„Der Bewerber klingt freundlich, würde sich an die Kommunikations-Policy unseres Konzerns halten und scheint kein Problem mit seiner zukünftigen Handlungsunfähigkeit zu haben. Ich werde ihn einstellen. Als Social-Media-Mitarbeiter.“
Abgekratzt …
Die Grundidee sozialer Netzwerke ist die Verbindung von Menschen. Es dauerte nicht lange, bis Unternehmen in sozialen Netzwerken genauso vertreten sein wollten wie in der realen Welt. Warum? Weshalb? Wozu? An dieser Stelle scheiden sich die Geister.
Häufig ist es so, dass die „Social-Media-Abteilung“ von Unternehmen über keinerlei Kompetenzen verfügt außer einer: die policykonforme Kommunikation mit regelmäßig (sehr) aufgebrachten Benutzern sozialer Netzwerke. Derartige Gehversuche von Unternehmen mit diesem „neuen“ Medium müssen für einen Außenstehenden mehr als verwirrend aussehen. Hier die Reaktion eines Unternehmens auf einen Menschen, dem auf dubiose Weise ein Vertrag „übergeholfen“ wurde – woraufhin diese Person das Schriftstück auf Facebook postete:
„Hallo Astrid, bitte poste keine Kundendaten hier auf Facebook. Diese können nicht legitimiert werden und wir haben hier auch keinen Zugriff auf Kundendaten. LG, xxx“ (...) „Astrid, sehr gerne, aber leider ist das nicht möglich. Wir versenden kein PMs und kommen auch nicht an deine Kundendaten. Wir haben einfach keine Zugänge. L LG, xxx“
Diese – vermutlich policykonforme – Aussage enthüllt mit wenigen Sätzen die traurige Wirklichkeit über die entwürdigende Arbeit in einer Unternehmensfirewall, die sich von purer Menschenwürde zu ernähren scheint. Diese Aussage meint: „Ich mache hier nur meinen Job. Bitte hört auf, mich stunden-, tage-, wochenlang zu beschimpfen. Bitte hört auf, mir zu zeigen, was mein Job für eine beschissene Wahl ist. Lieber Kunde, ich kann Dein Problem nicht einmal intern weitergeben. Ich kann gar nichts, außer auf Deine Aussagen mit vorgefertigten Textblöcken zu reagieren.“
Ein Unternehmen, das seinem Social-Media-Team keine sinnvollen Handlungskompetenzen und keine weitreichenden Kommunikationsbefugnisse in das gesamte Unternehmen hinein einräumt, hat „Social Media“ nicht verstanden. Solche Unternehmen sollten sich von sozialen Netzwerken so lange fernhalten, bis sie gelernt haben, dass Facebook & Co. mehr sind als eine Kommunikations-Einbahnstraße und Werbemüllabladestelle.
Wer „Reichweite“ haben möchte, sollte auch mit den Gesetzen von „Reichweite“ klarkommen. Wer in die gesamte Welt skaliert und in sozialen Netzwerken auftreten möchte, sollte damit rechnen, dass dort deutlich mehr dynamische n:1-Kommunikation stattfindet als in einer Callcenter-Hotline mit vergleichsweise harmlosen 1:1-Gesprächen.
Manager, die ihren – oft ausgelagerten – Social-Media-Mitarbeitern keine Kompetenzen und internen Kommunikationsbefugnisse einräumen, handeln fahrlässig: Sie kalkulieren bewusst eine hohe Frustration der Mitarbeiter ein und beschädigen über diesen Weg systematisch den Wert der Marke.
In den seltensten Fällen bekommt man dynamische Kommunikationsverläufe in sozialen Netzen mit linearen Frage-Antwort-Policies in den Griff, ohne sich lächerlich zu machen. Und genau diese Momente kosten Unternehmen so viel – oft mehr, als sich mit noch mehr plumper Reklame wettmachen lässt. Diese Unternehmen verstehen „Social Media“ mehr als Bedrohung denn als Chance und sollten sich dringend professionelle Hilfe suchen.
Es gibt bereits viele Unternehmen, die zeigen, wie empathisches Social Networking funktioniert. Zum Beispiel Welt.de oder True Fruits Smoothies. Frag mal bei True Fruits Smoothies nach, wie ihre „Social-Media-Kommunikations-Policy“ aussieht ... ;-)