Der blinde Griff zum Google Adwords Keyword Planner und anderen quasi-institutionalisierten „Keyword-Tools“ zur Keyword-Recherche birgt das Risiko, das verdammte Mittelmaß in der Online-Vermarktung systembedingt nie wirklich verlassen zu können.
Abgekratzt …
„Ich will jetzt meine Produkte über dieses Internetz verkaufen!“ Leuchtende Augen des Verkäufers. Und die Hoffnung auf leichte und unermessliche Reichtümer aus dem WWW. Direkt auf das eigene Konto. Szenen, bei denen sich Online-Marketing-Berater fröhlich die Hände reiben – vor allem dann, wenn ein Budget vorhanden ist, das investiert werden soll.
In der Praxis folgt dann üblicherweise zuerst eine „Keyword-Recherche“. So wird das „Potenzial“ ermittelt und folgende gängige Fragen beantwortet: Nach welchen angebotsspezifischen „Keywords“ wird bei Google gesucht? Und wie hoch ist das Suchvolumen für diese Begriffe?
Kurz darauf entstehen in der Regel dann die ersten bezahlten Suchmaschinen-Anzeigen. Und auf dieser Basis wird dann auch gern gleich eine SEO-Strategie entwickelt, um für die höchsten Suchvolumina eine möglichst gute Positionierung bei Google zu erreichen.
Moment ... was passiert hier? Macht diese Vorgehensweise im Jahr 2015 überhaupt noch Sinn?
Grundsätzlich können Suchmaschinen-Werkzeuge nur Daten anbieten, die ihnen zunächst von einem Kollektiv bereitgestellt wurden. Also Begriffe, die mehr oder weniger unreflektiert eingegeben werden. Das Resultat sind Terme, die per Design nur einen kleinen Ausschnitt der Realität wiedergeben. Und in der Praxis kommt es leider zu oft vor, dass diese Terme eigentlich nur zweitrangig etwas mit dem eigentlichen Bedarf der realen Kundschaft zu tun haben.
Darüber hinaus sind Zahlen zu Keyword-Suchvolumina als unzuverlässig zu betrachten. Problematisch ist zum einen, dass sämtliche Wettbewerber genau dieselben, ohnehin teilweise manipulierten Daten zur Optimierung ihrer Online-Angebote nutzen. Damit sind ein Interessenskonflikt sowie ein geld- und technologiegetriebener Kampf vorprogrammiert. Zum anderen aber sagen die reinen Zahlen wenig über die Intention und den Kontext des Suchenden aus.
Und was ist, wenn sich Google „irrt“? Wenn die Suchmaschinenfirma aus Mountain View schlicht nur über falsche Daten verfügt? Was ist, wenn die Bedarfsgruppe eine ganz andere Terminologie zur Beschreibung des Bedarfs verwendet? Wohin führt der Gedanke, dass die Bedarfsgruppe vielleicht während einer völlig ungeeigneten Phase mit Google in Berührung kommt?
Die klassische „Keyword-Recherche“ hat längst ausgedient. Dennoch wird sie nach wie vor betrieben, als hätte sich nichts verändert. Spätestens, seit Google Website-Betreibern keine Keyword-Daten mehr über Suchabfragen zur Verfügung stellt („not provided“), sollten Online-Marketing-Verantwortliche aufgewacht sein: Es geht darum zu verstehen, dass sie sich von einzelnen angebotsspezifischen Suchbegriffen zu situativ und kontextuell getriebenen Intentionen ihrer Kunden weiterentwickeln müssen.
Das ist natürlich aufwendig. Und es gibt so gut wie keine „Tools“ dafür. Nein: Es kann keine Werkzeuge geben, um relevante Begrifflichkeiten zu erschließen, mit denen das Kollektiv noch nie eine Suchmaschine gefüttert hat. Und doch sind gerade diese „quasi non-existenten“ Begrifflichkeiten regelrechte Konversions-Goldgruben.
Jeder verantwortungsvolle Online-Marketing-Manager sollte ab sofort den geliebten, aber blinden Griff zu den institutionalisierten Keyword-Tools kritisch hinterfragen: „Liefert dieses Werkzeug belastbare Informationen über den Antrieb, der den konkreten Bedarf meiner zukünftigen Kunden weckt?“