Online-Marketing in China erfolgreich meistern

Franziska Rappold
Franziska Rappold

Franziska Rappold ist Online-Marketing-Managerin der Flottweg SE. Flottweg ist ein mittelständisches B2B-Unternehmen, das Industriezentrifugen, Separatoren und Bandpressen fertigt. Sie betreut die komplette internationale Online-Kommunikation des Unternehmens und kümmert sich um Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenanzeigen und Videomarketing. Im Fokus stehen dabei die USA, China und Europa.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

China ist einer der wichtigsten Online-Märkte der Welt. Mittlerweile nutzen 650 Millionen Chinesen das Internet mit immer noch steigender Tendenz. Dies bietet ein riesiges Potenzial für europäische Unternehmen. Deshalb stellt der folgende Artikel Aspekte des chinesischen Online-Marketings dar. Welche Möglichkeiten gibt es bezüglich der Ladezeiten? Wie schaltet man Anzeigen auf Baidu oder lädt Filme auf Youku hoch? Was muss man im interkulturellen Kontext beachten? Keine einfache Aufgabe, aber definitiv lohnenswert!

„Das Reich der Mitte“ hat mit 1,3 Milliarden Menschen aktuell die meisten Einwohner, etwa so viel wie Nordamerika, Europa und Russland zusammen. Das bietet großes Potenzial und der chinesische Online- und Suchmaschinenmarkt gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Bei den Suchmaschinen sind die Marktverhältnisse aber komplett anders als in vielen westlichen Ländern. Google kam Anfang 2014 in China auf einen Marktanteil von gerade mal 2 %. Hintergrund ist der Rückzug aus dem chinesischen Markt. Google begründete diese Entscheidung mit der Internetzensur der chinesischen Behörden. Auch viele Google-Dienste – wie beispielsweise Google Maps – funktionieren in China nicht.

Die dominierende und bekannteste Suchmaschine auf dem chinesischen Suchmaschinenmarkt ist derzeit Baidu. Das Unternehmen wurde 2000 in Peking gegründet und hat mittlerweile über 46.000 Mitarbeiter. Im ersten Quartal 2014 betrug Baidus Anteil am chinesischen Suchmaschinenmarkt etwas über 60 %. Weitere große Suchmaschinen in China sind „Qihoo“ und „Sogou“.

Ladezeiten: So wird Ihre Seite von der Schnecke zum Tiger

Fast alle westlichen Firmen haben Probleme mit der Performance ihrer Webseite in China. Ladezeiten von über 10 Sekunden sind keine Seltenheit. Vor allem Seiten, die auf Servern außerhalb Chinas gehostet werden, sind stark betroffen. In Europa oder in der USA gehostete Webseiten werden unvollständig geladen und manche Funktionen funktionieren überhaupt nicht. Je weiter die Entfernung des Servers zu den Endgeräten, desto größer das Problem. Das liegt zum einen an Bandweitenproblemen und der Instabilität der chinesischen Internetverbindung und zum anderen an der Zensur durch die „chinesische Firewall“. Doch was kann man tun?

Server in China

Die beste Lösung ist sicherlich ein Server direkt in China. Dadurch muss die Firewall nicht mehr überwunden werden und die Entfernung zum Endgerät wird minimiert. Allerdings ist das mit großem bürokratischem und administrativem Aufwand verbunden. Zudem stellt sich die Frage bezüglich Sicherheit, Kosten, spezieller Zertifikate, Wartung und Eingriffsmöglichkeiten bei Problemen. Nichtsdestotrotz katapultiert einen diese Maßnahme hinter die große Mauer (Firewall) und führt zum Erfolg.

Server in der Nähe von China

Eine weitere Möglichkeit ist ein Server in der Nähe von China (z. B. in Hongkong). Diese Möglichkeit verkürzt zwar den Weg zum Endgerät, die Firewall gilt es aber immer noch zu überwinden. Besonders beliebt ist eine Kombination aus benachbarten Servern und Routen- und Protokoll-Optimierungslösungen. Gerade bei statischem Content erreicht man damit eine gute Beschleunigung.

Es gibt verschiedene Anbieter am Markt, die einen bei der Problematik unterstützen. Allerdings sind die Lösungen nicht gerade günstig und anfangs mit Aufwand verbunden. Insgesamt lohnt es sich aber definitiv, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn auch in China gilt: Nur wer schnell ist, gewinnt!

Baidu Ads: Nur so ganz oben mit dabei

Baidu (www.baidu.com) ist die chinesische Suchmaschine und mittlerweile eine der fünf am häufigsten besuchten Webseiten weltweit. Die Suchmaschine ist Marktführer in China und offeriert verschiedene Werbemöglichkeiten. Allerdings bietet Baidu viele Inhalte ausschließlich in Chinesisch an.

Baidu Ads sind ein effektiver Weg, die eigene Marke bekannter zu machen und die chinesische Zielgruppe zu erreichen. Der größte Unterschied zwischen Baidu Ads und Google AdWords ist sicherlich die Menge der ausgespielten Anzeigen. Während bei Google nur wenige Anzeigen über/neben den organischen Suchergebnissen zu sehen sind, gibt es bei Baidu wesentlich mehr. Teilweise besteht das gesamte Sichtfeld aus Anzeigen. Gerade bei Keywords mit einer hohen Wettbewerbsdichte benötigt man unbedingt Anzeigen, um wahrgenommen zu werden.

Für das Schalten von Baidu-Anzeigen gibt es zwei Grundvoraussetzungen. So muss man entweder eine chinesische Niederlassung haben oder einen Vertreter mit Adresse in China benennen und man braucht chinesische Inhalte auf der Webseite. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, kann man mit der Registrierung loslegen.

Der Registrierungsprozess ist bürokratisch und es empfiehlt sich, mit chinesischen Mitarbeitern vor Ort zusammenzuarbeiten. Gerade die Sprachbarriere verkompliziert oft den Prozess.

  1. Antrag auf Zulassung:
    - Eine eingescannte Kopie des Handelsregistereintrages des Unternehmens
    - Eine Übersetzung des Handelsregistereintrages ins Chinesische
    - Eine unterzeichnete Garantieverpflichtung für Baidu (nur in Chinesisch erhältlich)
     
  2. Set-up-Gebühr und Budget
    Es gibt unterschiedliche Preise, da zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen unterschieden wird. Immer sind aber eine Set-up-Gebühr für den Account und ein Anfangsbudget für die ersten Anzeigen im Vorfeld zu bezahlen. Meistens liegen die Gebühren bei ca. 850 € (650 € Anzeigenbudget, 200 € Gebühren). 
     
  3. Wartezeit
    Leider ist der Registrierungsprozess bei Baidu zeitintensiv. Bis die Bewilligung des Kontos vorliegt, vergehen meistens zwei bis drei Wochen.

Nach der Genehmigung des Kontos kann im Backend losgelegt werden. Ähnlich wie bei Google AdWords können Kampagnen eingerichtet, Anzeigen gestaltet und Keywords recherchiert werden. Zudem gibt es weitere unterstützende Baidu-Tools.

Anzeigengestaltung

Genau wie bei Google AdWords gibt es auch bei den Baidu Ads Anforderungen an die Gestaltung der Anzeigen:

  • Der Titel darf aus bis zu 26 Zeichen bestehen (13 chinesische Schriftzeichen).
  • Die Anzeige selbst besteht aus zwei Zeilen mit maximal 36 Zeichen (18 chinesische Schriftzeichen).
  • Die angegebene Ziel-URL muss zu einer chinesischen Seite führen, auf der auch Kontaktmöglichkeiten zu finden sind.

Baidu Keyword Planner

Wie bei jeder SEA-Kampagne sind Keywords der zentrale Erfolgsfaktor. Auch Baidu bietet hier eine Hilfestellung. Mit dem Baidu Keyword Planner (http://is.baidu.com/keyword_tool.html) können alle relevanten Keywords recherchiert werden. Das Tool zeigt verschiedenste Daten, die nach unterschiedlichen Kriterien sortiert werden können. So wird die Anzahl der täglichen Suchanfragen genauso angezeigt wie verwandte Keywords, Wettbewerbsdichte oder Klickpreise. Die Daten unterscheiden zudem nach Mobile und Desktop.

Wichtig zu wissen ist, dass die chinesische Sprache auf Bildschriften basiert. Jedes einzelne Zeichen stellt ein Bild oder eine Geschichte dar. Die Kombination aller Schriftzeichen (55.000 allein in China) ergibt eine extrem facettenreiche Darstellung. Daher ist eine „einfache“ Übersetzung oft schwierig und die Auswahl der Keywords sollte sorgfältig und mit viel Zeit erfolgen. 

Baidu Index

Das Pendant zu Google Trends ist Baidu Index. Das Tool ist einfach zu bedienen und liefert die neuesten Daten bezüglich Suchanfragen und Nutzerverhalten in China (http://index.baidu.com/). Einfach das chinesische Keyword in das Suchfeld eingeben und schon eine Fülle relevanter Daten erhalten. Die Daten beziehen sich hauptsächlich auf die vergangenen 30 Tage und bieten nicht nur interessante Erkenntnisse über die Vorlieben der chinesischen Internetnutzer, sondern ggf. auch interessante Nischenmärkte.

Baidu Analytics

Absolut empfehlenswert ist die Nutzung von Baidu Analytics (http://tongji.baidu.com/). Baidu Analytics ist kostenlos und funktioniert im Großen und Ganzen wie Google Analytics. Es bietet den Nutzern viele verschiedene Berichte: generelle Nutzerdaten, Besucherquellen, demografische oder geografische Auswertungen oder verschiedene Möglichkeiten, die Inhalte zu tracken. Das Interface ist nur auf Chinesisch verfügbar und manche Daten sind nicht allzu detailliert. Insgesamt bietet das Tool aber einen guten Überblick und es lassen sich nützliche Rückschlüsse für den eigenen Webauftritt gewinnen. 

Baidu Maps

Baidu Maps (http://map.baidu.com/) ist eine Kartenfunktion, die ähnlich funktioniert wie Google Maps. Die Applikation zeigt Satellitenbilder, Straßenkarten und auch Street-View- und Indoor-View-Perspektiven.

Auch ein Routenplaner (mit dem Auto, den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß) ist integriert. Baidu Maps ist nur in Chinesisch verfügbar und zeigt hauptsächlich China, Hongkong, Macao und Taiwan.

Youku: Der Erfolgsgarant für Videos

Youku ist mit mehr als 500 Millionen Nutzern im Monat die Nummer eins der chinesischen Videoplattformen. Videos können kostenlos hochgeladen, kommentiert und verbreitet werden. Vergleichbar mit YouTube legen sich die Nutzer Profile an und erstellen Playlists. Die beliebte Videoplattform bietet Unternehmen zwei Möglichkeiten:

Der eigene Kanal

Im Unternehmenskanal können eigene Videos kostenlos hochgeladen werden. Er kann individuell gestaltet werden – beispielsweise mit einem Titelbild, einer Beschreibung und den eigenen Videos. Wer hohe Youku-Platzierungen erreicht, verbessert auch seine Baidu-Ergebnisse. Einsatz und regelmäßige Updates lohnen sich!

Anzeigen auf Youku

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, auf Youku (http://www.youku.com/) werbend tätig zu werden – durch animierte oder statische Banner, Textlinks oder Buttons. Des Weiteren können Anzeigen vor, während, nach oder zwischen den Videos geschaltet werden. Auch als Eventsponsor, im Bereich Product Placement oder bei von Youku selbst produzierten Videos gibt es Möglichkeiten. Leider ist bei der Werbung die Zielgruppenspezifik – im Vergleich zu YouTube - beschränkt und die Preise sind teilweise erhöht. Bei der großen Bandbreite an Möglichkeiten und bei der Größe der Zielgruppe kann aber jeder Interessierte etwas Passendes finden.

Interkulturelle Unterschiede: Damit bändigen Sie jeden Drachen

Die meisten Inhalte der verschiedenen Plattformen sind nur auf Chinesisch vorhanden. Entscheidender Erfolgsfaktor ist somit die Kooperation mit einem Muttersprachler oder einem Mitarbeiter vor Ort. Die chinesische Kultur ist manchmal so intransparent wie der Himmel über Peking. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die interkulturellen Unterschiede. So lassen sich manche Missverständnisse vermeiden und unterschiedliche Werte besser verstehen. 

Ausgeprägte Marken-Reputation

Die Marke spielt in China eine außerordentlich wichtige Rolle. Chinesische Kunden sind sehr vorsichtig, was die Echtheit von Produkten angeht, und befürchten oftmals eine Fälschung. Insgesamt ist das Vertrauen ins Online-Shopping noch eher niedrig und Nutzer befürchten, über den Tisch gezogen zu werden. Deshalb ist es wichtig, mit Referenzen zu arbeiten. Wo sind die Produkte international im Einsatz? Wo in China? Kundenbewertungen und erfolgreiche Kundenprojekte erwecken zusätzlich Vertrauen. Bekannte Marken symbolisieren Status und sind deshalb besonders beliebt.

Mentalität und Zusammenarbeit

In Deutschland wird Erfolg oft mit dem Erreichen von Zielen gleichgesetzt – man möchte etwas „schaffen“. In China ist der maximale Antrieb die Anerkennung. Ein erfolgreicher Chinese schafft es, sein Ansehen und seine Beziehungen zu verbessern. Deshalb ist der Gesichtsverlust auch die treibende Angst. Dies ist bei der Zusammenarbeit von essenzieller Bedeutung. Konflikte oder Ablehnung werden in China vermieden. Verzögerungen, Umwege oder Ablenken sind dagegen beliebte Reaktionen bei unangenehmen Themen. Wichtig für die Zusammenarbeit ist es, eine Beziehung aufzubauen, Anerkennung und Respekt zu zollen und viel Zeit mitzubringen. Unsere deutsche Direktheit ist hier leider oft hinderlich.

Die Familie – das Ein und Alles

In den asiatischen Kulturen ist das mit großem Abstand Wichtigste die Harmonie und die Weiterentwicklung der Familie. Ein Mensch ist in erster Linie kein Individuum, sondern vielmehr ein Mitglied der Familie. Kinder sind das Ein und Alles von Asiaten und haben höchste Priorität. So ist oberstes Gebot nicht die Selbstverwirklichung, sondern die Anpassung, um die Harmonie zu wahren und die Familie zu schützen. Das gilt es besonders bei Anzeigentexten oder Werbebotschaften zu berücksichtigen. Diese müssen sich teilweise erheblich von den europäischen unterscheiden.

Fazit

Für den Online-Erfolg in China braucht es manchmal das Durchhaltevermögen und die Geduld eines Shaolin-Mönchs. Es gibt eine sehr unübersichtliche Faktenlage und viele Dinge ändern sich schnell und oft. Dies macht das Online-Marketing in China zu einer Herausforderung und es gibt keine „Standardlösung“.

Auch die Sprachbarriere ist ein großes Hindernis. Viele Inhalte werden ausschließlich in Chinesisch angeboten. Das verkompliziert die Kooperation oft. Entscheidend für den Erfolg ist der persönliche Kontakt zu Mitarbeitern vor Ort oder Muttersprachlern.

Nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufwand! Der chinesische Markt bietet Riesenpotenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Mit wenigen Maßnahmen wird die Online-Marketing-Strategie in China von einem Ladykracher zu einem respektablen Chinaböller.