Schon seit einiger Zeit sehen Facebook-Nutzer nur einen Teil dessen, was ihre Freunde und Unternehmen, denen sie folgen, im sozialen Netzwerk publizieren. Ein Algorithmus übernimmt hierbei die Filterfunktion. Damit ergibt sich für die Nutzung von Facebook als Marketinginstrument eine ähnliche Situation wie beim Suchmaschinenmarketing. Für Unternehmen, die ihre Kommunikation auf Facebook optimieren wollen, stehen zwei grundsätzliche Vorgehensweisen zur Verfügung: entweder Budgets für die Anzeigenschaltung einzusetzen oder sich mit der Wirkungsweise des Algorithmus zu befassen, um so die organische Reichweite von Beiträgen auf Facebook zu optimieren. Letzteres erfordert ähnliche Vorgehens- und Denkweisen wie bei der SEO. Andreas Wagener stellt im Folgenden einige Ansatzpunkte für eine „Posting-Optimierung“ bei Facebook vor.
Ähhh … Hallo? … Ist da jemand?
Ein intensiv diskutiertes Thema der letzten Monate war die sukzessive Reduzierung der „organischen Reichweite“ der Posts von Unternehmensseiten auf Facebook. Zahlreiche namhafte Unternehmen beschwerten sich über immer weniger Resonanz auf die auf ihren Facebook-Pages publizierten Beiträge.
Tatsächlich hat Facebook in den letzten Monaten den Newsfeed-Algorithmus – in der Vergangenheit auch „Edge Rank“ genannt –, der die Kriterien festlegt, nach denen ein Posting für Adressaten sichtbar wird, sehr stark angepasst. Dies führte zu erheblichen Verringerungen der Reichweite. Verschiedene Tests bestätigen, dass ein Posting einer Unternehmens-Fanpage meist nur noch von weniger als 10 % der Fans gesehen wird, mit einer im Zeitverlauf fallenden Tendenz (siehe auch einfach.st/baw1 und einfach.st/fber1). Natürlich liegt dies auch daran, wie auch schon in den frühen Phasen Facebooks, dass nicht jeder Nutzer akribisch seinen Newsstream seit dem letzten Facebook-Besuch nach neuen Meldungen aus seinem Netzwerk durchforstet. Und auch die wachsende Zahl an Teilnehmern und publizierten Inhalten erhöht die Konkurrenz um Aufmerksamkeit. Aber die sich im Zeitverlauf sukzessive reduzierende Reichweite weist darauf hin, dass die strukturellen Anpassungen des Algorithmus hier einen massiven Einfluss haben.
Facebook selbst begründet dies mit dem Ziel, dem Nutzer ein besseres Leseerlebnis zu ermöglichen. Wie man auf der offiziellen Facebook-Newsseite lesen konnte, würden inzwischen dermaßen viele Inhalte über Facebook kommuniziert, dass ohne ein Eingreifen in die Ausgabelogik des Systems der Nutzer von der Masse der Informationen völlig überfordert wäre (http://einfach.st/baw2). Facebook übernimmt also einen großen Teil der Filterfunktion für den Nutzer. Natürlich geht es hierbei auch vor allem darum, ein Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten, denn Ziel muss für Facebook sein, den Anzeigenumsatz sicherzustellen und auszubauen. Unternehmen, die organisch sämtliche Fans erreichen können, fehlt der Anreiz, hierfür Budgets in Facebook Ads zu investieren. Dieses Vorgehen scheint auch notwendig zu sein, da einzelne Tests immer wieder belegen, dass die Conversion-Rate für organische Postings nicht oder nur unwesentlich unter derjenigen der bezahlten Contents (Facebook Ads) liegt – ganz im Gegensatz übrigens zu der Situation bei Twitter (http://einfach.st/baw3).
Funktionsweise des Facebook-Newsfeed-Algorithmus
Dennoch versucht sich Facebook bei der Festlegung, was für den jeweiligen Nutzer zu sehen ist und was nicht, an den vermuteten Nutzerbedürfnissen zu orientieren: Genau wie bei Google geht es hierbei um Relevanz. Analog zu den Bestrebungen der Suchmaschinen bemüht sich Facebook, die Filterkriterien am Qualitätsbegriff des Contents festzumachen und darüber hinaus für jeden Nutzer aus seinen Vorlieben, Gewohnheiten, seiner Stellung innerhalb seines Netzwerkes sowie aus der spezifischen Nutzungssituation heraus zu optimieren. Der Facebook-Newsfeed-Algorithmus soll dabei an die 100.000 Einflussgrößen berücksichtigen. Der Algorithmus bestimmt Relevanz jeweils je Post und individuell je Empfänger. Das bedeutet, dass für jeden auf Facebook publizierten Inhalt ein Relevanzwert berechnet wird, anhand dessen dann automatisiert eine Entscheidung erfolgt, ob ein einzelner Nutzer diesen in seinem Newsfeed angezeigt bekommt oder nicht. Als wichtigste Einflussfaktoren hierfür gelten (http://einfach.st/baw1):
- Wie relevant („populär“) sind bzw. waren grundsätzlich die Beiträge des „Postenden“? Wie oft wurden diese mit einem „Like“ versehen, wie oft wurden sie kommentiert, geteilt und geklickt. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Klick oder ein „Gefällt mir“ geringer gewertet wird als ein Kommentar oder sogar ein „Teilen“ des Inhaltes. Wer also grundsätzlich populäre Inhalte auf Facebook absetzt, kann mit einer größeren Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass auch sein nächster Inhalt einer breiten Masse zugänglich gemacht wird.
- Als wie relevant hat der spezifische Nutzer in der Vergangenheit die Beiträge des Absenders eingestuft? Je regelmäßiger und intensiver ein Nutzer mit einem anderen oder einer Facebook-Page interagiert, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihm auch weitere Beiträge des Absenders angezeigt werden.
- Wie relevant war dieser eine spezifische Post, über den nun „entschieden“ wird, bisher? Wenn ein Inhalt bereits von vielen Nutzern als relevant identifiziert wurde, also viele Klicks, Likes, Kommentare erhielt und oft geteilt wurde, so erhöht dies die Chance, dass dieser nun auch einem weiteren Nutzer angezeigt wird.
- Wie relevant ist die spezifische Art eines Inhaltes? Hierbei kann es einerseits um das Format (Bilder, Videos, textliche Status-Updates) gehen, als auch um die damit übermittelten Inhalte. Kurz ausgedrückt: Einem Nutzer, der in der Vergangenheit mit Katzenfotos interagierte, werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit weitere Katzenfotos im Newsfeed angeboten.
- Wie alt (und originär) ist der gepostete Inhalt? Es liegt auf der Hand, dass Inhalte, die bereits vor längerer Zeit publiziert wurden, eine geringere Relevanz besitzen dürften, nicht nur, weil der Newscharakter fehlt, sondern auch, weil es sich hierbei womöglich um einen nicht totzukriegenden Wiedergänger handelt, der bereits mehrfach auf Facebook die Runde machte. Das bedeutet auch, dass originäre Postings, deren Ursprung auf den Absender zurückzuführen ist, grundsätzlich einen Relevanzvorteil gegenüber an anderer Stelle aufgelesenen und verbreiteten Inhalten haben.
- Welchen Status hat der „Postende“: Unternehmensseite vs. Personenseite? Aus einzelnen Tests wird ersichtlich, dass die Reichweitenbeschränkung zwar auch bei Facebook-Personenseiten auftritt, aber offensichtlich in weitaus geringerem Maße als bei Unternehmensseiten. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Letztere sind weitaus eher im Fokus der Werbevermarktung bei Facebook.
Wie oben bereits angedeutet, kann die Kenntnis dieser Wirkungszusammenhänge einen Handlungsansatz für die Erhöhung der organischen Reichweite eröffnen. Daraus lassen sich die im Folgenden beschriebenen potenziellen Stellschrauben ableiten.
Strategie der grundsätzlichen Stärkung der Reputation, die Erhöhung des „Author Rank“
Zunächst scheint der Aufbau einer individuellen Reputation entscheidend. Wer in der Vergangenheit viel Relevantes publizierte, dem wird auch für die Gegenwart ein Vertrauensvorschuss in die inhaltliche Relevanz gewährt. Facebook scheint sich damit am Kriterium des „Author Rank“ zu orientieren, dessen Logik z. B. auch im Influencer-Marketing, bei der Berechnung der Kloutzahl oder auch bei der Relevanzmessung bei Google (Patent für den „Agent Rank“), z. B. bis vor Kurzem bei der Berücksichtigung von Beiträgen aus Google+, eine Rolle spielte. Konkret heißt das, dass jede Form von Interaktion und Engagement von Dritten mit den eigenen publizierten Inhalten auf die grundsätzliche Reputation einzahlt und damit die Chance eröffnet, bevorzugt im Newsfeed der Nutzer angezeigt zu werden. Dieser Einflussfaktor ist zunächst unabhängig von der Art des Inhaltes. Es besteht also die Möglichkeit, die eigene Relevanz mit populären, „mehrheitskonformen“ Postings, die viel Interaktion nach sich ziehen, nach oben zu treiben, um dann damit die Plattform zu schaffen, andere, vermutlich weniger populäre Inhalte ebenfalls reichweitenwirksam zu platzieren.
Wer dies in Perfektion verinnerlicht zu haben scheint, ist George Takei, den man in Deutschland am ehesten als ehemaligen Darsteller des Mr. Sulus in der Star-Trek-TV-Serie aus den 1960ern kennt. 2012 wurde der damals 76-jährige Takei vom Fachportal Mashable zur „most influential person on Facebook“ gekürt. Seine mittlerweile mehr als 7,7 Millionen Fans unterhält er in erster Linie mit Beiträgen, die aus anderen Quellen zusammengetragen wurden und von ihm auf seiner Facebook-Seite geteilt werden (http://einfach.st/takei). Dazu gehören Variationen von klassischen Internet-Memes, originelle Amazon-Produktrezensionen oder amüsante und emotionalisierende Fotos. Ein Bild beispielsweise, das einen Vater mit seinem Sohn an der Hand im Baumarkt zeigt, beide solidarisch in Superheldenkostüme gekleidet, und mit der Bildbeschreibung „I know a good Dad, when I see one“ versehen ist, erhält dann auch schon mal knapp 215.000 Likes und wird fast 60.000-mal geteilt. Gleichzeitig ist Takei Buchautor und Homosexuellenaktivist. Seinen Facebook-Auftritt nutzt er auch zur Vermarktung seines Bestsellers „Oh Myyy“ und zur Adressierung seiner gesellschaftspolitischen Agenda. Dabei bewirkt die durch die eher unterhaltenden Postings gewonnene Popularität und Relevanz, dass auch Beiträge zu diesen Themen, die inhaltlich völlig anders ausgerichtet sind, einem großen Publikum zugespielt werden; zum einen, weil der Facebook-Algorithmus den Absender als grundsätzlich relevant einstuft, und zum anderen, weil mit seinen unterhaltenden Beiträgen ansonsten stark interagiert wird.
Grundsätzlich gilt es zu Beginn auch zu überlegen, ob statt einer klassischen Facebook-Unternehmensseite vielleicht ein persönliches Profil, mit dem andere Nutzer sich „befreunden“ können, zielführend ist. Sinnvoll kann dies für die Inhaber kleiner Unternehmen sowie Freiberufler sein, aber ggf. auch für größere Unternehmen, die sich „Evangelisten“ leisten, also Mitarbeiter, die als personalisiertes Sprachrohr des Unternehmens auftreten. Natürlich unterliegt dieser Weg verschiedenen Beschränkungen, so ist etwa die Anzahl der Freunde derzeit auf maximal 5.000 limitiert. Auch muss die Trennung zwischen privat und geschäftlich in diesem Szenario sauber organisiert werden, was selten ohne Probleme abläuft. Wie erwähnt, ist aber die potenzielle organische Reichweite in diesem Fall schon von Beginn an größer als bei Unternehmensseiten. Abgesehen davon wird so eine vertraulichere und verbindlichere Form der Kommunikation ermöglicht. Diese ist dann allerdings auch zwingend notwendig – „spammende“ Freunde hat schließlich niemand gern in seinen Kreisen. Geschickt eingesetzt – siehe Takei –, lassen sich aber so über mittelbare Themenplatzierung, über klassisches „Agendasetting“, die angestrebten qualitativen Kommunikationsziele erreichen und dabei das quantitative Reichweitenpotenzial optimal ausschöpfen.
Operative Posting-Optimierung
Neben dieser grundsätzlichen Relevanz des Publizierenden entscheidet auch die – eher kurzfristige – Relevanz eines einzelnen Beitrages, welche Reichweite dieser erhält. Damit rücken Maßnahmen ins Blickfeld, die punktuell die Community zur Interaktion bewegen. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch das eigentlich zwischenzeitlich verpönte einfache „Sammeln“ von Likes wieder an Bedeutung. Typische Haltungen wie „Mich interessiert nicht, wie viele Likes ich habe, für mich zählt nur die Qualität der Follower“ haben in Bezug auf die Manipulation des Facebook-Algorithmus eine geringere Relevanz. Vielmehr sind sämtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, ein Maximum an Reaktion auf ein Posting zu erhalten, auch solche, die inhaltlich einen geringeren Markenbezug aufweisen, grundsätzlich geeignet, die Reichweite zu erhöhen.
Bereits 2011 äußerte sich Facebook selbst dazu, welche Regeln es einzuhalten gilt, um für einen Post eine möglichst hohe Reichweite und Interaktion zu erzielen (http://einfach.st/fbreg). Dazu zählen:
- Die Beiträge sollten nicht mehr als 100–250 Zeichen umfassen. Die Interaktionsrate dieser Posts liegt 60 % über der längerer Beiträge.
- Mit Bildern und Videos wird ein deutlich höheres Engagement (bis 180 %) der Nutzer erreicht als mit reinen Textbeiträgen.
- Fragen stellen: Das kann von der Meinung der Nutzer zur farblichen Ausgestaltung eines neuen Produktes bis hin zum klassischen „No-brainer“ des „fill-in-the-blank“ („Heute trage ich Socken in der Farbe __________“) reichen.
- Anlässe nutzen: Beiträge, die einen Bezug zu einem aktuellen Ereignis oder wiederkehrenden Anlass haben, z. B. zum Valentinstag oder Vatertag, erhalten ein höheres Engagement. Es ist auch immer wieder erstaunlich, wie viel Interaktion sich durch simple und sinnentleerte „Montagmorgen-Posts“ und freitägliche „Wir wünschen Euch ein erholsames Wochenende“-Posts erzielen lässt.
- Anreize geben, indem man den Zugang zu gutem, teilbarem Inhalt ermöglicht. Dieser sollte dann nicht hinter Registrierungen versteckt oder auf externen Landingpages geparkt sein, weil dann womöglich nicht mehr aus Facebook heraus geteilt wird bzw. der Nutzer bereits zu weit entfernt ist, um in seinem Newsfeed noch auf „gefällt mir“ zu klicken. Idealerweise ist der Nutzen im Vorschaufenster des Newsfeeds sichtbar und an Facebook gebunden. Optimal werden diese Voraussetzungen erfüllt durch Videos (weil in der Regel auf Facebook deren Quelle nicht mehr sichtbar ist) und Infografiken (weil diese aufgrund ihrer visuellen Größe offline nicht attraktiv sind, also in der Regel geteilt und nicht z. B. ausgedruckt oder direkt in Präsentationen übernommen werden).
Allerdings scheint Facebook allmählich allzu plumpen Manipulationen einen Riegel vorzuschieben. Ähnlich wie Google, wo z. B. Linkfarmen und Ähnliches „abgestraft“ werden, definierte Facebook erste Regeln für die Beschaffenheit und Qualität von Beiträgen. Ein Verstoß dagegen führt zu einer Relevanzabwertung des Algorithmus (http://einfach.st/owens):
- „Like Baiting“ nennt Facebook das stupide Einwerben von Likes und auch anderen Formen von Interaktion gänzlich ohne inhaltlichen Bezug und tiefer gehenden Sinnzusammenhang. Unter diesen ausgeworfenen Interaktions-„Ködern” könnte man z. B. auch Aufforderungen à la „Wer den letzten Kommentar schreibt, erhält 500,00 Euro” verstehen. Ähnliches gilt für Beiträge wie: „Welcher Katzentyp bist Du: für 1. drücke ‚gefällt mir‘, für 2. hinterlasse einen Kommentar, für 3. teile diesen Beitrag.“ Ob Facebook aktuell tatsächlich, wie behauptet, derartige Postings flächendeckend ermitteln kann, bleibt abzuwarten. Ausdrücklich nicht hierunter fällt die Animation zu themenrelevanten Diskussionen. Vermutlich konzentriert sich Facebook hier auf Seiten, die häufig auf derartige Maßnahmen zurückgreifen – auf die Dosierung kommt es also an.
- Click Baiting: Damit wendet sich Facebook gegen Beiträge à la Heftig.co & Co, deren Inhalte nicht halten, was die vollmundigen und reißerischen Beitragsüberschriften versprechen. Um Beiträge als Click Baiting einzustufen, misst Facebook die Verweildauer bei den verlinkten Inhalten. Ferner spielt der Vergleich der Klickzahlen mit den korrespondierenden Größen „Diskutieren darüber“ und „Shares“ hier eine Rolle. Liegen die Klickzahlen ungewöhnlich höher als bei den Letzteren, führt dies zu einer Abwertung des Beitrages (http://einfach.st/fbbait). Auch hier ist davon auszugehen, dass sich dies ebenso auf die Gesamtreputation des Absenders auswirken dürfte.
- Frequently Circulated Content: Offensichtlich sind bereits „mehrfach zirkulierende Beiträge“ nicht nur weniger reichweitenwirksam, sondern können sich sogar negativ auf die Reputation und die allgemeine Publikationswahrscheinlichkeit des Postenden auswirken. Facebook bezieht hier bei der Identifikation diese Contents wohl die Anzahl der Klicks auf die Funktion „Inhalte verbergen” („I don’t want to see this“) mit ein, mittels derer Nutzer Signale aussenden können, was für sie interessant ist und was nicht.
- Vor diesem Hintergrund ist es natürlich nur konsequent, dass auch sogenannte „Spammy Links” einen Relevanzmalus erhalten, wobei Facebook damit auch irreführende Links, z. B. Links, die zu reinen Werbeseiten führen, und solche mit „unangemessener Sprache” meint. Als Bestimmungsgröße für Spammy Links werden u. a. die Like-Zahl und die Shares für den verlinkenden Beitrag herangezogen.
- Verlinkungen ohne Facebook-Linkformat: Facebook priorisiert Beiträge, die auf dem klassischen „Linkformat“ beruhen, welches automatisch Anwendung findet, wenn man einen Link bei der Publikation ins Statusfenster kopiert, gegenüber solchen, die lediglich, z. B. bei einer Bildbeschreibung, „von Hand“ eingefügt werden. Letzteres ist etwa der Fall, wenn ein Bild hochgeladen und die Bildbeschreibung („photo caption“) mit einem weiterführenden Link versehen wird. Die verringerte Relevanz ist auch deshalb naheliegend, weil dann, anders als beim nativen „Linkformat“, bei einem Klick auf das Bild nicht der verlinkte Content, sondern die Kommentarseite zum Bild aufgerufen wird (http://einfach.st/lafferty). Facebook weist darauf hin, dass Beiträge im „Linkformat“ vor allem bei mobilen Endgeräten wegen der kleineren Displays beliebter sind. Auch ist hier ein Teil des dahinter platzierten Textes zu lesen, was zu mehr Vertrauen bei den Nutzern führt und dadurch die „Klickschwelle“ senkt.
Posting-Optimierung und Markenführung
Natürlich wird die Reduzierung auf die oben genannten formalen Kriterien zum Posten von Inhalten bei dem einen oder anderen „Markenpuristen“ heftige allergische Reaktionen auslösen. Nicht alles, was Interaktion bringt, passt nach landläufiger Auffassung auch zur Marke. Ob dieser Einwand wirklich zutreffend ist, soll hier nicht weiter erörtert werden. Wenn es einer Marke gelingt, ihre Anhänger zu unterhalten und zu binden, dürfte dafür jedes Mittel recht sein, ließe sich dagegen anführen, ebenso die Frage, ob Facebook überhaupt als Instrument zur Markenführung taugt.
Aber die Vereinigung von reichweitenoptimalem Posting-Verhalten und Markenführungsbelangen muss kein Widerspruch sein. Facebook „belohnt“, wie erwähnt, originäre Beiträge, weil diese naturgemäß den höchsten Neuigkeitswert besitzen. Einige Unternehmen schöpfen selbst sehr erfolgreich regelmäßig und gezielt geeignete Inhalte. Dabei muss es sich nicht immer um ein aufwendiges Video handeln. Gerade wenn es hier um Regelmäßigkeit geht, sind vor allem eigens geschaffene Bilder sehr effektiv. Als Vorreiter und gute Beispiele können hier etwa McDonald’s, die britische „Kult-Biermarke“ Newcastle Brown Ale, aber auch deutsche Marken wie Warsteiner genannt werden. Beiträge auf diesem Niveau abzusetzen, ist sicherlich die Königsdisziplin der Reichweitenoptimierung auf Facebook. Damit werden sowohl die Aspekte der Markenführung als auch die in der Logik des Algorithmus liegenden Anforderungen aufs Beste erfüllt.
Nun wird sicherlich nicht jedes Unternehmen in der Lage sein, einen solchen Aufwand zu betreiben. Wer jedoch nicht selbst produziert, kann „kuratieren“. Zur Aufgabe eines guten Social-Media-Marketings gehört nicht nur die Redaktion der eigenen Auftritte, sondern auch das permanente Beobachten. Dabei sollte es nicht nur um das Erfassen der Erwähnungen des eigenen Unternehmens in sozialen Medien gehen, sondern auch um die Suche nach geeigneten Inhalten, die über die eigene Plattform weiterverbreitet werden können. Natürlich lässt sich dafür vorab auch ein Anforderungskorridor der Markenführung definieren.
Um nicht in die Falle des „Frequently Circulated Contents“ zu tappen, ist es auch hier wichtig, das Augenmerk auf „frische“ Inhalte zu richten. Dies erfordert zwar ein regelmäßiges Screening und promptes Aufnehmen und (weiter-)publizieren, ist aber ansonsten, verglichen mit der Alternative der Eigenproduktion, nicht allzu aufwendig. Auch wenn der qualitativ höherwertige Ansatz in der Schaffung originärer Inhalte besteht, kann auch mit dieser „Low Budget“-Lösung die Anlage des Facebook-Algorithmus zur Reichweitenoptimierung genutzt werden. Allerdings setzt dies eine entsprechende Schwerpunktsetzung in der Organisation und Aufgabenstellung des Social-Media-Marketings voraus. Ein Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass die meisten Unternehmen sich bisher wenig um die aktive Suche nach guten weiterverbreitbaren Inhalten kümmern, sondern den Schwerpunkt auf die eher klassische direkte Kommunikation sowie das Monitoring der eigenen Performance setzen. Vor den hier beschriebenen Wirkungszusammenhängen aus betrachtet, dürfte das ein Fehler sein.
Fazit
Die Betrachtung der Wirkungsweise des Facebook-Newsfeed-Algorithmus offenbart viele Parallelen zur Relevanzbestimmung bei Google und anderen Suchmaschinen. Um im Social-Media-Marketing nicht allein auf bezahlte Reichweite angewiesen zu sein, lohnt es sich sicherlich, Anlehnungen bei der SEO zu nehmen. Auch wenn man Facebook guten Gewissens in erster Linie monetäre Interessen unterstellen kann, so orientiert sich das Konzept des Algorithmus doch daran, ein optimales Erlebnis für den Nutzer zu gewährleisten, mit dem Ziel, diesen dazu zu bewegen, die angebotenen Inhalte möglichst intensiv zu konsumieren sowie mit ihnen zu interagieren. Im Prinzip das Gleiche lässt sich über den Google-Algorithmus sagen.
Wie bei Google ist auch bei Facebook eine laufende Aktualisierung der Relevanzkriterien und Wirkungsmechanismen zu erwarten. Social-Media-Verantwortliche werden also gezwungen sein, diesen Prozess ständig wachsam zu begleiten, um auf mögliche Änderungen schnell und adäquat reagieren zu können. Leider leistet sich Facebook nicht wie Google einen Matt Cutts als Haus- und Hoforakel für die Deutung der Wirkungszusammenhänge des Algorithmus, jedenfalls nicht offiziell. Facebook scheint hier auf eine Strategie „inoffizieller Mitarbeiter“ zu setzen, die diese Funktion, jenseits der dürren Verlautbarungen auf den offiziellen Seiten, wohl „undercover“ im Gewand scheinbar unabhängiger Agenturen übernehmen. Daher ist bei der Entschlüsselung des Facebook-Algorithmus neben den eher seltenen offiziellen Verlautbarungen noch stärker auf logische Interpolationen und (eigene) Einzeltests zu setzen.
Es gibt Hinweise, dass sich die reduzierte organische Reichweite von im Schnitt etwa nur 10 % nach den Algorithmusanpassungen auch bei Seiten mit mehr als einer Million Fans durch gezielte Maßnahmen auf 50 % und mehr ausweiten lässt (http://einfach.st/allard). Dabei kann nicht belegt werden, dass „Qualität Masse schlägt“, wie immer wieder behauptet wird (http://einfach.st/weck) – jedenfalls nicht, wenn man einem klassischen medialen Qualitätsbegriff folgt. Qualität bei Facebook bedeutet bis auf Weiteres immer noch: Gut ist, was Interaktion bringt.