„Menschen wie ich treffen Entscheidungen in erster Linie rational.“ Ich mustere meinen Gesprächspartner, der gerade diesen seltsamen Satz gesagt hat: Er trägt teure Markenklamotten, eine Rolex blitzt am Handgelenk, das iPhone fest im Griff.
Abgekratzt …
Jeder Gedanke entsteht aus einem Gefühl. Es sind mächtige Gefühle, die uns überleben lassen, uns warnen, unsere niedersten Handlungen steuern. Doch genau diese Gefühle steuern neben unseren archaischen Trieben auch brandneue Gewohnheiten: Eine neue Facebook-Benachrichtigung? Schnell mal schauen, was los ist! Ein neues iPhone, Auto, Softwareprodukt, Gadget? MUSS ICH HABEN! HABEN!!!
Das Phänomen der Neomanie ist nur eine von unzähligen Ausprägungen, wie Emotionen unsere täglichen Handlungen steuern. Und dennoch erlebe ich Tag für Tag Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass „Kaufentscheidungen vor allem auf einer rationalen Ebene stattfinden“.
In einer Welt, in der nahezu jeder Gedanke auf einem bereits von jemand anderem vorgedachten Gedanken aufbaut, erscheint der Glaube an „rationale Entscheidungen“ recht absurd: Jeder Satz, jedes Wort, jedes Symbol ist eine Beeinflussung. Das gilt übrigens im B2C genauso wie im B2B: In beiden Fällen sitzen echte Menschen am anderen Ende der Leitung. Menschen sind keine anderen Menschen, nur weil sie gerade im Büro sitzen und zufällig einen Anzug tragen. Sie tragen immer noch dieselben Ängste, Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen in sich wie sonst auch. Und im „B2B“ wird das Thema „Emotionen“ sogar noch intensiver: Schrauben für die Produktion bestellen? Ist doch einfach: Google aufmachen, „Schrauben kaufen“ eintippen, das beste Ergebnis auswählen, dann nach Verfügbarkeit, Preis, Lieferzeit entscheiden – fertig! Allesamt „rationale“ Entscheidungen – oder?
Wenn es zwei völlig identische Anbieter für Schrauben gibt, beide mit identischem Preis, Verfügbarkeit und sonstigen Konditionen, für welchen entscheiden wir uns dann? „Wir“ entscheiden in der Regel ohnehin nicht – unser Unterbewusstsein hat schon längst die Kontrolle übernommen. Auf jeder Website wirken Dutzende, Hunderte Signale auf uns ein, die einen Kauf fördern oder eben verhindern können. Die Intuition steuert und der Verstand versucht hastig, eine plausible Rechtfertigung für das eigene Handeln zu finden. Und selbst hartgesottene und erfahrene Chefeinkäufer lassen sich reproduzierbar durch kleine, subliminale „Informationen“ in ihren Kaufentscheidungen beeinflussen.
Wer für sein Unternehmen ein Paket Schrauben kauft und seinen Job auch nur annähernd ernst nimmt, wird sofort mit einer Reihe hochemotionaler Fragen konfrontiert, zum Beispiel: „Sind das wirklich die richtigen Schrauben? Was denkt mein Vorgesetzter über mich, wenn ich die falschen bestelle?“ „Mist. War das wirklich der günstigste Preis?“ „Was kann passieren, wenn die Schrauben nicht halten?“ „Gefährde ich meine Karriere, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe?“ „Mein Schwager braucht diesen Auftrag …“
Erfahrene Menschen könnten in der Tat „rationaler“ handeln – und lassen sich im Alltag dann doch wieder von ihren Emotionen leiten. Und gleichzeitig gibt es einen dauerhaften Strom an Menschen, für die „alles beim ersten Mal neu ist“ und jede ihrer Handlungen wird von überdurchschnittlich hohen Emotionen begleitet. Es ist aus einer Online-Marketing-Sicht recht fahrlässig, das Thema „Emotionen“ zu vernachlässigen. Hier eine Daumenregel:
Keine Emotion -> Keine Resonanz à Keine Konversion.
DU bist der Architekt, der die Wahrnehmung einer neuen Realität in den Köpfen Deiner Kunden steuert. Gute Werkzeuge dafür sind zum Beispiel Empathie und Resonanzfähigkeit. An die Arbeit – rock on!