Viele Experten raten dazu, unwichtige Seiten oder Seiten mit doppelten bzw. fast identischen Inhalten aus dem Index von Suchmaschinen zu entfernen. Das alte Mantra „Mehr ist mehr und bringt mehr“ stimmt schon lange nicht mehr. Unternehmen scheuen sich aber noch immer oft, solche Seiten ohne Mehrwert mutig zu löschen oder zu deindexieren.
Warum so ein Content-Clean-up-Projekt funktioniert, worauf man dabei achten sollte und welche Auswirkungen es auf den SEO-Erfolg hat, erklärt Marco Lauerwald, Head of Search bei Urlaubsguru.de anhand konkreter Praxisbeispiele. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Der Content wurde um 96 % reduziert, was die Sichtbarkeit bei Google um respektable 775 % erhöhte und den Aufstieg in die SEO-Top-10 der Travel-Branche ermöglichte.
Feucht durchwischen! SEO-Content-Management beim Urlaubsguru
Urlaubsdeals zu Schnäppchenpreisen. Für wenig Geld rund um die Welt. Das ist das Geschäftsmodell, das die UNIQ GmbH aus Holzwickede in den letzten Jahren zu einem erfolgreichen Start-up machte. Im Jahr 2012 legten die beiden Freunde Daniel Krahn und Daniel Marx den Grundstein für ein Unternehmen, das heute mehr als 150 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. Neben Projekten wie Prinz-Sportlich.de, Mein-Haustier.de, Captain-Kreuzfahrt.de und Schnaeppchenfee.de betreibt das Unternehmen den Reiseblog Urlaubsguru.de.
Bekannt wurde der Urlaubsguru vor allem durch seinen enormen Erfolg im Bereich Social Media. 2017 durchbrach der internationale Facebook-Account erstmals die Sechs-Millionen-Fans-Marke. Eigentlich ein Grund zu feiern, jedoch merkten die Gründer schon 2016, dass sich Facebook die organische Reichweite immer mehr Geld kosten lässt. „Selbst mit einer stetig wachsenden Community auf Facebook konnten wir organisch leider immer weniger Menschen erreichen“, erklärt CEO und Gründer Daniel Marx, und weiter: „Dies war einer der Gründe, wieso wir im letzten Jahr die Entscheidung getroffen haben, mehr im Bereich SEO zu investieren, um dort zu wachsen.“
Ein Jahr SEO beim Urlaubsguru: Mit nur 4 % aller Seiten in die SEO-Top-10 der Travel-Branche
Nach einem Jahr SEO fällt die Bilanz sehr gut aus: Im Indexwatch von SISTRIX belegte Urlaubsguru.de mit einem Visibility Uplift von 207 % den fünften Platz der SEO-Gewinner 2016. Zudem gehört der Reiseblog mittlerweile in die Top 10 der Seiten mit der höchsten Sichtbarkeit innerhalb der Travel-Branche in Deutschland (siehe Abbildung 1). Wie der Reiseblog so erfolgreich wurde, erklärte Marco Lauerwald, Head of Search bei UNIQ, bereits auf der SEO Campixx oder auf dem Searchmetrics Summit: „Wir haben im ersten Schritt unseres Content-Management-Prozesses unseren Keller aufgeräumt. Wir haben jede einzelne Blogseite auf links gedreht, analysiert und anschließend entschieden, wie wir mit den Seiten umgehen: Löschen, deindexieren, updaten oder behalten. Innerhalb dieses Prozesses haben wir mehr als 125.000 Seiten aus dem Google-Index geworfen. Wie man sieht: Mit Erfolg.”
Reduktion von Content: Eine bewährte Strategie in vielen Branchen
Die Steigerung der SEO Visibility durch ein Clean-up war bei Urlaubsguru.de kein Zufall. Auch andere Webseiten hatten mit dieser Strategie bereits großen Erfolg. Eines der signifikantesten Projekte ist Pflege.de. Die Webseite erzielt im April 2017 eine Sichtbarkeit von 6,66 Punkten bei Sistrix, und das mit nur 250 Seiten. Im August 2014 unterhielt Pflege.de noch über 30.000 Seiten und erreichte damit eine Sichtbarkeit von 1,1 Punkten. Somit wurden über 99 % aller Seiten aus dem Google-Index entfernt und dabei eine Visibility-Steigerung von über 500 % generiert. Ein weiteres Beispiel ist Pinterest.com. Das soziale Netzwerk erzielte mit einem Uplift von 337 % den ersten Platz im Sistrix Indexwatch der SEO-Gewinner 2016. Bereits 2015 läutete der damalige Growth-Experte Casey Winters einen Clean-up bei Pinterest ein: „The thing is, search engines will not crawl all 50 billion pins or 1 billion boards, we had to figure out which pins and boards were worth showing to search engines” (Quelle: einfach.st/casw5). Wenn man sich den Verlauf der indexierten Seiten des Netzwerks anschaut, sieht man deutlich, dass Pinterest an diesem Problem arbeitete: Waren im Mai 2015 noch knapp drei Milliarden Seiten indexiert, sind es im April 2017 nur noch 77 Millionen Seiten. Somit reduzierte das Unternehmen seinen Seitenbestand um 97 % und gewann dabei 518 % mehr Sichtbarkeit.
Doch für wen ist diese Strategie eigentlich gut geeignet?
Eine Reduktion von Content kann vor allem sehr großen Webseiten helfen, deren Content historisch und unkontrolliert gewachsen ist. Das Ziel einer Content-Reduktion ist die Freilegung von SEO-Potenzialen. Durch das Löschen von Thin-Pages oder Duplicate Content haben die wirklich wichtigen Seiten eine Chance, ihren Platz in den SERPs zu bekommen. Auch kleine Seiten sollten immer mal wieder ihren Content-Bestand checken und schauen, ob noch alle Seiten einen Mehrwert für den Kunden bieten. Häufig liegen Potenziale in Corporate-Blogs oder PR-Meldungen. Diese Artikel sind in der Regel nur für einen kurzen Zeitraum relevant, blockieren dann aber langfristig wichtige Keywords. Auf solche Verzeichnisse sollte man immer einen kritischen Blick werfen und schauen, ob eine Pressemitteilung nicht zum Beispiel einer Produktseite im Weg steht. Alles in allem ist es immer eine gute Idee, innerhalb eines SEO-Content-Management-Prozesses einen Überblick über die Relevanz und Aktualität der eigenen Inhalte zu behalten, um daraus die richtigen Entscheidungen für die eigene SEO-Strategie zu entwickeln.
Die vier Phasen in einem SEO-Content-Management-Prozess
Das SEO-Content-Management beim Urlaubsguru basiert im Wesentlichen auf den Grundlagen einer modernen und klassischen SEO-Strategie (siehe Abbildung 2). Wie die letzte Searchmetrics Ranking-Faktoren-Studie zeigte, ist die Befriedigung der Userintention eine der größten Erfolgsfaktoren im Bereich SEO. Wir müssen uns also immer die Frage stellen: Mit welcher Intention nutzt ein User eine Suchmaschine und wie können wir mit unseren Inhalten diese Intention so befriedigen, dass der Nutzer unsere Seite mit einem positiven Usersignal wieder verlässt? Gestützt von den Grundpfeilern wie Backlinks und einer technisch einwandfreien und schnellen Webseite versucht Urlaubsguru, diese Frage in vier Content-Management-Phasen zu beantworten.
1. Phase im SEO-Content-Management-Prozess: Crawl- & Indexierungs-Management
In der ersten Phase geht es vor allem darum, seine Inhalte auf der Webseite genau unter die Lupe zu nehmen und den Content-„Keller” aufzuräumen. Gebt Thin-Pages und Duplicate Content keine Chance! Webseiten sollten ihren Keller aufräumen, um das Crawl-Budget effizienter zu nutzen. Google gesteht aus Ressourcengründen jeder Webseite nur eine gewisse Anzahl an Seiten zu, die täglich gecrawlt werden. Es ist daher wichtig, dass man sich den Index nicht unnötig mit Seiten vollstopft, die keinen Mehrwert haben. Wie erkennt man solche Seiten? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zunächst sollte man sich die Traffic-Zahlen in Google Analytics anschauen. Seiten, die in einem gewissen Zeitraum keinen Traffic mehr bekommen haben, sind heiße Kandidaten für einen Löschprozess. Duplicate-Content-Probleme kann man zum Beispiel mit der Google Search Console identifizieren oder sich in dem Sistrix Keywordbericht „Keywords mit mehr als einer rankenden URL” anzeigen lassen. Neben der Reduktion von Thin-Pages und Duplicate Content ist die interne Verlinkung ein wichtiger Bestandteil in der Crawl-Budget-Optimierung. Mit anderen Worten: Der Content-Keller muss so aufgeräumt werden, dass nur noch die Inhalte mit Mehrwert drin sind, und diese sollten so zueinander verlinkt sein, dass der Google-Crawler UND die User ohne Probleme an die wichtigsten Unterseiten kommen.
2. Phase im SEO-Content-Management-Prozess: Content-Relevanz-Analyse
Sobald der Content-Keller aufgeräumt ist und nur noch Inhalte drin sind, die potenziell einen Mehrwert bieten, geht es in die Content-Relevanz-Analyse. In diesem zweiten Schritt im SEO-Content-Management-Prozess geht es darum, aus einer IST-Analyse der Keywordrankings eine Soll-Konzeption zu entwickeln. In einer idealen Welt hat jede Seite einer Domain ein Fokuskeyword definiert, für das am Ende natürlich die erste Seite rankt. Um das zu erreichen, sollten viele Daten erhoben und zusammengeführt werden: Für welche Keywords rankt Seite A aktuell? Für welches Fokuskeyword sollte Seite A ranken? Und warum rankt eigentlich Seite B für mein Fokuskeyword und nicht Seite A? Sicherlich ist jedem klar, dass an dieser Stelle das IST und das SOLL oft nicht automatisch Hand in Hand gehen. Häufig ist es sogar so, dass Seiten mit einem informationellen Inhalt für Keywords ranken, die hoch transaktional sind, und natürlich auch andersrum. Bei Urlaubsguru wurde diese Analyse mit einem umfangreichen Excel-Sheet mit dem klangvollen Namen: „SEO Bibel” gelöst. In diesem Sheet laufen alle Informationen zusammen: Anzahl der Backlinks einer Seite, aktuelle Rankings einer Seite, Zielrankings der Seiten sowie Keyword- und Seitenintentionen. Aus all diesen Informationen wird der Content in vier Kategorien sortiert (siehe Abbildung 3). Während Thin-Pages und Duplicate Content gelöscht werden, wandern veraltete Inhalte in den Aktualisierungsprozess. Saisonale Inhalte und Evergreen Content wird behalten und ggf. auch in den Aktualisierungsprozess gegeben.
3. Phase im SEO-Content-Management-Prozess: Optimierung bestehender Inhalte
Passt die IST-Situation einer Seite nicht mit dem SOLL-Konzept zusammen, muss die Seite in den Aktualisierungsprozess. Hierbei wird neben dem Inhalt selbst auch die interne Verlinkung angepasst. Beispiel: Rankt die falsche Seite für ein definiertes Fokuskeyword, so muss der Content so optimiert werden, dass die eigentlich vorgesehene Seite eine Chance hat, ein Ranking für das Keyword zu bekommen. Auf der anderen Seite spielt hier auch die interne Verlinkung eine wichtige Rolle. Hier sollte man darauf achten, dass intern möglichst immer mit den gleichen Anchortexten zu einer bestimmten Seite verlinkt wird. Unfocussed Anchortexte sorgen beim User, aber auch beim Googlebot für Verwirrung: Bei gleichen Anchortexten bei unterschiedlichen Zielseiten weiß am Ende niemand so recht, welche Seite eigentlich die relevanteste für das Keyword ist. Als SEO versuchen wir also in dieser Phase, so nah wie möglich an die SOLL-Konzeption heranzukommen.
4. Phase im SEO-Content-Management-Prozess: Aufbau von neuen Inhalten
Innerhalb des SEO-Content-Management-Prozesses ist der Aufbau neuer Inhalte eine der einfachsten Aufgaben. Falls für bestimmte Keywords einfach noch keine Inhalte vorhanden sind, müssen sie erstellt werden. Die Produktion der neuen Inhalte sollte sich dabei an den Userintentionen orientieren. Soll also ein transaktionales Keyword eingesammelt werden, sollte auch eine Shop- oder Produktseite als Landingpage angelegt werden. Sind es informationelle Keywords, dann ist eine Seite im Blog oder Lexikon besser aufgehoben.
SEO-Content-Management messbar machen: Wichtige KPIs zur Erfolgsmessung
Wie bei allen Kampagnen oder Strategien muss auch der Erfolg eines SEO-Content-Management-Ansatzes messbar gemacht werden. Für die unterschiedlichen Phasen innerhalb des Prozesses können jeweils andere Indikatoren berechnet werden. Für die Reduktionsphase hat Johannes Kunze ein schönes Excel-Sheet gebaut, mit dem man anhand von Sistrix-Daten den Fortschritt schnell ablesen kann. Das Sheet beruht auf folgenden KPIs:
- Page Efficiency Index: [Sichtbarkeitsindex] / [Indexierte Seiten] * 100.000 (Faktor nur notwendig, um lesbare Werte zu erhalten)
- Index Efficiency: [URL Top-100] / [Indexierte Seiten]
- Keyword URL Efficiency: [KW Top-100] / [URL Top-100]
- Page Top 10 Efficiency Index: [URL Top-10] / [Indexierte Seiten]
- Page Top 100 Efficiency Index: [URL Top-100] / [Indexierte Seiten]
Mehr dazu im Blogbeitrag: einfach.st/takev3
Gerade beim Löschen von Thin-Pages oder Duplicate Content sollte das Ziel sein, am Ende des Prozesses keine Rankings zu verlieren. In der Abbildung 3 kann man sehen, dass der Reduktionsprozess bei Urlaubsguru.de keine Auswirkungen auf die Summe an Top-10- oder Top-100-Keywords hatte.
In den Produktions- und Aktualisierungsphasen ist es wichtig, dass man seine Keywords täglich kontrolliert. In den verschiedenen SEO-Tools wie SEMRush, Sistrix oder Searchmetrics können Keywords hinterlegt werden, die dann täglich gecrawlt werden. Passen die entsprechenden Seiten mit den jeweiligen Fokuskeywords zusammen, hat man sein Ziel erreicht.
Fazit und Status quo bei Urlaubsguru.de
Nach über einem Jahr SEO und einem Jahr konsequenten SEO-Content-Managements hat das Unternehmen über 125.000 Seiten gelöscht und dabei die Sichtbarkeit auf über 50 Punkte bei Sistrix und über 100 Punkte bei Searchmetrics gesteigert. Allein 2017 ist das bereits jetzt ein Wachstum von über 100 %. In der Abbildung 4 sieht man die Korrelation der indexierten Seiten und der SEO-Sichtbarkeit. Besonders auffällig war der Zeitpunkt, an dem die indexierten Seiten erstmals das tägliche Crawl-Budget unterschritten. Zu diesem Zeitpunkt machte Urlaubsguru.de einen großen Sprung nach vorne. Wieso das so funktionierte? Google weiß es zu schätzen, wenn eine Webseite Inhalte zur Verfügung stellt, die einen Mehrwert für den User haben. Diese Seiten werden bei besonders großen Webseiten oft von schlechten Seiten überlagert oder sind so schlecht verlinkt, dass weder der Googlebot noch ein User sie jemals findet. Eine Content-Reduktion hilft an dieser Stelle, die wirklich guten Inhalte aus dem verstaubten Keller zu retten. Gepaart mit einer guten internen Verlinkung werden diese Inhalte zu (neuen) Goldgruben für jede Webseite. Im letzten Schritt muss über eine Content-Steuerung dafür gesorgt werden, dass eine Seite auch für das passende Fokuskeyword rankt. Beide Faktoren zusammen katapultierten Urlaubsguru.de in die Top 10 der Reisebranche. Und das Unternehmen aus Holzwickede kam, um auch dort zu bleiben. Fazit: Content ist King. Content-Management ist Queen.