Du entwickelst enthusiastisch ein neues Produkt. Bringst es auf den Markt. Kämpfst um Kunden und Aufmerksamkeit. Wirst geschätzt. Geliebt. Und dann von Wettbewerbern kopiert und im Preis unterboten. Deine erste Reaktion: F*ck you, Copycat!
Abgekratzt …
„First Mover“ haben immer zeitliche Wettbewerbsvorteile: Sie machen etwas Unterscheidbares als Erste. Das zwingt bestehende Wettbewerber zur Imitation oder Reaktion. An First Mover erinnert man sich: der erste Mann auf dem Mond, der erste Atlantikflug, der erste Sex. Kaum einer kann Zweit- oder gar Drittplatzierte benennen – unser Gehirn funktioniert nun einmal so. Auch im militärischen Bereich und in der Evolution gilt der Erstschlag generell als förderlicher Wettbewerbsvorteil. Doch ein Blick in Wirtschaftszeitschriften zeigt, dass oft Copycats die Marktführerschaft erreichen, weil sie sich die Fehler und Schwächen der First Mover zunutze machen.
Nicht der First Mover Netscape, nicht der mächtige Nachfolger Altavista, sondern ein Nachzügler namens Google dominierte schnell die globale Suchmaschinenlandschaft. Google kopierte einfach Altavistas schlichtes und erfolgreiches Design. Paul Flaherty schickte damals wohl ein wütendes „F*ck you, Copycat“ in Richtung Menlo Park. Googles Lern- und Anpassungsstrategie sorgte dann für die dauerhaft wahrnehmbare Unterscheidungsfähigkeit.
Für den Erfolg eines First Movers ist der Zeitpunkt des frühen Markteinstiegs wichtig. Aber wichtiger für den dauerhaften Erfolg ist die Differenzierung gegenüber Wettbewerber-Strategien und -Taktiken. Es genügt nicht, nur Erster zu sein. Wichtig ist die dauerhafte Unterscheidungsfähigkeit.
Wie reagieren eigentlich die Kunden? Eine häufige Copycat-Strategie lautet: Preise provokant und massiv drücken. Es müssen ja nicht vergleichbare Forschungs- und Entwicklungs-Ressourcen finanziert werden. Billige Preise locken viele Kunden mit einem legitimen Unwillen zur Differenzierung auf den Plan: Gleiche Leistung, günstigerer Preis? Gekauft!
Kunden, die Wert auf langfristige Geschäftsbeziehungen legen, betrachten Angebote und deren Anbieter sorgfältig und differenziert und entscheiden sich oft gegen billigste Angebote: Zu hoch ist das Risiko, dass die finanzielle Grundlage des Anbieters auf schwachen Beinen steht. Und zu hoch ist die Gefahr, dass der reaktive Modus des Imitators für einen dauerhaften Wettbewerbsnachteil sorgt. Kunden innovativer First Mover profitieren als Erste von neuen Entwicklungen. Kunden von Copycats müssen warten, bis erfolgreiche Methoden und Technologien adaptiert werden.
Smarte First Mover setzen übrigens bevorzugt mehrschichtige Methoden ein, die bereits systembedingt nicht kopiert werden können, ohne ineffektiv oder gar unwirksam zu werden. In der Praxis kann häufig beobachtet werden, wie Kunden von rein kopiergetriebenen Unternehmen die Methoden unvollständig einsetzen. Das hat zur Folge, dass Investitionen ohne externes Benchmarking grundsätzlich ineffektiv verwendet werden.
Smarte Copycats kopieren erfolgreiche Methoden möglichst vollständig und entwickeln daraus kontinuierlich als differenzierbar wahrnehmbare Angebote für ihre Kunden. Nur so entsteht ein ernsthaft wettbewerbsfähiger Mehrwert.
Innovatoren und First Mover brauchen Mut und Energie. Wer sich einmal gegen die vom umgebenden Kollektiv erwarteten Verhaltensmuster durchsetzen musste, kann das nachvollziehen. First Mover zu sein erfordert oft sprichwörtliche „Eier aus Stahl“. Reine Imitatoren ohne weitere Innovationskraft kommen mit Styropor-Eiern aus. Solange nur oberflächlich Preis und Leistung betrachtet werden, ist alles o. k. Styropor schmilzt übrigens ab 100 Grad Celsius. ;-)