Wenn man an Social-Media-Marketing denkt, fallen meistens sofort berühmte Kampagnen und Marken wie Blendtec, Coca-Cola, Hornbach oder Oreo ein. Der Maschinenbauer, der IT-Konzern oder der Automobilzulieferer wird dabei nur selten in den Sinn kommen. Dabei bieten die sozialen Medien viele Möglichkeiten für Business-to-Business-Unternehmen, Reichweite, Leads und Kunden zu gewinnen, das eigene Image zu stärken oder sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Social-Media-Marketing im B2B-Sektor funktioniert allerdings nach anderen Prinzipien und folgt anderen Gesetzen. Worauf Unternehmen achten sollten und wie Social-Media-Marketing im Geschäftskundenumfeld gelingen kann, ist Inhalt des zweiten Teils dieser Artikelreihe von Social-Media-Experte Felix Beilharz.
Social-Media-Marketing im B2B (2/2)
Kanalauswahl
Prinzipiell stehen Unternehmen im B2B-Sektor vor der gleichen Herausforderung wie die Vertreter des B2C-Sektors: Aus der Unzahl an Kanälen die richtigen herauszupicken, um keine Ressourcen zu verschwenden und Ergebnisse zu produzieren.
Die Auswahl der Kanäle sollte dabei grundsätzlich nach strategischen Gesichtspunkten erfolgen:
Welche Kanäle:
- passen zu den angestrebten Zielen?
- werden von den Zielgruppen in ausreichendem Maße genutzt?
- sind finanziell und technisch realisierbar?
- passen zum (gewünschten) Unternehmensimage?
- sind ausreichend etabliert, um größere Investitionen zu rechtfertigen?
- lassen sich dauerhaft bespielen?
Diese Fragen sind essenziell und sollten mit der nötigen Ruhe und Tiefe abgeklärt werden. Die Entscheidung für oder gegen YouTube als Marketingkanal hängt unter anderem davon ab, ob ein Unternehmen in der Lage ist, entsprechendes Videomaterial auf passendem Niveau regelmäßig zu produzieren. Videos verschlingen in ihrer Produktion meist deutlich mehr Ressourcen als z. B. ein Blogbeitrag und es wäre schade, wenn der Kanal nach den ersten drei Videos wieder brachliegt, weil die Ressourcen für die nächsten Clips fehlen.
Social-Media-Kanäle für das B2B-Marketing
Im B2B-Sektor haben sich grundsätzlich folgende Kanäle bewährt:
Blogs und Magazine
Im B2B-Umfeld geht es weniger um Fun, Action und Unterhaltung (wobei das auch eine Rolle spielen kann, wie manche Beispiele zeigen), sondern eher um Fachcontent und Problemlösung, also tiefer gehende Betrachtungen auf höherem Niveau. Das braucht entsprechend Platz, weshalb ein Tweet oder Facebook-Post nicht ausreicht.
Unternehmen im B2B-Sektor sind daher gut beraten, einen eigenen Blog oder ein Content-Magazin auf der eigenen Website in Erwägung zu ziehen. Hier bestehen keine der vielen inhaltlichen oder gestalterischen Restriktionen der Social Networks. Durch den generierten Traffic steigt die Kunden- und Markenbindung. Es lassen sich auf vielfältige Weise Leads generieren und auf neue Produkte oder Events hinweisen. Der Content ist nachhaltiger und unterliegt einer höheren Kontrolle als auf einer Drittplattform. Und durch den Einsatz von Retargeting-Pixeln lassen sich hervorragend Zielgruppen für weitergehende Werbemaßnahmen bilden. Von den SEO-Vorteilen mal ganz abgesehen.
Viele Unternehmen schreckt das Wort „Blog“ ab. Dabei muss es weder „Blog“ heißen noch wie ein Blog aufgebaut sein. KASPERSKY nennt seinen Blog zum Beispiel „KASPERSKY lab DAILY“ (https://blog.kaspersky.de) und produziert einen interessanten Mix aus Beiträgen zu Web Security, digitale Erziehung, Malware oder IT-News. Das Online-Marketing-Tool OnPage.Org hat mit seinem OnPageMagazin durch eine Mischung aus eigenen und externen Fachbeiträgen sogar eine der aktivsten Plattformen in der Online-Branche geschaffen.
Lange Zeit galt Facebook als reiner B2C-Kanal, als Spaßplattform für den privaten Gebrauch. Diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Erstens haben Unternehmen wie ABB (448.700 Fans), KUKA Robotics (74.567 Fans), Krones (108.833 Fans) oder Ernst & Young (309.155 Fans) gezeigt, dass ein hohes Interesse auch an B2B-Inhalten besteht und die Zielgruppen auf Facebook aktiv sind. Und zweitens hat sich die Trennung zwischen B2B und B2C, zwischen Arbeit und Privatleben, ohnehin immer mehr aufgeweicht. Auch der Techniker, der Einkäufer, der Controller oder der Geschäftsführer sind auf Facebook unterwegs und lassen sich durchaus durch Inhalte und Anzeigen erreichen.
Gerade Facebook-Anzeigen eignen sich sehr gut, um B2B-Kunden anzusprechen. Das Interessen-Targeting ist hierfür nur eingeschränkt geeignet, da die Interessen meist eher privater Natur sind und Berufsbezeichnungen in Deutschland nur von wenigen Nutzern angegeben werden. Die weitergehenden Targeting-Möglichkeiten eignen sich dafür umso besser. So lassen sich via Website Custom Audience zum Beispiel alle Nutzer ansprechen, die zuvor die Unternehmenswebsite besucht haben. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Website (oder sogar spezielle Unterseiten) eher nur von interessiertem Zielpublikum besucht wird, ergibt sich so eine wertvolle Vorselektion des Anzeigen-Targetings.
Auch die weiteren Möglichkeiten der Custom Audiences sind für das B2B-Geschäft interessant, wenn auch teilweise in Deutschland rechtlich schwer umzusetzen. So könnten Unternehmen z. B. ihre Kunden-E-Mails, Newsletter-Empfänger oder Messekontakte in das System laden und so ganz gezielt nur diese Personen via Anzeige erreichen. Spannend, aber wie gesagt rechtlich heikel. Andere Optionen der Custom Audiences wie zum Beispiel Personen, die sich ein Video auf der Fanpage angesehen oder mit der Fanpage interagiert haben, sind dagegen einwandfrei nutzbar und ebenfalls spannend im B2B-Sektor.
Noch mehr als im B2C sollten Unternehmen jedoch davon Abstand nehmen, einer gewünschten Fanzahl hinterherzujagen. Erfolg auf Facebook kann z. B. durch die erzielte Reichweite, das Feedback der Fans, generierte Leads oder Traffic auf der Website gemessen werden. Die Fanzahl wird in den meisten Fällen durch spezifischere Zielgruppen kleiner ausfallen als im B2C-Sektor und auch langsamer wachsen. Es sollen schließlich die richtigen Nutzer erreicht werden und nicht nur möglichst viele.
Twitter hat in Deutschland eine etwas gespaltene Position inne. Zwar genießt der Dienst in manchen Nischen eine hohe Beliebtheit und taucht in den Medien überproportional häufig auf – in der Gesamtbevölkerung fällt die Twitter-Nutzung dagegen eher gering aus. Wer einmal im privaten Umfeld herumfragt (und eben diese speziellen Gruppen wie Marketer, Gamer, Medienschaffende etc. außen vor lässt), dürfte nicht allzu viele Personen vorfinden, die Twitter aktiv nutzen.
Im B2B-Sektor sieht die Sache jedoch anders aus. Hier lässt sich Twitter zur Vernetzung mit Geschäftskunden einsetzen (in manchen Märkten betreibt ein Großteil der Unternehmen einen Twitter-Account), vor allem aber zur Kontaktpflege mit Multiplikatoren und Journalisten. Weltweit nutzen 57 % der Journalisten Twitter, wobei der Anteil im weltweiten Vergleich stark schwankt (Deutschland: ca. 30 %, Kanada: ca. 90 %; Quelle: einfach.st/adwee8). Allein 24,6 % der verifizierten Twitter-Accounts gehören Journalisten (Quelle: einfach.st/adwee9).
Es kann sich also durchaus lohnen, auf Twitter vertreten zu sein und dort einen Mix aus Unternehmensneuigkeiten, Pressemeldungen, Eventhinweisen und -berichten sowie weiteren Inhalten zu veröffentlichen. Um eine signifikante Reichweite aufzubauen und den Account entsprechend bekannt zu machen, sollten Unternehmen den eigenen Kunden, Zulieferern und Partnern sowie allen relevanten Multiplikatoren (z. B. Verbänden, Behörden, Fachmagazinen etc.) und eben den relevanten Journalisten folgen und regelmäßig deren Inhalte liken, retweeten oder kommentieren. Twitter lebt von Interaktivität, mehr noch als die meisten anderen Plattformen.
Eine in Deutschland leider stark unterrepräsentierte Nutzergattung auf Twitter sind CEOs oder Unternehmer. Dabei ergeben sich gerade durch eine hochrangige twitternde Führungskraft sehr starke Wirkungen: Das Unternehmen zeigt Transparenz, Persönlichkeit und Kundennähe, kann Position beziehen und sich aktiv und vor allem persönlich in Gespräche einschalten.
YouTube und Vimeo
Natürlich spielen auch Videos im B2B eine große Rolle. Gerade bei erklärungsbedürftigen und hochpreisigen Produkten führt um Videos kaum ein Weg herum.
Eine häufige Frage ist dabei die Entscheidung, auf welcher Plattform die Videos hochgeladen werden sollen. Die meisten Social Networks bieten mittlerweile Video-Upload an und belohnen teilweise proprietäre Videos mit Reichweitenboni im Vergleich zu Links auf Drittplattformen.
Soll ein Video längerfristig Bestand haben, über eine Suche auffindbar sein und in einem Archiv abgespeichert werden, sind YouTube und Vimeo die Plattformen der Wahl. Vimeo hat den Vorteil einer höheren wahrgenommenen Qualität, dafür aber den Nachteil der geringeren Reichweite im Vergleich zu YouTube und vor allem den Nachteil, dass die Videos quasi nie über Google zu finden sind. Im Zweifel sollten Unternehmen daher YouTube den Vorzug geben oder aber beide Plattformen nutzen.
Zusätzlich können Videos bei Facebook, Instagram und/oder Twitter hochgeladen werden. Dadurch werden die Newsfeed-Effekte ausgenutzt, eine Nachhaltigkeit ist jedoch kaum gegeben. Es lassen sich aber beide Möglichkeiten kombinieren – also auf YouTube UND auf Facebook uploaden. Die meisten viralen Videos der letzten Monate wurden auf beiden Plattformen parallel veröffentlicht.
Zusätzlich zum Hochladen auf YouTube und/oder Vimeo ist aber das Einbetten in die Website bzw. den Blog immer eine gute Idee. Traffic kann so auf die eigenen Plattformen geführt werden, statt ihn der Drittplattform zu „schenken“. Und eventuelle Shares und Links kommen dem eigenen Medium zugute, was sich positiv auf Markenbekanntheit und Suchmaschinenoptimierung auswirkt.
XING und LinkedIn
Als klassische Business-Netzwerke spielen XING und LinkedIn in den meisten Social-Media-Strategien eine wichtige Rolle. Im Vordergrund steht hier die Vernetzung mit Kunden oder Interessenten, also der Aufbau eines Netzwerks. Beide Plattformen bieten auch die Möglichkeit, eine Unternehmensseite anzulegen. Zumindest bei XING sind die kostenlosen Gestaltungsmöglichkeiten jedoch schnell ausgeschöpft und die zu erwartende Reichweite ist eher gering.
Für das Arbeitgebermarketing bietet sich die zu XING gehörende Plattform Kununu an. Auf der größten deutschen Arbeitgeberbewertungsplattform können sich Unternehmen potenziellen Bewerbern präsentieren. Dafür sind jedoch kostenpflichtige Arbeitgeberprofile bei XING notwendig, die schnell mehrere Hundert Euro pro Monat kosten. Daher will der Einsatz wohlüberlegt sein. Wer jedoch regelmäßig Stellen zu besetzen hat und seine Arbeitgebermarke stärken will, findet hier zahlreiche Möglichkeiten.
Sowohl XING als auch LinkedIn verfügen über einen Newsfeed, in dem Personen und Unternehmen Nachrichten posten können, ganz ähnlich wie bei Twitter und Facebook. LinkedIn scheint hier die deutlich größere Aktivität zu verzeichnen, weshalb es sich durchaus lohnt, regelmäßig Links und Inhalte dort zu veröffentlichen.
Induux
Speziell für die Industrie hat sich die Plattform Induux (www.induux.com) positioniert. Sie versteht sich als ein „Facebook für die Industrie“ und bietet zum Beispiel die Möglichkeit, Seiten anzulegen und zu abonnieren, Beiträge und Dokumente zu publizieren oder Stellenangebote zu veröffentlichen. Durch den ausschließlichen Business-Fokus und den deutschen Datenschutz sollen die wahrgenommenen Nachteile von Facebook ausgeglichen werden, die für viele Unternehmen ein Social-Media-Engagement unattraktiv machen.
Wie bei allen neuen Social-Media-Plattformen ist es schwer abzusehen, ob sich Induux durchsetzen können wird. Für Industrieunternehmen könnte sich der Kanal jedoch zu einer interessanten Option entwickeln.
Foren
In vielen B2B-Zweigen spielen auch Foren eine wichtige Rolle. Hier tauschen sich zum Beispiel Handwerker, Ingenieure, Chemiker oder Dienstleister aus. Grundsätzlich haben B2B-Unternehmen mehrere Möglichkeiten, Foren für ihr Marketing zu nutzen.
- Passiver Ansatz: Durch den oft lebendigen Austausch ergibt sich ein großartiger Einblick in die Bedürfniswelt der Kunden. In Foren mitzulesen, sollte für jeden B2BMarketer regelmäßig auf dem Programm stehen.
- Offener Ansatz: Oft lohnt es sich, als Unternehmensvertreter in Foren aktiv mitzumischen, Hilfestellung anzubieten, relevanten Content beizusteuern und Fragen zu beantworten. Hierfür sollte jedoch vorher das O. K. des Forenbetreibers eingeholt werden.
- Versteckter Ansatz: Manche Unternehmen praktizieren eher einen „Guerilla“Ansatz, indem sie versteckt in Foren teilnehmen, ohne sich als Unternehmensvertreter zu erkennen geben. Das kann durchaus funktionieren, birgt jedoch auch gehörige Risiken, nicht zuletzt wettbewerbsrechtlicher Art.
- Proaktiver Ansatz: Die „Königsklasse“ wäre es, eine eigene Community bzw. ein eigenes Forum ins Leben zu rufen. Dadurch hat das Unternehmen die Hoheit über den Kanal, kann ihn nach Belieben ausbauen und schafft ein extrem starkes Werkzeug zur Kundengewinnung und bindung. Demgegenüber stehen ein hoher Aufwand und hohe Anforderungen an Know-how, Durchhaltevermögen und strategische Planung.
Auch bei XING und LinkedIn gibt es im Übrigen Gruppen, die Foren stark ähneln und mit den oben genannten ersten drei Ansätzen genutzt werden können.
Sonstige Kanäle
Diese Kanäle spielen im B2B-Marketing aktuell die größte Rolle. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die Instagram, Pinterest, Google+ oder sogar Snapchat einsetzen. Schaut man sich die (öffentlich sichtbaren) Zahlen an, sind das aber erstens eher wenige und zweitens erzielen sie dort geringere Reichweiten und Engagements.
So verfügt der US-Konzern General Electric auf Pinterest etwa über 27.000 Follower, auf Facebook dagegen über 1,7 Millionen.
Das heißt jedoch nicht, dass sich diese Kanäle im B2B-Sektor nicht lohnen würden. Es muss im Einzelfall genau geprüft werden, ob ein Kanal für ein Unternehmen Sinn macht (siehe Leitfragen zur Kanalauswahl oben). Und nicht zuletzt beim Thema Recruiting werden auch Snapchat und Instagram wieder für viele interessant.
Fazit
Kurz gefasst unterscheidet sich B2B-Marketing im Social Web weniger stark von B2C, als viele es vermuten. Die Besonderheiten liegen in einer stärkeren Betonung fachlichen Contents, einer stärkeren Fokussierung auf Leadgenerierung, meist etwas „seriöserem“ Auftreten und einer etwas spezielleren Kanalauswahl. Trotzdem können B2B-Unternehmen vom B2C viel lernen, weshalb ein Wir-Die-Denken eher schädlich ist. Erfolgreichen Content und Kampagnen analysieren, Erfolgsprinzipien extrahieren und auf die eigene Branche übertragen – damit fahren sowohl B2B- als auch B2C-Unternehmen gut.