CRO-Best-Practices am Beispiel des Europa-Parks

Bastian Sanke
Bastian Sanke

Bastian Sanke ist Leading Expert Conversion-Rate-Optimierung bei der TIE Kinetix GmbH in München. Seine Schwerpunkte im Team Analytics & Optimization sind die Themen CRO und Personalisierung. Er ist Spezialist für Optimizely X und berät hauptsächlich Kunden im Bereich E-Commerce und Media/TV.

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Carolin Kraus
Carolin Kraus

Carolin Kraus ist Leading Expert für User Centered Design & Research bei der TIE Kinetix GmbH in München. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Überprüfung nutzerzentrierter Konzepte basierend auf qualitativen & quantitativen UX-Methoden (z. B. Usability-Test, Fokusgruppen, Umfragen etc.). Neben dem Europa-Park berät sie v. a. Kunden aus dem Versicherungswesen mit dem Ziel der kontinuierlichen Websiteoptimierung.

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Der Europa-Park ist eine der größten Touristenattraktionen Deutschlands und einer der meistbesuchten Freizeitparks der Welt. Der Schlüssel zu einem überragenden Vergnügungsparkerlebnis besteht heutzutage nicht nur aus dem reinen Parkbesuch, sondern beginnt schon lange davor über verschiedenste digitale Kanäle. Die Digitalisierung hat den Europa-Park vor neue und spannende Herausforderungen gestellt. Wichtige Elemente dieser erfolgreichen Entwicklung sind dabei eine starke digitale Kultur im Unternehmen sowie eine stetige und nachhaltige Optimierung der digitalen Kanäle.

Dieser Artikel stellt Ihnen einen strukturierten Prozess für die Conversion-Rate-Optimierung (CRO) anhand von Best-Practice-Beispielen vor.

Der Europa-Park und die Herausforderungen der digitalen Kanäle

Der Europa-Park war seit seiner Gründung schon immer ein Innovationstreiber und wusste seine Chancen durch kaufmännische Sorgfalt und fleißiges Unternehmertum zu nutzen. Ursprünglich als Ausstellungsgelände für Achterbahnen und andere Fahrgeschäfte konzipiert, entwickelte sich der Park rasant zum zweitgrößten Freizeitpark Europas. Schon in frühen Phasen der Digitalisierung wurde erkannt, dass Unternehmen mehr tun müssen, als sich nur an Prozesse und Systeme anzupassen. Sie müssen eine eigene digitale Kultur entwickeln und mutige Entscheidungen treffen. Dabei sind digital denkende und agierende Mitarbeiter elementar, um digitale Geschäftsmodelle und technologische Plattformen erfolgreich einführen zu können.

„We have to work with the technology of today and tomorrow to deliver our guests a great experience.”
(Michael Mack; Quelle: innoboard.de/innovation-management/europa-park-michael-mack/)

Ein Einblick in die Ziele und KPI

Um ein besseres Bild über die wichtigsten Motivationen und Ziele des Europa-Parks zu erhalten, wurde ein Stakeholder-Workshop durchgeführt, also mit allen internen und externen Personengruppen, die von den unternehmerischen Tätigkeiten gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind. Die gebräuchlichsten Ziele und Leistungskennzahlen (auch Key Performance Indicator oder kurz KPI) wurden definiert.

Diese Ziele sind die Basis für die Conversion-Rate-Optimierung (CRO) mit quantitativen Methoden wie A/B-Testing. Generell geht es bei CRO um die Verbesserung der unternehmensspezifischen KPI wie der Conversion-Rate. Conversions bei Europa-Park sind beispielsweise der Kauf einer Eintrittskarte oder eine Hotelbuchung. Eine Umrechnungsrate (Conversion-Rate) wird gemessen auf der Grundlage des Verhältnisses der Gesamtsumme der Conversions im Vergleich zur Gesamtzahl der Besucher einer spezifischen Webseite.

Tipp: Wenn alle Teammitglieder und Stakeholder an der Zieldefinition beteiligt sind, hat man über die komplette Projektlaufzeit deren volle Unterstützung.

Kommunikation ist die Grundlage jeder Beziehung

Um eine schnelle und reibungslose Kommunikation sowohl intern als auch mit allen Dienstleistern zu gewährleisten, arbeitet der Europa-Park mit verschiedenen Online-Kollaborationsplattformen wie JIRA oder Confluence. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass jedes interne Teammitglied und jeder externe Partner immer vollständigen Zugang zu den aktuellsten Informationen und relevantem Feedback hat. Jeder kann somit direkt sehen, was momentan geschieht, welche nächsten Schritte getan werden und welche unternommen werden müssen.

Wie optimiert der Europa-Park seine Leistung?

Als führender Freizeitpark in Deutschland strebt der Europa-Park stets nach Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren und sich selbst herauszufordern. Optimierung sollte Teil jedes Prozesses sein. Deshalb wird ein strukturierter und iterativer Optimierungsprozess verwendet, dessen Ziel eine kontinuierliche und nachhaltige Verbesserung der wichtigen KPI ist. Dieser Ansatz basiert auf Modellen für die agile Entwicklung von Softwarelösungen und gliedert sich in vier standardisierte Schritte: Measure, Analyse, Create und Learn & Improve.

  1. Measure
    Um eine kontinuierliche Verbesserung gewährleisten zu können, ist es zunächst wichtig, die Leistung richtig zu messen. Eine gut funktionierende Web-Analytics-Integration kann dabei helfen zu verstehen, was genau passiert. Eines der Tools, die der Europa-Park für Web-Analysen nutzt, ist Google Analytics. Ein weiteres quantitatives Analyse-Tool zur Messung der Web-Performance ist das Mouse-Tracking. Mit dem Mouse-Tracking kann man die Klicks, Mausbewegungen und das Scroll-Verhalten der Seitenbesucher anonym aufzeichnen und aggregieren. Dieses Verhalten kann dann in sogenannten „Heatmaps“ dargestellt werden und veranschaulicht, was funktioniert, was nicht und was für den Besucher vielleicht nicht deutlich ist.
     
  2. Analyse
    Analytics und Mouse-Tracking helfen zu verstehen, was in welchem Umfang passiert, sie klären allerdings oft nicht das Warum. Hier kommen qualitative Analyse-Methoden ins Spiel. Diese Methoden sind dafür geeignet, Gründe für das Nutzerverhalten zu finden, und somit elementar, um das Nutzerverhalten positiv beeinflussen zu können. Für ein direktes Nutzerfeedback werden in der Zusammenarbeit mit Europa-Park Methoden wie Fokusgruppen, Expert Reviews und Onsite-Befragungen genutzt.
    Tipp: Verwenden Sie qualitative Methoden, um die Gründe des Nutzerverhaltens zu finden, und verlassen Sie sich nicht auf Ihr Bauchgefühl. Denn niemand, der tagein, tagaus mit einem Produkt arbeitet, besitzt einen objektiven Blick für den eigenen Webauftritt.
     
  3. Create
    Mit den gewonnenen Erkenntnissen können in der Folge Optimierungsideen für diese Problemstellungen unter Berücksichtigung der Intentionen und Motivationen der Nutzer herausgearbeitet werden. Diese Ideen werden gesammelt und priorisiert, um erfolgversprechende Ideen gezielt weiterzuverfolgen. Eine gute Möglichkeit, die erfolgversprechendsten Optimierungsideen zu bewerten, ist A/B-Testing. A/B-Tests vergleichen zwei Versionen einer Webseite oder App, um zu sehen, welche besser performt.
     
  4. Learn & Improve
    Zentral für diesen Lernprozess und auch den gesamten Optimierungsprozess ist die Dokumentation. Zum einen kann durch eine gute Dokumentation Wissen nachhaltig wiederverwendbar gemacht werden und zum anderen ist es die Grundlage für überzeugende Reportings an Projektbeteiligte. Beim Optimieren geht es um die ständige Verbesserung und nachhaltiges Wachstum. Das bedeutet: Selbst wenn ein Test einmal kein positives Uplift erzeugt, so liefert er dennoch wertvolle Erkenntnisse.

Best Practices am Beispiel Europa-Park

In Zusammenarbeit mit Europa-Park wurden schon viele Optimierungsprojekte durchgeführt. Im Folgenden werden drei Projekte beschrieben und gezeigt, wie der strukturierte Optimierungsprozess dazu beitrug, diese erfolgreich zu gestalten.

Die Erfahrung beim Ticketkauf verbessern

In Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung verkauft auch der Europa-Park die Eintrittskarten immer häufiger über seine Webseite. Somit ist die kontinuierliche Optimierung des Online-Kaufprozesses ein zentraler Bestandteil aller Optimierungsmaßnahmen. Die quantitative Analyse mit Google Analytics zeigte eine hohe Absprungrate auf der hochfrequentierten Ticket-Preisseite des Europa-Parks. Mit dem Mouse-Tracking-Tool Hotjar wurden zudem das Klick- und Scroll-Verhalten sowie Mausbewegungen der Webseiten-Besucher aufgezeichnet und ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten auf, dass die fehlende visuelle Hierarchie und die große Menge an Informationen die User scheinbar überforderten. Mit diesen Erkenntnissen wurde das Webseiten-Layout einfacher gestaltet, wodurch ein optimales Online-Ticketkauf-Erlebnis geschaffen wurde.

Vom Tagesgast zum Übernachtungsgast

Der Europa-Park wird teilweise als Tages-Attraktion wahrgenommen und manche Kunden wissen nicht, dass der Europa-Park eine Kombination aus Park- und Hotelaufenthalt für Besucher anbietet. Dieses Mehrtagesangebot macht das Erlebnis für den Besucher noch unvergesslicher und vielfältiger. Aus Gesprächen mit den Stakeholdern und aus den Google-Analytics-Daten, die zeigten, dass die Folgeseiten nach dem Besuch der Preisseite größtenteils aus dem Hotel-Kontext waren, ergab sich ein Test mit dem Ziel, Tagesbesucher zu Mehrtagesbesuchern zu entwickeln. Die Kunden wurden auf der Homepage durch Banner und Hinweise verstärkt auf das Kombi-Angebot aufmerksam gemacht. Der Test zeigte, dass durch den Hinweis mehr Besucher auf das Angebot aufmerksam wurden und es auch zu einem höheren Absatz führte.

Benutzerorientierte Webseiten-Navigation

Ein Leuchtturm-Projekt ist im Sprachgebrauch des Europa-Parks ein für alle gut sichtbares und meist auch emotional wichtiges Projekt der Website-Optimierung. In diesem konkreten Fall geht es um eine komplette Überarbeitung der Navigation, welche im März 2017 gelauncht wurde.

Durch Expertenanalysen und das Feedback der kontinuierlichen Onsite-Befragung wurde aufgezeigt, dass die bisherige Menüführung u. a. zu unübersichtlich, verschachtelt und unstrukturiert ist, sodass Inhalte für die Nutzer teils schwer auffindbar waren. Außerdem führten Anpassungen, Optimierungen und neue Designs, die auf den Webseiten der Wettbewerber stattfanden, zu einem „Wunsch nach Veränderung” bei den Europa-Park-Entscheidern.

Zur Entwicklung einer nutzergerechten Lösung und eines optimierten Bedienkonzepts wurden qualitative Fokusgruppen mit Vertretern der Zielgruppe gebildet. In vier moderierten Workshops wurden u. a. Erfahrungen, Erwartungen und Verbesserungsvorschläge zur bestehenden Europa-Park-Seite ausgetauscht und Stärken und Schwächen von Bedienkonzepten anderer Freizeitpark-Webseiten diskutiert.

Mithilfe der Cardsorting-Methode wurde zudem eine komplett neue nutzerzentrierte Sitestruktur erarbeitet. Aufgeteilt in Kleingruppen sortierten die Teilnehmer gemeinsam die auf Karten gedruckten Websiteinhalte neu. Die gebildeten Cluster wurden mit passenden Benennungen versehen und in Haupt- und Submenüpunkte gegliedert.

Gegenüber der bestehenden Navigation zeichnet sich diese Navigation durch eine Reduzierung der Menüpunkte und die Umbenennung und Restrukturierung einzelner Navigationsbereiche aus. Um die neue Struktur vor dem Go-live nochmals abzusichern, wurde diese im Rahmen einer quantitativen Online-Befragung anhand verschiedener Bewertungsdimensionen evaluiert. Die Ergebnisse zeigten bei den Beurteilungen der Zufriedenheit, dass die neue Lösung gegenüber dem Status quo deutlich gewinnt.

Tipp: Für direktes Nutzer-Feedback sind Methoden wie Fokusgruppen, Expertenanalysen und Vor-Ort-Umfragen hilfreich. Diese können gerade in der Beginn-Phase größerer Projekte gezieltes und wertvolles Feedback von Nutzern liefern.

Die digitale Reise bleibt spannend

Um die digitale Reise zu optimieren, wie es der Europa-Park gemacht hat, muss begonnen werden, die verschiedenen Einflüsse zu verstehen und zu messen und diese vereint als Basis zur Optimierung der Nutzererfahrung anzuwenden. Nicht jeder Schritt führt unmittelbar zu einer sichtbaren (messbaren oder emotional fühlbaren) Verbesserung in Bezug auf eines der gesetzten Ziele, ist aber Teil einer größeren Reise.

Der Artikel soll dazu anregen, auch komplexe Herausforderungen im Bereich CRO durch ein gezieltes Vorgehen und direkte Kommunikation in Erfolge umzuwandeln. Ein Zuwachs an Wissen bei allen beteiligten Seiten und ein datengetriebener Denkansatz sind dabei willkommene Nebeneffekte, um die zukünftigen Herausforderungen wie Machine Learning (ML) und digitale Assistenten zu meistern.