Neue Informationspflichten für Händler und Dienstleister im Online-Bereich

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Der Artikel informiert über die neuen Informationspflichten für Online-Händler und Online-Dienstleister, die seit dem 1. Februar 2017 in Kraft sind. Die neuen Regelungen finden sich im Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (kurz: Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG).

A. Bereits seit 2016 bestehende Regelung:

Seit Anfang 2016 müssen bekanntlich Online-Händler und Online-Dienstleister ihre Kunden darüber informieren, dass die EU-Kommission eine Online-Plattform zur Streitschlichtung bereithält.

In aller Regel sieht eine solche Belehrung so oder so ähnlich aus:

„Online-Streitbeilegung (Art. 14 Abs. 1 ODR-Verordnung): Die Europäische Kommission stellt unter ec.europa.eu/consumers/odr/ eine Plattform zur Online-Streitbeilegung bereit."

Dabei ist die URL als klickbarer Link auszugestalten, andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor.

Diese Informationspflichten sollten hinlänglich bekannt und auch bereits von den meisten in der Praxis umgesetzt worden sein.

B. Neue Regelungen seit Februar 2017:

Der Gesetzgeber ist seitdem nicht untätig geblieben und hat zum 1. Februar 2017 neue Informationspflichten eingefügt. Diese gelten neben den bislang bestehenden Verpflichtungen, d. h., die unter Punkt A beschriebenen Informationen müssen auch weiterhin gegeben werden.

Die neuen Regelungen finden sich im Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (kurz: Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG) in §§ 36 und 37.

Das Gesetz statuiert zwei Arten von Info-Pflichten:

- Allgemeine Informationspflichten
- Besondere Informationspflichten, wenn bereits eine Streitigkeit zwischen Unternehmen und Kunde entstanden ist

1. Allgemeine Informationspflichten:

a) Wer ist verpflichtet?

Grundsätzlich muss jeder Unternehmer, der mit Verbrauchern Verträge schließt und eine Webseite unterhält und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die Informationspflichten erfüllen. Von der Verpflichtung sind lediglich die Unternehmer ausgenommen, die bis zum 31.12.2016 nicht mehr als 10 Beschäftigte hatten.

b) Wie muss die Info-Pflicht aussehen?

Seit dem 01.02.2017 hat der Unternehmer gem. § 36 Abs. 1 VSBG den Verbraucher

„1. in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und

2. auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten.“

Nimmt der Unternehmer nicht an einem Streitbeilegungsverfahren teil, muss er ebenso darüber informieren. Wir empfehlen die Aufnahme folgenden Hinweises:

„Wir nehmen nicht an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teil.“

Unternehmer, die sich entweder freiwillig zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet haben oder gesetzlich dazu verpflichtet sind, müssen zusätzlich auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle inklusive Anschrift und Webseite hinweisen. Wir empfehlen in einem solchen Fall die Aufnahme folgenden Hinweises:

„Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle (hier die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle inklusive Anschrift und Webseite einfügen) teil.“

Welche Verbraucherschlichtungsstelle für Sie zuständig ist, lässt sich nicht ganz einfach bestimmen. Mit der üblichen deutschen Gründlichkeit gibt es hier leider eine Vielzahl unterschiedlicher Stellen. Eine gute und intuitive Übersicht bietet die Webseite des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland, die Ihnen in der Praxis weiterhelfen wird.

c) Wo muss informiert werden?

Der jeweilige Hinweis muss „leicht zugänglich" erfolgen und

„1. auf der Webseite des Unternehmers erscheinen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält,

2. zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden, wenn der Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.“

Wir empfehlen daher die Aufnahme des Hinweises sowohl im Impressum der Webseite als auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

2. Besondere Informationspflichten:

Die besonderen Informationspflichten knüpfen dagegen an die Situation zeitlich nach Entstehung eines Streits zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher an (§ 37 VSBG).

Konnte eine Streitigkeit zwischen dem Unternehmer und seinem Kunden nicht beigelegt werden, muss der Unternehmer den Verbraucher zum einen auf die für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle inklusive Anschrift und Webseite hinweisen und zum anderen darüber informieren, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Stelle bereit oder verpflichtet ist:

„(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer gibt zugleich an, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist. Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.“

Der Hinweis muss in Textform erfolgen. Ein Hinweis auf der Webseite ist also nicht ausreichend. Wir empfehlen daher, den Kunden schriftlich, d. h. per Brief oder E-Mail, wie folgt zu informieren:

„Die für Sie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist die (hier die zuständige Stelle nebst Anschrift und Webseite einfügen). Wir nehmen jedoch an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle nicht teil.“

bzw.

„Die für Sie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist die (hier die zuständige Stelle nebst Anschrift und Webseite einfügen). Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teil.“

Diese besondere Informationspflicht besteht für alle betroffenen Unternehmer, unabhängig davon, wie viele Mitarbeiter dort beschäftigt sind.

Probleme bereitet hier vor allem der Zeitpunkt der Belehrung. Das Gesetz spricht hier nur davon, „wenn die Streitigkeit (…) nicht beigelegt werden konnte“, ohne genau anzugeben, welcher Moment damit gemeint ist.

Muss die Belehrung bereits bei der erstmaligen Beschwerde gegeben werden? Oder erst ganz am Ende der Kommunikation, nachdem Kunde und Unternehmen mehrmals hin- und hergeschrieben haben und absehbar ist, dass sich die Parteien nicht einigen können?

All diese Fragen hat der Gesetzgeber unbeantwortet gelassen, sodass – wieder einmal – der Unternehmer dies ausbaden muss. Um auf Nummer sicher zu gehen, empfehlen wir Ihnen daher, einen entsprechenden Workflow in Ihrem Unternehmen einzurichten, der sicherstellt, dass bereits bei jeder Support- oder Beschwerdeanfrage die o. g. Informationspflichten mit berücksichtigt werden. Frei nach dem Motto: Lieber einmal mehr belehren als einmal zu wenig.

C. Konsequenzen bei Nichteinhaltung:

Die Nichteinhaltung der Informationspflichten sind Wettbewerbsverstöße mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen wie Abmahnung und strafbewehrter Unterlassungserklärung bzw. gerichtlichem Unterlassungsanspruch.

Da inzwischen eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen existiert, die sich mit den seit 2016 bestehenden Informationspflichten zur Online-Streitbeilegung beschäftigten, liegt es auf der Hand, dass es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis es auch bei den Neuregelungen zu den ersten Abmahnungen kommt.