren nach wie vor falsche Aussagen und Halbwahrheiten an allen Ecken und Enden des Internets.
Nachfolgend erläutern wir die juristische Lage anhand des Beispiels, bei dem im Rahmen eines Online-Gewinnspiels eine Einwilligung eingeholt wird.
Bei der Einholung einer Einwilligung (Opt-in) im Rahmen eines Gewinnspiels ist grundsätzlich zwischen dem Datenschutzrecht auf der einen Seite und dem Wettbewerbsrecht auf der anderen Seite zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist wichtig, weil hierfür unterschiedliche Gesetze gelten und somit die Rechtsprechung auch unterschiedliche Anforderungen aufstellt.
Beim Wettbewerbsrecht geht es um die Frage, ob und wie Teilnehmer des Gewinnspiels zu Werbezwecken kontaktiert werden dürfen, z. B. per E-Mail, Telefon oder Fax. Der „klassische Fall“ sind hier Spam-Mails oder unerlaubte Werbeanrufe (Cold Calls), die immer Wettbewerbsverstöße nach § 7 UWG darstellen. Beim Datenschutzrecht hingegen geht es allein um die Frage, ob die Daten (z. B. die E-Mail-Adresse) überhaupt erhoben und gespeichert werden dürfen.
Da sich durch die DSGVO keine Veränderungen im Wettbewerbsrecht ergeben haben, betrachten wir nachfolgend nur die datenschutzrechtliche Seite.
Maßgeblich hierfür ist Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Dieser lautet:
„Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.“
In den maßgeblichen Erwägungsgründen zur DSGVO heißt es dazu:
„Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn zu verschiedenen Verarbeitungsvorgängen von personenbezogenen Daten nicht gesondert eine Einwilligung erteilt werden kann, obwohl dies im Einzelfall angebracht ist, oder wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist."
Aufgrund dieser Ausführungen in den Erwägungsgründen wurde teilweise angenommen, dass nach der DSGVO überhaupt keine zwangsweise erhobenen Einwilligungen mehr erlaubt sind und somit ein absolutes Koppelungsverbot bestünde.
Bis vor Kurzem gab es verständlicherweise zu dieser Norm noch keinerlei Rechtsprechung, sodass nur auf die bislang veröffentlichten Stellungnahmen zurückgegriffen werden konnte. Dabei zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der Ansichten kein absolutes Koppelungsverbot vertrat.
So gab es erfreulicherweise eine offizielle Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht (BayLDA) dazu. Dort heißt es:
„Das bisher schon bestehende Koppelungsverbot für Werbung findet sich auch in der DS-GVO wieder. Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, ist dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist.
Daraus dürfte folgen, dass bei ‚kostenlosen‘ Dienstleistungsangeboten, die die Nutzer mit der Zustimmung für eine werbliche Nutzung ihrer Daten ‚bezahlen‘ (z. B. kostenloser E-Mail-Account gegen Zustimmung für Newsletter-Zusendung als ‚Gegenfinanzierung‘), diese vertraglich ausbedungene Gegenleistung des Nutzers bei Vertragsabschluss klar dargestellt werden muss. Raum oder Notwendigkeit für eine Einwilligung besteht dann nicht mehr."
Somit stufte das BayLDA kostenlos veranstaltete Gewinnspiele, bei denen der Nutzer die Teilnahme mit seiner Einwilligung „bezahlt“, als rechtlich zulässig ein, wenn in ausreichender Form darauf hingewiesen wird.
Auch die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) folgte dieser Ansicht und gab eine entsprechende offizielle Stellungnahme heraus. Dort heißt es:
„Das bisher schon bestehende Koppelungsverbot für Werbung findet sich auch in der DS-GVO wieder, ist aber nicht mehr davon abhängig, ob ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen möglich ist. Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, ist dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich ist (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO).
Bei ‚kostenlosen‘ Dienstleistungsangeboten, die die Nutzer mit der Zustimmung für eine werbliche Nutzung ihrer Daten ‚bezahlen‘ (z. B. kostenloser E-Mail-Account gegen Zustimmung für Newsletter-Zusendung als ‚Gegenfinanzierung‘), muss diese vertraglich ausbedungene Gegenleistung des Nutzers bei Vertragsabschluss klar und verständlich dargestellt werden. Nur dann besteht keine Notwendigkeit mehr für eine Einwilligung.“
Auch die bislang publizierte rechtswissenschaftliche Literatur vertritt ganz überwiegend diesen Standpunkt und bewertete derartige kostenlose Gewinnspiele grundsätzlich nicht als Verstoß gegen das Koppelungsverbot. Eine gerichtliche Entscheidung gab es bis dato jedoch nicht.
2. Entscheidung des Obersten Gerichtshof
Dies hat sich nun durch die lesenswerte Entscheidung des Obersten Gerichtshof (OGH) aus Wien geändert. Das Gericht beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema Koppelungsverbot bei Marketingaktivitäten. Wichtig zu wissen ist, dass der OGH in Österreich das ist, was der Bundesgerichtshof in Deutschland ist. Insofern handelt es sich um ein höchstrichterliches Urteil.
Die Entscheidung ist auch auf den deutschen Rechtsraum übertragbar, da Grundlage der rechtlichen Bewertung die DSGVO ist, die bekanntlich europaweit gilt. Entscheidet ein ausländisches Gericht über die Normen der DSGVO, so sind diese Ausführungen somit auch für Deutschland von erheblicher Relevanz.
Der Beklagte, ein Anbieter von kostenpflichtigen TV-Programmen, verlangte vom Kunden die Zustimmung zu bestimmten Datenverarbeitungsvorgängen, die über die eigentliche Abwicklung des Vertrags hinausgingen. Eine der zusätzlichen Einwilligungsklauseln lautete:
„Der Kunde stimmt zu, dass die von ihm angegebenen Daten (…) verwendet werden, um dem Kunden Informationen über das Produktportfolio von X (…) per Post, E-Mail, Telefon, SMS, Fax oder über soziale Netzwerke zukommen zu lassen (…). Des Weiteren stimmt der Kunde zu, dass die von ihm angegebenen Daten (…) an die verbundenen Unternehmen der A, B und C übermittelt werden."
Ohne Zustimmung zu dieser erweiterten Einwilligung konnte der Verbraucher keinen entgeltpflichtigen Vertrag abschließen.
Zunächst stellt der OGH fest, dass die DSGVO kein absolutes, unbedingtes Koppelungsverbot aufstellt. Vielmehr sei es in bestimmten Konstellationen durchaus möglich, vom User eine entsprechende Zustimmung zwangsweise abzufragen.
Die Passagen aus den Erwägungsgründen der DSGVO könnten nicht den klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 DSGVO unterlaufen. Das Gericht statuiert damit ausdrücklich nur ein relatives Koppelungsverbot, jedoch kein unbedingtes. Es seien jedoch strenge Voraussetzungen an die Freiwilligkeit zu stellen:
„Das Spannungsverhältnis zwischen dem Text der Verordnung und dem Erwägungsgrund 43 ist offensichtlich dahin aufzulösen, dass an die Beurteilung der ‚Freiwilligkeit‘ der Einwilligung strenge Anforderungen zu stellen sind.
Bei der Koppelung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsschluss ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen (...)."
Nach Meinung des OGH statuiert die DSGVO also kein unbedingtes Koppelungsverbot. Jedoch sind an das Merkmal der Freiwilligkeit hohe Anforderungen zu stellen.
Die Ausführungen des OGH betreffen nur die Konstellation, wenn der Kunde parallel einen kostenpflichtigen Vertrag eingeht, z. B. in einem Online-Shop einkauft oder online eine Dienstleistung beauftragt.
Die Äußerung der Richter betreffen nicht die Fälle, bei denen es um kostenlose Angebote (z. B. Einholung einer Einwilligung im Rahmen eines Gewinnspiels) geht.
3. Die Konsequenzen aus der Entscheidung
Erfreulicherweise ergibt sich aus der OGH-Entscheidung bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten der DSGVO eine weitgehende Rechtssicherheit in puncto des datenschutzrechtlichen Koppelungsverbots.
Ob eine Kopplung erlaubt ist oder nicht, hängt zunächst von der Frage ab, ob die Einwilligung in weitere Marketingaktivitäten im Rahmen eines unentgeltlichen oder entgeltlichen Vertrags erhoben wird.
Bei kostenpflichtigen Verträgen besteht der Grundsatz, dass keine Kopplung erfolgen darf. Nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Umstände wird man eine solche Handlung als zulässig erachten können.
Bei kostenlosen Verträgen (z. B. einem üblichen kostenlosen Online-Gewinnspiel) hingegen wird die Kopplung grundsätzlich erlaubt sein. Nur bei Bestehen gewichtiger Gründe (z. B. extrem weitreichende Datenverarbeitung) wird man von einem Verbot ausgehen können.