Der Kanal Search Engine Optimization (SEO) ist im Online-Marketing eine zentrale Säule der Neukundengewinnung. Viele Shopbetreiber optimieren die „SEO-Basics“ des eigenen Online-Shops und betrachten das Projekt SEO dann als „abgeschlossen“. Die Folge: Sie erschließen nur einen Bruchteil des eigentlich vorhandenen Marktpotenzials. Doch wie groß ist dieses Marktpotenzial und welche Skalierungsmöglichkeiten gibt es im Kanal SEO überhaupt? Im ersten Teil der zweiteiligen Reihe „Keywordskalierung“ wurde aufgezeigt, wie man das eigene Keywordpotenzial mithilfe von Filtern exponentiell steigern kann. Im zweiten Teil erläutert Experte Bernhard Ollefs, wie Sie das Keywordpotenzial Ihres Online-Shops darüber hinaus verbreitern und Ihre SEO-Sales steigern können.
SEO-Wachstum durch Keywordskalierung 2/2
Keywordrecherche abseits des Google-Keyword-Tools
Als wir im ersten Teil über die Nutzung der Filter für die Keywordskalierung sprachen, war der erste Schritt eine ausführliche Keywordanalyse. Ziel dieser Analyse war es, die verschiedenen Cluster des Suchverhaltens zu bestimmen, die dann im Nachgang als „Filter“ mit eigener URL genutzt werden können. Als Beispiel zogen wir die Kategorie Kleider des Zalando-Online-Shops heran.
Jeder dieser Suchcluster wird auf Google von potenziellen Kunden gesucht – aus diesem Grunde werden seitens Zalando die Filter genutzt, um diese Suchcluster auch innerhalb der Google-Suche bedienbar zu machen.
Doch nicht immer besteht die Möglichkeit, einen Begriff mit Umsatzpotenzial über die Shopfilter zu erschließen. Noch häufiger erscheint es notwendig, für einen Begriff gefunden zu werden, für den es unmöglich ist, einen eigenen „Filter“ auf der Kleider-Übersichtsseite zu erstellen. Nachfolgend finden Sie einige Beispiele für Begriffe, die für einen Online-Shop wie Zalando hohes Umsatzpotenzial darstellen, jedoch zugleich nicht über Filter abgedeckt werden können:
- Barockkleid
- Sexy Kleid
- Abschlussballkleid
- Abiballkleid
- Ballettkleider
- Sex and the City Kleider
- Angelina Jolie Kleid
Nutzer, die nach diesen Begriffen suchen, bergen ein hohes Umsatzpotenzial, da der Online-Riese Zalando diese Kleider in seinem Sortiment führt – aus diesem Grunde macht es Sinn, dafür gefunden zu werden. Wie kann man nun vorgehen, um für derartige Begriffe gefunden zu werden?
Glossar- und Inspirationsseiten zur Bedienung von Suchanfragen
Um auch für derartige Begriffe in der Google-Suche gefunden zu werden, legt Zalando auf manuellem Wege eigene Landingpages an, die speziell für den entsprechenden Zielbegriff (z. B. sexy Kleider) optimiert werden. Nachfolgend werden diese als „Glossarseiten“ bezeichnet. Wie dies im Detail funktioniert, soll im Folgenden erklärt werden. Zunächst schauen wir uns an, an welcher Stelle die entsprechenden Glossarseiten in der Gesamtstruktur der Seite verankert sind.
Zalando erstellte dafür ein sogenanntes „Modelexikon“. Dieses wird aus dem Footer einer jeden Seite des Shops verlinkt.
Klickt man auf Link des Modelexikons, gelangt man auf eine Übersichtsseite, welche die Buchstaben des Alphabets zeigt. Klicken Sie auf einen beliebigen Buchstaben (im unteren Beispiel der Buchstabe „S“), so kommen Sie auf eine Übersichtsseite, auf der alle Glossarseiten aufgeführt sind, die mit dem Buchstaben „S“ beginnen.
Anders als bei einem „Brockhaus-Lexikon“ geht es im Zalando-Modelexikon aber nicht darum, die entsprechende Begriffe zu erklären bzw. Definitionen dafür bereitzustellen – das Modelexikon hat ausschließlich die Funktion, die entsprechenden Landingpages sinnvoll zu strukturieren und zugleich die aus SEO-Sicht wichtige interne Verlinkung zu gewährleisten.
Jeder unter „S“ aufgeführte Begriff verlinkt auf eine Modelexikonseite, die optisch einer regulären „Kategorieseite“ des Zalando-Online-Shops entspricht. Diese Modelexikonseite ist über die reguläre Top- bzw. Seitennavigation des Zalando-Shops NICHT erreichbar. Sie kann ausschließlich über das beschriebene Modelexikon erreicht werden. Alle wichtigen SEO-Onpage-Elemente dieser Modelexikonseiten sind auf ein entsprechendes Zielkeyword optimiert:
- Uniquer Title
- Unique Description
- Uniquer SEO-Content
- Unique H-Tags
Auf Abbildung 4 wird dies am Beispiel „Abiballkleider“ ersichtlich:
Die Sortimente, die auf der jeweiligen Modelexikonseite angezeigt werden, können durch den SEO-Manager frei bestimmt werden. Soll beispielsweise eine Seite zum Begriff „Partykleider“ erstellt werden, so kann der SEO-Manager mit Unterstützung des Einkaufs bestimmte Kleiderkategorien und Marken im Backend selektieren, die aus Sicht des Shops besonders gut zum Suchbegriff „Partykleider“ passen. In anderen Shops, in denen keine Kategorie-oder Markenselektion möglich ist, wird die Eingrenzung des Sortiments sehr häufig über „Suchparameter“ gesteuert. Dies bedeutet, dass sich die Sortimente auf Basis einer im Hintergrund durchgeführten Suche jedes Mal neu zusammensetzen.
Das Modelexikon von Zalando kann als schier endlose Quelle dienen, um den eigenen Online-Shop auf Synoyme, verwandte Begriffe etc. zu optimieren, die eine hohe Relevanz für das eigene Sortiment und somit für die potenziellen über Google suchenden Kunden haben. Wichtig ist jedoch eines: Legen Sie niemals „künstliche“ Seiten für Begriffe an, zu denen Sie den Nutzern keine relevanten Inhalte bieten können! Das massenhafte gezielte Anlegen von Seiten, die keinerlei Mehrwert für den Nutzer haben, wird seitens Google als Spam bzw. Thin-Content betrachtet. Eine Seite, die dem User keinen Mehrwert bietet, wird zudem eine hohe „Return-to-SERP-Rate“ haben und Google dadurch eindeutige Signale senden, dass sie für den User nicht relevant ist. Versuchen Sie daher nicht, „zu tarnen und zu täuschen“ – arbeiten Sie sauber und erstellen Sie nur dann eine „Glossarseite“ wenn Sie die zum Zielbegriff passenden Sortimente auch wirklich führen.
Integration des Glossars in die Seitenhierarchie
In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, einen Blick auf die Integration des „Modelexikons“ innerhalb der Seitenhierachie zu werfen: Bei Zalando ist das „Modelexikon“ über den Footer intern verlinkt und somit in die Seitenhierarchie integriert. Die Platzierung im Footer ist jedoch nicht „prominent“ und wird von den meisten Besuchern der Seite sicherlich nicht wahrgenommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Traffic des Modelexikons mehrheitlich aus dem Kanal SEO stammt. Google wurde in den letzten Jahren nicht müde zu betonen, dass SEO nicht als isolierte Disziplin betrachtet werden sollte, die für Google gemacht werde, den Nutzer aber nach Möglichkeit nicht behelligen dürde. Google hob immer wieder klar hervor, das SEO nicht als isoliertes Teilprojekt betrachtet werden, sondern mit den Interessen des Nutzers verzahnt werden müsse. Im Falle von Zalando scheint dies weniger gut gelungen zu sein – hier ist das Modelexikon zu versteckt, als dass es der Mehrheit der Website-Besucher überhaupt auffallen würde.
Besser gelang dies im Falle des Online-Shops www.def-shop.com. Hier werden die Modelexikonseiten unter dem Oberbegriff „Inspiration“ nicht im Footer versteckt, sondern zentral über die Hauptnavigation verlinkt und für den Nutzer sinnvoll aufbereitet. Bei Defshop werden die Glossarseiten somit nicht ausschließlich von Usern aufgerufen, die über Suchmaschinen auf die Seite gelangen, sondern auch von Nutzern, die über alternative Trafficquellen auf die Seite kommen.
Keywordquellen für Modelexikon- bzw. Inspirationsseiten
Welche Keywords sollten in Form einer Modelexikon- bzw. Inspirationsseite angelegt werden?
- SEA-Keywords: Starten Sie immer mit den Keywords, die aus Ihrer Erfahrung die höchste Conversion-Rate haben – Ihren SEA-Suchbegriffen: Die meisten großen und mittelständischen Online-Shops schalten seit vielen Jahren SEA-Anzeigen. Entsprechend gut und valide sind die Daten, die Ihnen als Shopbetreiber zu Ihren Keywords vorliegen. Sie wissen, welche Keywords Ihre wesentlichen Sales-Treiber sind und welche – auf der anderen Seite – nicht funktionieren. Und genau an dieser Stelle starten Sie. Analysieren Sie, welche Suchbegriffe Ihnen im SEA in den letzten zwölf Monaten mindestens zwei Bestellungen generierten. Warum zwei Bestellungen? Damit Sie die wirklich funktionierenden Keywords von den „Zufallstreffern“ unterscheiden. Analysieren Sie in einem zweiten Schritt, für welche dieser Keywords Sie bereits Rankings in den natürlichen Google-Suchergebnissen haben. Existiert für ein entsprechendes SEA-Keyword noch keine im SEO auffindbare Seite, so haben Sie ein potenzialträchtiges Keyword gefunden.
- Interne Shopsuche: Analysieren Sie die Suchanfragen Ihrer internen Shopsuchen. Jeden Tag bewegen sich Besucher in Ihrem Online-Shop. Nicht immer gehen diese mittels der regulären Shopnavigation durch Ihren Shop. Viele Kunden verkürzen den Suchprozess, indem sie das gewünschte Sortiment direkt in die Suche Ihres Shops eintippen. Diese Suchen sind für Sie als Shopbetreiber „Gold wert“ – Ihre potenziellen Kunden sagen Ihnen, wonach sie suchen. Auch diese Suchanfragen können genutzt werden, um eigene Landingpages anzulegen. Stellen Sie jedoch immer sicher, dass Sie nur dann eine Landingpage erstellen, wenn die Suchphrase entsprechend häufig vorkommt und Sie außerdem über das entsprechende Sortiment im Shop verfügen.
- Synonymsuche: Betrachten Sie Ihre stärksten SEA- und SEO-Keywords. Gibt es Begriffe, die diesen ähneln und ebenfalls von potenziellen Kunden gesucht werden? Auch ín diesem Fall empfiehlt es sich, eine eigene Landingpage zu erstellen.
- Wettbewerber-Rankings: Gleichen Sie Ihre eigenen SEO-Rankings mit denen Ihrer wichtigsten und engsten Wettbewerber ab. Gibt es Keywords, zu denen Ihre Konkurrenten gefunden werden, Sie selbst jedoch nicht, obwohl Ihnen dies sinnvoll erscheint?
Die Modelexikon- bzw. Inspirationsseiten sind ein machtvolles Tool, um die eigene Keywordbasis massiv zu skalieren. Wenn Sie die in diesem Artikel thematisierten Tools
- Filterseiten und
- Glossarseiten
einsetzen, werden Sie Ihr eigenes SEO-Programm massiv stärken. Es gibt jedoch auch Suchanfragen, die für Ihren Online-Shop relevant sind oder werden könnten, die Sie mit den oben beschriebenen Methoden nicht sinnvoll erschließen können. Für derlei Suchbegriffe eignet sich eine dritte Methode der Keywordskalierung.
Informationssuchen mittels Magazin/Beratungsseiten erschließen
Stellen Sie sich einen Nutzer vor, der seine Kaufentscheidung noch nicht getroffen hat und online nach Informationen zu einer bestimmten Produktart sucht. Dieser Nutzer befindet sich noch nicht im direkten Kaufprozess bzw hat sich noch nicht final entschieden. Er sucht jedoch nach Informationen – die Verarbeitung dieser Information seitens des Nutzers kann dazu führen, dass er die Produkte Ihres Online-Shops in Erwägung zieht oder aber nicht. Dieses Kundenverhalten ist besonders im Elektronikbereich ausgeprägt, findet sich jedoch mehr oder weniger deutlich auch in anderen Branchen wieder.
Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels veranschaulichen: Ein Nutzer möchte einen Hochdruckreiniger kaufen. Er hat sich jedoch noch nicht entschieden und möchte wissen, welcher Hochdruckreiniger für seinen Einsatzzweck geeignet ist. Daher sucht er Dinge wie:
- Hochdruckreiniger Testsieger
- Hochdruckreiniger Test
- Bester Hochdruckreiniger
- Hochdruckreiniger Vergleich
Wie man in Abbildung 6 erkennen kann, haben einige dieser Suchanfragen eine sehr hohe Nachfrage. Dies zeugt davon, dass es offenbar sehr viele Nutzer gibt, die das Internet nicht als reinen „Kaufkanal“ betrachten, sondern sich vor ihrem Kauf auch aktiv im Netz informieren.
Wenn es Ihnen als Unternehmen nun gelingt, einen Artikel mit dem Fokus „Hochdruckreiniger Test“ zu verfassen, in dem die Vor- und Nachteile der verschiedenen Hochdruckreiniger Ihres Sortiments in Form eines Tests aufgezählt werden und am Ende eines Kaufempfehlung basierend auf bestimmten Kriterien ausgesprochen wird, so haben Sie eine gute Chance, dass der Kunde erst gar nicht bei Google nach „Hochdruckreiniger kaufen“ sucht. Sie nehmen dem Wettbewerb sozusagen die Chance, mit Ihnen zu konkurrieren, indem es Ihnen gelingt, die Kaufentscheidung des Kunden schon während der Informationssuche vorzuverlagern und in Ihrem Sinne zu steuern.
Wie kann es nun funktionieren, eine solche Suchanfrage adäquat zu beantworten? Servieren Sie dem potenziellen Nutzer eine Landingpage, die seinen Erwartungen gerecht wird. In diesem Fall wäre eine Kategorieseite analog der oben beschriebenen Glossarseiten völlig fehl am Platz und würde dem Nutzer sicher keinen großen Nutzen bringen. Ein ausgiebiger Hochdruckreiniger-Testbericht anhand festgelegter, branchenüblicher Kriterien, die Integration eines Videos, das den Einsatz der verschiedenen Geräte am „Live-Beispiel“ veranschaulicht, könnte hingegen echten Mehrwert bieten. Traditionell werden diese Art Suchanfragen sehr stark von Affiliate-Marktetern ins Visier genommen. Die auf den entsprechenden Seiten aufbereiteten Testergebnisse sind jedoch oftmals nicht aussagekräftig bzw. wirken sehr verkaufslastig. Dies liegt zweifelsohne an der Schwierigkeit, technisch komplexe Produkte möglichst objektiv und umfangreich zu testen. Viele derartiger Test-Themen erfordern ein breites Hintergrund- und Produktwissen, dessen Erlangung einen Affiliate viel Zeit kostet. Zeit, die oftmals knapp ist und daher lieber nicht investiert wird.
Als Unternehmen hingegen haben Sie dieses Wissen – Sie müssen es nicht erst erlernen! Sie kennen die Fragen Ihrer Kunden, Sie kennen die Hersteller, Sie haben die Fachkompetenz. Dies ist die Rezeptur, um erfolgreiche Kaufberatungen bzw. Produkttests durchzuführen und nutzenstiftend für Ihre Nutzer aufzubereiten.
Machen Sie sich bewusst: Bei sogenanten „Informational Queries“ muss der Fokus stärker auf dem Content selbst liegen, wohingegen bei „Transaktions-Suchbegriffen“ der Fokus auf dem Produkt selbst liegt.
Achten Sie bei der Erstellung der Landingpage auch wieder auf die klassischen SEO-Onpage-Faktoren, die in jedem Falle berückichtigt werden sollten:
- Interne Verlinkung/Seitenarchitektur
- Unique Title & Description
- Unique Content
- H-Tags
- Integration der Beratungsseite in die Google-Sitemap
Reihenfolge der Skalierung
Wir haben drei Arten der Skalierung kennengelernt. Priorisieren Sie deren Umsetzung nach dem Komplexitätsgradund dem zu erwartenden Umsatz. Die Filter sind in der Regel am einfachsten umzusetzen: Sie benötigen keinen manuellen Aufwand zur Erstellung der entsprechenden Landingpages – einzig die technischen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein. Starten Sie nach der Erschließung der Filter-URLs mit dem Aufbau des Glossars – durch die gute Datengrundlage aus dem SEA versprechen diese Seiten ein hohes Umsatzpotenzial. Im letzten Schritt beginnen Sie, mittels eigens entwickelter Ratgeberseiten auch die User auf Ihre Seite zu holen, die noch kein direktes Kaufinteresse äußerten. Diese User können Sie meist nur durch die Aufstellung umfangreicher und hochwertiger redaktioneller Inhalte zu Käufern machen – der Aufwand ist somit ungleich höher.
Zusammenfassung & Fazit
Nur wenige große Online-Shops nutzen derzeit das volle Potenzial der Keywordskalierung. Nach der SEO-Optimierung der Grundstrukturen des eigenen Online-Shops wird der Kanal SEO meist als „optimiert“ bewertet – obwohl in der Realität nur ein Bruchteil des tatsächlich möglichen Potenzials erschlossen wurde. In unserer zweiteiligen Reihe zum Thema Keywordskalierung lernten Sie die grundlegenden Methoden des SEO-Wachstums kennen:
- Filter
- Glossar
- Beratungsseiten
Jedem Instrument sollte immer eine sorgfältige Keywordanalyse vorgeschaltet sein. Nur so finden Sie heraus, welches Instrument das für Ihren Online-Shop wichtigste ist. Haben Sie dieses einmal identifiziert, ist der Rest – wie so oft im Online-Marketing – eine reine Fleißarbeit. Entscheidend für den Erfolg der Maßnahmen ist jedoch immer eine technisch einwandfreie Implementierung – wird das Thema Skalierung nicht sauber implementiert, können schnell Duplicate-Content-Probleme entstehen, die wiederum negative Auswirkungen auf Ihre Gesamt-SEO-Performance haben können.