Content Curation: Inhalte betreuen wie ein Ausstellungsmacher

Andre Alpar
Andre Alpar

Andre Alpar ist seit über 20 Jahren unternehmerisch im Bereich Online-Marketing tätig. Er hat unter anderem die ehemals 170-köpfige Performance-Marketing-Agentur AKM3 gegründet, welche nach dem Verkauf an Publicis zum wesentlichen Bestandteil von Performics wurde. Heutzutage ist er als Investor, Fachautor (über 50 veröffentlichte Fachartikel), Keynote Speaker (über 150 Fachvorträge) und Podcaster (#askOMR) aktiv.

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Content-Marketing erweist sich in der Praxis oft als aufwendiger Prozess. Vor allem die Erstellung eigener Inhalte bindet viel Zeit und Ressourcen. Wäre es da nicht hilfreich, auf fremde Inhalte zurückgreifen zu können? An diesem Punkt kommt das Thema Content Curation ins Spiel. Andre Alpar erklärt, wie Sie davon profitieren können.

Was ist Content Curation?

Übersetzt man den Begriff, kommt man auf die etwas sperrige Formulierung „Kuratieren von Inhalten“. Was man unter „Inhalt“ beziehungsweise „Content“ versteht, ist (wie beim Content-Marketing) nicht genau definiert. Es kann sich um E-Books, Blogartikel und Facebook-Posts handeln, um Infografiken und Videos und vieles mehr. Letztendlich ist für Online-Marketer „Content“ all das, was im Internet publiziert wird und den Kunden anspricht. Das Spannende an diesem Ansatz steckt dagegen im Begriff „Curation“.

Das Kuratieren gehört seit jeher zu den Grundprinzipien jedes Museums. Entsprechend seiner Ausrichtung sammelt es bestimmte Objekte – zum Beispiel Fossilien, technische Geräte oder Gemälde. Diese Dinge werden gesichtet und in immer wieder neuen Konstellationen dem Publikum präsentiert. Dabei leben Ausstellungen nicht nur davon, dass der Kurator die eigene Sammlung gut kennt, sondern ebenso davon, dass er sie häufig durch Leihgaben anderer Museen oder privater Sammler ergänzt.

Grundsätzlich geht es bei Content Curation genau darum: Man nutzt einen eigenen Medienkanal, um spannende Inhalte mit seinem Publikum zu teilen. Die Artikel, Fotos, Infografiken oder Videos hat man aber nicht selbst erstellt, sondern sie stammen von dritter Seite. Content Curation geht über ein simples Retweeten, Reposten oder Rebloggen jedoch weit hinaus. Denn jeder Empfehlung wird noch etwas Eigenes hinzugefügt: eine kurze Zusammenfassung, eine fachliche Einordnung oder der Hinweis, warum der Beitrag wichtig, spannend oder interessant ist.

Als Konzept wird Content Curation schon seit einigen Jahren diskutiert, praktiziert wird es hingegen nur von wenigen Unternehmen. Die New York Times verschickt zum Beispiel zweimal in der Woche den Newsletter „What We‘re Reading“, in dem Redakteure interessante Beiträge aus dem Web empfehlen. Artikel aus der NYT sind nicht darunter.

Auch der Blog „Longreads “ stellt täglich mehrere „Lesestücke“ vor. Dabei handelt es sich um lange Zeitungsreportagen oder Hintergrundartikel. Für sie wird immer die Lesezeit angegeben – mal 5, mal 25, mal über 70 Minuten.

Wie funktioniert Content Curation?

Eines vorweg: Content Curation ist nicht einfach nur die Ansammlung anderer Inhalte, so wie IBM dies im „Smarter Cities Scan“ handhabt. Das Magazin soll eigentlich die Vorreiterrolle des IT-Unternehmens auf dem Zukunftsmarkt betonen. Allerdings verlinkt der Tumblr-Blog lediglich auf fremde Inhalte rund ums Thema. Für interessierte Leser mit wenig Zeit mag dies durchaus nützlich sein – doch dieses oft angeführte Beispiel hat in Wahrheit mit Content Curation nur am Rande zu tun.

Wer Inhalte wirklich „kuratieren“ will, kommt nicht umhin, immer auch eine eigene Perspektive hinzuzufügen. Daher ist Content Curation in der Praxis oft aufwendiger, als man glaubt. Mit einer geordneten und strategischen Herangehensweise kann man aber die Prozesse effizient gestalten. Für alle, die mit Content Curation bislang keine oder wenig Erfahrung haben, bieten die folgenden fünf Schritte Erste Hilfe. Entwickelt wurde die Methode von Curata, einem Anbieter von Content-Curation-Software.

  1. Legen Sie zunächst das Ziel fest: Wollen Sie ein Magazin aufbauen, das sich später monetarisieren lässt? Ihre Zielgruppe stärker an sich binden, um den Verkauf zu stärken? Ihr Unternehmen als Autorität oder Vorreiter positionieren?
  2. Finden Sie zunächst ein Thema, das zu Ihrem Unternehmen passt. Sammeln Sie dann themenbezogene und vertrauenswürdige Quellen (Zeitungen, Zeitschriften, Online-Magazine, wissenschaftliche Publikationen, Fachblogs, Facebook-Accounts von Experten).
  3. Kuratieren Sie die Inhalte: Sie wählen die relevantesten Nachrichten aus und stellen sie zusammen. Für jede Meldung formulieren Sie eine eigene Einleitung, in der Sie erklären, warum die Nachricht interessant ist, oder in der Sie Ihre professionelle Einschätzung abgeben.
  4. Teilen Sie die kuratierten Inhalte: Sie verschicken die ausgewählten und kommentierten Inhalte per E-Mail-Newsletter, auf dem Unternehmensblog oder bei Facebook oder Tumblr.
  5. Analysieren Sie den Erfolg: Dabei überwachen Sie KPIs, zum Beispiel den Zuwachs an Abonnenten (Newsletter), an wiederkehrenden Besuchern (Blog) oder Followern (Social Media). Die Daten geben Auskunft darüber, ob die Strategie aufgeht – oder angepasst werden muss.

Warum lohnt sich Content Curation?

Content Curation ist eine Chance für viele Unternehmen und Publisher, den eigenen Content sinnvoll zu ergänzen. Man macht seinen Nutzern Informationen zugänglich, die über das eigene Wissen und die eigene Fachkompetenz hinausgehen. Somit erhöht man seine Relevanz für die Nutzer, da sie umfassend über ein Thema informiert werden, ohne die eigene Seite verlassen zu müssen.

Das Präsentieren von Inhalten aus anderen Quellen signalisiert aber auch Mut und Fachkenntnis. Mut beweist man dadurch, dass die Nutzer von der eigenen Webpräsenz auf Dritte verwiesen werden. Dadurch betreibt man mehr als nur Eigenwerbung. Die Fachkenntnis kommt darin zum Ausdruck, dass relevante Artikel von Dritten ausgewählt und auch bewertet beziehungsweise kommentiert werden. Auf diese Weise zeigt man seine Kompetenz im gesamten Themenspektrum, in dem sich das Unternehmen bewegt. Diese beiden Eigenschaften führen dazu, dass Nutzer Vertrauen aufbauen.

Content Curation hat mehrere Effekte:

  • Verbesserung von Rankings: Zum einen verbessert man seine Nutzersignale, weil solche Zusammenfassungen bei Lesern beliebt sind. Zum anderen sind Rankings für zusätzliche Keywords möglich.
  • Kundenbindung und Weiterempfehlung: Finden Nutzer zu einem Thema umfangreiche Informationen, sind sie zufrieden und werden Sie weiterempfehlen. So steigt langfristig auch die Reichweite.
  • Markenbildung: Das, was Nutzer mit einer Marke verbinden, hängt vor allem von dem Mehrwert ab, den diese ihren Nutzern bietet. Wird der Nutzer also umfassend beraten, assoziiert er die Marke mit Expertenwissen und Know-how.

Wo liegen die Herausforderungen von Content Curation?

Doch Content Curation bedeutet auch, dass man die Werke anderer Autoren, Unternehmen oder Publisher mit den eigenen Nutzern teilt. Denn egal, wie groß der eigene Anteil im Beitrag ist, die Quelle der Information muss in jedem Fall angegeben werden. Auch der Aufwand, der durch Content Curation entsteht, wird oft unterschätzt. Das Sammeln und Kuratieren von Inhalten nimmt Zeit in Anspruch, wenn die gesteckten Ziele erreicht werden sollen. Um relevante Informationen zu finden, müssen beispielsweise viele Quellen durchforstet und Beiträge studiert werden.

Welche Erfolgsfaktoren gibt es?

  • Zielgruppe verstehen: Nur wenn die verbreiteten Inhalte auch für die Nutzer relevant sind, ist Content Curation erfolgreich. So sollten im Vorfeld vor allem die Interessen, Informationsquellen und bevorzugten Medien der Zielgruppe identifiziert werden. Außerdem muss man diese Informationen immer auf dem neuesten Stand halten.
  • Unternehmensziele berücksichtigen: Die Inhalte sollten auch auf das eigene Unternehmen abgestimmt sein. So müssen alle Beiträge zum Unternehmensbild passen.
  • Relevante Informationsquellen: Die Wahl der Informationsquellen ist entscheidend. Man sollte nur vertrauenswürdige Quellen für die Recherche nutzen. Das Spektrum muss jedoch auch vielfältig sein, denn nutzt man immer wieder die gleichen Quellen, wird man selbst irgendwann überflüssig.
  • Rechercheaufwand nicht unterschätzen: Für das Sammeln der Inhalte sollten Unternehmen ausreichend Zeit einplanen, um den Nutzern spannenden und informativen Content liefern zu können. Außerdem muss immer der Wahrheitsgehalt der Aussagen überprüft werden.
  • Synergien nutzen: Bei der Content Curation sollte man Synergien innerhalb des Unternehmens nutzen. Es gilt, einen Prozess zu schaffen, in dem alle Mitarbeiter, die beruflich bereits den Markt und die Konkurrenten beobachten, relevante Informationen an die Content-Curation-Verantwortlichen weitergeben. Ein genaues Briefing zu Beginn der Maßnahmen ist dabei unerlässlich.
  • Langfristigkeit: Wegen des hohen Rechercheaufwands sollte Content Curation langfristig geplant werden. Auch die bereits erwähnten Vorteile bezüglich des Autoritätsaufbaus, der Kundenbindung und der Suchmaschinenoptimierung stellen sich nur bei langfristiger Durchführung ein.
  • Urheberrecht nicht verletzen: Dieser wichtige rechtliche Aspekt darf nicht unterschlagen werden. Content Curation dreht sich um das Teilen von Inhalten Dritter, und das muss auch so gekennzeichnet werden. Die Quelle der Informationen muss also immer genannt werden, auch wenn das bedeutet, auf die Konkurrenz hinzuweisen. Außerdem sollten Zitate möglichst klein gehalten werden und stattdessen die eigene Bewertung der Inhalte im Vordergrund stehen.
  • Mit den ausgewählten Inhalten auseinandersetzen: Jeder Inhalt sollte genau unter die Lupe genommen, kommentiert, bewertet und auch ergänzt werden. Nur so kann Content Curation dem Nutzer einen tatsächlichen Mehrwert bieten.
  • Mit Tools den Aufwand reduzieren: Einige Tools ermöglichen es, den Rechercheaufwand gering zu halten. So gibt es spezielle Curation-Tools wie Scoop.it und Curata.com, mit denen die Inhalte leichter gesammelt und gesichtet werden können. Aber auch Notiz-Tools wie Evernote können dabei helfen, Ideen und Links zu sammeln.

Fazit

Content Curation eignet sich für jeden: Sei es ein Unternehmen, das seine Kunden umfassend über das eigene Themenspektrum informiert, oder ein Publisher, der seinen Lesern zusätzliche interessante Artikel zukommen lässt. Ebenso spielt es keine Rolle, ob es sich bei den Nutzern um B2B- oder B2C-Kunden handelt. Beide profitieren von Content Curation, wie die folgenden Beispiele zeigen:

PosterXXL, ein Unternehmen für Fotoprodukte, stellt in seinem Facebook-Kanal regelmäßig Beiträge aus Fotoblogs oder Fotocommunitys vor und verbindet diese mit Tipps zum Fotografieren.

Red Bull nutzt seinen Facebook-Kanal dafür, außergewöhnliche sportliche oder abenteuerliche Leistungen zu teilen. Dabei greift das Unternehmen überwiegend auf eigene Inhalte zurück, es werden jedoch auch Beiträge anderer Facebook-Kanäle kuratiert. Diese passen hervorragend in das Gesamtkonzept des Unternehmens und erhalten so die gleichen Reaktionen wie die eigenen Beiträge.

Der finletter ist ein Newsletter mit Finanznachrichten der Woche und richtet sich damit vor allem an die Finanzbranche. Darin werden regelmäßig Beiträge kuratiert, indem die wichtigsten Nachrichten, aber auch Stellenangebote kurz vorgestellt und dann verlinkt werden.

Alle positiven Beispiele haben eines gemeinsam: Sie bieten ihren Nutzern einen Wert, der über die Ansammlung von Links hinausgeht. Und das ist vor allem dann der Fall, wenn das Kuratieren von Inhalten langfristig betrieben wird. Dann wird der Kurator zu einer Institution, der aus der Vielzahl von Veröffentlichungen die wichtigsten, spannendsten und interessantesten Texte, Grafiken oder Videos herausfiltert. Dabei kann Content Curation sowohl als eigenständiges Business-Modell funktionieren, wie beim finletter, als auch als Element einer Content-Strategie.

Seine Stärke spielt Content Curation dann aus, wenn in den verschiedenen Phasen die unterschiedlichen Abteilungen ineinandergreifen. Die Sammlung von Material erfolgt dann idealerweise in den Fachabteilungen, die Veröffentlichungen zusammentragen, um auf dem Laufenden zu bleiben und Informationen über den Markt, das Thema und die Zielgruppe zu erhalten. Die Veröffentlichung der Inhalte findet dann an einer anderen Stelle statt – zum Beispiel in der PR- oder der Social-Media-Abteilung.