„Niemand kauft eine Eckcouch per Sprachsuche!“ Es ist spannend, in einer Zeit zu leben, in der die Themen „Sprachsuche“ und „digitale Assistenten“ gerade laufen lernen. Also ungefähr so wie das Thema „mobiles Web“ vor ein paar Jahren.
Abgekratzt …
2011 betrat ich den Raum für einen Vortrag zum Thema „mobile Websites“. Es waren geschätzt 100 Plätze verfügbar. Der Referent war kurz irritiert, dass nur vier Personen anwesend waren. Ich war genauso irritiert: Müsste der Raum nicht brechend voll sein? Bin ich im richtigen Vortrag? Warum ist das Thema nicht bei jeder Online-Agentur auf der Agenda? Smartphones existierten bis dato seit ca. vier Jahren.
Die Argumentation von Unternehmen und Agenturen war damals bestechend einfach: „Wir haben keine Verkäufe über mobile Geräte, also optimieren wir nicht dafür.“ Das ist eine seltsame Logik. Der Versuch zu erklären, dass viele Menschen die Website nicht nutzen, weil sie mobil schlicht nicht bedienbar ist, stieß häufig auf irritierte Blicke. Hektisch wurde es dann, wenn man den Zuwachs der mobilen Zugriffe im Zeitverlauf in den jeweiligen Analytics-Konten visualisierte und diese Linie einfach ein paar Jahre weiterführte.
Am Thema „Mobile“ und „Responsivität“ lässt sich die fatale Verzögerung zwischen technisch sinnvoll Genutztem und Akzeptanz in deutschen Unternehmen schön ablesen. Und just in dieser Zeit spielt sich etwas Ähnliches erneut ab:
Wenn sich ergraute Online-Marketing-Verantwortliche in ihren Arbeitskreisen umhören und diskutieren, dann sind sie sich oft ganz sicher: „Niemand nutzt Sprachsuche!“ Viel zu umständlich, und dann versteht der Apparat nicht, was man möchte. Das wird sich nicht durchsetzen!
Während in anderen Kulturkreisen und Regionen das Thema „Sprachsuche“ (auch: „Conversational Search") bereits Realität und Normalität ist, scheinen andere so ihre Schwierigkeiten damit zu haben. Wird in einer Welt, in der es immer weniger stationäre Desktop-PCs geben wird und ein großer Teil aller alltäglichen Transaktionen über Smartphones abgewickelt wird, wirklich keine Eckcouch übers Smartphone gekauft?
Und wer denkt sich eigentlich immer gleich den exotischsten Anwendungsfall aus? Warum nicht erst einmal die alltäglichen Fragen? Siri, ich brauche ein Taxi. Alexa, bestelle bitte noch mal meine Kontaktlinsen. Hey Google, in welchem Kino läuft heute „Casablanca“? Sende meiner Mama 10 Euro. Bestelle mir zwei Tickets für die Blueman Group heute um 20 Uhr.
Wer die Entwicklung von IBM Watson, Siri bzw. VIV, Google Home, Microsoft Cortana, Amazon Echo, Hound und Co. beobachtet, stellt schnell eines fest: Das ist keine Zukunftsmusik mehr. Das Thema ist bei sehr vielen Menschen bereits angekommen. Und gleichzeitig ist wieder die Lethargie fühlbar: „Darum kümmern wir uns, wenn wir Sales über Sprachsuche bekommen.“
Man könnte jetzt von der Agenturlandschaft meinen, dass sie ganz vorne mitdenkt, um Kunden Sprachsuche und digitale Assistenten in Form lukrativer Beratungen zu vermitteln. Leider ist das heute noch nicht fühlbar. Man sieht eher Angebote für „eine Wordpress-Homepage mit zehn Unterseiten“ über den Ladentisch gehen.
Wer stellt Fragen wie: Was geschieht mit Display-Werbung in einer Welt, die ohne Tastatur und mehr noch ohne Bildschirm auskommt? Welchen Anteil hat die private Suchmaschinenfirma aus Mountain View unter all den neuen Gatekeepern wie Apple, Amazon, Watson, Cortana, Hound & Co? Und wie entwickeln sich Unternehmen von einer einzelnen suchmaschinenbezogenen Sichtbarkeit auf eine echte, systemübergreifende digitale Findbarkeit?
Und wer gibt als Erstes gute und verständliche Antworten darauf?