Die notwendige Verknüpfung von Affiliate-Marketing und Display-Advertising, der Einsatz von unternehmenseigenen Daten im Online-Marketing sowie ein intelligentes Storytelling waren die Kernthemen der diesjährigen TactixX. Vernetzt werden müssen künftig nicht nur die Disziplinen, sondern auch Daten und Inhalte der Werbungtreibenden. Größte Herausforderung dabei bleiben ein geräteübergreifendes Tracking sowie der automatisierte Handel mit Online-Werbung in Echtzeit. Ein Rückblick.
TactixX 2015:
Datengetriebenes Marketing eröffnet Affiliate-Marketing und Display-Advertising neue Chancen
Traditionell traf sich die Branche Ende März zur TactixX im Internationalen Congress Center der Messe München. Zum Auftakt der Fachkonferenz begrüßten die Veranstalter Dino Leupold von Löwenthal und Lukas Schertel zusammen mit Geschäftsführer Matthias Riedle (alle explido»iProspect) die mehr als 400 Teilnehmer mit einem neuen Konzept. Aus der Affiliate TactixX wurde 2015 die TactixX. Damit widmete sich die führende Branchenveranstaltung im Affiliate-Marketing erstmals einem weiteren Kanal: Display-Advertising. Im Zeitalter des datengetriebenen Marketings sind die Partner, die solche Kampagnen ausliefern, oftmals die gleichen. In der Praxis rücken beide Disziplinen deshalb immer enger zusammen, weshalb sie künftig auch miteinander vernetzt geplant und ausgesteuert werden sollten.
Trotz sinkender Klickraten im klassischen Mediabereich und einer zunehmenden Banner-Blindness der User ist Display-Advertising im Online-Marketing eine unverzichtbare Werbeform geblieben. Abgerechnet wird diese vor allem auf Tausenderkontaktpreis-Basis – d. h., es wird ein fester Preis pro 1.000 Werbeeinblendungen bezahlt. Im Gegensatz zu früher werden die Kampagnen heute jedoch immer öfter optimiert – und das fortlaufend. Realtime-Advertising eröffnete der Branche hier neue Möglichkeiten. In diesem Zusammenhang wird die Disziplin deshalb gerne auch als Performance Display bezeichnet.
In seinem TactixX-Vortrag „Performance ist Trumpf“ beschäftigte sich Ulrich Bartholomäus von affilinet mit den Stärken und Schwächen von Affiliate-Marketing und Performance Display. Durch ihre Vernetzung sieht er die Vorteile beider Disziplinen gebündelt: Werbetreibende bieten automatisiert auf einzelne Werbeeinblendungen. Sie entscheiden dadurch selbst, welches User-Profil für sie relevant ist und welchen Preis sie für die Ad Impression – die Einblendung ihrer Werbeanzeige – zu zahlen bereit sind. Darüber hinaus müssen sie Websitebetreiber nur noch dann vergüten, wenn das entsprechende Werbemittel auch den gewünschten Erfolg – zum Beispiel einen Klick oder Sale – erzielt.
„Unternehmen müssen endlich die Betrachtung nach Kanälen auflösen.“
Der Nutzer steht im Fokus
Ziel der Werbungtreibenden und ihrer Dienstleister sollte es künftig sein, dem richtigen Kunden das richtige Produkt zur richtigen Zeit zu präsentieren. Diese Meinung vertritt auch Referent Tobias Allgeyer von CJ Affiliate by Conversant. Unternehmen müssten endlich die Betrachtung nach Kanälen auflösen, forderte er in seinem Vortrag. Stattdessen sei es wichtig, den User zum exakt passenden Zeitpunkt auf dem gerade genutzten Endgerät zu erreichen und individuell anzusprechen. Die Lösung dafür sind dynamische Werbemittel. Dabei wird zunächst nur der Frame, also ein leerer Rahmen, ausgeliefert. Die Inhalte setzen sich anschließend automatisiert nach den Interessen und Bedürfnissen des jeweiligen Users zusammen. Kurz gesagt: Sie werden personalisiert. So erhält beispielsweise eine Frau Anfang 30, die online nach einer Herrenarmbanduhr als Geschenk sucht, andere Werbemittel eingeblendet als ein Best Ager Mitte 60, der sich außerdem für schnelle Autos und teure Lederschuhe interessiert.
„Dynamische Werbemittel brauchen vor allem einen großen Datenpool.“
Grundvoraussetzungen für den Einsatz dynamischer Werbemittel sind eine zentrale Datenbasis, in der die On- und Offline-Daten des Werbungtreibenden zusammenfließen, ein kanal- und geräteübergreifendes Tracking sowie die notwendige Abspaltung personenbezogener Daten aufgrund aktueller Datenschutzbestimmungen. CJ Affiliate by Conversant, erläutert Tobias Allgeyer weiter, weist so beispielsweise jedem anonymisierten Userprofil bis zu 255 Attribute, also Eigenschaften (z. B. männlich, zwischen 40 und 50 Jahre, interessiert sich für Golf, überwiegend nach 19 Uhr online) zu. Dadurch wird sich die Menge der zu verarbeitenden Daten in den kommenden Jahren weiter vervielfachen. Während Google zum Beispiel 2007 noch Informationen über das User-Verhalten im Volumen von ca. 2.000 GB pro Sekunde erfasste, werden dies 2017 voraussichtlich rund 37.000 GB pro Sekunde sein.
Erfolgsfaktor Storytelling
Neben der nutzerorientierten Aussteuerung gewinnt im Online-Marketing auch ein intelligentes Storytelling zunehmend an Bedeutung. Denn: Entscheidend ist, was der Kunde wahrnimmt – und zwar kanal- und geräteübergreifend. Vor allem beim Retargeting wird dieser Punkt bislang sträflich vernachlässigt. Dabei ist intelligentes Storytelling ein Instrument, das in der Praxis sehr gut funktioniert: Es reduziert den Nervfaktor der Werbung für den User und sorgt durch die hohe Relevanz der Inhalte für höhere Klickraten. Wer also künftig zum Beispiel einen Fotoapparat erwirbt, sollte im Anschluss Werbemittel mit Fototaschen oder -zubehör angezeigt bekommen anstatt wie bisher die bereits erworbene Kamera in Dauereinblendung.
Die Keynote auf der diesjährigen TactixX hielt Persönlichkeitstrainer Jörg Löhr. Er stellte „Wege zur Höchstleistung“ vor und gab Tipps für mehr Leistungsfähigkeit und Motivation im Büro. Seine Thesen leitete er aus dem Spitzensport ab. So zum Beispiel: „Alles, was Menschen innerhalb von 72 Stunden angehen, wird zu 90 Prozent auch umgesetzt.“ Aufraffen statt Aufschieben lautete hier die Devise. Schließlich käme Handeln ja auch von Hand und nicht von Maul – sonst hieße es ja Maulen. Auch das viel beworbene Expertenwissen der Anwesenden nahm Löhr auf die Schippe: Erfolg komme schließlich zu 85 Prozent aus persönlicher Kompetenz und nur zu 15 Prozent aus Fachkompetenz – wobei die Basis natürlich schon durch Fachwissen gelegt wird.
Herausforderung Cross-Device-Tracking
Im Anschluss an die unterhaltsame Keynote folgte das erste Panel des Tages. Zum Thema Retargeting diskutierten Alexander Gösswein (Criteo), Hendrik Seifert (kupona), Lukas Schertel (explido»iProspect), Ralph Frühwald (myThings) und Wolfgang Sauter (Target Performance). Im Kern ging es darin um die schrittweise Abkehr der Branche vom CPO (Cost per Order) als einzig relevanter Leistungskennzahl. Künftig – da waren sich die Experten einig – werden KPIs wie
- Incremental Sales (die Anzahl der Verkäufe bzw. die Höhe der Erträge, die ohne die Einblendung des jeweiligen Werbemittels nicht zustande gekommen wären),
- Customer Lifetime Value (der gesamte Wert eines Kunden, den dieser im Laufe der Zeit, in der er Kunde des Unternehmens ist, für dieses darstellt),
- Micro Conversions (die während eines Bestellprozesses erfolgreich absolvierten Einzelschritte, also zum Beispiel das virtuelle In-den-Warenkorb-Legen eines Produktes durch den Besucher)
oder die intelligente geräteübergreifende Ansprache der Nutzer stärker im Fokus stehen.
„Das Ziel ‚Sales‘ hat sich nicht verändert. Aber die Ausgangssituation“, fasst Alexander Gösswein die Debatte zusammen. Wer heute einen korrekten CPO ermitteln will, muss zuerst dafür sorgen, dass das Tracking geräteübergreifend verlässlich funktioniert. Und genau hier liegt derzeit noch das Problem. Eine schnelle Lösung muss her. Denn gleichzeitig werden beispielsweise im Netzwerk von CJ Affiliate by Conversant bereits heute 20 Prozent der Umsätze über mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets generiert, bei affilinet sind es 15 Prozent. Dabei ist vor allem im Modebereich der Anteil an mobilem Traffic besonders hoch; laut Ulrich Bartholomäus liegt dieser aktuell bei rund 50 Prozent.
Erst wenn die Branche die starke Cross-Device-Nutzung in den Griff bekommt, gewinnt auch der CPO als Leistungskennzahl wieder an Bedeutung. Dann jedoch nicht im klassischen Sinne, sondern in Form einer neuen Kerngröße: des Cross-CPO. „Bis es so weit ist, müssen sich Advertiser und Anbieter einer pragmatischen Diskussion um die Erhebung und Nutzung von Daten stellen: Wer sammelt welche Daten? Wem gehören die Daten? Wie werden die Daten weiterverwendet?“, warf Lukas Schertel in die Runde. Aktuell investieren vor allem die großen Versandhändler in eigene Systeme zur Datenanalyse und -nutzung.
1st-Party-Data mit Partnern teilen
Werbungtreibende sollen – so die am häufigsten geäußerte Forderung auf der TactixX – künftig ihre CRM- und Offline-Daten (sogenannte First-Party-Data) in die Planung und Aussteuerung ihrer Kampagnen einbinden. Die Diskussionsrunde wagte sich sogar noch einen Schritt weiter: Online-Händler sollen ihren großen Datenschatz – oder zumindest Teile davon – künftig mit ihren Partnern teilen. So könnte beispielsweise ein Online-Reifenhändler die Profile seiner markenaffinen Shop-Besucher den entsprechenden Reifenherstellern zur Verfügung stellen, damit diese die User via Display-Advertising erneut bewerben können. Der Online-Händler erhält dafür im Gegenzug eine nutzungsabhängige Vergütung auf Tausenderkontaktpreis-Basis.
Sind Werbungtreibende bereit, ihre Daten zu teilen, können sie die Effektivität der Disziplinen Affiliate-Marketing und Display-Advertising weiter steigern. Wolfgang Sauter ist sich sicher, dass die Zusammenführung der Daten das Geschäft in den nächsten Jahren elementar prägen wird. Hier muss man zwei Szenarien unterscheiden: zum einen den Datenaustausch zwischen Advertisern und ihren Partnern, zum anderen die Anreicherung des Datenpools eines Online-Marketing-Anbieters. First-Party-Data an Dienstleister zu übergeben, ist für viele Advertiser noch immer eine große technische Herausforderung. Zudem seien längst nicht alle E-Commerce-Händler bereit, eigene Daten anderen Marken und Händlern zur Verfügung zu stellen.
Übergreifende Kennzahlen nötig
Das zweite zentrale Panel der TactixX drehte sich um die Customer Journey und das Thema Multiattribution. Dabei werden innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses alle Kontaktpunkte eines Users mit der Werbung des Werbungtreibenden anteilig vergütet. Dabei zeichneten die Teilnehmer Björn Schaele (intelliAd), Ron Warncke (explido»iProspect), Thomas Bindl (Refined Labs) und Tom Alby (Google) eine nüchterne Momentaufnahme: „Alle sprechen darüber, aber kaum einer macht’s“, brachte Tom Alby das Dilemma übergreifender Attributionsmodelle auf den Punkt. Attributionsmanager seien Changemanager in den Unternehmen, weil sie vorhandene Strukturen verändern müssen. Den meisten Firmen fehle jedoch noch die Bereitschaft, ihre Organisation umzubauen. Und so verhindern letztendlich organisatorische Strukturen eine übergreifende Attribution. Die Folge: Kanäle werden nach wie vor nicht ganzheitlich betrachtet.
„Es wird weiterhin Silos geben. Aber wir brauchen übergreifende Kennzahlen zur Bewertung der Gesamtperformance.“
Thomas Bindl wies darauf hin, dass es weiterhin Silos geben wird. Aber die Branche brauche übergreifende Kennzahlen zur Bewertung der Gesamtperformance. Er gibt außerdem zu bedenken, dass sich Multiattribution nicht für jeden Werbungtreibenden eignet. In der Praxis hängt dies von zahlreichen Variablen wie Produkt, Preis oder bespielten Kanälen ab. „Tintenpatronenkäufer sind die illoyalste Klientel im E-Commerce“, gab Tom Alby zu bedenken. Der Grund: Die Produkte sind billig, die Händler austauschbar. Im Vergleich zu Last-Cookie-Wins ist eine dynamische Attribution das bessere Publishermodell im Affiliate-Marketing. Im gesamten Online-Marketing-Mix des Werbungtreibenden gewinnt der Kanal dadurch sogar an Bedeutung. Affiliates müssen jedoch unbedingt behutsam auf eine Umstellung des Publishermodells vorbereitet werden, warnte Mario Szirniks von Exactag ausdrücklich in seinem Vortrag.
Automatisierung größte Herausforderung
Am Ende des Tages war nichts von der manchmal beschworenen Untergangsstimmung für Affiliate zu spüren. Im Gegenteil: Datengetriebenes Marketing eröffnet sowohl dem Affiliate- als auch dem Display-Kanal neue Möglichkeiten. Gleichzeitig stellt Programmatic-Advertising, also der automatisierte Handel mit Online-Werbung in Echtzeit, jedoch auch die größte Herausforderung beider Disziplinen dar. Denn Automatisierung benötigt Daten. Das Sammeln allein reicht hier jedoch nicht. „Big data is no data without smart data“, war deshalb ein viel zitierter Merksatz auf der TactixX. Die Aussage dahinter ist simpel: Daten an sich liefern noch keinen Mehrwert. Erst ihre Verknüpfung, Analyse und Interpretation macht Data-Driven-Marketing erfolgreich.
Neben der Konferenz herrschte auch in der Speaker’s Corner reger Andrang. In 30-minütigen Impulsvorträgen präsentierten dort Unternehmen der Branche spannende Themen aus dem Affiliate-, Display- und Search-Bereich. Wer sich eher im kleinen Kreis austauschen wollte, nahm am Speed-Networking der TactixX teil. Pro Runde hatten Werbungtreibende, Publisher und Dienstleister je drei Minuten Zeit, sich mit ihrem Gegenüber zu vernetzen. Wem das Networking-Programm tagsüber nicht reichte, der hatte auch auf der TactixX-Party am Abend reichlich Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen. Die Party wurde gemeinsam mit der Internet-World-Messe – die parallel zur TactixX stattfand – in der Münchner Szene-Location Park Café veranstaltet.