Drei Konferenzen an einem Ort – so das Konzept der Data Driven Business in Berlin. Die Bandbreite der Vorträge bzw. Themen erstreckte sich von Möglichkeiten und Taktiken der Datenanalyse (eMetrics) über die Facetten der Prognose (Predictive Analytics) bis zu Aspekten der Optimierungen von Oberflächen (Conversion Conference). Je nach Gusto (und Ticket) konnten die Konferenzbesucher entweder innerhalb einer Konferenz zwischen zwei Tracks wählen oder sich quer über die komplette Themenlandschaft neues Wissen bzw. Taktiken aneignen. Ergänzt wurde das Angebot durch eine angeschlossene Fachmesse bzw. Workshops in Kleingruppen. Website Boosting war vor Ort und fasst einzelne Sessions/Learnings für Sie zusammen.
Faktor 3: Die Data-Driven-Business-Konferenz
Wie und wo setzt Amazon Machine Learning ein? Auf jeden Fall bei den Empfehlungsfunktionen, so würde man meinen. Aber mittlerweile gibt es sehr viel mehr Stellen für künstliche Intelligenz, erklärte Ralf Herbrich. So bedient man sich nicht nur beim Finden der richtigen Preise oder bei Vorhersagen der Nachfrage selbstlernender Algorithmen, sondern u. a. auch bei der Betrugsprävention, der Analyse von Reviews oder von Plagiaten bis hin zum allgemeinen Wissensaufbau, und nicht zuletzt bei der Anwendung von Amazon Echo. Neue Produkte oder solche, für die noch nicht genügend Daten vorliegen, clustert man mit ähnlichen Produkten, um bessere Vorhersagen generieren zu können.
„Amazon has a broad range of applications for Machine Learning – it’s central to Amazon’s business!”; Ralf Herbrich
Selbst bei der Beurteilung der Frische von Obst setzt Amazon auf maschinelle Intelligenz. So wurde über eine optische Aufnahmeeinheit ein Datenset aufgebaut, mit dem ein Computer nach ausgiebigem Training prognostizieren kann, wie lange eine Erdbeere noch frisch bleiben wird bzw. wie lange sie noch haltbar ist. Herbrich erläuterte, dass nur etwa die Hälfte aller gepflückten Äpfel im Munde des Kunden landet. Die andere Hälfte verdirbt. Wenn es nun gelingt, bereits bei der Eingangskontrolle solche automatisierten Systeme einzusetzen, erhöht man zum einen die Kundenzufriedenheit. Denn wenn Erdbeeren beim Kunden in einem optisch derangierten Zustand ankommen, ist niemandem gedient. Zum anderen gelangt man aber zu einem Punkt: Für jedes gegessene Obst muss der Käufer in etwa doppelt so viel bezahlen als nötig – wegen des hohen Anteils an verdorbener Ware. Gelingt es, diese durch mehr Prozessintelligenz zu senken, bekommt man im Durchschnitt frischeres Obst zu niedrigeren Preisen. Ein eingängiges Beispiel, wie die (wirklich digitale) Neugestaltung eingefahrener Prozesse konkrete Optimierungen erreichen kann.
„Mobile visitors are not mini desktop visitors!“
Talia Wolf eröffnete mit ihrer Keynote zu Mobile Optimization die Conversion Conference. Ihr ging es darum, deutlich zu unterstreichen, dass der Nutzung im mobilen Kontext ein zum Desktop unterschiedliches Verhalten zugrunde liegt. Aufgrund der unterschiedlichen Nutzungssituation (bspw. im Auto, in lokalen Geschäften) erwartet der Nutzer nicht nur eine an das Display angepasste Site, sondern auch eine dem Nutzungskontext angepasste Version. Responsives Design ist damit nicht die perfekte Lösung, da es lediglich die Inhalte in anderer Reihenfolge anpasst und keine kontextspezifische Landingpage bietet – und dies lt. Wolf bei einem überwiegenden Anteil (65 %) von mobilem Traffic mit daraus resultierenden vergleichsweise geringen Konversionsraten! Daher die kritische Frage und zugleich Lösung für bessere Konversionsraten ihrerseits: Verstehen/kennen Sie wirklich die Nutzerintention und das Besucherverhalten im mobilen Kontext, um die gewünschte Nutzungserfahrung zu bieten?
„Expecting a conversion from a new visitor is like proposing on the first date”
80 % der Suchanfragen sind lt. Jes Stiles informationsbezogen, 10 % navigationsbezogen und lediglich 10 % haben eine direkte Kaufabsicht. Doch gerade auf diese 10 % fokussiert sich die Mehrzahl der Unternehmen; sie steigen relativ spät in einen vermeintlichen Conversion-Funnel ein und schöpfen das Potenzial letztlich nicht aus („You´re competing on price and reviews when it is too late to make a differenc“). Auf der anderen Seite unterbreiten lt. Stiles viele Unternehmen bei sehr informationsgetriebenen Suchphrasen bereits Kaufangebote, was in der Entscheidungsphase noch deutlich zu früh ist, bzw. Content, welcher auf mobilen Endgeräten nicht nutzbar oder relevant ist. Daher ihre Empfehlung an Unternehmen, sich verstärkt im Bereich der informationsbezogenen Suchanfragen zu positionieren (bspw. Content-Marketing) und dort den Besuchern einen echten Mehrwert zu bieten. Es geht in dieser Phase ausschließlich darum, die Vorteile für den Nutzer kundzutun – der Kauf bzw. die Verkaufsabsicht steht dabei im Hintergrund.
Churn und der Schläfereffekt
Unternehmen versuchen proaktiv, das Abwandern des Kunden (Churn) zu vermeiden. Eike Kroll erläuterte, wie mittels statistischer Verfahren Mythen entzaubert werden können und wie man durch Treiberanalysen den eigentlichen Ursachen auf den Grund gehen kann. Konkret ging es um die Erforschung der Abwanderungsursachen bei einem Energieversorger – also nach seinen eigenen Aussagen einem unemotionalen Produkt. Ausgangsbasis war die Vermutung des „Schläfereffektes“, da 6,2 % der Personen, welche seitens des Energieversorgers persönlich erreicht wurden, abwanderten versus 5,8 % der Personen, welche nicht erreicht wurden. Es wurde folglich abgeleitet, dass durch die Kontaktaufnahme die Menschen in Richtung der Kündigungsmöglichkeit „wach“ bzw. sensibilisiert wurden. Für statistische Analysen (Kausalanalysen unter Nutzung künstlicher neuronaler Netze) wurde anschließend über mehrere Monate gesammelt und analysiert. Dabei konnte der NPS (Net-Promoter-Score als Ergebnis der Frage „Würden Sie uns Ihren Freunden und Verwandten weiterempfehlen (Skala 0-10)?“; wird auch auf Websites sehr oft eingesetzt) als erfolgreichste Präventionsmaßnahme ermittelt und zugleich der Schläfereffekt beim Energieversorger nicht nachgewiesen werden. Weiterhin konnte durch die Analyse ein Instrument geschaffen werden, welches gezielt Kunden mit negativen Deckungsbeiträgen bzw. realistischen Churnwahrscheinlichkeiten abstrahiert. Demnach können Kunden zielgerichtet angesprochen werden (siehe Abbildung 3; zur Visualisierung wurde die Software QlikView eingesetzt). In Summe zeigte diese Analyse, dass das Bauchgefühl bzw. aggregierte Daten zu falschen Schlüssen führen kann und mittels Daten deutlich mehr Klarheit und Struktur in (strategische) Entscheidungen einfließen.
„52 % der Fortune-500-Unternehmen existieren nicht mehr.“
Starredner André Morys ging zum Teil hart ins Gericht mit noch immer traditionell agierenden Unternehmen. Man testet zu wenig und entwickelt Produkte, aber vor allem seine Websites – hier im Fokus – nicht wirklich kontinuierlich weiter. Bei der Darstellung von Bildern und Textbotschaften tun auch große Unternehmen mit genügend finanzieller Power noch immer so, als wären alle Besucher bzw. Konsumenten gleich – obwohl man prinzipiell weiß, dass dies nicht so ist. Spricht man z. B. einen eher styleorientierten Käufer mit Argumenten eines elite- oder qualitätsorientierten Kunden an, sind hohe Absprungraten kein Wunder. Dabei kann man, so Morys, durch eine entsprechende Differenzierung einen Uplift bei Verkäufen um über 50 % erreichen. „Start with the customer und work backwards“, sagte Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, einmal. Andere Unternehmen täten gut daran, sich zu überlegen, wie sie diese Maxime in ihre eigene Strategie integrieren könnten.
„The many are smarter than the few”
Social Proof, die soziale Bewährtheit, ist ein starker Trigger für menschliches Verhalten. Ein guter Grund für Tom Waterfall, dieses Prinzip (der Überzeugung nach Robert B. Cialdini) in diversen Tests hinsichtlich einer Steigerung der Konversionsrate zu verifizieren. Mittels sieben Elementen (bspw. Darstellung eines Sterne-Ratings am Produkt, Einsatz von Zahlen wie „über 900.000 Kunden vertrauen darauf“, Darstellung von Produktverkäufen in Echtzeit, Präsentation von Testimonials) und entsprechender Kombinationen hatten 61 % der durchgeführten Tests eine Steigerung der Motivation in Richtung der Konversion zur Folge. Lediglich bei 10,7 % hatte der Einsatz von Social Proof einen negativen Einfluss (d. h. Rückgang der Konversionsrate). Das Spannende an den Tests war, dass die Veränderung (Beispiel siehe Abbildung 5) ob der großen Auswirkung auf die Konversionsraten meist geringer textueller Natur war. Die vorgestellten Tests zeigten nicht nur das enorme Potenzial konsumpsychologischer Erkenntnisse, sondern auch die große Wirkung von persuasivem Copywriting – in Summe ein wichtiger Impuls für mögliche Testansätze im eigenen Unternehmen.
„Don’t Do Anything On Your Website You Wouldn’t Do On a First Date”; Karl Gilis
In Analogie zum Verhalten bei einem Date präsentierte Karl Gilis, kombiniert mit seinem komödiantischen Talent, sehr konkrete Tipps zur Websiteoptimierung, die ggf. einen kritischen Test für die eigene Website wert sind.
- Schnelle Ladezeiten einer Website – Reduzierung der Ladezeit korrespondiert mit steigendem positivem Nutzerfeedback (Konversionen, Downloads etc.).
- Geduldig sein, keine Nutzerüberfrachtung – wenn Overlays im Webdesign eingesetzt werden sollen, dann in Abhängigkeit vom Nutzungsverhalten wie bspw. Exit-Intent-Overlay bzw. mit entsprechender zeitlicher Verzögerung.
- Reduzierung der Möglichkeiten – je geringer die Auswahl hinsichtlich der Klickmöglichkeiten, je klarer der Fokus, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Nutzer dem Ziel der Webseite folgen („Less is more“).
- Klare Fokussierung – der Besucher ist ja bereits auf der Landingpage, demnach sollte die volle Aufmerksamkeit auf dessen Bedürfnisse gerichtet sein. Slider „rufen“ nach Aufmerksamkeit und eigentlich will sie niemand außer dem Sitebetreiber haben. Man sollte ggf. stattdessen den nun freien Platz mit konkreten Aussagen durch entsprechende Teaser belegen. „Sliders suck. Always“, meinte Gilis.
- Reduzierung von Ablenkung – Tests reduzierter Landingpages (bspw. Wegnahme von Navigation) führen zu einer Fokussierung und haben demnach Potenzial für Leistungssteigerung: „For every element on a web page there should be a clear justification why it's there.“
- Seien Sie relevant – Nutzer sollen eine Antwort auf die Frage „Warum sind Sie heute hier?“ vorfinden. Das heißt, diese Frage mittels Nutzerforschung klären, falls nicht wirklich bekannt. Die Nutzungsintention kann je Device (Desktop vs. Mobile) deutlich unterschiedlich sein; es gilt, dies in der Nutzerforschung herauszufinden.
- Beachtung der Falz – Menschen scrollen, der Inhalt muss jedoch so relevant und interessant sein bzw. das Design so gestaltet werden, dass sie dies auch erkennen und einen Grund haben, wirklich zu scrollen.
- Formulardesign – weniger ist mehr? Es sollte unternehmensindividuell getestet werden, mit welcher Feldanzahl Formulare am besten konvertieren. Tools wie z. B. www.formisimo.com können genau ermitteln, an welcher Position Benutzer abspringen, Fehlereingaben stattfinden und wie viel Zeit für das Ausfüllen verwendet wird.
- Bestärkung von Nutzerentscheidungen – anerkennendes Feedback an die Nutzer wie „Hervorragende Wahl“ kann sehr positive Effekte auf die Konversionsraten haben.
- Mehrere Kontaktmöglichkeiten bieten – sei es die Wiederholung der Call-to-Action-Buttons am Seitenende oder ein Exit-Intent-Overlay mit E-Mail-Kontaktangebot; beides sind Mittel, um den Besuchern weitere Conversion-Funnel zu eröffnen.
Weitere Infos finden Sie unter datadrivenbusiness.de oder auf den Einzelkonferenzsites conversionconference.de, predictiveanalyticsworld.de und emetrics-summit.de.