Am 5. September fand erneut der „growth marketing SUMMIT 2018“ in Frankfurt am Main statt. Trotz des Ausweichens auf einen größeren Konferenzstandort „growthed“ offenbar nicht nur titelgemäß das Marketing, sondern wächst auch ständig das Interesse an dieser rein englischsprachigen Konferenz. Wie André Morys als Veranstalter mitteilte, stieg die Zahl der Teilnehmer erneut um 20 % und wahrscheinlich wird man schon im nächsten Jahr erneut die Location wechseln müssen. Die Teilnehmer aus 16 Ländern, sogar aus Neuseeland reiste jemand an, waren jedenfalls begeistert von der Vielfalt der Themen und den Referenten. Website Boosting hat sich für Sie dort umgesehen.
Das Marketing growth machen
Kundenorientierung. Dass dies an erster Stelle stünde, sagen zwar die meisten Unternehmen von sich, aber die wenigsten leben das tatsächlich oder prüfen, wie groß die Lücke zwischen der Empfindung beim Kunden und dem „Wollen“ tatsächlich ist. Wer auf traditionellem Weg via Telefon versucht, ein Taxi zu bestellen, weiß laut André Morys, warum Uber so gut läuft: It don´t sucks! Man sucht in einer fremden Stadt eine Telefonnummer einer Taxizentrale, dann geht erst niemand ran oder es ist belegt. Nicht selten ist die Person an der anderen Seite unfreundlich oder zumindest nicht wenigstens in Ansätzen fühlbar freundlich. Wann denn das Taxi da wäre? Keine Ahnung, in zehn bis zwanzig Minuten vielleicht. Wer dann einmal mit Uber (oder mytaxi; Anm. der Redaktion) via App gearbeitet hat, wird wohl niemals mehr die Telefonnummer einer Taxizentrale benutzen oder benötigen.
„Warum läuft Uber so gut? It don´t sucks!“, André Morys
Wir betreten gerade „Phase 3“, meinte Steven van Belleghem. Nach Phase 1 (seit 1995) „Information“ mittels PC und Phase 2 (seit 2007) „Mobile & Communication“ öffnet sich jetzt gerade die Phase der künstlichen Intelligenz (KI). Insbesondere die kontextbezogenen Analysen, die durch KI ermöglicht werden, eröffnen eine ganz andere Art des Marketings und der Kundenansprache. Kern ist nicht nur eine bloße Umstellung von analog zu digital, sondern die daraus folgende Aufklärung durch die anfallenden Nutzerdaten. Spotify & Co. liefern eben nicht nur Musik digital aus, sondern sorgen dafür, dass schon nach kurzer Zeit durch passende Empfehlungen der Dienst für den Nutzer immer unverzichtbarer wird. Noch sind wir weit davon entfernt, die wahren Kundenbedürfnisse wirklich verstehen zu können, aber die Erfüllung dieser Marketingverheißung ist nicht mehr allzu weit entfernt. Einen Beleg für das Noch-nicht-Verstehen sieht Belleghem darin, dass wir noch immer dumme Empfehlungen bekommen. Hat man ein Hotel gebucht oder Schuhe gekauft, bekommt man im dümmsten, aber nicht selten beobachtbaren Fall das gleiche Hotel und die gleichen Schuhe kurz darauf empfohlen. Um das zu vermeiden, muss man sich, so sein Credo, mehr auf Technologien konzentrieren, um an Ende Kundenbedürfnisse nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Larry Page von Google wunderte sich in einer Präsentation laut, warum eigentlich ein Toaster bisher immer noch nur toasten kann. Der Hersteller Griffin hat also nun einen Toaster im Programm, der eine App-Anbindung hat. Man kann sich damit per Smartphone via Textmessage informieren lassen, dass der Toast fertig ist. Wow. Sarkasmus – Ende.
Er empfahl jedem ernsthaften Marketer einen Besuch in China, um einen dort bereits realisierten Einblick in die für uns noch digitale Zukunft zu bekommen. Einige Läden dort nehmen bereits seit Jahren keine Kreditkarten mehr. Man zahlt mit der WeChat App. Und zwar so konsequent, dass sich die Endgeräte für normale Kartenzahlungen offenbar kostenmäßig nicht mehr rentieren. Am Ende hatte er auch eine strategische Lösung parat. Man solle die Ideen und Technologien der Tech-Companies kopieren und sie für die eigenen Stärken einsetzen und nutzen. Und: Der (auch spätere Einsatz) von KI wird nur funktionieren, wenn man auch die Daten dafür hat bzw. jetzt mit dem strukturierten Sammeln beginnt. Wer nun im Hinblick auf die DSGVO starke Kopfschmerzen bekommt, weiß, warum viele Experten der Ansicht sind, dass uns Europa möglicherweise langsam, aber sicher von der Zukunft abkoppelt.
Aber auch für die kleineren Unternehmen gab er eine Empfehlung ab: Man erstelle eine Liste mit Kundenfrustrationen und arbeite eine nach der anderen ab. Das kostet fast nichts, erspart die Investition in teure Technologien und bringt in der Regel schnell einen spürbaren Liftup.
„From digital first to mobile first. From Mobile first to AI first“, Steven van Belleghem
Morgan Brown wies auf eine Umfrage hin, dass 80 % der CEOs ihren CMO (Marketing-Chefs) nicht trauen. Den Finanzchefs (CFO) und IT-Chefs (CIO) bringen hingegen nur zehn Prozent Misstrauen entgegen. Möglicherweise liegen die Gründe darin, dass offenbar in vielen Unternehmen kein messbarer Zusammenhang zwischen den Marketingausgaben und (Umsatz-)Wachstum besteht, wie McKinsey in einer umfassenden Studie herausgefunden hat.
„Data wins Arguments“, Morgan Brown
Das, also das Misstrauen, behindert das Unternehmenswachstum zum Teil extrem. Abhilfe kann man unter anderem dadurch schaffen, dass man sich mehr und mehr auf datengestützte Entscheidungen stützt. Messen und Testen ist dabei der erste Schritt zu eher unwiderlegbaren Argumenten, wenn etwas geändert oder verbessert werden muss.
Oft mangelt es aber einfach nur an einer richtigen Umsetzung guter Konzepte, wie Erin Weigel von booking.com mit ihrer Erfahrung von über 1.200 Conversion-Experimenten darlegte. Dort haben neun von zehn durchgeführten Experimenten den Status #fail. Allerdings, so Weigel, liegt es meist an der Ausführung, nicht am Testkonzept. Das kann an variablem Traffic oder dessen Eintrittskanälen, Browsertypen, unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, der Seitenladegeschwindigkeit oder schlicht an einer anderen Schriftart liegen, die an ungünstigen Stellen Text umbricht. Es gibt deutlich mehr Möglichkeiten, Fehler beim Testen zu machen, als erfolgreich zu sein. Die „unsichtbaren“ oder besser nicht berücksichtigten Effekte bei einem UX-Test können gravierende Auswirkungen haben. Ein Beispiel: Während ein Text in Englisch noch in ein weltweit verwendetes Template passt, können durch den erhöhten Platzbedarf in Deutsch schon für eine Conversion-Entscheidung des Besuchers wichtige Informationen fehlen, ungünstig umbrechen oder als Textbox über einem Bild eben dort Entscheidendes verdecken.
Stellen z. B. Browser oder Templates Bilder in einem Test unterschiedlich dar, und man kennt bzw. berücksichtigt/behebt diesen Effekt nicht, kann man den erhobenen Daten nicht trauen. Wer besondere Schriftarten benutzt, kann sich ebenfalls einen unangenehmen Side-Effekt einfangen. Durch Speedoptimierungen wird ein Text zunächst in der Standardschriftart geladen und angezeigt. Anschließend wird die neue Schrift nachgeladen und der Text „springt“ im Auge des Besuchers. Bereits dies kann einen Test entscheidend verfälschen.
Ihr Fazit bzw. ihre Tipps für besonderes Augenmerk:
- Die genaue Testumsetzung beeinflusst
- Die Seitenladegeschwindigkeit beeinflusst
- Das Tracking beeinflusst
- Die Trafficmenge beeinflusst
- Das Design beeinflusst
- Das Timing beeinflusst
- Die Belastbarkeit/Ausfallsicherheit der Site beeinflusst
Nathalie Nahai, Autorin des bekannten Fachbuchs „Web of influence“ hinterfragte die wahren Treiber, die hinter den Entscheidungen der Menschen stecken. Was beeinflusst deren Stimmung?
Prinzip 1: Homophilie
Wir mögen Ähnlichkeit. Dinge (auch Websites), die Dingen ähneln, die wir bereits kennen und mögen, erhöhen unbemerkt unser Vertrauen, das sinnbildlich gesprochen mit dem Erkennen der Ähnlichkeit übertragen wird. Es gilt also, die Kunden wirklich zu kennen, sie zu verstehen und anschließend zu „spiegeln“. Dieses Prinzip ist aus dem Bereich der Körpersprache bestens bekannt. Wer Körperhaltung und Bewegung seines Gegenübers spiegelt, wird faktisch als sympathischer und vertrauenswürdiger wahrgenommen. Wer seine Kunden, Ihre Bedürfnisse und typische Emotionalität nicht kennt oder in Erfahrung bringt, hat es hier schwer.
Prinzip 2: Cognitive Load
Die geistige Leistung, die man auf einer Website erbringen muss, ist ebenfalls sehr entscheidend für Besucher. Unser Arbeitsgedächtnis ist von Natur aus nicht für komplexe Aufgaben geeignet. Hier gilt es, alle (Teil-)Aufgaben, insbesondere den Kaufprozess selbst, dahingehend zu analysieren, dass alles möglichst leicht und ohne größeres Nachdenken bewältigt werden kann. Dies ist gerade, so Nahai, für Smartphones wichtig. Dort wurden und werden ja oft die Desktopversionen und dort entwickelte Prozesse einfach nur größentechnisch umdesignt, aber eben nicht auf die spezielle Benutzung eines kleinen Displays und fehlender Ruhe im Umfeld neu entwickelt. Das erhöht regelmäßig den Stresslevel bei Nutzern und überfordert sie. Ihr Tipp: Nicht wirklich nötige Aktionen reduzieren, Prozesse in kleine Schritte aufteilen und eine echte Anpassung an den Bildschirm.
Prinzip 3: Processing Fluency
Um einen Prozess beim Nutzer einfacher wirken zu lassen, kann es schon genügen, einen Designguide eisern einzuhalten und über immer gleiche Call-to-Actions, Textphrasen, optische Strukturen etc. das Prinzip der Wiederholung einzuhalten. Wenn alles mit gleicher Funktion gleich aussieht, gleich benannt ist und auch wirklich die gleiche Aktion ausführt, gehen Prozesse schneller und belasten auch den Cognitive Load weniger. Darauf hat auch Usability-Guru Steve Krug mit seinem bekannten „Don´t make me think!“ zu Recht immer wieder hingewiesen. Eine einfache Sprachwahl unterstützt selbstverständlich ebenfalls eine positive Wahrnehmung beim Besucher.
Save the date: Der nächste growth marketing SUMMIT findet am 5. September 2019 in Frankfurt unter der Themenflagge „The agile business revolution“ statt. Informationen und auch ein „Super Early Bird“-Ticket zum vergünstigten Preis von 680.- statt regulär 980.- € unter www.growthmarketingsummit.com.