Rechtliche Probleme bei Amazon Marketing Services

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Seit Kurzem bietet Amazon seinen neuen Werbedienst „Amazon Marketing Services“ auch in Deutschland an. Online-Rechtsexperte Dr. Martin Bahr beleuchtet die damit verbundenen rechtlichen Probleme und stellt Möglichkeiten dar, diese zu lösen.

Teil 1: Amazon Marketing Services

Seit Kurzem bietet Amazon einen neuen Werbedienst an, nämlich „Amazon Marketing Services" (ausführlich zur technischen Seite siehe die guten Artikel bei etailment [http://einfach.st/ba5] und FOSTEC [http://einfach.st/ba6]). Amazon selbst informiert auf einer eigenen Webseite und in einer ausführlichen PDF-Anleitung zum kostenlosen Download (http://einfach.st/ba7).

Bei den Amazon Marketing Services handelt es sich – verkürzt dargestellt – um eine neue Display-Ad-Möglichkeit, die Werbekunden bei Amazon schalten können. Die Display-Ads werden jeweils oberhalb der Suchergebisse angezeigt:

Teil 2: Rechtliche Bewertung

A. Die Problemlage

Die rechtlichen Probleme liegen schnell auf der Hand: Was passiert, wenn ein unmittelbarer Konkurrent auf den Produktnamen eines Mitbewerbers bucht? Was bedeutet es, wenn ein Dritter den markenrechtlich geschützten Begriff eines Unternehmens nutzt?

B. Rechtliche Bewertung

Da Amazon Marketing Services in seiner Funktionsweise stark den Google AdWords entspricht, wird man aus juristischer Sicht die dazu ergangene Rechtsprechung heranziehen können. Daher ist es sinnvoll, sich einmal die bisherigen Urteile zur AdWords-Problematik anzuschauen.

1. Rechtslage bei Google AdWords

a) Grundsatz

Grundsätzlich gilt hier: Die Nutzung fremder Markennamen im sichtbaren Bereich bzw. im HTML-Quelltext ist im Zweifel eine Rechtsverletzung und daher nicht erlaubt. Von einer solchen Verwendung kann daher nur dringend abgeraten werden.

Die Nutzung eines geschützten Kennzeichens als bloßes Keyword hingegen ist grundsätzlich erlaubt.

Daraus ergibt sich folgende Übersicht:

Nutzung im sichtbaren  Bereich/im Quelltext

Nutzung als Keyword

Rechtsverletzung, nicht erlaubt

Grundsätzlich erlaubt. Es handelt sich nach ständiger Rechtsprechung weder um eine Markenverletzung noch um eine Wettbewerbsverletzung.

b) Ausnahmen

Es gibt jedoch (derzeit) drei wichtige Ausnahmen, in denen die Rechtsprechung auch in den Fällen der bloßen Keyword-Nutzung eine Rechtsverletzung bejaht.

1. Ausnahme: Bekannte Marke

In einer Entscheidung vom Februar 2013 (BGH, Urt. v. 20.02.2013 – Az.: Az.: I ZR 172/11) haben die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) ihre bisherige Rechtsprechung zu Keywords bei AdWords verfeinert.

Die Beklagte, die eis.de GmbH, schaltete damals eine AdWords-Anzeige wie folgt:

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Eis.de/_Erotik-Shop_&_Erotik-Shop

Sie verwendete als Keyword hierfür den Begriff „Beate Uhse“. Beate Uhse ging gegen die Benutzung vor. Der BGH bekräftigte zunächst seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Markenverletzung grundsätzlich ausscheide, da die Anzeige räumlich in einem abgetrennten Bereich erschienen sei und zudem deutlich mache, dass es sich bei dem Anbieter nicht um Beate Uhse, sondern um die Plattform „eis.de“ handle.

Neu an der Entscheidung ist, dass die Karlsruher Richter hier gleichwohl doch ausnahmsweise eine Markenverletzung bejahten. Wenn es sich nämlich um eine bekannte Marke handle, so liege bereits in der Verwendung des Begriffs als Keyword eine Rechtsverletzung. Die Klägerin (Beate Uhse) hatte vorgetragen, dass das Wort ausgesprochen hohe Bekanntheitswerte genieße und für den Bereich von Erotikprodukten die in Deutschland bekannteste Marke sei. Da die Vorinstanzen keine Ausführungen zu dem Umstand gemacht hatten, ob es sich bei „Beate Uhse" tatsächlich um eine bekannte Marke handle, musste das Verfahren neu aufgerollt werden.

2. Ausnahme: User nimmt wirtschaftliche Verbindung mit Markeninhaber an

Der BGH hat in einer weiteren Entscheidung (BGH, Urt. v. 27.06.2013 – Az.: I ZR 53/12) klargestellt, unter welchen Umständen die Verwendung von Marken als Keywords im Rahmen einer AdWords-Werbung ebenfalls doch eine Rechtsverletzung ist.

Die Beklagte, Betreiber der Webseite Blumenbutler.de, inserierte online wie folgt:

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und

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Mit kostenloser Grußkarte

www.blumenbutler.de/blumenversand

Als Keyword verwendete das Unternehmen u. a. „Fleurop". Das Unternehmen FLEUROP sah hierin eine Markenverletzung und ging gegen Blumenbutler vor. Der BGH bejahte den Anspruch.

Zwar sei die Verwendung von fremden Marken als Keyword im Rahmen von Google-AdWords-Anzeigen grundsätzlich zulässig, solange der markenrechtlich geschützte Begriff nicht selbst in der Annonce auftauche.

Hier liege der Fall jedoch ausnahmsweise anders. Den Verbrauchern sei bekannt, dass es sich bei FLEUROP um ein bekanntes Vertriebssystem handle. Der Internet-Nutzer wisse, dass FLEUROP bundesweit Blumenbestellungen vermittle und demnach mit einer Vielzahl von Geschäftspartnern (hier: ca. 8.000) kooperiere.

Angesichts dieses Umstandes werde der User bei Betrachten der AdWords-Anzeige davon ausgehen, dass es eine wirtschaftliche Verbindung zwischen FLEUROP und Blumenbutler gebe, was aber gerade nicht der Fall sei. Daher werde die Herkunftsfunktion der Marke FLEUROP beeinträchtigt, sodass eine Markenverletzung zu bejahen sei.

3. Ausnahme: User nimmt an, dass es sich bei Werbendem um Markeninhaber handelt

Die dritte Konstellation betrifft Fälle, in denen nicht deutlich wird, dass es sich bei dem Inserenten nicht um den Markeninhaber handelt.

Auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (OLG Hamburg, Urt. v. 22.01.2015 – Az.: 5 U 271/11) hat noch einmal klargestellt, dass nicht immer und ausnahmslos fremde Marken als Keywords bei Google AdWords erlaubt sind.

Die Beklagten hatten den markenrechtlich geschützten Begriff „Parship" verwendet und folgende Buchung vorgenommen:

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Obgleich das geschützte Wort nirgends auftauchte, bejahte das Gericht einen Rechtsverstoß. Denn aus der Anzeige werde nicht hinreichend deutlich, dass es sich bei dem Werbenden nicht um den Markeninhaber handle, sondern um einen Dritten.

Aus dem Text werde nicht ersichtlich, ob Parship selbst oder ein Dritter die Anzeige gebucht habe. Die in dieser Anzeige verwendeten Worte wiesen nur allgemein auf Dienstleistungen im Bereich der Partnerschaftsvermittlung hin.

Nichts anderes gelte für die Internet-Domain „partnersuche.de“. Auch diese sei in keiner Weise geeignet, dem Suchinteressenten ein einigermaßen klares Bild zu verschaffen. Sie sei ebenfalls vollständig vage. Bei dem Wort „Partnersuche“ handle es sich um einen generischen Begriff, der ebenso wie „Versicherung“, „Skilaufen“ oder „Kochbuch“ in erster Linie auf ein bestimmtes Interessengebiet, nicht aber auf einen konkreten Anbieter hinweise.

2.  Übertragbarkeit der AdWords-Rechtsprechung auf Amazon Marketing Services

Die zu AdWords ergangene Rechtsprechung wird man nahtlos auch auf den neuen Amazon-Dienst übertragen können. Dies bedeutet: Die Nutzung einer fremden Marke im sichtbaren Bereich bzw. im Quelltext stellt eine Rechtsverletzung dar und sollte tunlichst vermieden werden. Die Verwendung fremder Kennzeichen als bloßes Keyword hingegen ist erlaubt. Mit den oben erörterten Ausnahmen eben.

Daraus ergibt sich folgende Übersicht:

Nutzung einer fremden Marken im sichtbaren Bereich/im Quelltext bei Amazon Marketing Services   

Nutzung einer fremden Marke als Keyword bei Amazon Marketing Services

Rechtsverletzung, nicht erlaubt

Grundsätzlich erlaubt. Es handelt sich nach ständiger Rechtsprechung weder um eine Markenverletzung noch um eine Wettbewerbsverletzung.

Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass die Anzeige räumlich in einem abgetrennten Bereich erscheint und zudem deutlich macht, dass es sich bei dem Werbenden nicht um den Markeninhaber handelt.

Eben diese Voraussetzung erfüllt die aktuelle Ausgestaltung bei Amazon derzeit aus zwei Gründen nicht.

a) 1. Grund: Unerwartetes Werbeformat

Der durchschnittliche Amazon-Kunde ist nicht daran gewöhnt, bei Suchergebnissen von Markenprodukten oberhalb der Ergebnisse Fremd-Werbung eingeblendet zu bekommen. Vielmehr bietet sich ihm aktuell ein anderes Bild:

Während der Internet-Nutzer bei Suchmaschinen wie Google oder Bing daran gewöhnt ist, oberhalb der Suchergebnis Werbung eingeblendet zu erhalten, ist dies bei Amazon (bislang) nicht der Fall.

Der Amazon-Käufer erwartet daher klassischerweise bei Eingabe eines bestimmten Markennamens Suchergebnisse zu dem Markenprodukt, nicht jedoch die Anzeige eines unmittelbaren Mitbewerbers.

b) 2. Grund: Mangelhafte optische Ausgestaltung

Der Hinweis „Anzeige“ ist derzeit stark rechtsbündig und optisch so zurückhaltend platziert, dass nur der absolut aufmerksame User ihn entdecken wird. Der durchschnittliche Amazon-Kunde hingegen wird davon ausgehen, dass es sich um ein übliches Suchergebnis handelt, d. h., dass es ein Produkt des jeweiligen Markeninhabers ist. 

Eben damit erfüllt diese Keyword-Buchung nicht mehr die Vorgaben des BGH und ist damit rechtswidrig.

Teil 3: Praktische Konsequenzen

1. Für Inserenten

Da – wie zuvor erläutert – die derzeitige Amazon-Gestaltung rechtlich erhebliche Risiken birgt, empfiehlt es sich für den Werbetreibenden, selbst im eigenen Werbetext darauf hinzuweisen, dass es sich um Produkte seiner Firma und nicht um die des Markeninhabers handelt. Nur so wird der Inserent einer Haftung entgehen können, solange Amazon an der Art der Ausgestaltung nichts ändert.

Die Gefahr, dass hier dem Inserenten der Vorwurf der wettbewerbswidrigen Schleichwerbung gemacht wird, da er nicht auf den Status einer Anzeige hinweist, bleibt dadurch freilich unberührt.

2. Für Markeninhaber

Ähnlich wie Google AdWords kann auch bei Amazon Marketing Services der Markeninhaber sich an Amazon wenden. Das Unternehmen erklärt dazu selbst:

„Amazon respektiert die geistigen Eigentumsrechte anderer. Wenn Sie ein Markeneigentümer sind und glauben, dass Ihre geistigen Eigentumsrechte verletzt wurden, senden Sie eine Nachricht gemäß den Schritten in Ansprüche aus Immaterialgüterrechten.“

Offen bleibt dabei, ob Amazon in einem solchen Fall lediglich die einzelne Anzeige sperrt oder das gesamte Keyword wie bei AdWords.